Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasst der Begriff der Werbung alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung ist demnach jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, Urteil vom 14. 1. 2016 – I ZR 65/14).
Im Rahmen der Imagewerbung steht dabei nicht die Werbung eines Produktes im Vordergrund, sondern der Eindruck, den ein Unternehmen oder ein Produkt in der Öffentlichkeit hinterlässt (AG Augsburg, Urteil vom 28. Juni 2022 – 19 C 518/22).
Das AG Kassel stellte hingegen klar, dass in der Zusendung einer ersten „Check-Mail“ im Rahmen eines Double-Opt-In-Prozesses keine Werbung zu sehen ist (AG Kassel, Urteil vom 26.04.2022 – 435 C 1051/21).
Etwas differenzierter entschied das LG Stendal: Eine E-Mail, mit der zu einer Bestätigung einer Anmeldung auf der Website der Beklagten aufgefordert wird, ist zulässig. Geht die E-Mail über die reine Aufforderung zur Bestätigung hinaus, z.B. aufgrund der Verwendung eines Logos sowie der Sätze „Welcome to ZzZzZzZzZ“ und „Hast du Fragen zum Newsletter? Kontaktiere uns über: info@ZzZzZzZzZ.de“, so handelt es sich um werbenden Inhalt, was einen rechtwidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt (LG Stendal, Urteil vom 12. Mai 2021 – 22 S 87/20).
Sind Kundenzufriedenheitsbefragungen Werbung?
Auch eine Kundenzufriedenheitsbefragung in einer E-Mail fällt unter den Begriff der (Direkt-)Werbung, selbst wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt erfolgt (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17; vgl. auch AG Neumarkt, Urteil vom 10. November 2022 – 3 C 270/22). Siehe auch AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14:
„Eine Privatperson hat Anspruch auf Unterlassung des Zusendens von Werbe-E-Mails aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB, da § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB neben dem Eigentum auch alle anderen absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB schützt. In den Schutzbereich fällt damit auch das auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhende allgemein Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die ohne vorherige Aufforderung seitens des E-Mail-Adressaten getätigte Zusendung von E-Mails zu geschäftlichen Zwecken, stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von diesen E-Mails Betroffenen dar. Derartige Kontaktaufnahmen beeinträchtigen nämlich regelmäßig die Lebensführung des Betroffenen. Der Betroffene muss sich mit den Mitteilungen auseinandersetzen. Er muss sie sichten und aussortieren. Für ihn entsteht damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand.
Auch elektronische Werbung in Form einer automatisierten Eingangsbestätigung (Autoreply) fällt unter dieses Verbot. Auch dann, wenn sich Werbung lediglich im Abspann befindet und zuvor der Eingang einer E-Mail bestätigt wird. Auch dann, wenn sich der Kläger damit schlussendlich als erstes an die Beklagte gewandt hat.
Die Zusendung einer einzigen Werbemail rechtfertigt regelmäßig die erforderliche Wiederholungsgefahr. Da diese sich aus der Erstbegehung ergibt und aus der Ablehnung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Allein das Ändern der automatisierten Antwort und das Entfernen der Werbung aus jener reichen nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Der Streitwert für die Zusendung von Werbemails an Privatpersonen bemisst sich auf 5.000 €.“
(AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14)
Was ist bei „gemischten“ E-Mails?
Werbung wird auch nicht durch andere Inhalte „neutralisiert“. Auch wenn der weit überwiegende Teil einer E-Mail z. B. keine Werbung enthält, hat dies nicht zur Folge, dass das werbliche Element von vornherein keine Werbung darstellen könnte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in solchen Konstellationen für die Annahme, die Nutzung der elektronischen Post sei durch den zulässigen Teil der E-Mail insgesamt gerechtfertigt, kein Raum (KG Berlin, Urteil vom 15. September 2021 – 5 U 35/20).
Auch Anpreisungen in einer Antwort E-Mail („nur qualitativ hochwertige Produkte“) stellen nach einer Entscheidung des LG Stendal Werbung dar (LG Stade, Beschluss vom 30.10.2024, Az. 4 S 24/24).
Ist ein bloßer Link auf eine Internetpräsenz eines Unternehmens Werbung?
Der bloße Verweis auf die Internetpräsenz eines Unternehmens durch die Angabe einer URL stellt nach Auffassung des AG Augsburg keine Werbung dar. Denn dieser Verweis sei gerade nicht unmittelbar darauf gerichtet, die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erreichen. Er diene vielmehr Informationszwecken, ebenso wie die Angabe der weiteren Kontaktdaten, in deren Zusammenhang die Nennung der Internetpräsenzen als Teil der Signatur des Mitarbeiters zu sehen ist (AG Augsburg, Urteil vom 09.06.2023 – 12 C 11/23).
Was gilt bei dem Versand von Gutscheinen?
Auch der Versand von Gutscheinen einer E-Mail ist Werbung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Enthält eine Werbe-E-Mail einen Gutschein, der für das gesamte Sortiment des Werbenden eingelöst werden kann, ist dies auch nicht als Werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG anzusehen (LG Frankfurt, Urteil vom 22. März 2018 – 2-03 O 372/17).
Was gilt bei „E-Cards“?
Auch wenn unklar ist, ob eine Partei eine E-Mail selbst versandt hat, haftet diese als Mitstörerin, wenn sie auf ihrer Internetseite den Versand von E-Mails durch sog. E-Cards anbietet und eine Kontrolle zur Berechtigung des Sendevorgangs nicht stattfindet (LG München I, Urteil vom 15.04.2003, 33 O 5791/03).
Was gilt bei automatisch generierten Bestätigungs-E-Mails?
Automatisch generierte Bestätigungs-E-Mails, die sowohl eine Eingangsbestätigung in Bezug auf zuvor versandte Nachrichten als auch Werbung enthalten, stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenso einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar, wenn dieser dem Erhalt von Werbung zuvor ausdrücklich widersprochen hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15).
Ähnlich entschied das AG Bonn: Eine Eingangsbestätigung selbst stelle zwar keine Werbung dar. Enthalte die Eingangsbestätigung jedoch Werbung, so werde die Eingangsbestätigung vom Absender in zweifacher Hinsicht genutzt, nämlich für die nicht zu beanstandende Eingangsbestätigung und unzulässig für Zwecke der Werbung (AG Bonn, Urteil vom 1. August 2017 – 104 C 148/17).
Was gilt bei Empfehlungs-E-Mails?
Schafft ein Unternehmen auf seiner Website die Möglichkeit für Nutzer, Dritten unverlangt eine sogenannte Empfehlungs-E-Mail zu schicken, die auf den Internetauftritt des Unternehmens hinweist, ist dies nicht anders zu beurteilen als eine unverlangt versandte Werbe-E-Mail des Unternehmens selbst. Richtet sich die ohne Einwilligung des Adressaten versandte Empfehlungs-E-Mail an einen Rechtsanwalt, stellt dies einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 208/12).
