Für meinen Mandanten nahm kürzlich ein längerer Rechtsstreit in der Berufungsinstanz ein glückliches Ende.

Mein Mandant forderte von einem ihm bekannten Versicherungsvermittler Provisionsansprüche als „Tippgeber“ für die Vermittlung von Versicherungsverträgen. Ein „Tippgeber“ ist jemand, der gegenüber Kunden nicht als Versicherungsvermittler auftritt, sondern diese Kunden einem ihm bekannten Versicherungsvermittler „zuführt“. Der Versicherungsvermittler greift also auf den Freundes- und Bekanntenkreis eines „Tippgebers“ zurück. Hierfür erhalten Tippgeber üblicherweise eine Provision.

Mein Mandant ist gelernter Bankkaufmann und brachte Erfahrungen im Vertrieb von Versicherungs- und Finanzprodukten mit. Nachdem mein Mandant im Juni 2015 eine Festanstellung angenommen hatte, einigte er sich mit seinem Bekannten in einem „Tippgebervertrag“ darauf, dass mein Mandant für ihn als selbständiger „Tippgeber“ fungieren und ihm Kunden für für Versicherungs- und Finanzprodukte vermitteln sollte.

Für die Tätigkeit meines Mandanten wurde ein Account in einem Maklerverwaltungsprogramm names „Ameise“ eingerichtet. Über dieses Programm konnte mein Mandant jederzeit die von ihm vermittelten Kunden, die von den Kunden abgeschlossenen Produkte und in einer weiteren Spalte mit der Überschrift „Courtage“ Geldbeträge einsehen.

Die in der Spalte „Courtage“ eingetragenen Beträge sowie alle anderen Daten wurden ausschließlich von dem Versicherungsvermittler eingetragen.

Später übermittelte der Versicherungsvermittler meinem Mandanten den Text einer „Vertriebsvereinbarung“, die mein Mandant wunschgemäß unterschrieben zurückschickte. Darin hieß es unter § 8.1:

„Der Vermittler erhält für das vermittelte Geschäft eine Vergütung, die er bei der V. einsehen kann“.

Gemäß § 9.1 der Vereinbarung erhielt der Vermittler für eingereichte Geschäfte eine Provision, deren Höhe „je nach Produkt und Produktpartner variieren“ soll.

§ 9.2. der Vereinbarung lautete:

„Die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages gültigen Provisionssätze sind aufgrund der Vielzahl der Produktpartner und Produkte zu umfangreich, um sie dem Vertragswerk beizulegen. Die Provisionssätze können beim Geschäftsführer der V. eingesehen werden …“

§ 9.3 der Vereinbarung räumte dem Versicherungsvermittler die Möglichkeit ein, die Provisionssätze „nach billigem Ermessen“ zu ändern. Schließlich bestimmte § 10.1 der Vereinbarung:

„V. führt für den Vermittler ein Provisionskonto. Auf diesem Provisionskonto werden sämtliche den Vermittler betreffenden gegenseitigen Forderungen gebucht“.

Nachdem mein Mandant eine Weile für den Versicherungsvermittler tätig war, verlangte er seine ausstehenden Provisionen gemäß den Daten aus dem Maklerverwaltungsprogramm „Ameise“. Der Vermittler reagierte hierauf jedoch nicht, sodass die Sache streitig vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt werden musste.

Der Vermittler wehrte sich gegen die Klage und argumentierte unter anderem damit, dass die von meinem Mandanten mit seiner Klage verfolgten Provisionen nicht marktüblich seien. Warum die unstreitig von ihm in das Maklerverwaltungsprogramm eingepflegten Zahlen nicht stimmen sollten, konnte der Vermittler nicht plausibel erklären. Er behauptete hierzu lediglich, dass diese Zahlen nicht den Provisionsanspruch meines Mandanten darstellen würden. Mein Mandant könne dagegen nicht belegen, dass ihm die begehrten Provisionen der Höhe nach zustehen, mein Mandant habe insoweit seine Beweislast nicht erfüllt.

Das LG Düsseldorf folgte dieser Argumentation nicht und verurteilte den Versicherungsvermittler zur Zahlung (LG Düsseldorf, Urteil vom 22.09.2022, 11 O 255/20). Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Tatsache, dass der Kläger im Hinblick auf die aufgeführten Versicherungsverträge für den Beklagten als „Tippgeber“ tätig geworden ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist allein, ob die vom Kläger angegebenen Beträge sich aufgrund von Provisionssätzen ergeben, die die Parteien zuvor vereinbart hatten. Hiervon ist zugunsten des Klägers auszugehen. Denn es ist unstreitig, dass die vom Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegten Provisionen auf Zahlen beruhen, die ausschließlich der Beklagte in das System „Ameise“ eingetragen hat, während der Kläger über seinen Account zwar einige Daten der von ihm vermittelten Verträge einsehen konnte, selbst jedoch keine Möglichkeit hatte, Daten in das System einzutragen oder eingetragene Daten zu verändern.

Vor diesem Hintergrund liegt die sekundäre Darlegungslast dafür, dass die von dem Beklagten selbst eingetragenen Provisionen des Klägers nicht der Absprache zwischen den Parteien entsprechen, beim Beklagten. Wenn der Beklagte die von ihm selbst berechneten (und für den Kläger unter Berücksichtigung des Fehlens einer Provisionsvereinbarung in der „Tippgebervereinbarung“ aus dem Jahr 2015 sowie in der Folgezeit der völlig unbestimmten Klausel des § 9 der Vertriebsvereinbarung wohl im Einzelfall auch nicht ohne weiteres nachvollziehbaren) Provisionen für fehlerhaft hält, obliegt es ihm, substantiiert darzulegen, weshalb diese Zahlen falsch sein sollen. Dies hat er trotz der Hinweisbeschlüsse der Kammer vom 26.08.2021 (Bl. 75 d.A.) und vom 14.07.2022 (Bl. 146 ff.) nicht getan, sondern sich auf die Behauptung beschränkt, dass die vom Kläger zugrunde gelegten Sätze nicht marktüblich seien. Darauf kommt es indessen nicht an, da die vom Kläger mitgeteilten Zahlen auf einer (konkludenten) Abrede der Parteien beruhen. Der Beklagte hätte damit eine andere Parteivereinbarung substantiiert darlegen müssen.“

Gegen das Urteil des LG Düsseldorf legte der Versicherungsvermittler teilweise Berufung ein. Dass er etwas bezahlen musste, sah er nun offenbar ein, aber der Betrag war ihm offenbar immer noch zu hoch.

Das OLG Düsseldorf wies den Vermittler dann vor dem Verhandlungstermin darauf hin, dass die Berufung keinen Erfolg haben dürfte (OLG Düsseldorf, Hinweis vom 15.02.2024, Az. I-7 U 212/22):

„Die Berufung des Beklagten dürfte nach der Vorberatung des Senats keinen Erfolg haben, weshalb der Beklagte aus Gründen der Kostenersparnis eine Rücknahme in Betracht ziehen sollte.

Es ist vom Vortrag des Beklagten, den der Kläger sich hilfsweise zu Eigen gemacht hat, dass keine Vereinbarung dazu, in welchem Umfang der Kläger an den Provisionen des Beklagten partizipieren sollte, getroffen worden ist, auszugehen.

Vor diesem Hintergrund ist vom objektiven Empfängerhorizont des Klägers zu beurteilen, wie er die vom Beklagten in der Rubrik „Provision“ genannten Beträge zu verstehen hatte. Da es sich um eine „Detailabrechnung“ handelte und der Beklagte auch nicht auf sonstige Weise abgerechnet hat, konnte der Kläger die Nennung bestimmter Provisionsbeträge in dem für ihn eingerichteten Account objektiv nur so zu verstehen, dass der Beklagte damit die von ihm für den Kläger errechnete Provision mitgeteilt und hierdurch eine nicht widerrufliche Leistungsbestimmung getroffen hat.“

Der Vermittler nahm daraufhin seine Berufung zurück. Er muss meinem Mandanten nun sämtliche Kosten des Rechtsstreits erstatten, zusätzlich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Dezember 2020.