Das System der Rechtsanwaltsgebühren ist kompliziert, jedenfalls wenn nach den gesetzlichen Gebühren abgerechnet wird (RVG). Es gibt Gebührentabellen, Gebührensätze, Geschäftsgebühren, Einigungsgebühren, Mehrvergleich, Auslagen usw.
All diese Dinge sagen juristischen Laien regelmäßig nichts. Immer wieder kommt es zwischen Anwälten und Mandanten zum Streit, weil die Mandanten nach Abschluss einer Angelegenheit über die hohen Kosten überrascht sind. Die Frage ist also, ob ein Anwalt seinen Mandanten über konkrete Höhe der Gebühren aufklären muss.
Bei der Überlegung, ob ein Anwalt seinen Mandanten über die konkrete Höhe der Gebühren aufklären muss, ist zunächst festzustellen, dass dies in vielen Fällen überhaupt nicht möglich ist. Der genaue Verlauf eines Rechtsstreits kann häufig nicht vorhergesagt werden. Ob der Gegner z.B. Berufung einlegt, wie viele Gerichtstermine stattfinden oder ob später eine gütliche Einigung zu Stande kommt, ist meistens nicht vorhersehbar.
Daher sieht z.B. die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auch nicht vor, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten über die am Ende anfallenden Gebühren aufklären muss. § 49b Absatz 5 BRAO schreibt Rechtsanwälten lediglich Folgendes vor:
„Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen.“
Es handelt sich um eine berufsrechtliche Vorschrift, d.h. ein Rechtsanwalt handelt berufsrechtswidrig, wenn er nicht vor Übernahme des Auftrags auf eine Abrechnung nach Gegenstandswert hinweist. Die Vorschrift hat aber auch zivilrechtliche Auswirkungen: Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten vor Übernahme des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet (BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 – IX ZR 89/06).
Über § 49b Abs. 5 BRAO hinaus trifft den Rechtsanwalt jedoch keine Pflicht, auf die genaue Höhe der Kosten hinzuweisen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt:
„Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger nicht verpflichtet waren, die Beklagten vorab auf die Höhe der anfallenden Gebühren hinzuweisen.
Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren muss der Rechtsanwalt regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Fachberaters erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren allgemein zu erfahren sind. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen.“
(BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – IX ZR 89/06)
Doch wie fast überall in der Juristerei gibt es keinen Grundsatz ohne Ausnahme, wie der BGH in derselben Entscheidung klargestellt hat:
„Allerdings kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren, etwa wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht. Dabei sind bei der erforderlichen Gesamtwürdigung neben der Schwierigkeit und dem Umfang der anwaltlichen Aufgabe und dem Gegenstandswert auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und seine Erfahrung im Umgang mit Rechtsanwälten zu berücksichtigen. Letztlich hängt die anwaltliche Pflicht, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalles ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis des Mandanten erkennen konnte und musste.“
(BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – IX ZR 89/06)
Wie aus § 49b Abs. 5 BRAO und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hervorgeht, ist ein Anwalt also nur in bestimmten Ausnahmefällen verpflichtet, über die konkrete Höhe seiner Vergütung aufzuklären, z.B. wenn die Gebühren das wirtschaftliche Interesse des Mandanten „auffressen“.