Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer eines E-Scooter-Vermieters

Unfälle mit so genannten E-Scootern sind keine Seltenheit mehr. Problematisch ist hierbei häufig, dass der Fahrer oder die Fahrerin nicht ermittelt werden kann, weil es sich um Mietfahrzeuge handelt.

Das Landgericht Berlin II hat in diesem Zusammenhang eine interessante Entscheidung zur Haftung der Haftpflichtversicherung eines E-Scooter-Vermieters getroffen (LG Berlin II, Urteil vom 22. Oktober 2024 – 22 S 6/23 (2)).

Das LG Berlin II entschied zunächst, dass der durch einen E-Scooter Geschädigte einen Direktanspruch gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung aus der Verschuldenshaftung des Fahrers gemäß § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 eKFV, § 10 StVO, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG hat.

Weiterhin entschied das Gericht, dass die Schädigerseite den Unfallhergang nicht pauschal mit Nichtwissen bestreiten kann. Die Versicherung träfen insoweit Nachforschungspflichten. Insbesondere müsse die Versicherung bei dem Vermieter des E-Scooters die Fahrerdaten in Erfahrung bringen.

„Diese Unfallschilderung des Klägers ist der rechtlichen Beurteilung als unstreitiger Sachverhalt zugrunde zu legen. Denn die Beklagte hat den Vortrag des Klägers zum Unfallgeschehen insgesamt mit Nichtwissen bestritten. Dieses Bestreiten mit Nichtwissen ist unzulässig, da die Beklagte nicht dargelegt hat, sich in dem erforderlichen und möglichen Umfang bei ihrer Versicherungsnehmerin und etwaigen unfallbeteiligten Mitversicherten (z.B. der Fahrerin) nach dem Hergang des Unfallgeschehens erkundigt zu haben und – bejahendenfalls – aus welchen Gründen sie sich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte nicht konkret zu dem Vortrag des Klägers einlassen kann.

Soweit die Beklagte erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 4.7.2024 vorträgt, Nachforschungen hinsichtlich der Fahrerin unternommen zu haben, sind diese Bemühungen der Beklagten jedenfalls nicht ausreichend. Die Beklagte hätte sich bei der Vermieterin nach den Zahlungsdaten der Mieterin des E-Scooters erkundigen können und so den Namen der Mieterin erfahren können, um dann dort nachzufragen. Darüber hinaus hätte sie auch versuchen können, die Fahrerin über die zu der bekannten E-Mail-Adresse vorhandenen Sicherheit-Rufnummer (Anlage BLD 4) zu ermitteln.“

In diesem Zusammenhang entschied das LG Berlin II auch, dass der Geschädigte einen Auskunftsanspruch gegen den Vermieter auf Mitteilung der Daten des letzten Fahrers hat. Datenschutzrechtliche Vorschriften stünden dem nicht entgegen.

„Nach Aktenlage spricht zudem viel dafür, dass die Beklagte nicht nur ihre eigenen Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, sondern dass sie dem Kläger auf dessen Nachfrage die ihr bekannten Daten der letzten Fahrerin oder Mieterin des streitgegenständlichen E-Scooters nicht mitgeteilt und sich diesbezüglich in ihrer E-Mail vom 3.3.2022 (Blatt 35 der Akte) auf (nicht konkret benannte) datenschutzrechtliche Bestimmungen berufen hat, obwohl der Kläger ihr gegenüber einen Auskunftsanspruch auf Herausgabe der Daten des letzten Mieters des E-Scooters hat (vergleiche hierzu: Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 16.8.2022 – 4 C 18/22; Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 5.8.2010 – 13 C 81/09). Jedenfalls aber spricht der Inhalt der E-Mail der Beklagten vom 3.3.2022 dafür, dass ihr die Daten der letzten Fahrerin oder Mieterin des E-Scooters bekannt waren, denn sie hat sich nicht auf die eigene Unkenntnis berufen, sondern auf das angebliche Verbot der Mitteilung bekannter Daten. Diese Argumentation wäre nicht erforderlich gewesen, wenn ihr die Daten gar nicht bekannt wären.“

Zuletzt entschied das LG Berlin II, dass der Kostenvoranschlag eines Vertragshändlers nicht durch einen so genannten Prüfbericht entkräftet werden kann und dieser insoweit auch keine Kürzungen rechtfertigt.

„Die Beklagte zu trägt diesbezüglich vor, sie habe den Kostenvoranschlag durch einen Sachverständigen prüfen lassen. Zum Inhalt dieser Prüfung trägt sie außer der Angabe des Ergebnisses nicht vor. Bei dem zum Nachweis eingereichten Prüfbericht vom 22.10.2022 (Anlage 1 = Blatt 63 der Akte) handelt es sich jedoch nicht um den Prüfbericht eines Sachverständigen, denn in dem Bericht ist an keiner Stelle der Name eines Sachverständigen auch nur genannt. Unterschrieben ist der Prüfbericht nicht. Er lässt nicht einmal die prüfende Person erkennen. Das Fahrzeug stand der prüfenden Person zur Begutachtung nicht zur Verfügung. Bei den angegebenen Preisen handelt es sich um diejenigen Preise, die bei einer von der Beklagten ausgewählten Referenzwerkstatt anfallen sollen. Bei der angegebenen Referenzwerkstatt handelt es sich nicht um ein auf BMW-Kraftfahrzeuge spezialisiertes Unternehmen.

Auf dieser Grundlage ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei den von dem BMW-Vertragshändler angegebenen Preisen um die aller Wahrscheinlichkeit nach anfallenden, erforderlichen Kosten der Reparatur des Fahrzeugs des Klägers handelt. Anhaltspunkte für Zweifel sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.“

Die Entscheidung des LG Berlin II zeigt, dass KFZ-Haftpflichtversicherungen sich häufig zu einfach machen, indem sie den Unfallhergang pauschal mit Nichtwissen bestreiten. Dasselbe gilt für die Vorlage von Prüfberichten.