Rechtsschutz gegen Spam-Mails und unerwünschte Werbung

Aufmerksamkeit ist in der heutigen Zeit ein knappes Gut. Wer ständig unerwünschte Werbung in seinem Posteingang findet, kann ein (wahrscheinlich genervtes) Lied hiervon singen.

Gegen unerwünschte Werbung bestehen jedoch effektive rechtliche Möglichkeiten. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Absender in Deutschland sitzt.

Falls Sie gegen unerwünschte Werbung rechtlich vorgehen möchten, können Sie mich gerne ansprechen.

Häufige Fragen und Antworten (FAQ)


Wann enthält eine E-Mail Werbung?

Die Beurteilung von Werbung richtet sich zentral nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG.

Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Unter dem Werbebegriff fallen nicht nur unmittelbar produktbezogene Angebote und Nachfragehandlungen, sondern auch Maßnahmen der mittelbaren Absatzförderung, bspw. in Form der Imagewerbung.

Im Rahmen der Imagewerbung steht nicht die Werbung eines Produktes im Vordergrund, sondern der Eindruck, den ein Unternehmen oder ein Produkt in der Öffentlichkeit hinterlässt (AG Augsburg, Urteil vom 28. Juni 2022 – 19 C 518/22).

Das AG Kassel stellte hingegen klar, dass in der Zusendung einer ersten „Check-Mail“ im Rahmen eines Double-Opt-In-Prozesses keine Werbung zu sehen ist (AG Kassel, Urteil vom 26.04.2022 – 435 C 1051/21).

Etwas differenzierter entschied das LG Stendal: Eine E-Mail, mit der zu einer Bestätigung einer Anmeldung auf der Website der Beklagten aufgefordert wird, ist zulässig. Geht die E-Mail über die reine Aufforderung zur Bestätigung hinaus, z.B. aufgrund der Verwendung eines Logos sowie der Sätze „Welcome to ZzZzZzZzZ“ und „Hast du Fragen zum Newsletter? Kontaktiere uns über: info@ZzZzZzZzZ.de“, so handelt es sich um werbenden Inhalt, was einen rechtwidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt (LG Stendal, Urteil vom 12. Mai 2021 – 22 S 87/20).

Auch eine Kundenzufriedenheitsbefragung in einer E-Mail fällt unter den Begriff der (Direkt-)Werbung, selbst wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt erfolgt (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17; vgl. auch AG Neumarkt, Urteil vom 10. November 2022 – 3 C 270/22). Siehe auch AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14:

„Eine Privatperson hat Anspruch auf Unterlassung des Zusendens von Werbe-E-Mails aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB, da § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB neben dem Eigentum auch alle anderen absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB schützt. In den Schutzbereich fällt damit auch das auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhende allgemein Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die ohne vorherige Aufforderung seitens des E-Mail-Adressaten getätigte Zusendung von E-Mails zu geschäftlichen Zwecken, stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von diesen E-Mails Betroffenen dar. Derartige Kontaktaufnahmen beeinträchtigen nämlich regelmäßig die Lebensführung des Betroffenen. Der Betroffene muss sich mit den Mitteilungen auseinandersetzen. Er muss sie sichten und aussortieren. Für ihn entsteht damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand.

Auch elektronische Werbung in Form einer automatisierten Eingangsbestätigung (Autoreply) fällt unter dieses Verbot. Auch dann, wenn sich Werbung lediglich im Abspann befindet und zuvor der Eingang einer E-Mail bestätigt wird. Auch dann, wenn sich der Kläger damit schlussendlich als erstes an die Beklagte gewandt hat.

Die Zusendung einer einzigen Werbemail rechtfertigt regelmäßig die erforderliche Wiederholungsgefahr. Da diese sich aus der Erstbegehung ergibt und aus der Ablehnung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Allein das Ändern der automatisierten Antwort und das Entfernen der Werbung aus jener reichen nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Der Streitwert für die Zusendung von Werbemails an Privatpersonen bemisst sich auf 5.000 €.“

(AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14)

Werbung wird auch nicht durch andere Inhalte „neutralisiert“. Auch wenn der weit überwiegende Teil einer E-Mail z. B. keine Werbung enthält, hat dies nicht zur Folge, dass das werbliche Element von vornherein keine Werbung darstellen könnte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in solchen Konstellationen für die Annahme, die Nutzung der elektronischen Post sei durch den zulässigen Teil der E-Mail insgesamt gerechtfertigt, kein Raum (KG Berlin, Urteil vom 15. September 2021 – 5 U 35/20).

Was gilt bei dem Versand von Gutscheinen?

Auch der Versand von Gutscheinen einer E-Mail ist Werbung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Enthält eine Werbe-E-Mail einen Gutschein, der für das gesamte Sortiment des Werbenden eingelöst werden kann, ist dies auch nicht als Werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG anzusehen (LG Frankfurt, Urteil vom 22. März 2018 – 2-03 O 372/17).

Der bloße Verweis auf die Internetpräsenz eines Unternehmens durch die Angabe einer URL stellt nach Auffassung des AG Augsburg keine Werbung dar. Denn dieser Verweis sei gerade nicht unmittelbar darauf gerichtet, die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erreichen. Er diene vielmehr Informationszwecken, ebenso wie die Angabe der weiteren Kontaktdaten, in deren Zusammenhang die Nennung der Internetpräsenzen als Teil der Signatur des Mitarbeiters zu sehen ist (AG Augsburg, Urteil vom 09.06.2023 – 12 C 11/23).

Was gilt bei automatisch generierten Bestätigungs-E-Mails?

Automatisch generierte Bestätigungs-E-Mails, die sowohl eine Eingangsbestätigung in Bezug auf zuvor versandte Nachrichten als auch Werbung enthalten, stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenso einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar, wenn dieser dem Erhalt von Werbung zuvor ausdrücklich widersprochen hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15).

Sind Werbe-E-Mails ohne Einwilligung zulässig?

Im Bereich der E-Mail-Werbung gilt der Grundsatz, dass der Empfänger vorher in die Zusendung einwilligen muss. Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Empfängers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17).

Selbstverständlich kann eine solche Einwilligung zum Empfang von Werbe-E-Mails später noch widerrufen werden, der Versender muss sich hieran halten (OLG München, Urteil vom 21.02.2019 – 29 U 666/18).

Die Zusendung von E-Mail-Werbung ohne vorherige Einwilligung des Empfängers ist nur in engen Ausnahmefällen möglich, z.B. wenn bereits eine Kundenbeziehung zum Werbenden besteht.

Wann ist eine Einwilligung ausnahmsweise entbehrlich?

Die Versendung von Werbe-E-Mails ist auch ohne ausdrückliche Einwilligung des Empfängers gemäß § 7 Abs. 3 UWG ausnahmsweise zulässig, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

  • Der Unternehmer hat im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten,
  • der Unternehmer verwendet die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen,
  • der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
  • der Kunde wurde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

Die Vorschrift des § 7 UWG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch mittelbar bei der Prüfung des Unterlassungsanspruchs einer Privatperson heranzuziehen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17).

Zu beachten ist, dass der „Disclaimer“ gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG in der Werbe-E-Mail selbst enthalten sein muss. Ob der Empfänger hierauf bei Erhebung der E-Mail-Adresse hingewiesen wurde, kann dahinstehen, wenn der Hinweis nicht in der streitgegenständlichen E-Mail erfolgt. Die Möglichkeit des „Opt-Out“ muss bei jeder Verwendung eingeräumt werden (AG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2022 – 8 C 1352/22).

Welche Anforderungen gelten für die Einwilligung?

Der BGH entschied bereits zu Werbeanrufen, dass die Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) auch Anwendung auf von Veranstaltern vorformulierte Erklärungen finden, die Verbraucher im Rahmen von Gewinnspielen abgeben und mit denen sie ihr Einverständnis zu Werbeanrufen zum Ausdruck bringen.

Eine Einwilligung ist nach Auffassung des BGH nur wirksam, wenn sie in Kenntnis der Sachlage und für den konkreten Fall erklärt wird. Dies setzt voraus, dass der Verbraucher hinreichend auf die Möglichkeit von Werbeanrufen hingewiesen wird und weiß, auf welche Art von Werbemaßnahmen und auf welche Unternehmen sich seine Einwilligung bezieht (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – I ZR 169/10).

Bloßer vorangegangener E-Mail-Kontakt stellt keine ausdrückliche Einwilligung dar. Bei einem einmaligen Email-Kontakt kann ein Unternehmer nicht automatisch davon ausgehen, dass eine Einwilligung in die Übersendung von Werbe-Emails erteilt wurde (AG München, Urteil vom 9. Juli 2009 – 161 C 6412/09).

Auch die Übergabe einer Visitenkarte anlässlich einer Vortragsveranstaltung beinhaltet für sich keine Einwilligung in E-Mail-Werbung (LG Baden-Baden, Urteil vom 18. Januar 2012 – 5 O 100/11).

Wer trägt die Beweislast für die Einwilligung?

Die Beweislast für das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung in die Versendung von Werbe-E-Mails trägt der Absender (KG Berlin, Beschluss vom 8. Januar 2002 – 5 U 6727/00).

Welche rechtliche Möglichkeiten bestehen gegen unerlaubte Werbung?

Wenn keine Einwilligung erteilt wurde und die Versendung nicht ausnahmsweise ohne Einwilligung zulässig ist, dann hat der Empfänger (egal ob Privatperson oder Unternehmer) zunächst das Recht, einen Rechtsanwalt mit einer vorgerichtlichen Abmahnung zu beauftragen.

Ich schreibe in solchen Fällen den Werbetreibenden an, mahne ihn ab und fordere ihn zur Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Nach der Rechtsprechung kann der Werbende die drohende Wiederholungsgefahr nämlich nur dann ausräumen, wenn er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Strafbewehrt bedeutet, dass der Werbende Ihnen die Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe verspricht, sollte er die Rechtsverletzung wiederholen (also noch einmal unerlaubt Werbung schicken).

Die Kosten für den Rechtsanwalt muss regelmäßig der Werbende als Schadensersatz erstatten.

Wenn der Werbende die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgibt, besteht die Wiederholungsgefahr weiterhin fort. In diesem Fall hat der Empfänger das Recht, den Werbenden vor Gericht auf Unterlassung zu verklagen. Je nach Intensität und Art der Werbung ist eine Klage regelmäßig am Amtsgericht des Wohnsitzes bzw. Unternehmenssitzes des Empfängers möglich (§ 32 ZPO).

Im Falle unerlaubter Werbung spricht das Gericht dann ein Unterlassungsurteil aus. Die Kosten des Rechtsstreits trägt dann der Werbende.

Ab welcher Anzahl von Spam-Mails besteht ein Unterlassungsanspruch?

Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung kann einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen (BGH, Beschluss vom 20.05.2009 – I ZR 218/07).

Der Empfänger muss also nicht erst das weitere Verhalten abwarten, sondern kann direkt gegen die Zusendung von Spam-Mails ab der ersten E-Mail vorgehen.

Muss der Empfänger von Werbe-E-Mails zuerst versuchen, sich abzumelden?

Natürlich kann der Empfänger von unerwünschten Werbe-E-Mails zunächst versuchen, sich von zukünftigen Mails über einen Link abzumelden. An dem Unterlassungsanspruch ändert dies aber grundsätzlich nichts, wie das AG Neumarkt richtigerweise klargestellt hat:

„Die Tatsache, dass der Kläger nicht bereit ist, sich per Mail oder durch Betätigen eines Links mit einem ausdrücklichen Widerspruch an die Beklagte zu wenden, stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar.“

(AG Neumarkt, Urteil vom 10. November 2022 – 3 C 270/22)

Gilt der Schutz vor Spam-E-Mails auch für Unternehmen?

Der Schutz vor unerlaubter Werbung gilt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Privatpersonen können sich hierbei auf das sogenannte Allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen, Unternehmen auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die ohne wirksame Einwilligung an eine geschäftliche E-Mail-Adresse versandte Werbe-E-Mail stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (BGH, Urteil vom 14. März 2017 – VI ZR 721/15).

Wie hoch ist der Streitwert bei unerwünschter E-Mail-Werbung?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Streitwert für die Zusendung von unerwünschter E-Mail Werbung nicht an dem gesamten volkswirtschaftlichen Schaden zu messen, sondern am persönlichen Interesse des Empfängers. Handelt es sich um einen Einzelfall, selbst mit verhältnismäßig geringfügiger Belästigung, ist ein Streitwert für die Zusendung von unerwünschter E-Mail-Werbung in Höhe von 3.000,- EUR angemessen (BGH, Beschluss vom 30. November 2004 – VI ZR 65/04).

Nach einer Entscheidung des AG Stuttgart-Bad Cannstatt bemisst sich der Streitwert für die Zusendung von Werbemails an Privatpersonen auf 5.000 € (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14).

Im gewerblichen Bereich entschied das LG Ulm, dass der Streitwert bei einem unverlangten Telefonanruf bei Gewerbetreibenden zur Vermarktung von „Dienstleistungen zur Steigerung der Web-Präsenz“ lediglich 500,- EUR betrage (LG Ulm, Urteil vom 17. Februar 2017 – 2 O 59/15).

Das Berliner Kammergericht entwickelte eine interessante Berechnungsmethode für den Streitwert bei mehrfacher Zusendung von Spam-Mails.

Sendet ein Unternehmer seine E-Mail-Werbung an einen Verbraucher, ist nach Auffassung des KG von einem Streitwert in Höhe von 3.000 Euro auszugehen. Bei einer weiteren unerbetenen Werbe-E-Mail ist der Regelwert regelmäßig um 1/3 zu erhöhen (KG Berlin, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 5 W 1146/20).

Detaillierte Ausführungen zum Streitwert des Anspruchs auf Unterlassung unerwünschter Werbe-E-Mails im gewerblichen Umfeld finden sich in KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 5 W 152/21:

„Der für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener Werbe-E-Mails anzusetzende Gegenstandswert für die Hauptsache ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats mit 3.000,00 EUR anzunehmen, wenn der Adressat des E-Mail-Schreibens hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der mit dem Empfang einer unerbetenen Werbe-E-Mail einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird.

Ein Streitwert für die Hauptsache in Höhe von 3.000,00 EUR bildet regelmäßig auch das Interesse des Empfängers eines E-Mail-Schreibens an der Unterlassung weiterer Zusendungen von E-Mail-Werbung hinreichend ab, der hierdurch in seiner gewerblichen Tätigkeit oder Berufsausübung betroffen ist und einen Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffes in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht. An seiner anderslautenden Rechtsprechung, nach der die Zusendung einer Werbe-E-Mail im gewerblichen Bereich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ohne weiteres den Ansatz eines Wertes von 6.000,00 EUR rechtfertigt, hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr fest.

Bei Zusendungen mehrerer E-Mail-Schreiben ist der Streitwert angesichts des hiermit einhergehenden höheren Angriffsfaktors grundsätzlich für jedes weitere Schreiben um 1/3 zu erhöhen. Stehen mehrere E-Mail-Schreiben allerdings in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang, ist eine Erhöhung um insgesamt 10% ausreichend, um dem erhöhten Angriffsfaktor der erneuten Belästigung durch eine weitere Zusendung mit werblichem Inhalt Rechnung zu tragen.

Nimmt der Anspruchsteller neben dem werbenden Unternehmen auch dessen Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch, ist ein weiterer Aufschlag auf den Streitwert in Höhe von – je Geschäftsführer – 1/5 vorzunehmen.

Für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener Werbeanrufe ist der Gegenstandswert für die Hauptsache mit Blick auf den im Vergleich zu einer E-Mail-Werbung erhöhten Lästigkeit und damit auch Angriffsfaktor in gefestigter Rechtsprechung des Senats mit 4.000,00 EUR anzusetzen, wenn der Angerufene hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der hiermit einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird. Nichts anderes kann für einen Werbeanruf im gewerblichen oder beruflichen Umfeld gelten.“

(KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 5 W 152/21)

Wo ist der Gerichtsstand für eine Unterlassungsklage gegen Spam-Mails?

Der Empfänger von Spam-Mails ist nicht gezwungen, den Versender an dessen Sitz zu verklagen. Der Empfänger kann vielmehr auch an seinem eigenen Wohnsitz Klage erheben.

Zuständig gemäß § 32 ZPO ist das Gericht, in dessen Bezirk irgendein Tatbestandsmerkmal verwirklicht ist. Bei Versendung einer E-Mail ist dies jedenfalls auch der jeweilige Standort des Empfängercomputers (LG Berlin, Urteil vom 13.10.1998, Az. 16 O 320/98).

Ähnlich entschied z.B. auch das AG Neumarkt:

„Für vorbeugende Unterlassungsklagen sind Begehungsorte sowohl der Ort, von dem aus die Verletzungshandlung droht, als auch der Ort der Belegenheit des bedrohten Rechtsguts (BGH, VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Tz 8; BGH MDR 95, 282; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 32, Rn. 19). Da der Kläger ausweislich der erweiterten Meldebescheinigung vom 25.07.2022 (Anlage K3) seit 10.05.2002 und damit auch zum Zeitpunkt der Zusendung der E-Mail seinen ausschließlichen Wohnsitz in Neumarkt i.d.OPf. hatte, liegt der Erfolgsort der unerlaubten Handlung im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Neumarkt. Der Kläger konnte damit gem. § 35 ZPO seine Klage zum Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. erheben.“

(AG Neumarkt, Urteil vom 10. November 2022 – 3 C 270/22)

Gibt es für Spam-Mails Schadensersatz?

Dem Empfänger einer unzulässigen E-Mail-Werbung steht nach Auffassung des AG Pfaffenhofen gem. Art. 82 DS-GVO ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens zu.

Der Schaden kann nach Auffassung des AG Pfaffenhofen bereits etwa in dem unguten Gefühl liegen, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt geworden sind, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die Daten unbefugt weiterverwendet werden, auch bereits in der Ungewissheit, ob personenbezogene Daten an Unbefugte gelangt sind. Unbefugte Datenverarbeitungen können zu einem Gefühl des Beobachtetwerdens und der Hilfslosigkeit führen, was die betroffenen Personen letztlich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert. Den Kontrollverlust nennt EG 75 ausdrücklich als „insbesondere“ zu erwartenden Schaden. Desweiteren kommen etwa Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht (AG Pfaffenhofen, Urteil vom 9. September 2021 – 2 C 133/21).


Weitere Rechtsprechung zum Thema unerwünschte Werbung

Nachfolgend finden Sie einige interessante Gerichtsentscheidungen zum Thema unerwünschte Werbung / Spam (chronologisch sortiert):

Besitzstörung durch Werbewurfsendungen

Dem Eigentümer oder Besitzer einer Wohnung, der sich durch einen Aufkleber an seinem Briefkasten gegen den Einwurf von Werbematerial wehrt, steht gegenüber dem Werbenden ein Unterlassungsanspruch zu, wenn es dennoch zum Einwurf von Werbematerial kommt.

Der Unterlassungsanspruch besteht auch gegenüber einem Werbenden, der ein Werbeunternehmen mit der Verteilung des Werbematerials beauftragt hat. Der Werbende ist gehalten, gegenüber dem Werbeunternehmen alle ihm möglichen rechtlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen zu ergreifen, die eine Beeinträchtigung des Betroffenen zu verhindern geeignet sind.

(BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 – VI ZR 182/88)

Politische Briefkastenwerbung

Auch politische Parteien sind verpflichtet, Werbeverbote an Briefkästen zu beachten.

(OLG Bremen, Urteil vom 18. Juni 1990 – 6 U 1/90)

Postwurfsendung als Werbematerial

Ein Unterlassungsanspruch kommt bei Postwurfsendungen nicht in Betracht, da die Deutsche Bundespost nach der Postordnung verpflichtet ist, Wurfsendungen an alle Haushaltungen zuzustellen.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 6. Februar 1991 – 9 U 244/90)

Keine Wiederholungsgefahr bei Ausreißer in der Briefkastenwerbung

Ein Unterlassungsanspruch kann nicht geltend gemacht werden, wenn von 80 Exemplaren eines periodisch erscheinenden Druckwerks lediglich eines zugestellt wird. Geringfügige Belästigungen durch solche Ausreißer begründen keine Wiederholungsgefahr.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juli 1991 – 18a U 46/91)

Zur Beweislast bei Ausreißern

Der Werbetreibende muss darlegen und ggf. auch beweisen, welche Anstrengungen er unternommen hat, um Missachtungen eines Werbeverbots zu unterbinden.

(OLG Köln, Urteil vom 07. August 1991 – 6 U 32/91)

Kein sittenwidriges Verhalten bei vereinzelten Einwürfen in Briefkasten

Wird bei der Verteilung von Werbematerial der durch Briefkastenaufkleber geäußerte Wunsch, „Keine Werbung“ erhalten zu wollen, nur in vereinzelt gebliebenen Fällen mißachtet, kann ein sittenwidriges Wettbewerbsverhalten des Werbenden im Sinne des UWG § 1 nicht angenommen werden.

(BGH, Urteil vom 30. April 1992 – I ZR 287/90)

Abwehranspruch gegen Postwurfsendungen

Die vom BGH aufgestellten Grundsätze gelten auch für die Abwehr unerwünschter Postwurfsendungen.

Ein Unterlassungsanspruch besteht auch im Verhältnis zur Deutschen Bundespost (Post AG). Auf ein Verschulden des Störers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

(OLG Frankfurt, Urteil vom 1. Juni 1995 – 1 U 80/94)

Unterlassungsanspruch gegenüber unerwünschter Werbung politischer Parteien durch Postwurfsendung

Ein Aufkleber mit dem Inhalt „keine Werbung einwerfen“ gilt auch für die Wahlwerbung politischer Parteien.

Schon der erste gegen diesen erklärten Willen erfolgte Einwurf derartigen Werbematerials stellt eine rechtswidrige Störung dar.

(KG Berlin, Urteil vom 21. September 2001 – 9 U 1066/00)

E-Mail-Werbung per E-Card

Auch wenn unklar ist, ob eine Partei eine E-Mail selbst versandt hat, haftet diese als Mitstörerin, wenn sie auf ihrer Internetseite den Versand von E-Mails durch sog. E-Cards anbietet und eine Kontrolle zur Berechtigung des Sendevorgangs nicht stattfindet.

(LG München I, Urteil vom 15.04.2003, 33 O 5791/03)

Keine wirksame Einwilligung ohne Eingrenzung auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen

Eine Einwilligungsklausel, die weit über den erkennbaren Zweck eines Gewinnspiels hinausgeht, sondern so allgemein gehalten ist, dass sie „interessante Angebote“ aus jedem Waren – und Dienstleistungsbereich erfasst, ist unwirksam.

(OLG Hamburg, Urteil vom 04.03.2009 – 5 U 62/08)

Eine Einwilligung, deren Formulierung so allgemein gehalten ist, dass sie „interessante Angebote“ aus jedem Waren- und Dienstleistungsbereich erfasst und die zugleich das Einverständnis Geltung nicht nur für den Verwender, sondern auch für „Dritte und Partnerunternehmen“ beansprucht, ist unwirksam.

(OLG Köln, Urteil vom 29.04.2009 – 6 U 218/08)

Zum Streitwert beim Cold Calling (Verbraucherverband)

Klagt ein Verbraucherverband auf Unterlassung unerbetener Telefonwerbung, so ist bei der Streitwertbemessung in Rechnung zu stellen, dass ein massiver Angriff auf Verbraucherinteressen in Rede steht, welcher das – auch verfassungsrechtlich – geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angerufenen und dessen Privatsphäre in schlechterdings nicht hinzunehmender Weise missachtet (im Streitfall 30.000,– Euro).

Soll der Fernabsatz mit gänzlich fehlender Widerrufsbelehrung unterbunden werden, so liegt normalerweise in Anwendung von § 12 Abs. 4, 1. Alt. UWG die Reduzierung des an sich festzusetzenden Streitwerts um die Hälfte nahe (im Streitfall von 15.000,– Euro auf 7.500,– Euro).

(KG Berlin, Beschluss vom 9. April 2010 – 5 W 3/10)

Anforderungen an eine Einwilligung in Telefonwerbung

Eine Einwilligung in eine Werbung mit einem Telefonanruf nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG setzt, wie eine Werbung per E-Mail oder SMS – eine gesonderte nur auf die Einwilligung in die Telefonwerbung bezogene Zustimmungserklärung des Betroffenen voraus. Diesen Anforderungen genügt eine Einwilligungserklärung nicht, wenn sie sich nicht nur auf die Werbung mit einem Telefonanruf, sondern auch auf die telefonische Benachrichtigung über einen Gewinn bezieht.

(BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – I ZR 38/10)

Unterlassungsanspruch gegen Empfehlungs-E-Mail

Schafft ein Unternehmen auf seiner Website die Möglichkeit für Nutzer, Dritten unverlangt eine sogenannte Empfehlungs-E-Mail zu schicken, die auf den Internetauftritt des Unternehmens hinweist, ist dies nicht anders zu beurteilen als eine unverlangt versandte Werbe-E-Mail des Unternehmens selbst. Richtet sich die ohne Einwilligung des Adressaten versandte Empfehlungs-E-Mail an einen Rechtsanwalt, stellt dies einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

(BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 208/12)

Unterlassungsanspruch gegen den Einwurf von Gratiszeitungen, Streitwertbemessung

Ein allgemeiner Hinweis „Bitte keine Werbung“ gilt nicht automatisch gegen Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil, da der Begriff „Werbung“ insoweit keinen ausdrücklichen Erklärungsinhalt aufweist.

(LG Münster, Urteil vom 26. September 2013 – 14 O 360/12)

Einwilligung eines Kunden zur Werbung durch Dritte erfordert namentliche Nennung

Ist dem Kunden mangels namentlicher Nennung nicht bekannt, welche Unternehmen ihn werblich kontaktieren dürfen, so kann keine informierte, zweifelsfreie Einwilligung in die Datenverarbeitung erzielt werden.

(OLG Koblenz, Urteil vom 26. März 2014 – 9 U 1116/13)

Zum Streitwert beim Cold Calling

Bei einem Telefonanruf eines Marktforschungsunternehmens bei einem Gewerbetreibenden ohne dessen vorherige Einwilligung beträgt der Streitwert 4.000,- EUR.

(AG Frankfurt, Urteil vom 28. April 2014 – 31 C 120/14 (96))

Unzumutbare Belästigung durch Verteilung von Werbung enthaltenden Presseerzeugnissen

Ein Aufkleber „Bitte keine Werbung und keine Gratis-Zeitungen“ richtet sich gegen sämtliche – nicht gegen Entgelt erworbenen – Druckerzeugnisse, und zwar nebst beigelegtem Werbematerial.

(LG Bonn, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 14 O 42/14)

Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Empfängers durch Ausreißer bei der Zustellung

Kommt es trotz eines mehrfach schriftlich geäußerten Wunsches, eine 2 x wöchentlich erscheinende Gratiszeitungen nicht zu erhalten, in einzelnen Fällen doch zu Zustellungen, kann darin keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung gesehen werden. In diesem Fall fehlt es an einem bewussten und wiederholten Hinwegsetzen über den entgegenstehenden Willen des Empfängers.

Ein Schild mit der Aufschrift „keine Werbung“ erfasst Gratiszeitungen mit redaktionellem Teil nicht.

(OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2014 – I-9 U 225/13)

Unterlassungsanspruch beim Cold Calling (Firmenverzeichnis)

Wird im Wege des Cold Callings ein entgeltlicher Eintrag von Firmendaten in ein Firmenverzeichnis angeboten, kann kein mutmaßliches Einverständnis des Angerufenen unterstellt werden.

Für Umstände, die ein mutmaßliches Interesse des Angerufenen rechtfertigen könnten, ist der Werbende darlegungs- und beweisverpflichtet.

Ein allgemeines Interesse von Gewerbetreibenden, in einem Firmenverzeichnis eingetragen zu werden, reicht nicht aus, um im konkreten Einzelfall ein mutmaßliches Interesse zu begründen. Entscheidend ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung und ein konkreter, aus dem Interessenkreis des Anzurufenden herzuleitender Grund.

Auch bei einer öffentlichen Angabe der Telefonnummer ist noch nicht zwingend auf eine mutmaßliche Einwilligung zu schließen, sondern eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Dies gilt gerade im Hinblick auf kaufmännische Hilfsgeschäfte wie elektronische Verzeichniseinträge, die nichts mit dem eigentlichen Geschäftsfeld eines Betriebes zu tun haben.

(OLG Hamm, Urteil vom 7. Oktober 2016 – 12 U 38/15)

Versendung von Bestätigungs-E-Mails mit Eingangsbestätigung und Werbung

Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EU L 376 S. 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.

Eine Eingangsbestätigung selbst stellt zwar keine Werbung dar. Enthält die Eingangsbestätigung jedoch Werbung, so wird die Eingangsbestätigung vom Absender in zweifacher Hinsicht genutzt, nämlich für die nicht zu beanstandende Eingangsbestätigung und unzulässig für Zwecke der Werbung.

(AG Bonn, Urteil vom 1. August 2017 – 104 C 148/17)

Keine Werbung durch bloße Verwendung eines Logos

Die bloße Verwendung eines Logos eines Unternehmens stellt keine Werbung dar, denn sie ist nicht unmittelbar darauf gerichtet, die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erreichen.

(AG Frankfurt, Urteil vom 2. Oktober 2017 – 29 C 1860/17 (81))

Zum Streitwert beim Cold Calling

Bei einem einmaligem Telefonanruf bei einem Rechtsanwalt zu Werbezwecken ist der Streitwert mit 6.000,- EUR zu bemessen.

(LG Heidelberg, Urteil vom 29. Dezember 2017 – 4 O 111/17)

Keine separate Einwilligungserklärung für jeden Werbekanal erforderlich

Es widerspricht den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG nicht, wenn sich die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Einwilligung eines Verbrauchers in die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken auf mehrere Werbekanäle bezieht. Eine eigene Einwilligungserklärung für jeden Werbekanal ist nicht erforderlich.

(BGH, Urteil vom 1. Februar 2018 – III ZR 196/17)

Schadensersatz wegen eines datenschutzrechtlichen Verstoßes

Eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist im Rahmen von Art. 82 DSGVO nicht erforderlich. Andererseits ist für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit kein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen.

(AG Diez, Urteil vom 7. November 2018 – 8 C 130/18)

Zulässigkeit von nicht personalisierter Pauschalwerbepost

Der Unterlassungsanspruch des Betroffenen gegen nicht personalisierte Pauschalwerbepost eines bestimmten Unternehmens, so genannte „selektive Werbeverweigerung“, setzt zwingend eine Interessenabwägung voraus.

Die Interessen des werbenden Unternehmens überwiegen dabei, wenn die Belästigung des Betroffenen geringfügig ist, wohingegen das Unternehmen faktisch gezwungen ist, eine solche Werbemaßnahme im Bezirk des Betroffen vollständig einzustellen, weil die Beachtung des Widerspruchs des Betroffen mit nicht zumutbaren personellem und zeitlichem Aufwand verbunden ist.

Die Interessen sind anders zu gewichten, wenn der entgegenstehende Wille durch einen konkreten Hinweisaufkleber am Briefkasten erkennbar gemacht wird. Dann ist dem Werbenden die Beachtung mit zumutbaren Aufwand möglich.

(OLG Frankfurt, Urteil vom 20. Dezember 2019 – 24 U 57/19)

Ausreißer bei Werbezustellung sind unbeachtlich für Unterlassungsanspruch

Ein einmaliges Versehen („Ausreißer“) ist unbeachtlich, soweit es um den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch geht.

(OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Mai 2020 – 6 U 54/19)

Werbeverbot an Briefkasten gilt auch für politische Parteien

Der auf einem Briefkasten angebrachte Hinweis, keine Werbung einzuwerfen, gilt auch für politische Parteien. Obwohl diese nach dem Grundgesetz bei der politischen Willensbildung mitwirken, haben auch Parteien sich an den Wunsch, von Werbung verschont zu bleiben, zu halten. Gemäß Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 01.08.2002 folgt aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG nicht, dass derartige Aufkleber auf Briefkästen für politische Parteien nicht gelten. Es gibt nämlich keine Pflicht des einzelnen, sich von Parteien informieren zu lassen.

(AG Augsburg, Urteil vom 29. Juni 2021 – 12 C 633/21)

Ablage von Werbematerial in einer Briefkastenanlage und im Eingangsbereich eines Mehrfamilienhauses

Ein Unterlassungsanspruch kann auch dann entstehen, wenn eine Person in ihrem Mitbesitz an der Briefkastenanlage und am Eingangsbereich eines Mehrfamilienhauses gestört wird. Ein Einwurf in einen bestimmten Briefkasten ist hierfür nicht zwingend notwendig. Sind keine besonderen Vereinbarungen getroffen, umfasst das Recht die übliche Benutzung und deckt alle mit dem Wohnen typischerweise verbundenen Umstände. Einem Mieter ist danach Mitbesitz auch an der Briefkastenanlage einschließlich des Eingangsbereichs des Anwesens eingeräumt. Im Verhältnis zum Störer ist der Besitzschutz des Mieters als Mitbesitzer nicht eingeschränkt. Jeder Mitbesitzer hat bei Beeinträchtigungen seines Mitbesitzes die Rechte aus §§ 859 ff. BGB; er kann sie allein gerichtlich geltend machen.

(AG München, Urteil vom 18. März 2022 – 142 C 12408/21)

Anpreisungen in Antwort E-Mail („nur qualitativ hochwertige Produkte“) stellt Werbung dar

Jedenfalls die Nennung einzelner Produkte in Kombination mit dem Hinweis, man würde „nur qualitativ hochwertige Produkte versenden“, ist als Werbung einzuordnen. Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EU L 376 S. 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17 –, BGHZ 219, 233-242, Rn. 18, juris m.w.N.). Der Hinweis, der Beklagte möchte nur qualitativ hochwertiger Produkte versenden, dient der Absatzförderung. Neben Serviceleistungen ist die Qualität das entscheidende Kriterium beim Kauf eines Produktes. Der Verkäufer bezweckt mit der Anpreisung der Qualität seiner Waren das Interesse beim (potentiellen) Kunden zu wecken, was dazu auch geeignet ist. Hinzu kommt, dass hier ganz konkret auf zwei Produkte des Beklagten Bezug genommen wird („Mr. Back Pros“ und „normaler Mr. Back“), sodass diesbezüglich auch ersichtlich das Interesse des Lesers der E-Mail an diesen speziellen Produkten geweckt wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass die streitgegenständlichen E-Mails nur zum Teil aus Werbung bestehen und teilweise aus der zulässigen Bestätigung des Erhalts der Anfrage des Klägers. Dies hat nicht zur Folge, dass durch die enthaltene zulässige Bestätigung von vornherein der Werbecharakter ausgeschlossen wäre, sondern stellt lediglich eine Nutzung dieser Kontaktaufnahme in zweifacher Hinsicht dar, was aber nicht dazu führt, dass die E- Mails wegen des zulässigen Teils insgesamt nicht mehr als Werbung anzusehen wären (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15 –, Rn. 19, juris).

(LG Stade, Beschluss vom 30.10.2024, Az. 4 S 24/24)