Thema:

Bei auswärtigen Gerichtsterminen wird aufgrund der z.T. weiten Anreise häufig auf Terminsvertreter in der Nähe des Gerichts zurückgegriffen. Hiernach stellt sich dann die Frage, inwieweit die Kosten des Terminsvertreters von der Gegenseite zu erstatten sind.

Wann kann eine Terminsvertretung nach RVG abgerechnet werden?

Das RVG regelt hinsichtlich der Vergütung nur das Verhältnis zwischen Partei und Rechtsanwalt. Beauftragt der Hauptbevollmächtigte dagegen einen Terminsvertreter im eigenen Namen, handelt es sich um eine individuelle Vergütungsvereinbarung zwischen den Rechtsanwälten.

Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach dem RVG können nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn die Beauftragung durch die Partei selbst oder in deren Namen erfolgt, siehe BGH, Beschluss vom 13. 7. 2011 – IV ZB 8/11:

„Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines berücksichtigungsfähigen Kostenansatzes gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht überspannt.

Zutreffend legt es im Ansatz zugrunde, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des RVG für einen Terminvertreter nur anfallen, wenn dieser von der Partei selbst beauftragt wird, nicht aber, wenn deren Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen den Auftrag zur Terminvertretung erteilt (…).“

BGH, Beschluss vom 13. 7. 2011 – IV ZB 8/11

Erfolgt dagegen die Beauftragung im Namen des Hauptbevollmächtigten, können dessen Kosten nicht als Auslagen geltend gemacht werden, siehe BGH, Beschluss vom 09.05.2023 – VIII ZB 53/21:

„Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (hier: 0,65-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG) fallen für einen Terminsvertreter nur an, wenn dieser von der Prozesspartei selbst oder in deren Namen durch den Prozessbevollmächtigten (Hauptbevollmächtigten) beauftragt worden ist, nicht hingegen, wenn letzterer im eigenen Namen den Auftrag zur Terminsvertretung erteilt hat (…).

Bei einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Hauptbevollmächtigten im eigenen Namen sind die Kosten des Terminsvertreters auch nicht als Auslagen des Hauptbevollmächtigten im Sinne der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG in Verbindung mit §§ 675, 670 BGB erstattungsfähig.“

(BGH, Beschluss vom 09.05.2023 – VIII ZB 53/21)

Bis zu welcher Höhe sind die Kosten eines Terminsvertreters erstattungsfähig?

Hierzu hat der BGH in seinem Beschluss vom 6. 11. 2014 (Az. I ZB 38/14) folgenden Leitsatz aufgestellt:

„Die Kosten der Einschaltung eines Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung sind bis 110 % der fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung erstattungsfähig.“

(BGH, Beschluss vom 6. 11. 2014 – I ZB 38/14)

Eine konkrete Berechnung hierzu findet man z.B. bei AG Wipperfürth, Beschluss vom 26.03.2021 – 9 C 245/19.

Unter welchen Voraussetzungen sind die Kosten eines auswärtigen Terminvertreters (Terminvertreter am dritten Ort) erstattungsfähig?

Hierzu exemplarisch eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.08.2006 – I-10 W 49/06). Es ging hierbei um folgende Konstellation:

  • Die beklagte Partei hatte ihren Wohnsitz in Hamburg
  • Die Hauptbevollmächtigten hatten Ihren Kanzleisitz in Hamburg
  • Die mündliche Verhandlung fand vor dem LG Duisburg statt
  • Der Terminsvertreter hatte seinen Kanzleisitz in Nordwalde

Das OLG Düsseldorf bejahte in diesem Fall eine Erstattungsfähigkeit, da die für die Terminswahrnehmung entstandenen Kosten unter den Kosten lagen, die bei einer Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären:

„Die Kosten, die im Falle eigener Terminswahrnehmung durch die Hauptbevollmächtigten entstanden wären, wären dem Grund nach zu erstatten. Die Beklagte war berechtigt, einen in der Nähe ihres Wohnortes bzw. Firmensitzes ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Vertretung zu betrauen. Sie war nicht etwa gehalten, sogleich einen am Ort des Prozessgerichtes ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen und schriftlich oder fernmündlich zu informieren.

Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohnortes ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ZPO dar. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung nur aufgrund eines persönlichen Gespräches erfolgen kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann nur dort eingreifen, wo schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist allenfalls dann anzunehmen, wenn ein gewerbliches Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, die die Sache bearbeitet hat, oder wenn es sich um einen in tatsächlicher Hinsicht auch von einem juristischen Laien überschaubaren Streit handelt, in dem etwa die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein oder keine Einwendungen zu erheben (…). Derartige Umstände sind jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Die für die Terminswahrnehmung durch den Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten liegen unter denen, die bei einer Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.

(…)

Die Beklagte war auch unter Beachtung des Kostengeringhaltungsgebotes nicht gehalten, sich im Termin zur mündlichen Verhandlung durch einen am Gerichtsort ansässigen Unterbevollmächtigten vertreten zu lassen. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, sie habe – wenn sie schon einen Unterbevollmächtigten einschalte – sogleich einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen können.

Auch die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die einer Partei durch Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Bei der Prüfung einer bestimmten Maßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise geboten (…).

Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Unterbevollmächtigten am sogenannten dritten Ort, der weder Gerichtsort noch Wohn- oder Geschäftsort der Partei ist, ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht entschieden. Nach Auffassung des Senats kann insoweit jedoch grundsätzlich nichts anderes gelten als für die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Hauptbevollmächtigten am sogenannten dritten Ort.

Die Reisekosten eines am dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten zum Termin sind bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwaltes erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (…). Hierbei sind die erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten am dritten Ort der Höhe nach nicht notwendig auf diejenigen Kosten beschränkt, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären (…). Darf die Partei mithin einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen, so ist sie – sofern dessen Reisekosten nicht überschritten werden – nicht daran gehindert, einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu bevollmächtigen. Die Partei wird kostenrechtlich nicht darauf verwiesen, dass sie – wenn sie schon keinen Anwalt an ihrem Geschäfts- oder Wohnsitz mandatiere – sogleich einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen könne. Vertretung durch einen Anwalt des Vertrauens am dritten Ort und Vertretung durch einen (beliebigen) Anwalt am Gerichtsort werden nicht als gleichwertige Maßnahmen gegenübergestellt, von denen die Partei die kostengünstigere auswählen muss. Lediglich die Erstattungsfähigkeit der Kosten wird der Höhe nach begrenzt auf die fiktiven Reisekosten eines am Wohn- und Geschäftsort der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten.

Die Interessenlage der Parteien bei der Auswahl eines Unterbevollmächtigten ist nicht anders zu beurteilen als bei Auswahl der eines Hauptbevollmächtigten. Für die Partei ist im Regelfall auch und gerade die Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung von besonderer Bedeutung, mithin ein grundsätzliches Bedürfnis anzuerkennen, durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu werden. Gerade aus diesem Grund werden nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes die Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zum Termin im Regelfall als erstattungsfähig angesehen. Schutzwürdige Belange des ausgleichspflichtigen Prozessgegners werden durch diese Wertung nicht berührt. In keinem Fall hat dieser höhere Kosten zu erstatten als bei der berechtigten Terminsvertretung durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.“

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.08.2006 – I-10 W 49/06)