Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine wegweisende Entscheidung zugunsten von Investmentfonds-Anlegern gefällt. Der BGH entschied, dass Anleger von ihrer Kapitalverwaltungsgesellschaft die Erstattung von vereinnahmten Vertriebsprovisionen verlangen können, wenn diese nicht transparent in den Anlagebedingungen geregelt sind (BGH, Urteil vom 05.10.2023 - III ZR 216/22).

Im entschiedenen Fall begehrte ein Anleger die Auszahlung von Vertriebsprovisionen eines offenen Investmentfonds in der Rechtsform eines “inländischen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (“OGAW”). Die beklagte Kapitalverwaltungsgesellschaft entnahm dem Fondsvermögen eine als “Kostenpauschale” bezeichnete Gebühr. In § 30 der besonderen Anlagebedingungen hieß es hierzu:

“1. Die Gesellschaft erhält aus dem OGAW-Sondervermögen eine tägliche Kostenpauschale in Höhe von 1,5 % p. a. des OGAW-Sondervermögens auf Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes (vgl. § 18 der “AABen”). … Mit dieser Pauschale sind folgende Vergütungen und Aufwendungen abgedeckt und werden dem OGAW-Sondervermögen nicht separat belastet:

a) Vergütung für die Verwaltung des OGAW-Sondervermögens (Fondsmanagement, administrative Tätigkeiten, Kosten für den Vertrieb, Service-Fee für Reporting und Analyse); (…).”

In § 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen hieß es hierzu:

“1. Zur Errechnung des Ausgabe- und Rücknahmepreises der Anteile werden die Verkehrswerte der zu dem OGAW-Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich der aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten (Nettoinventarwert) ermittelt und durch die Zahl der umlaufenden Anteile geteilt (Anteilwert). … Die Bewertung der Vermögensgegenstände erfolgt gemäß §§ 168 und 169 KAGB und der Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (KARBV).

….

Die Ausgabe- und Rücknahmepreise werden börsentäglich ermittelt. Soweit in den BABen nichts weiteres bestimmt ist, können die Gesellschaft und die Verwahrstelle an gesetzlichen Feiertagen, die Börsentage sind, sowie am 24. und 31. Dezember jeden Jahres von einer Ermittlung des Werts absehen. Die BABen für Sondervermögen mit länderspezifischem Anlageschwerpunkt können darüber hinaus weitere länderspezifische Ausnahmen vorsehen. Die Details hinsichtlich der Ermittlung der Ausgabe- und Rücknahmepreise regelt der Verkaufsprospekt.”

Der BGH befand diese Regelungen für intransparent und damit für unwirksam. Dementsprechend sei die beklagte Kapitalverwaltungsgesellschaft gemäß § 675 Abs. 1 i.V.m. § 666 Fall 2 BGB verpflichtet, dem Kläger alles herauszugeben, was sie aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, soweit sich nicht aus dem Vertrag etwas anderes ergibt.

Auf § 30 Abs. 1 der Besonderen Anlagebedingungen könne sich die Beklagte nicht stützen. Diese Klausel sei unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist und daher die Vertragspartner der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessen benachteiligt.

Folgende Punkte störten den BGH an der Klausel:

“Die Angabe einer “täglichen” Kostenpauschale mit einem Zinssatz von 1,5 % “p.a.” ist noch hinreichend klar. Es wird deutlich, dass nicht etwa eine (ansonsten massiv überhöhte) Kostenpauschale von 1,5 % täglich geschuldet wird, sondern eine solche von 1,5 % pro Jahr, wobei der zugrunde zu legende Wert der Fondsanteile tagesgenau berechnet wird. Unklar bleibt jedoch, in welchem Zeitintervall die Beklagte diese Vergütung erhalten soll. Dies ist deshalb für die Berechnung der Vergütung relevant, weil sich der Inventarwert durch die Entnahme verringert. Je länger die Entnahmeabstände sind, desto höher bleibt der der Abrechnung zugrunde zu legende Inventarwert.

Offen bleibt auch, wie die Vergütung für solche Tage zu berechnen ist, die nicht Börsentage sind. Hierzu verhalten sich weder § 30 Abs. 1 der Besonderen Anlagebedingungen noch der dort in Bezug genommene § 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, der Prospekt verschaffe hierzu Klarheit, ist dies bereits deshalb im Revisionsverfahren unbeachtlich, weil die insoweit darlegungsbelastete Beklagte (vgl. oben unter 2. a) diesen Prospekt nicht vorgelegt und das Berufungsgericht daher zu dessen Inhalt bisher keine Feststellungen getroffen hat. Daher kann dahinstehen, ob der Verweis in den Anlagebedingungen auf den Prospekt hinreichend konkret ist.

Das Fehlen dieser Information führt dazu, dass die von der Beklagten beanspruchte Vergütung für Nichtbörsentage nicht bestimmbar ist. Zu deren Ermittlung kommt entweder - insbesondere wenn eine jährliche Berechnung und Auszahlung geschuldet sein sollte - ein über das Jahr ermittelter Durchschnittswert in Betracht oder ein Abstellen auf den Börsentag nach dem Nichtbörsentag oder umgekehrt auf den letzten Börsentag vor diesem Tag, wie dies der Beklagtenvertreter in der Revisionsverhandlung ausgeführt hat. Weitere Unklarheiten ergeben sich daraus, dass nach § 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen an gesetzlichen Feiertagen, die Börsentage sind, sowie am 24. und 31. Dezember jeden Jahres von einer Ermittlung des Werts abgesehen werden kann. Insoweit bleibt zum einen unklar, nach welchen Maßstäben darüber zu entscheiden ist, ob für solche Tage ein Wert ermittelt wird, und welcher Wert maßgeblich ist, wenn dies nicht erfolgt. Zum anderen bleibt offen, auf welchen Ort bei der Bestimmung von gesetzlichen Feiertagen und/oder Börsentagen abzustellen ist. Je nachdem, wie diese Parameter bestimmt werden, können sich erheblich unterschiedliche Inventarwerte ergeben.

Schließlich bleibt der Begriff des “Inventarwerts”, der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen für die Berechnung der Vergütung maßgeblich ist, unklar. Zwar wird insoweit - mit dem relativierenden - Zusatz “vgl.” auf § 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen verwiesen. Dort wird aber der sprachlich abweichende Begriff “Nettoinventarwert” definiert, was aus Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners Zweifel begründet, ob jener mit dem “Inventarwert” i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen gleichzusetzen oder hiervon zu unterscheiden ist.

Es bleibt mithin für den Vertragspartner unklar, welche Vergütung er der Beklagten schuldet, obwohl eine klare Regelung ohne weiteres möglich gewesen wäre, wie sich bereits aus dem Vergleich mit der jedenfalls teilweise erheblich klareren Regelung in § 30 der Anlagebedingungen des Fonds “O.
" ergibt.”

(BGH, Urteil vom 5. Oktober 2023 – III ZR 216/22)