Wer ohne Einwilligung oder sonstige Berechtigung Werbe-E-Mails erhält, hat gegen den Versender einen Unterlassungsanspruch. Er kann von diesem die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen.
Strafbewehrt bedeutet, dass sich der Versender für jeden Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe verpflichten muss.
Wurde eine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben, stellt sich für den Gläubiger die Frage, in welcher Höhe er bei Verstößen eine Vertragsstrafe verlangen kann.
Häufig wird ein Vertragsstrafeversprechen nach dem sogenannten „Hamburger Brauch“ abgegeben, das heißt, die Höhe der Vertragsstrafe wird in das Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellt und kann im Streitfall durch das zuständige Gericht überprüft werden.
Möglich ist aber auch, dass eine konkrete Vertragsstrafe in die Unterlassungserklärung mit aufgenommen wird.
Hierzu hat das Oberlandesgericht Hamm im Jahr 2016 entschieden, dass für das unerwünschte Zusenden von Werbe-E-Mails unter Kaufleuten nach einem vorausgegangenen Vertragsstrafeversprechen eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 € angemessen ist. Der Leitsatz der Entscheidung lautet:
„Für das unerwünschte Zusenden einer E-Mail-Werbung kann unter Kaufleuten – nach vorausgegangenem Vertragsstrafeversprechen – eine Vertragsstrafe von 3.000 Euro zu zahlen sein.“
(OLG Hamm, Urteil vom 25. November 2016 – I-9 U 66/15)
In den Entscheidungsgründen führt das OLG Hamm hierzu aus:
„Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und zugleich aus der von der Beklagten unterzeichneten Unterlassungserklärung vom 07.02.2011 ergebender Anspruch zu, ihr, der Klägerin, unaufgefordert keine Werbeschreiben per e mail zuzusenden, so wie es am 19.08.2014 geschehen ist.
(…)
Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gem. § 343 HGB ist mit Blick auf § 348 HGB ausgeschlossen, da die Beklagte als Kaufmann im Rahmen ihres Handelsgewerbes gehandelt hat. Eine Herabsetzung nach § 242 BGB scheidet aus, weil das dafür erforderliche Missverhältnis der Vertragsstrafe zu dem Gewicht der Zuwiderhandlung, was bei Erreichen des Doppelten der nach § 343 HGB angemessenen Vertragsstrafe der Fall sein kann, nicht festgestellt werden kann. Ein solches Missverhältnis ist unter Berücksichtigung des vom Senat zugleich festgesetzten angemessenen Streitwerts der Angelegenheit auf den ersten Blick hin zu verneinen.“
(OLG Hamm, Urteil vom 25. November 2016 – I-9 U 66/15)
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München aus dem Jahr 2019. Auch in diesem Fall ging es zwar nicht um eine Vertragsstrafe nach dem Hamburger Brauch, da die Unterlassungserklärung für den Fall einer Zuwiderhandlung einen festen Betrag in Höhe von 500 € vorsah. Das OLG München entschied hier, dass die Vertragsstrafe herabgesetzt werden kann, wenn der Unterlassungsgläubiger durch Untätigbleiben wesentlich zu mehrfachen Verstößen beigetragen hat:
„Trotz der nach obigen Ausführungen zugrunde zu legenden 13 Verstöße, für die an sich insgesamt eine Vertragsstrafe in Höhe der geforderten EUR 6.500,– als verwirkt anzusehen wäre, ist die Beklagte indes lediglich zur Zahlung einer Vertragsstrafe iHv EUR 1.500,– zu verurteilen.
Auch wenn es nach obigen Ausführungen grds. möglich ist, dass die Parteien eines Unterlassungsvertrags sowohl die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs als auch diejenige der Handlungseinheit vertraglich zu Lasten des Schuldners ausschließen, kommt gleichwohl in Ausnahmefällen eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gem. § 242 BGB in Betracht, etwa bei einem Ansammeln von Vertragsstrafen in bedrohlicher Höhe (…). Steht eine vereinbarte Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung, ist ihre Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB geboten, auch wenn eine Verringerung der Vertragsstrafe wegen unverhältnismäßiger Höhe nach § 343 BGB gem. § 348 HGB ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist die Vertragsstrafe nicht auf die nach § 343 BGB angemessene Höhe, sondern nur auf das Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen würde (…).
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall zu übertragen, auch wenn die insgesamt geforderte Höhe von EUR 6.500,– für die Beklagte mangels anderer Anhaltspunkte nicht als bedrohlich anzusehen ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger durch seine Untätigkeit entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Anzahl von E-Mails an den Kläger überhaupt versandt hat. Er nutzte mithin die in der – ohnehin sehr weit zu seinen Gunsten gefassten – Unterlassungsverpflichtungserklärung vorgesehene Vertragsstrafe nicht dazu, die Beklagte anzuhalten, „endlich“ mit den ihn angeblich so sehr belästigenden E-Mails an seine Domain aufzuhören, sondern in erster Linie dazu, einen Betrag anzusammeln, der deutlich attraktiver ist als der Betrag, den die Beklagte bei frühzeitiger Geltendmachung hätte zahlen müssen. Da es aber gerade nicht Sinn und Zweck einer Unterlassungserklärung ist, dem Gläubiger eine neue Einnahmequelle zu verschaffen, sondern ihm ein wirksames Instrument an die Hand zu geben, die Schuldnerin von weiteren Verletzungshandlungen abzuhalten, kann die hier vom Gläubiger gewählte Vorgehensweise nicht mehr als mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vereinbar angesehen werden.
Der Senat hält es angesichts dessen für geboten, den von der Beklagten an den Kläger zu zahlenden Betrag auf EUR 1.500,– zu kürzen.“
(OLG München, Urteil vom 19. Dezember 2019 – 29 U 1144/19)
Mit anderen Worten: Der Unterlassungsgläubiger darf weitere Verstöße – etwa in Form unverlangter Werbezusendungen – nicht einfach ansammeln, um sie anschließend gemeinsam geltend zu machen. Dies wäre rechtsmissbräuchlich.
