Das Amtsgericht Böblingen hat eine Klage der Firma von Bartels GmbH gegen meinen Mandanten auf Zahlung des Kaufpreises aus einer Online-Bestellung abgewiesen.
Mein Mandant hatte bei der Firma von Bartels GmbH per E-Mail Heizungstechnik bestellt. Die von Bartels GmbH bestand nach der Bestellung auf Vorkassezahlung, was jedoch – jedenfalls nach Auffassung meines Mandanten – nicht vorher vereinbart worden war.
Mein Mandant entschied sich daher, die Bestellung zu widerrufen. Die von Bartels GmbH wollte diesen Widerruf allerdings nicht akzeptieren, da in der E-Mail-Signatur meines Mandanten ein Zusatz „(…)Energietechnik“ enthalten war, der eine Verbrauchereigenschaft ausschließe.
AG Böblingen weist Klage vollumfänglich ab
Da sich mein Mandant weigerte, den Kaufpreis zu zahlen, schlug die von Bartels GmbH den Rechtsweg ein. Das AG Böblingen wies die Klage jedoch vollumfänglich ab (AG Böblingen, Urteil vom 29.01.2025, Az. 1 C 728/23).
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der durch Abschluss eines Kaufvertrages zunächst entstandene Kaufpreisanspruch der Klägerin über die zwei Schichtladespeicher ist durch den wirksamen Widerruf des Beklagten erloschen, §§ 312g Abs. 1 Var.2, 355 Abs.1 und 2, 356 Abs.2 Nr.1a BGB.
1) Unstreitig ist zwischen den Parteien durch die Auftragsbestätigung der Klägerin mit E-Mail vom 29.03.2023 ein Kaufvertrag zustandegekommen. Dieser wurde jedoch durch den Beklagten mit E-Mail vom 11.05.2023 wirksam widerrufen.
Dem Beklagen stand zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu. Die Voraussetzungen hierfür sind erfüllt.
a) Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Kaufvertrag stellt unzweifelhaft einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB dar. Der Vertragsschluss erfolgte per E-Mail (siehe Auftragsbestätigung der Klägerin vom 29.03.2023) im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebsleistungssystems der Klägerin.
b) Mit E-Mail des Beklagten vom 11.05.2023 („hiermit storniere ich die Bestellung vom 29.03.2023“) hat der Beklagte die Bestellung widerrufen.
c) Auch wurde die Widerrufserklärung vom 11.05.2023 innerhalb der Widerrufsfrist des § 356 Abs. 2 Z. 1a BGB abgegeben.
d) Es handelt sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 355 BGB. Der Beklagte handelte bei Abschluss des Kaufvertrages als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB.
Verbraucher ist gemäß § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Ob eine Person Verbraucher oder Unternehmer ist, bestimmt sich nach der Zweckrichtung des Geschäftes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
Maßgebend hierbei ist, wie sich das Verhalten aus der Sicht eines objektiven Dritten darstellt. Der Verbraucher muss sich hierbei bei Vertragsschluss nicht eindeutig als Verbraucher zu erkennen geben (BGH, Urteil vom 30.09.2009, VIII ZR 7/09).
Danach hat der Beklagte bei der Bestellung der Schichtladespeicher objektiv als Verbraucher gehandelt, denn der Zweck seines Handelns war der Einbau der Ladespeicher in sein Privathaus. Dies ergibt sich aus der als Anlage B3 vorgelegten E-Mail des Beklagten vom 23.11.2022. Des Weiteren beschränkte sich die selbstständige Tätigkeit des Beklagten unter der Firmierung ‚(…)Energietechnik‘ auf den Verkauf von Strom und Wärme aus einem Blockkraftheizwerk und einer PV-Anlage bis zum 01.06.2023. Die bestellten Schichtladespeicher standen hiermit unstreitig in keinem Zusammenhang.
Zwar trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt. Unsicherheiten und Zweifel aufgrund der äußeren, für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäftes gehen indes aufgrund der negativen Formulierung des Gesetzes in § 13 BGB nicht zulasten des Verbrauchers (a.a.O.). Eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt nur dann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (BGH, Urteil vom 07.04.2021 VIII ZR 191/19). Der bloße zurechenbare Rechtsschein eines unternehmerischen Handelns kann nicht dafür ausreichen, einem Verbraucher den Schutz zwingender Schutzvorschriften zu entziehen.
Nach Ansicht des Gerichtes kann anhand den der Klägerin bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände nicht eindeutig und zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Beklagte in Verfolgung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelte. Allein der Umstand, dass der Beklagte in dem E-Mail Schriftverkehr als Zusatz den Namen der Firma angibt und die von der Klägerin ausgestellte Vertragsbestätigung an die Firma gerichtet ist, reichen nicht aus. Die hierdurch erweckten Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Beklagten gehen nicht zu seinen Lasten. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin als Anlage K2 und K3 E-Mails des Beklagten vor-legt, welche den Zusatz ‚(…)Energietechnik‘ gerade nicht enthalten.
Das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich einer Vorkassenvereinbarung – ob schriftlich oder telefonisch – ist unerheblich, da der Beklagte, wie dargetan, den Kaufvertrag wirksam widerrufen hat. Demnach war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 91 ZPO abzuweisen.“
Berufung vor dem LG Stuttgart erfolglos
Die von Bartels GmbH legte gegen das Urteil des AG Böblingen Berufung beim LG Stuttgart ein. Das LG Stuttgart erließ jedoch einen Hinweisbeschluss, wonach die Berufung keine Erfolgsaussichten hat (LG Stuttgart, Beschluss vom 07.08.2025, Az. 5 S 36/25):
„I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 531 Abs. 1 ZPO.
Die weiteren für die Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren erforderlichen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen vor. Es ist daher beabsichtigt, sie ohne mündliche Verhandlung gem. § 522 ZPO zurückzuweisen.
Hinsichtlich der getroffenen Feststellungen wird auf das angegriffene Urteil des Amtsgerichts Böblingen Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage aufgrund dieser Feststellungen zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, abgewiesen.
II. Mit der Berufung trägt die Klägerin vor, das Amtsgericht sei rechtsfehlerhaft von einer Verbrauchereigenschaft des Beklagten bei dessen Kauf der Schichtladespeicher und infolgedessen einem wirksamen Widerruf des streitgegenständlichen Kaufvertrags ausgegangen.
Dies ergebe sich entgegen der Argumentation des Amtsgerichts insbesondere nicht aus der Anlage B3, da die darin vorgelegte E-Mail des Beklagten gerade nicht zu erkennen gebe, dass die Schichtladespeicher in sein Privathaus eingebaut werden sollten (unten 1.).
Weiter sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen, dass der Beklagte seine selbständige Tätigkeit zum 01.06.2023 aufgegeben habe, dies sei angesichts des Vertragsschlusses am 29.03.2023 auch nicht relevant (unten 2.).
Zudem habe die Klägerin aufgrund der Firmierung des Beklagten unter „(…)Energietechnik“ davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte die Schichtladespeicher im Zusammenhang mit seiner gewerblichen Tätigkeit (dem Verkauf von Strom und Wärme aus einem Blockheizkraftwerk) erwerben wollte. Dies würde weiter belegt durch die fehlende Typizität des Kaufs von zwei Schichtladespeichern für den Privatgebrauch, dies habe vielmehr ebenfalls auf einen gewerblichen Zweck hingedeutet (unten 3.).
Zudem habe der Beklagte nach dem erklärten Widerruf geäußert, weiterhin Interesse am Vertrag zu haben, dies sei belegt durch die Mail vom 12.05. bzw. 16.05.2023, Anlage BK 2 (unten 4.).
III. Dieses Vorbringen der Klägerin in 2. Instanz rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1.) Das Amtsgericht hat in den Entscheidungsgründen die Voraussetzungen der Annahme einer Verbrauchereigenschaft des Beklagten für den streitgegenständlichen Vertragsschluss zutreffend dargestellt und das rechtsgeschäftliche Handeln des Beklagten folgerichtig dem Verbraucherbe-
griff gem. § 13 BGB zugeordnet.Dem ist nur Folgendes hinzuzufügen:
Nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Vermutung, dass das rechtsgeschäftliche Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist, da § 14 BGB den Zweck des Rechtsgeschäfts positiv umschreibt, während § 13 BGB eine negative Formulierung wählt (BGH NJW 2009, 3780). Eine Zuordnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt daher nur in Betracht, wenn die dem Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die
natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (BGH NJW 2009, 3780 Rn. 10 f.; seither mehrfach bestätigt, etwa durch BGHZ 232, 1 Rn. 46 = NJW 2022, 686).An diesem aus Verbraucherschutzgesichtspunkten sehr strengen Maßstab gemessen, weisen die Gesamtumstände gerade nicht eindeutig und zweifelsfrei auf ein Unternehmerhandeln des Beklagten hin. Dies gilt auch, ohne dass die Anlage B3 ausdrücklich erwähnt, dass die Schichtladespeicher in das Privathaus des Beklagten eingebaut werden sollten.
Die Verwendung des Zusatzes „(…)Energietechnik“ in der Korrespondenz legt zwar einen Zusammenhang des Erwerbs der Schichtladespeicher mit einer gewerblichen Tätigkeit nahe, dieser Eindruck wird aber durch weitere Umstände entkräftet. So spricht der Beklagte beispielsweise von der Erneuerung „unserer […] Solarthermie-Anlage“ (Anl. B 3 Bl. 63 AG) und erkundigt sich nach den Möglichkeiten des Einbaus durch die Klägerin (Anl. B 3 Bl. 65 AG). Ein Einbau durch die Klägerin legt eine Verwendung für den Privatgebrauch nahe, da anderenfalls der Beklagte eher eigene Mitarbeiter oder Subunternehmer für den Einbau beauftragt hätte.
In der Gesamtschau gab es daher genug Anhaltspunkte, welche der Klägerin vor dem Vertragsschluss Anlass zu Nachfragen beim Beklagten gegeben hätten.
2.) Wie die Berufung zutreffend darstellt, kommt es auf die später erfolgte Aufgabe des Gewerbes durch den Beklagten nicht an, entscheidend ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Wie dargestellt, handelte der Beklagte nach Auffassung der Kammer hier als Verbraucher, spätere Änderungen sind für den Rechtsstreit ohne Bedeutung.
3.) Es wurde unter III. 1.) bereits erläutert, dass die Firmierung unter „(…)Energietechnik“ nicht geeignet ist, zweifelsfrei und eindeutig ein Unternehmerhandeln des Beklagten zu belegen (vgl. zur Verneinung der Unternehmereigenschaft trotz Verwendung geschäftlicher Briefbögen BGH
NJW 2009, 3780). Auch die laut Klägerin für Privathaushalte ungewöhnliche Bestellung von zwei Schichtladespeichern lässt nicht den sicheren Schluss zu, dass der Beklagte als Unternehmer handelte. Wie dargestellt, hat der Beklagte schlicht zwei private Immobilien gleichzeitig saniert. Hierbei handelt es sich um eine naheliegende Erklärung für die Bestellung, die Annahme einer Unternehmereigenschaft lässt sich hieraus nicht ableiten.4.) Auch das später vom Beklagten geäußerte Interesse, den Vertrag möglicherweise doch durchzuführen, ändert nichts an der Wirksamkeit des Widerrufs durch den Beklagten. Schließlich steht hier nicht die Ernsthaftigkeit der Widerrufserklärung im Streit, sondern deren rechtliche Zulässigkeit. Der wirksame Widerruf als Gestaltungsrecht ist grundsätzlich bedingungsfeindlich und nach seinem Wirksamwerden durch Zugang unwiderruflich (vgl. MüKoBGB/Fritsche BGB § 355 Rn. 46). Das spätere Verhalten des Beklagten hätte daher ggf. zu einem neuen Vertragsschluss geführt, nicht aber den durch Widerruf der Willenserklärung erloschenen Vertrag wiederaufleben lassen. Ein neuer Vertragsschluss ist hier aber gerade nicht erfolgt.“
Die von Bartels GmbH nahm daraufhin die Berufung zurück. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
