Schadensersatz wegen Verdienstausfall bei Selbständigen

Bei einer Körperverletzung ist der Schädiger grundsätzlich verpflichtet, dem Geschädigten den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dazu gehört auch ein möglicher entgangener Gewinn bzw. Verdienstausfallschaden.

Bei Selbständigen sind hierbei einige Besonderheiten zu beachten:

Der Verdienstausfallschaden umfasst die Einbußen, die durch den unfallbedingten Arbeitsausfall entstehen. Bei Selbständigen wird aber nur der konkrete Ausfall ersetzt. Der zu ersetzende Schaden setzt voraus, dass sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sichtbar im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 20.10.2009 – VI ZB 53/08).

Das bedeutet, der Geschädigte muss nachweisen, dass ihm durch den Unfall konkrete Geschäfte entgangen sind oder er muss nachweisen, dass durch den Unfall eine Gewinnminderung eingetreten ist.

Das ist natürlich bei Selbständigen schwierig, da deren Einkommen im Gegensatz zu Angestellten häufig starken Schwankungen unterworfen ist. Eine konkrete, centgenaue Berechnung des Verdienstausfallschadens ist bei Selbständigen faktisch unmöglich.

Bei selbständig Tätigen ist zu prüfen, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (BGH, Urteil vom 03.03.1998 – VI ZR 385/96).

Wie muss der Schaden nachgewiesen werden?

Dem Geschädigten kommen hierbei gesetzliche Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute:

„Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.“ (§ 252 BGB)

„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.“ (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Diese Erleichterungen ändern aber nichts daran, dass es konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte darlegen und zur Überzeugung des Richters nachweisen muss. Allerdings dürfen an die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen für die Ermittlung des Erwerbsschadens keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, Urteil vom 03.03.1998 – VI ZR 385/96).

Ist ersichtlich, dass ein Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, so wird auch vermutet, dass der Gewinn erzielt worden wäre, für das Gegenteil wäre der Schädiger beweisbelastet (BGH, Urteil vom 19. 10. 2005 – VIII ZR 392/03).

Ist der Geschädigte z. B. Kaufmann, so entspricht es dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass er marktgängige Waren jederzeit zum Marktpreis absetzen kann (BGH, Urteil vom 19. 10. 2005 – VIII ZR 392/03).

Ein abstrakt geschätzter “Mindestschaden” darf jedoch nicht pauschal zugesprochen werden (BGH, Urteil vom 17.01.1995 – VI ZR 62/94).

Als Zwischenfazit lässt sich angesichts der vorgenannten Rechtsprechung festhalten, dass man im Schadensfall so viele betriebswirtschaftliche Unterlagen (=Anknüpfungstatsachen) vorlegen sollte wie möglich.

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass der Richter Rückschlüsse aus den vergangenen Geschäftsergebnissen ziehen darf (BGH, Urteil vom 6. 2. 2001 – VI ZR 339/99):

„Rechtlich bedenkenfrei hat das Berufungsgericht aus den Erträgnissen des klägerischen Betriebs in den letzten Jahren vor dem Unfall auf den Gewinn geschlossen, den der Kläger ohne den Unfall voraussichtlich erzielt hätte. Ist der Erwerbsschaden eines selbstständig Tätigen festzustellen, so wird es im Rahmen der § 252 BGB, § 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen.“

Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich nicht aufstellen (BGH, Urteil vom 6. 2. 2001 – VI ZR 339/99).

Ein Rückgriff nur auf den letzten Veranlagungszeitraum ist aber regelmäßig nicht ausreichend. Eine in die Zukunft gerichtete Prognose ist erst aufgrund einer mehrjährigen Rückschau zulässig, wobei drei Jahre in den meisten Fällen ausreichen dürften (vgl. LG Flensburg, Endurteil vom 22.12.2023 – 2 O 177/20).

Ein Verdienstausfallschaden kann also vom Gericht geschätzt werden, wenn vom Geschädigten ausreichende Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden. Daher sollten nach Möglichkeit so viele Geschäftsunterlagen wie möglich vorgelegt werden, z.B. Bilanzen, Gewinn-und-Verlust-Rechnungen oder Steuerbescheide. Bestenfalls sollten sich diese Unterlagen auf einen Zeitraum von drei Jahren oder mehr vor dem Unfall beziehen.

Der Erwerbsschaden kann übrigens auch in einem selbständigen Beweisverfahren ermittelt werden (BGH, Beschluss vom 20.10.2009 – VI ZB 53/08).

Wie viel kann der Geschädigte auf einmal verlangen?

Wer durch einen Unfall geschädigt wird, kann im schlimmsten Fall dauerhafte Erwerbsschäden erleiden. Für solche Erwerbsschäden kann der Geschädigte grundsätzlich „Erwerbsschadensersatz“ verlangen, wie § 842 BGB klarstellt:

„Die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen einer gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlung erstreckt sich auf die Nachteile, welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten herbeiführt.“

Nach dem BGB können solche Erwerbsschäden grundsätzlich nur in Form einer regelmäßigen Rentenzahlung geltend gemacht werden, § 843 Abs. 1 BGB:

„Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.“

Dagegen ist eine Kapitalabfindung, also die Zahlung eines Einmalbetrages, nur dann vorgesehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, § 843 Abs. 3 BGB:

„Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.“

Der Geschädigte hat also kein Wahlrecht zwischen den beiden Schadensersatzmodalitäten, sondern ist grundsätzlich auf den Rentenanspruch beschränkt (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 843 Rn. 29).

§ 843 Abs. 3 BGB bezieht sich allerdings nur auf künftige Ansprüche. Für bereits fällige Ansprüche kann der Verletzte mangels abweichender Regelung ohne Einschränkung Rente oder Kapitalabfindung verlangen (vgl. Staudinger/Vieweg/Lorz (2023) BGB § 843, Rn. 34).

Der Bundesgerichtshof hat hierzu in einer Entscheidung vom 13.07.2024 Folgendes ausgeführt:

„Für die Personenschäden (hier: Entzug des Rechts auf Unterhalt) schreibt § 13 StVG zwingend vor, daß der Ersatz für die Zukunft durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten ist, sofern nicht die auch hier anzuwendende Vorschrift des § 843 Abs 3 BGB Platz greift, nach der der Geschädigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Abfindung in Kapital verlangen kann. Für die Vergangenheit fehlt es an einer entsprechenden ausdrücklichen Vorschrift. Deshalb nimmt der Bundesgerichtshof in feststehender Rechtsprechung – und insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Reichsgerichts (…) an, daß der Verletzte die Wahl habe, ob er für die Vergangenheit Ersatz in Form von Kapital oder von Rente verlangen will (…). Mit Rücksicht auf die in § 12 StVG bestimmten Höchstbeträge für Kapital und Renten ist für den Verletzten bei kurzfristigen hohen Schäden die Kapitalzahlung günstiger, während bei einer längeren Laufzeit (mehr als 16 Jahre) die Rentenzahlung günstiger ist (…). Es bleibt die Frage, welcher Zeitpunkt darüber entscheidet, ob ein Schaden für die Vergangenheit geltend gemacht wird und damit nach der Wahl des Verletzten entweder in Kapital- oder in Rentenform zu ersetzen ist, oder ob er „für die Zukunft“ verlangt wird und damit ausschließlich in Rentenform zu ersetzen ist. Falls die Ansprüche im Wege des Prozesses durchgesetzt werden, wird man insoweit für die Regelfälle – insbesondere dann, wenn nur ein Gläubiger und auch nur ein Schädiger vorhanden ist – als maßgebenden Zeitpunkt den Tag der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz ansehen können.“

Fazit

Zusammenfassend lässt sich daher festhalten:

Künftige Erwerbsschäden können nach der Regelung der §§ 843 Abs. 1, Abs. 3 BGB grundsätzlich nur über eine regelmäßige Rentenzahlung ersetzt verlangt werden. Der Vorrang des Rentenanspruchs gilt aber nur für künftige Ansprüche. Soweit der Ersatzberechtigte bereits fällige Schadensersatzansprüche verlangt, also für bereits eingetretene Schäden, kann er frei zwischen Rente und Kapitalabfindung wählen (vgl. BeckOGK/Eichelberger, 1.3.2024, BGB § 843 Rn. 37).

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