Wenn sich der Gegenstandswert ändert

In zivilrechtlichen Angelegenheiten gilt: Je höher der Gegenstandswert bzw. Streitwert, desto höher die Rechtsanwaltsgebühren. Das ergibt sich aus § 2 RVG:

„(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.“

(§ 2 RVG)

Doch welcher Zeitpunkt ist für die Wertberechnung heranzuziehen?

Maßgeblich ist der der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Gebührentatbestand durch die Tätigkeit gemäß Auftrag ausgelöst wird (vgl. z.B. Bischof / Jungbauer / Bräuer / Klipstein / Klüsener / Kerber: RVG, 8. Auflage 2018, § 2 Rnr. 24).

Nach § 15 Abs. 2 RVG gilt:

„Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.“

(§ 15 Abs. 2 RVG)

Der Gebührentatbestand (z.B. die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG) kann im Laufe einer Angelegenheit allerdings mehrfach ausgelöst werden. Ändert sich der Wert des Gegenstandes während der Tätigkeit und löst die Tätigkeit erneut die Gebühr aus, so ist der höchste Wert des Zeitraums der Tätigkeit maßgeblich (vgl. z.B. Schneider/Wolf RVG 7. Aufl. § 2 Rn. 34).

Das heißt also: Wenn sich bei einer außergerichtlichen Vertretung der Gegenstandswert bzw. Streitwert ändert, gilt der höchste Wert innerhalb des Tätigkeitszeitraums.

Für gerichtliche Verfahren gilt § 40 GKG:

„Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.“

Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bei unterschiedlich hohen Streitwerten

Nach der Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG wird eine außergerichtliche Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstands nach Teil 2 entsteht, zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

Es kommt aber mitunter vor, dass die Streitwerte (Gegenstandswerte) vorgerichtlich und gerichtlich unterschiedlich hoch sind. Dann stellt sich die Frage, aus welchem Streitwert die Anrechnung zu erfolgen hat.

Beispiel 1: Ein Rechtsanwalt wird beauftragt, außergerichtlich eine Forderung von 20.000,- € geltend zu machen. Auf ein Forderungsschreiben des Rechtsanwalts zahlt der Gegner aber nur 10.000,- €. Der Rechtsanwalt erhält daher den Auftrag, die verbleibenden 10.000,- € einzuklagen.

Lösung: Außergerichtlich ist hier eine Geschäftsgebühr nach dem Wert von 20.000,- € entstanden. In das gerichtliche Verfahren ist allerdings nur ein Wert von 10.000,- € übergegangen. Nur aus diesem Wert entsteht die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Anzurechnen ist daher auch nur die Hälfte der Geschäftsgebühr aus einem Wert von 10.000,- €.

Beispiel 2: Ein Rechtsanwalt wird beauftragt, außergerichtlich eine Forderung von 10.000,- € geltend zu machen. Auf ein Forderungsschreiben des Rechtsanwalts erfolgt keine Zahlung. Der Rechtsanwalt erhält daher den Auftrag, die 10.000,- € zuzüglich weiterer 5.000,- € (die bislang noch nicht geltend gemacht wurden) einzuklagen.

Lösung: In diesem Beispiel erfolgt die Anrechnung auf Grundlage des vollen Streitwerts für die außergerichtliche Tätigkeit. Denn der vorgerichtlich geltend gemachte Anspruch ist in dem Klageantrag vollständig mit enthalten. Die Anrechnung hat also aus einem Wert in Höhe von 10.000,- € zu erfolgen.

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