Liebe Leser! Wenn Sie denken, der Grad der Professionalisierung steige mit der Größe eines Unternehmens, dann habe ich nachfolgend ein schönes Beispiel dafür, dass es ab einem bestimmten Punkt offenbar auch wieder bergab gehen kann.
Was nämlich ein Mandant meiner Kanzlei kürzlich mit der Bad Homburger Inkasso GmbH erleben durfte (oder besser gesagt musste), lässt mich in Teilen fassungslos zurück und ist für mich Anlass genug dafür, diesen Beitrag zu verfassen.
Dazu muss man zunächst anmerken, die Bad Homburger Inkasso GmbH ist keine kleine Inkassobude, sondern eine bekannte Branchengröße. Sie betreibt unter anderem Inkassodienstleistungen für Sparkassen, Landesbanken, Versicherungen, Leasinggesellschaften und Bausparkassen. Nach eigenen Angaben auf ihrer Internetseite hat die Bad Homburger Inkasso GmbH bis heute ein Gesamtvolumen von über 26 Milliarden Euro in die Bearbeitung übernommen (Stand September 2025).
Man darf also annehmen, dass dieses Unternehmen das Inkassohandwerk versteht und deswegen auch weiß, wie man Zahlungseingänge verbucht.
Doch nun zurück zum Fall meines Mandanten. Dieser hatte – bereits vor vielen Jahren – einen Rechtsstreit gegen die Bad Homburger Inkasso GmbH über zwei Instanzen geführt. Worum es hierbei genau ging, weiß ich nicht. Denn an diesem Verfahren war ich nicht beteiligt. Jedenfalls gab es am Ende aber zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse, nach denen mein Mandant verpflichtet war, der Bad Homburger Inkasso GmbH die Kosten des Rechtsstreits für die I. und II. Instanz zu erstatten.
Die entsprechenden Beträge wurden von meinem Mandanten Anfang des Jahres 2019 direkt an die Bad Homburger Inkasso GmbH per Banküberweisung bezahlt.
So weit, so unspektakulär. Fall erledigt, sollte man meinen.
Nun schreiben wir das Jahr 2025 und mein Mandant sah sich plötzlich mit einer Zwangsvollstreckung durch die Bad Homburger Inkasso GmbH konfrontiert. Er wurde von der zuständigen Gerichtsvollzieherin zur Abgabe einer Vermögensauskunft geladen. Grundlage für diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme war der Kostenfestsetzungsbeschluss für die II. Instanz aus dem vorgenannten Verfahren.
Moment mal. Darf man eine Forderung zwangsvollstrecken lassen, die bereits vom Schuldner vollständig bezahlt wurde? Natürlich nicht. Rechtlich gesehen betrieb die Bad Homburger Inkasso GmbH die Zwangsvollstreckung aus einer Forderung, die bereits (seit mehr als 6 Jahren) vollständig erfüllt war. Nein, so etwas tut man eigentlich nicht. Falls doch, besteht für den betroffenen Schuldner die Möglichkeit, eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben.
Das haben wir auch getan: Ich erhob Klage vor dem zuständigen Gericht mit den Anträgen, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss für unzulässig zu erklären und die vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels an meinen Mandanten herauszugeben. Zusätzlich wurde beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung des Rechtsstreits einstweilen einzustellen.
Die Begründung war alles andere als ein juristisches Hexenwerk: Ich musste im Wesentlichen nur nachweisen, dass mein Mandant die Forderung bereits erfüllt hat.
Fehler passieren, können manchmal aber auch korrigiert werden. Man hätte also durchaus erwarten dürfen, dass die Bad Homburger Inkasso GmbH auf meine Klage hin
- ihre Geldeingänge prüft,
- dann nach kritischer Prüfung feststellt, dass die Forderung von meinem Mandanten bereits erfüllt wurde und
- das Verfahren hiernach kostensparend beendet.
Als Zückerchen obendrauf wäre sicherlich auch eine kleine Entschuldigung gegenüber meinem Mandanten angemessen gewesen.
Aber nein. Die Bad Homburger Inkasso GmbH ließ sich lieber von ihrer Hauskanzlei vertreten und beantragte die Klageabweisung. Und zwar mit der Begründung, dass es ja noch einen weiteren separaten Kostenfestsetzungsbeschluss für die I. Instanz gebe, der noch offen sei.
Zu blöd, dass mein Mandant auch diesen Kostenfestsetzungsbeschluss für die I. Instanz bereits Anfang 2019 vollständig an die Bad Homburger Inkasso GmbH überwiesen hatte. Die Bad Homburger Inkasso GmbH ließ also wahrheitswidrig vor Gericht vortragen, indem sie behauptete, mein Mandant habe noch nicht beide Kostenfestsetzungsbeschlüsse beglichen.
Nachdem ich bei Gericht den entsprechenden zweiten Überweisungsbeleg vorgelegt hatte, schickte mir die Bad Homburger Inkasso GmbH über ihre Anwaltskanzlei die beiden entwerteten Titel zu. Im Übrigen fiel ihr dann tatsächlich nichts Besseres ein, als sich vor Gericht hierzu wie folgt einzulassen (Zitat):
„Überdies wird darauf hingewiesen, dass die vom Kläger geleisteten Zahlungen erst aufgrund des Vorbringens der Gegenseite im hiesigen Verfahren – zuletzt vom 20.08.2025 – bei der Beklagten in der relevanten Akte gebucht werden konnten, da die Zahlungseingänge mangels Angabe des Geschäftszeichens der Beklagten durch den Kläger in dem Verwendungszweck bisher nicht zugeordnet werden konnten.“
Falls Sie nun denken, mein Mandant hätte den Betrag ohne aussagekräftigen Verwendungszweck oder von einem fremden Konto überwiesen – nein, das hat er nicht. Mein Mandant hat die Überweisungen von seinem Konto vorgenommen und in den Überweisungen folgenden Verwendungszweck angegeben (die persönlichen Daten sind hier natürlich abgeändert):
„Kostenfestsetzungsbeschluss (gerichtliches Aktenzeichen) Mustermann ./. Bad Homburger
sowie
„Kostenfestsetzungsbeschluss (gerichtliches Aktenzeichen) Erste Instanz“
Dass die Bad Homburger Inkasso GmbH nun allen Ernstes vortragen lässt, sie sei erst aufgrund meiner Ausführungen im Klageverfahren in der Lage gewesen, die Kontoeingänge aus dem Jahr 2019 (!) zuzuordnen, spricht für sich. Man fragt sich, wie es in der Buchhaltung dort zugeht.
Vielleicht war es so (Achtung, Satire):
„Hey Chef, ich habe hier zwei Überweisungseingänge von einem Herrn Mustermann. Da steht im Verwendungszweck etwas von einem Kostenfestsetzungsbeschluss. Ein gerichtliches Aktenzeichen ist auch mit angegeben. Wie soll ich das verbuchen?“
„Wenn da nicht unser eigenes Aktenzeichen steht, können wir da garnichts machen. Wo kommen wir denn da hin! Also erstmal auf unserem Konto liegenlassen, wird dort ja nicht schlecht.“
„Aber Chef, wir haben doch den Namen des Überweisenden und ein gerichtliches Aktenzeichen, sollen wir da nicht mal vielleicht nachschauen, wozu das gehört? Es gibt doch sicher in unserer Datenbank eine Suchfunktion.“
„Ach was. Nicht unser Problem. Wird sich schon irgendwie klären. Das haben wir schon immer so gemacht. Weitermachen!“
