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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung detailliert erläutert, wie der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG berechnet wird (BAG, Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 137/24).

Die wichtigsten Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Der Geldwert des abzugeltenden Urlaubs richtet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat.
  • Hat der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum seine Arbeit unverschuldet versäumt, ist sein gewöhnlicher Arbeitsverdienst für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete regelmäßige Arbeitszeit zugrunde zu legen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, führen zu keiner Minderung des Abgeltungsanspruchs.
  • Zu den Zeiten unverschuldeter Arbeitsversäumnis zählen auch solche Zeiten, in denen der Arbeitnehmer Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, diese Zeiten dürfen sich bei der Bemessung der Urlaubsvergütung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken.

Aus den Urteilsgründen:

„a) Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Abgeltungsanspruch ist entsprechend § 11 BUrlG zu berechnen (BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 38; 22. Oktober 2019 – 9 AZR 98/19 – Rn. 29 mwN). Die Höhe errechnet sich, ebenso wie die des Urlaubsentgelts, aus einer Multiplikation von Zeit- und Geldfaktor (BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – aaO mwN). Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung (vgl. BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 9).

aa) Der Zeitfaktor ergibt sich im bestehenden Arbeitsverhältnis aus dem durch den Urlaub ausfallenden Teil der Arbeitszeit. Er gehört zu dem unabdingbaren Teil der Bezahlung iSd. § 1 BUrlG (BAG 20. November 2018 – 9 AZR 349/18 – Rn. 31). Wie die infolge Urlaubs ausfallende Arbeitszeit zu vergüten ist (sog. Geldfaktor), bestimmt sich nach dem in § 11 Abs. 1 BUrlG geregelten Referenzprinzip (BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 39).

bb) Der Geldfaktor, dh. die Höhe der Vergütung, die je Zeiteinheit zu zahlen ist, bemisst sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, sofern nicht eine andere Berechnung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder nach § 13 BUrlG zulässiger kollektivrechtlicher oder vertraglicher Vereinbarungen zu erfolgen hat (st. Rspr. BAG 27. Juli 2021 – 9 AZR 376/20 – Rn. 30 mwN). Für die Ermittlung der Höhe des nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründeten Urlaubsabgeltungsanspruchs ist ebenfalls auf den durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen (BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 40 mwN).

cc) Hat der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum seine Arbeit unverschuldet versäumt, ist sein gewöhnlicher Arbeitsverdienst für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete regelmäßige Arbeitszeit zugrunde zu legen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, führen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG zu keiner Minderung des Abgeltungsanspruchs (BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 41 mwN).

dd) Zu den Zeiten unverschuldeter Arbeitsversäumnis zählen auch solche, in denen der Arbeitnehmer Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Mangels einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dürfen sie sich bei der Bemessung der Urlaubsvergütung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken. Die Erwerbsminderungsrente ist eine vom Gesetzgeber geschaffene Leistung für gesetzlich Versicherte, die nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung aufgrund einer vollen Erwerbsminderung nicht erbringen, wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich. Er wird nach § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 245/19 (A) – Rn. 27). Die Anknüpfung in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI an Krankheit und Behinderung macht deutlich, dass die eingetretene Arbeitsversäumnis unverschuldet ist. Die Inanspruchnahme voller Erwerbsminderungsrente ist nicht vorwerfbar und rechtfertigt daher keine Schmälerung des Urlaubsentgelts (vgl. zur Elternzeit BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 43 mwN).

ee) Dieses Verständnis entspricht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, deren Umsetzung ua. § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dient (vgl. BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 44 ff. mwN). Nach den unionsrechtlichen Vorgaben muss – soweit ein Urlaubsanspruch in bestimmter Höhe entstanden ist – das Urlaubsentgelt dem „gewöhnlichen Arbeitsentgelt“ des Arbeitnehmers entsprechen. Der Arbeitnehmer soll ein Entgelt erhalten, das mit der Vergütung für Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Zwar unterliegt die Struktur des gewöhnlichen Entgelts eines Arbeitnehmers als solche den Vorschriften und Gepflogenheiten des nationalen Rechts. Die nationale Regelung darf jedoch keinen Einfluss auf den Anspruch des Arbeitnehmers haben, während des ihm für Erholung und Entspannung zur Verfügung stehenden Zeitraums in den Genuss wirtschaftlicher Bedingungen zu kommen, die mit denen vergleichbar sind, die die Ausübung seiner Arbeit betreffen (EuGH 9. Dezember 2021 – C-217/20 – [Staatssecretaris van Financiën] Rn. 26 ff.). Diese Grundsätze stehen einer Kürzung des Urlaubsentgelts wegen Arbeitsversäumnis grundsätzlich und unabhängig davon entgegen, ob der Urlaubsanspruch als solcher nach § 3 Abs. 1 BUrlG wegen des Ausfalls von Arbeit gemindert wird (vgl. dazu BAG 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22 – Rn. 36 f., BAGE 181, 359; 30. November 2021 – 9 AZR 225/21 – Rn. 9 ff., BAGE 176, 251). Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das Unionsrecht eine Kürzung des Urlaubsentgelts bei schuldhafter Arbeitsversäumnis ausnahmsweise zulässt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente führt jedenfalls nicht zu einer verschuldeten Arbeitsversäumnis (vgl. zur Elternzeit BAG 16. April 2024 – 9 AZR 165/23 – Rn. 45).

b) Den danach von der Beklagten gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG geschuldeten Abgeltungsbetrag hat das Landesarbeitsgericht nach § 1 iVm. § 11 Abs. 1 BUrlG zutreffend berechnet.

aa) Es hat zu Recht für unschädlich erachtet, dass die Klägerin den Anspruch nicht auf einen Referenzzeitraum von 13 Wochen bezogen detailliert berechnet, sondern die Vergütung von sechs Arbeitsstunden täglich für jeden Urlaubstag in Ansatz gebracht hat. Bei Arbeitnehmern mit gleichmäßiger täglicher Arbeitszeit und konstanter Tagesvergütung bedarf es keiner ins Detail gehenden Berechnung (vgl. ErfK/Gallner 25. Aufl. BUrlG § 11 Rn. 19; MHdB ArbR/Klose 6. Aufl. § 87 Rn. 21; Bayreuther/Kiel/Zimmermann/Zimmermann 3. Aufl. BUrlG § 11 Rn. 7).

bb) Die Klägerin hat sechs Arbeitsstunden je Arbeitstag geschuldet. Ihr Resturlaub betrug 16 Tage für das Jahr 2018. Unter Berücksichtigung des im Jahr 2022 (bis zum 30. Juni) geltenden Mindestlohns ergibt sich eine von der Beklagten noch zu leistende Urlaubsabgeltung iHv. 942,72 Euro brutto (sechs Stunden x 9,82 Euro brutto x 16 Tage).“

(BAG, Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 137/24)