Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einer Entscheidung die Rechte von Sparern gestärkt und entschieden, dass der Abdruck einer Prämienstaffel in den Vertragsunterlagen ein vorzeitiges Kündigungsrecht der Sparkasse ausschließt (OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2022 – 14 U 3259/20). Das gelte auch dann, wenn die höchste Prämie zwar nach 15 Jahren erreicht werde, die Staffel aber weitere Prämienzahlungen in den folgenden Jahren ausweise.

Im entschiedenen Fall hatte der Vertrag folgenden Wortlaut:

“3. Zinsen und Prämien

Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, zzt. 2,500 %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche S-Pramie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres, und zwar erstmals am

31.12.2004. Das Sparjahr beginnt jeweils am 01.11. und endet jeweils am 31.10. des Folgejahres.

Die S-Prämie beträgt nach

Das OLG Nürnberg kam hierbei zu dem Ergebnis, dass eine Kündigung der Sparkasse vor Ablauf des zwanzigsten Sparjahres unzulässig sei.

“Ob sich aus den Vertragsbedingungen der Beklagten für das „S-Prämiensparen flexibel“ ein konkludenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten gem. Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt, ist im Wege der Auslegung der Abreden über den Prämiensparvertrag zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. vom 14.5.2019 – XI ZR 345/18BGHZ 222, 74, Rn. 38). Da der Prämiensparvertrag vorliegend auf einem für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsformular der Beklagten beruht, sind insoweit die für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätze anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung sind AGB nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind und der Wortlaut der Klausel vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. jew. m.w.N. etwa BGH, Urt. vom 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 317; BGH, Urt. vom 05.10.2016 – VIII ZR 222/15, BGHZ 212, 140, Rn. 40; BGH, Urt. vom 05.06.2018 – XI ZR 790/16, BGHZ 219, 35, Rn. 37; speziell zu Prämiensparverträgen BGH, Urt. vom 14.5.2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74, Rn. 28; BGH, Urt. vom 06.10.2021 – XI ZR 234/20, NJW 2022, 311, Rn. 44; Basedow, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 33 ff.; Staudinger/Mäsch (2019), § 305c Rn. 119 ff.). Verbleiben bei Anwendung dieses Maßstabs Zweifel bei der Auslegung der Klausel, gehen diese gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, so dass im Ergebnis die verbraucherfreundlichere Auslegung Maß gibt (ausf. Basedow, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 48 ff.; Staudinger/Mäsch (2019), § 305c Rn. 92 ff.).

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist die Abrede über die Prämienstaffel gem. Ziffer 3 des Prämiensparvertrages der Beklagten im Sinne eines konkludenten Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten aus Nr. 26 ihrer AGB bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres zu verstehen.

(OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2022 – 14 U 3259/20)

Weiterhin stellte das OLG klar, dass die beklagte Sparkasse es selbst in der Hand hatte, durch zweifelsfreie Formulierungen zu regeln, wie lange der Kündigungsausschluss gelten solle. Unklarheiten gingen insoweit zu Lasten der Sparkasse (§ 305c Abs. 2 BGB):

“Im Ergebnis kann letztlich dahinstehen, welcher der Auslegungsvarianten der Vorzug zu geben ist. Denn gem. § 305c Abs. 2 BGB trägt die Beklagte als Verwenderin des Vertragsformulars das Risiko der für sie unschwer vermeidbaren Unklarheit der von ihr gestellten Vertragsbedingungen.”

(OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2022 – 14 U 3259/20)

Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen (BGH, Az. XI ZR 72/22).

Anmerkung: Anders entschied z.B. das OLG Celle (OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 3 U 140/21).