Die häufig beobachtete Praxis, dass Schuldner nach Erhalt eines Mahnbescheids zahlen und zugleich Widerspruch einlegen, ist letztlich unsinnig und bringt für den Schuldner nur weitere Kostennachteile.
Zahlt der Schuldner nach Zustellung eines gerichtlichen Mahnbescheides, legt zugleich Widerspruch ein und wird das Verfahren dann „alsbald“ an das Prozessgericht abgegeben, liegt ein Fall der Erledigung vor. Insoweit gilt die Rückwirkungsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt (BGH, Urteil vom 17.11.2022 – VII ZR 93/22). Aus den Entscheidungsgründen:
„Wird die Forderung eines Klägers nach Zustellung eines Mahnbescheids erfüllt und das Verfahren nach Erhebung des Widerspruchs durch den Beklagten alsbald an das Prozessgericht abgegeben, kann der Kläger in dem Streitverfahren einen Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, stellen. Das in der Erfüllung der Forderung liegende erledigende Ereignis ist in diesem Fall aufgrund der Rückwirkungsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO nach Rechtshängigkeit erfolgt.“
(BGH, Urteil vom 17.11.2022 – VII ZR 93/22)
Der Gläubiger muss dann einfach das streitige Verfahren zeitnah weiterbetreiben und den Rechtsstreit für erledigt erklären. Die weiteren Kosten werden dann regelmäßig dem Schuldner auferlegt (§ 91a ZPO).
Schuldner zahlt noch vor Erlass eines Vollstreckungsbescheids – Wer trägt die Kosten?
Es kommt mitunter vor, dass ein Schuldner nach Zustellung eines Mahnbescheids zahlt, der Gläubiger aber trotzdem noch einen Vollstreckungsbescheid beantragt. Es stellt sich dann die Frage, wer die Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Hierzu existiert eine lehrreiche Entscheidung des Landgerichts Bonn (LG Bonn, Urteil vom 19.09.2017 – 13 O 65/17). Im entschiedenen Fall ging es um folgenden Sachverhalt (tabellarisch dargestellt):
Datum | Ereignis |
27.01.2017 | Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides über insgesamt 6.005,65 € inklusive Verfahrenskosten und Nebenforderungen |
31.01.2017 | Zustellung des Mahnbescheides |
02.02.2017 | Zahlung von 6.005,65 € |
16.03.2017 | Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides (in dem Vollstreckungsbescheid war die Zahlung von 6.005,65 € vermerkt) |
22.03.2017 | Zustellung des Vollstreckungsbescheides |
25.03.2017 | Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid |
29.03.2017 | Abgabe durch das Mahngericht an das LG Bonn |
03.04.2017 | Eingang beim LG Bonn |
09.07.2017 | Klagerücknahme |
Das LG Bonn legte die Kosten des Rechtsstreits in diesem Fall der Klägerin zu 80% und dem Beklagten zu 20% auf.
Das LG Bonn stellte hierzu fest:
„Gleicht der Beklagte nach dem Erlass des Mahnbescheids die vollständige angemahnte Forderung aus und stellt der Kläger gleichwohl einen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids, entspricht es nach der Klagerücknahme durch den Kläger im Einspruchsverfahren der Billigkeit, eine Kostenverteilung nach den in den verschiedenen Verfahrensabschnitten entstandenen Kosten vorzunehmen und dem Beklagten die Kosten bis zum Erlass des Mahnbescheids und dem Kläger die Kosten seit dem Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids aufzuerlegen.“
(Leitsatz LG Bonn, Urteil vom 19. September 2017 – 13 O 65/17)
Aus den Entscheidungsgründen:
„Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen der Klägerin zu 80% und dem Beklagten zu 20% aufzuerlegen.
Zwar hat der Beklagte die in dem Mahnbescheid ausgewiesene Gesamtforderung anerkannt, indem er die Forderung ohne die Erhebung von Einwendungen gegenüber der Klägerin bezahlte. Allerdings ist im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zu berücksichtigen, wenn zusätzliche Kosten durch ein prozessual nicht sinnvolles Vorgehen des Klägers entstanden sind (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rn. 25). In diesem Fall kann auch eine Kostenverteilung nach den in den verschiedenen Verfahrensabschnitten entstandenen Kosten billig sein (vgl. KG, Beschl. v. 5.3.2012 – 20 W 12/12, abrufbar unter juris).
Auch wenn die Einleitung des Mahnverfahrens gegenüber dem Beklagten vorliegend berechtigt war, verursachte die Klägerin nach dem Erlass des Mahnbescheids noch unnötig zusätzliche Kosten durch ein prozessual nicht sinnvolles Vorgehen, indem sie trotz des vollständigen Ausgleichs der Gesamtforderung aus dem Mahnbescheid einen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids stellte und die Abgabe an das Prozessgericht veranlasste. Die in dem Vollstreckungsbescheid titulierte Gesamtforderung enthielt zusätzlich zu der Gesamtforderung aus dem Mahnbescheid nur noch eine Gebühr nach Nr. 3308 VV RVG in Höhe von € 22,50, welche auch erst in dem Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids entstanden war.
Unter Berücksichtigung dieses prozessualen Verhaltens der Klägerin war es vorliegend billig, eine Kostenverteilung nach den verschiedenen Verfahrensabschnitten vorzunehmen, wonach der Beklagte die bis zu dem Erlass des Mahnbescheids entstandenen Kosten und die Klägerin die nach dem Erlass des Mahnbescheids entstandenen Kosten, das heißt die Kosten für das Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids und die Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens bis zur Klagerücknahme zu tragen hat. Diese Verteilung ergibt, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu 80% und der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu 20% zu tragen hat.“
(LG Bonn, Urteil vom 19. September 2017 – 13 O 65/17)