Die Kündigung von Prämiensparverträgen durch Sparkassen

Schon seit einiger Zeit kündigen Sparkassen gegenüber ihren Kunden langfristige Prämiensparverträge, die zum Teil erhebliche Zinsen und Zusatzprämien versprachen.

Zu dieser Thematik gibt es bereits eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die leider nicht immer einheitlich sind. In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick über die Rechtsprechung und weitere Entwicklungen.

Inhalt
  1. Hintergrund
  2. Verschiedene Verträge mit unterschiedlichem Wortlaut
  3. Welche Sparverträge dürfen gekündigt werden?
  4. Wie kann man gegen die Kündigung eines Prämiensparvertrags rechtlich vorgehen?
  5. Unwirksame Zinsanpassungsklauseln
  6. Wie muss die Zinsanpassung erfolgen?
  7. Prämienstaffel über 25 Jahre schließt vorherige Kündigung aus (Update 05.03.2021)
  8. Auch Sparkasse Arnstadt-Ilmenau spricht Kündigung von Prämiensparverträgen aus (Update 12.03.2021)
  9. BaFin geht gegen Kreditinstitute wegen unwirksamer Zinsanpassungsklauseln vor (Update 21.06.2021)
  10. Mehrere Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen (Update 21.06.2021)
  11. Allgemeiner Ausweis der Prämie für Folgejahre schließt Kündigung nicht aus (Update 25.06.2021)
  12. "Laufzeit maximal 30 Jahre" enthält keinen Kündigungsausschluss (Update 22.07.2021)
  13. Auch Kreissparkasse Düsseldorf kündigt Prämiensparverträge (Update 15.09.2021)
  14. Klausel "Die Spareinlage wird variabel z.Zt. mit .. % p.a. verzinst" ist unwirksam (Update 06.10.2021)
  15. Ausweis weiterer Sparjahre schließt Kündigungsrecht nicht aus (Update 18.10.2021)
  16. Vorsicht vor "Vergleichsangeboten" der Kreissparkasse Eichsfeld (Update 15.11.2021)
  17. Laufzeit über 1188 Monate (99 Jahre) schließt Kündigung der Sparkasse aus (Update 16.11.2021)
  18. Bundesgerichtshof verwirft weitere Zinsanpassungsklauseln (Update 24.11.2021)
  19. Vertragsdauer von "max. 25 Jahre" schließt Kündigung nicht aus (Update 18.01.2022)
  20. "Dauer der Konditionsvereinbarung: max. 25 Jahre" führt zu keinem Kündigungsausschluss (Update 10.03.2022)
  21. Ausweis weiterer Sparjahre führt zum Ausschluss der Kündigung (Update 29.03.2022)
  22. Unwirksame Zinsanpassungsklausel (Update 13.04.2022)
  23. Auch das LG Mühlhausen hält Kündigungen für rechtswidrig (Update 10.08.2022)
  24. LG Hannover benennt heranzuziehenden Referenzzinssatz (Update 22.12.2022)
  25. OLG Dresden muss Referenzzinssatz bestimmen (Update 26.01.2023)
  26. OLG Dresden entscheidet zum Referenzzinssatz (Update 22.03.2023)

Hintergrund

Der Streit um die Kündigung von Prämiensparverträgen durch deutsche Sparkassen beschäftigt immer noch Gerichte quer durch die Republik.

Sparkassen boten in den 90er- und 2000er-Jahren ihren Kunden häufig langfristige Prämiensparverträge mit variablem Zinssatz an. Solche Prämiensparverträge zeichnen sich dadurch aus, dass der Sparer über einen längeren Zeitraum (z.B. 25 Jahre) regelmäßige Sparraten erbringt und hierauf variable Zinsen und zusätzliche Prämien erhält. Die Zusatzprämie ist dabei meistens nach der Vertragslaufzeit gestaffelt und beträgt – je nach Vertrag – bis zu 100 Prozent der eingezahlten Sparraten.

Mit Urteil vom 14.05.2019 (Az. XI ZR 345/18) fällte der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zu Gunsten der Sparkassen: Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Sparkasse im entschiedenen Fall dazu berechtigt war, den Prämiensparvertrag nach Erreichen der höchsten Prämienstufe zu kündigen. Der BGH führte hierzu Folgendes aus:

„Einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts haben die Parteien auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des Vertrages nicht vereinbart (so aber Stößer, BB 2018, 1223, 1224 f.). Nach dem Inhalt der Vertragsantragsformulare hat die Beklagte die Zahlung einer Sparprämie lediglich bis zum 15. Sparjahr versprochen. Ab diesem Zeitpunkt waren die Sparverträge zwar nicht automatisch – mit der Folge der Fälligkeit und Rückzahlung der Spareinlagen – beendet, sondern liefen weiter. Nach dem Vertragsinhalt stand der Beklagten aber ab diesem Zeitpunkt ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen unter Beachtung der in Nr. 4 Satz 1 der Bedingungen für den Sparverkehr geregelten Auslauffrist von drei Monaten zu.

Dies entspricht auch einer beiderseits interessengerechten Auslegung der Sparverträge. Der von der Beklagten gesetzte besondere Sparanreiz liegt in erster Linie in der bis zum 15. Sparjahr kontinuierlich steigenden Prämienhöhe. Dagegen kann – anders als die Revision meint – ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrages eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll.“

(BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18)

Nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe kündigten weitere Sparkassen massenhaft derartige Verträge unter Berufung auf die vorgenannte BGH-Entscheidung.

(Beispiel eines Kündigungsschreibens)

Verschiedene Verträge mit unterschiedlichem Wortlaut

Bei der vorgenannten BGH-Entscheidung vom 14.05.2019 ist zu beachten, dass diese einen Sachverhalt betraf, der sich zum Teil von anderen Sparverträgen deutlich unterscheidet. In dem vom BGH entschiedenen Fall war im Vertrag lediglich eine Prämienstaffel bis zum 15. Sparjahr abgedruckt, wie sich aus dem Tatbestand der Entscheidung ergibt:

„Die Kläger schlossen mit der Beklagten am 17. Mai 1996 einen Sparvertrag „S-Prämiensparen flexibel“ mit der Kontoendnummer -61. Vertragsbeginn war der 1. Juni 1996. In dem von den Klägern unterzeichneten Vertragsantragsformular heißt es auszugsweise wie folgt:

Wir werden monatlich ab 01.06.1996 den Betrag von DM 200,00 einzahlen.

Vom 01.06.1996 bis Vertragsende gelten folgende Konditionen:

Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 3% verzinst.

Daneben zahlt die Sparkasse am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche S-Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres.

Die Prämie beträgt nach dem 3. Sparjahr: 3,0% 4. Sparjahr: 4,0% 5. Sparjahr: 6,0%

6. Sparjahr: 8,0% 7. Sparjahr: 10,0% 8. Sparjahr: 15,0%

9. Sparjahr: 20,0% 10. Sparjahr: 25,0% 11. Sparjahr: 30,0%

12. Sparjahr: 35,0% 13. Sparjahr: 40,0% 14. Sparjahr: 45,0%

15. Sparjahr: 50,0%.“

(Aus dem Tatbestand von BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18)

Allerdings waren nicht alle Prämiensparverträge so ausgestaltet wie im Fall des BGH. Mitunter haben andere Sparkassen die Prämienstaffel nicht nur bis zum 15. Sparjahr, sondern bis zum 25. Sparjahr abgedruckt.

(Beispiel einer Prämienstaffel über 25 Jahre)

Hier stellt sich die Frage, ob mit dem Abdruck einer Prämienstaffel über 25 Jahre das Kündigungsrecht der Sparkasse über diesen Zeitraum ausgeschlossen wurde. Außerdem gab es Fälle, in denen ausdrück­lich lange Lauf­zeiten im Vertrag vereinbart wurden.

Die Rechtsprechung ist insoweit derzeit noch uneinheitlich. Zu Gunsten der Sparkassen entschieden beispielsweise:

  • AG Bad Liebenwerda, Urteil vom 23.10.2020, Az. 11 C 46/20
  • LG Coburg, Urteil vom 23.02.2021, Az. 11 O 468/20
  • LG Deggendorf, Urteil vom 24. September 2020, Az. 31 O 232/20

Zu Gunsten der Sparer entschieden dagegen beispielsweise folgende Gerichte:

  • OLG Dresden, Urteil vom 21. November 2019, Az. 8 U 1770/18 (dort war eine Laufzeit von 1188 Monaten angegeben)
  • LG Stendal, Urteil vom 14. November 2019 – 22 S 104/18 (dort war eine Laufzeit von 1188 Monaten angegeben)
  • Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt, Urteile vom 05.03.2021 (Az. 1 C 436/20, 1 C 437/20), vom 12.03.2021 (Az. 1 C 507/20) und vom 26.03.2021 (Az. 1 C 518/20)

Eine endgültige Klärung wird wahrscheinlich wieder erst der Bundesgerichtshof herbeiführen.

Welche Sparverträge dürfen gekündigt werden?

Höchstrichterlich geklärt ist die Frage seit 2019 für Sparverträge, in denen eine Prämienstaffel über 15 Jahre abgedruckt wurde und das Kündigungsrecht auch sonst nicht ausgeschlossen war. Hierzu entschied der Bundesgerichtshof, dass die Sparkasse nach Erreichen der höchsten Prämienstufe (im entschiedenen Fall war das nach 15 Jahren) gegenüber ihren Kunden kündigen darf (BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18).

Ob dies auch für andere Prämiensparverträge gilt, wird derzeit von den Gerichten noch uneinheitlich beurteilt. Die von den Sparkassen verwendeten Vertragsformulare waren nicht einheitlich. So gab es zum Beispiel Verträge, in denen eine Prämienstaffel über 25 Jahre abgedruckt war. Andere enthielten einen Zusatz „FJ“ (für „Folgejahre“). Weitere Verträge wiederum enthielten eine konkrete Laufzeit, andere eine „maximale“ Laufzeit. Es kommt somit stark auf die Formulierung im Einzelfall an.

Wie kann man gegen die Kündigung eines Prämiensparvertrags rechtlich vorgehen?

Betroffene Kunden sollten der Kündigung vorsorglich schriftlich widersprechen und darauf bestehen, dass der Vertrag weiter erfüllt wird. Hierfür kann z.B. folgendes Musterschreiben verwendet werden:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

ich nehme Bezug auf meinen Sparvertrag mit der Nummer XXX und Ihre Kündigung vom XXX. Hiermit widerspreche ich Ihrer Kündigung ausdrücklich. Ich fordere Sie auf, meinen oben genannten Sparvertrag über das Datum des Kündigungstermins hinaus entsprechend der vereinbarten Bedingungen unverändert fortzuführen.

Ich werde meine Sparraten weiterhin wie vertraglich vereinbart leisten.

Ich bitte um Stellungnahme bis zum XXX. Sollte ich bis dahin keine Antwort von Ihnen erhalten oder sollten Sie weiterhin an der Kündigung festhalten, behalte ich mir rechtliche Schritte vor.“

Das bereits erzielte Sparguthaben sollte keinesfalls ausgegeben oder auf andere Konten bzw. Anlageformen umgebucht werden. Es sollte jeder Anschein vermieden werden, dass man die Kündigung stillschweigend akzeptiert. Am besten sollte auch versucht werden, die vertraglich vereinbarte monatliche Sparrate weiter zu entrichten. Damit bringt der Sparer deutlich zum Ausdruck, dass er am Prämiensparvertrag festhalten möchte. Wenn die Sparkasse diese nicht annimmt, kann man ggf. später Schadensersatz verlangen.

Besonders deutlich ergibt sich dies bei den Verträgen, wo eine feste Laufzeit (300 bzw. 1188 Monate) vereinbart worden ist, das Fälligkeitsdatum im Kundenfinanzstatus taggenau festgehalten ist oder der Vertrag selbst eine Prämienstaffel von 25 bzw. 99 Jahren enthält.

Sollte die betroffene Sparkasse nicht einlenken, besteht die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage. Das zuständige Gericht prüft dann verbindlich, ob die Kündigung gerechtfertigt war oder nicht. Rechtsschutzversicherungen übernehmen regelmäßig die Kosten für ein entsprechendes Gerichtsverfahren.

Unwirksame Zinsanpassungsklauseln

Die variable Verzinsung für solche Prämiensparverträge wurde in Zinsanpassungsklauseln der Banken und Sparkassen geregelt. Diese Zinsanpassungsklauseln berechtigten das jeweilige Kreditinstitut, die vertraglich vorgesehene variable Verzinsung einseitig anzupassen. Beispiele für solche Klauseln sind:

„Die Bank/Sparkasse zahlt … den durch Aushang bekanntgegebenen Zins“

oder

„die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit … % verzinst“

Solche Klauseln wurden jedoch vom Bundesgerichtshof (BGH) seit 2004 in mehreren Entscheidungen für unwirksam befunden.

So entschied der BGH mit Urteil vom 17.02.2004 (Az. XI ZR 140/03), dass eine Klausel mit dem Inhalt

“Die Sparkasse zahlt am Ende eines Kalenderjahres den im Jahresverlauf durch Aushang bekanntgegebenen Zins für das Combispar-Guthaben”

gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt und damit unwirksam ist. Ein solches uneingeschränktes Leistungsbestimmungsrecht der Sparkasse sei den Kunden – auch unter Berücksichtigung der Interessen der Sparkasse – nicht mehr zumutbar. Das folge insbesondere aus dem Langfrist-Charakter der Combispar-Verträge.

Aufgrund der Tatsache, dass etliche Zinsanpassungsklauseln unwirksam sind, ist eine ergänzende Vertragsauslegung notwendig. Der Bundesgerichtshof hat in weiteren Verfahren die Anforderungen an die Gestaltung von Zinsanpassungsklauseln konkretisiert (BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09; BGH, Urteil vom 21.12.2010 – XI ZR 52/08; BGH, Urteil vom 14.03.2017 – XI ZR 508/15). Die vom BGH entwickelten Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Zinsanpassungsklausel muss an einen der Vertragslaufzeit entsprechenden aussagekräftigen Referenzzinssatz gekoppelt sein. , einen Anpassungsschwellenschwert sowie konstant wiederkehrende Prüfungs- und Anpassungszeitpunkte gebunden sein.
  • Der Referenzzinssatz muss der konkreten Vereinbarung möglichst nahekommen (Allerdings hat der BGH in diesem Zusammenhang keinen konkreten Referenzzinssatz der Deutschen Bundesbank genannt).
  • Die Zinsanpassungsklausel muss einen Anpassungsschwellenwert enthalten, ab welchem eine Zinsänderung vorzunehmen ist.
  • Die Zinsanpassungsklausel muss außerdem einen Anpassungszeitraum enthalten, nach welchem eine Überprüfung der Anpassungsschwelle erfolgen muss (allerdings kann es nach Auffassung des BGH auch sachgerecht sein, eine Anpassungsschwelle auch ganz entfallen zu lassen).
  • Die Zinsanpassungsklausel muss dem Äquivalenzprinzip entsprechen. Gemeint ist damit, dass der relative Abstand von Vertragszins zu Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit konstant bleiben muss, und zwar in beide Richtungen.

Wie muss die Zinsanpassung erfolgen?

Eine bestimmte Methode der Zinsanpassung hat der BGH nicht im Detail vorgegeben. Der BGH führt hierzu aus:

“Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB zugebilligt werden kann. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders entfällt mit Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos (vgl. Schimansky, WM 2001, 1169, 1175; Burkiczak, BKR 2007, 190, 193; Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 218; Metz, BKR 2001, 21, 24, 28; siehe auch BGHZ 94, 98, 103; aA Habersack, WM 2001, 753, 760). Die Beklagte konnte daher nicht einseitig die Parameter festlegen, die sie ihrer Neuberechnung zugrunde gelegt hat und auf denen das Sachverständigengutachten beruht. Da diese Parameter nicht Inhalt des Sparvertrages sind, kann auch dahinstehen, ob sie im Rahmen einer vertraglichen Zinsänderungsklausel der Inhaltskontrolle standhalten würden. Vielmehr hat das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die maßgeblichen Parameter selbst zu bestimmen, wobei in sachlicher Hinsicht (z.B. Umstände einer Zinsänderung, insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzins) und in zeitlicher Hinsicht (z.B. Dauer der Zinsperiode) präzise Parameter zu wählen sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (vgl. Senat, BGHZ 180, 257, Tz. 35 m.w.N.).”

(BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09)

Prämienstaffel über 25 Jahre schließt vorherige Kündigung aus (Update 05.03.2021)

Das Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt entschied in mehreren von mir geführten Verfahren, dass die Kündigung von Prämiensparverträgen durch die Sparkasse rechtswidrig ist, wenn der Vertrag eine Prämienstaffel über 25 Jahre ausweist und diese 25 Jahre noch nicht abgelaufen sind (z.B. AG Heilbad Heiligenstadt, Urteil vom 05.03.2021, Az. 1 C 436/20).

Die Kreissparkasse Eichsfeld hatte in der Vergangenheit etliche Prämiensparverträge (z.B. „S-Prämiensparen flexibel“) nach Erreichen der höchsten Prämienstufe gekündigt. Das Kreditinstitut begründete diesen Schritt mit dem veränderten Zinsniveau. Ein Festhalten an den Verträgen sei ihr deswegen nicht mehr zumutbar. Die Kreissparkasse war der Meinung, dass die Verträge laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18) gekündigt werden durften.

Vor dem Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt erlitt die Kreissparkasse diesbezüglich eine Niederlage. Wir hatten für mehrere betroffene Sparer Feststellungsklage eingereicht und unter anderem damit argumentiert, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2019 einen anderen Sachverhalt betrifft. Denn die Kreissparkasse Eichsfeld hatte in ihren Vertragsbestätigungen eine Prämienstaffel über 25 Jahre abgedruckt (und nicht nur über 15 Jahre wie in dem vom BGH entschiedenen Fall).

Das Gericht folgte dieser Auffassung und stellte fest, dass die Kündigung der Prämiensparverträge durch die Kreissparkasse Eichsfeld rechtswidrig war. Unter anderem führte das Gericht hierzu aus:

„Der Klage ist im vollen Umfang Erfolg beschieden.

Nach Auffassung des Gerichts stellt allein die Tatsache, dass die Prämienstaffel bis zum 25. Jahr in dem Vertrag angegeben ist und darin die Regelung enthalten ist, dass die nach dem 15. Sparjahr erreichte Höchstprämie von 50 % bis zum 25. Sparjahr fort gewährt wird, einen erheblichen Anreiz für den Kunden darstellt, einen solchen Vertrag abzuschließen. Denn gerade hierdurch wird ein ganz erheblicher wirtschaftlicher Anreiz geschaffen, der für 10 Jahre die Zahlung der Höchstprämie von 50 % beinhaltet. Allein die Tatsache, dass im Vertrag für die Kläger eine vertragliche Bindungsfrist von drei Jahren vorgesehen war, bedeutet nicht, dass die Kläger hiernach davon ausgehen mussten, dass auch die Beklagte nach Ablauf dieser Sperrfrist jederzeit würde kündigen können. Bei der fraglichen Regelung handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass Zweifel über deren Auslegung gemäß § 305c BGB zulasten des Verwenders, mithin der Beklagten, gehen. Insbesondere ist in der zitierten Nr. 26 AGB Sparkassen auch davon die Rede, dass die Sparkasse den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen werde und dass Voraussetzung hierfür das Vorliegen eines sachgerechten Grundes sei.

Insofern ist zu bedenken, dass die Beklagte bei Abschluss des Vertrages überhaupt nicht erkennen konnte, wie sich die Zinspolitik in weiterer Zukunft entwickelt, sodass es ganz allein auf ihr Risiko geht, wenn sie sich trotzdem weitergehend vertraglich bindet.

Mithin wurde der Vertrag durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 27.11.2020 beendet, und die Beklagte hat sich zu unrecht geweigert, weitere Sparraten anzunehmen.“

(AG Heilbad Heiligenstadt, Urteil vom 05.03.2021, Az. 1 C 436/20)

Die Entscheidung des AG Heiligenstadt zeigt, dass trotz der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2019 einige Argumente dafür sprechen, dass die Kündigungen der Kreissparkasse Eichsfeld gegenüber ihren Kunden zu Unrecht erfolgt sind.

Die beklagte Kreissparkasse Eichsfeld hat in sämtlichen Verfahren Berufung eingelegt.

Auch Sparkasse Arnstadt-Ilmenau spricht Kündigung von Prämiensparverträgen aus (Update 12.03.2021)

Wie die Verbraucherzentrale Thüringen (VZTH) berichtet, kündigt nun wohl auch die Sparkasse Arnstadt-Ilmenau.

Ob die Kündigungen im Ergebnis rechtmäßig sind, sollte unseres Erachtens kritisch hinterfragt werden. Nach Angaben der VZTH sind hier ebenfalls Verträge vom Typ „S Prämiensparen – flexibel“ betroffen.

Die Sparkasse stützt sich hierbei – wie viele andere Institute auch – auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2019 (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18). Nach dieser Entscheidung soll eine Kündigung eines Prämiensparvertrages durch die Sparkasse grundsätzlich möglich sein, wenn keine feste Laufzeit vereinbart wurde und die höchste Prämienstufe erreicht wurde.

BaFin geht gegen Kreditinstitute wegen unwirksamer Zinsanpassungsklauseln vor (Update 21.06.2021)

Die BaFin kommt in einer Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 zu dem Schluss, dass die Kreditinstitute nach der BGH Entscheidung vom 17.02.2004 nicht nur für das Neugeschäft neue Zinsanpassungsklauseln entwickelt haben. Vielmehr hätten viele Kreditinstitute ihre neu entwickelten Zinsanpassungsklauseln einfach auf das Bestandsgeschäft übertragen, insbesondere auf solche Verträge, die eine unwirksame Zinsanpassungsklausel enthielten. Hierfür hätten die Banken und Sparkassen nach Erkenntnissen der BaFin keine Zustimmung ihrer Kunden eingeholt. Sie hätten dies vielmehr einseitig festgesetzt.

“Die Kreditinstitute haben faktisch durch Anwendung einer selbstgegebenen Klausel in unzulässiger Weise eigenmächtig in das Vertragsgefüge eingegriffen. Auch dies haben Kreditinstitute bereits im Vorfeld dieser Allgemeinverfügung in diversen Beschwerdeverfahren und einer gesonderten Erhebung eingeräumt.”

(Aus der Allgemeinverfügung der BaFin vom 21.06.2021)

Die BaFin bemängelt auch, dass die von den Kreditinstituten faktisch im Bestandsgeschäft zugrunde gelegten Zinsanpassungsklauseln nicht den vom BGH aufgestellten Grundsätzen entsprechen. So finde sich in der Praxis die Kopplung zu 100 % an den 3-Monats-Euribor, unterschiedliche Zeitreihen in unterschiedlichsten Gewichtungen, gängig sei eine Mischung 30 % 3-Monats-Euribor und 70 % 10-Jahreszins. Am weitesten verbreitet sei ein Anpassungsintervall von 3 Monaten, das längste bekannt gewordene Anpassungsintervall sei 6 Monate. Als Anpassungsschwelle würden vielfach Werte von 0,10 % bis 0,50 % angewendet. Außerdem werde das Modell des relativen Abstandes in der Praxis überwiegend nicht umgesetzt.

Nachdem die BaFin erfolglos Gespräche mit der Kreditwirtschaft führte, insbesondere auch mit dem Bundesverband deutscher Banken (BdB), dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sowie dem Deutschen Sparkassen und Giroverband (DSGV), sah sich diese nun zum Erlass einer Allgemeinverfügung gezwungen.

Die Begründung hat es durchaus in sich: Die BaFin beruft sich auf § 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG, wonach sie unter anderem einschreiten dürfe bei “systematischen oder gewichtigen Verstößen gegen verbraucherschützende Rechtsvorschriften”.

In der Allgemeinverfügung der BaFin vom 21.06.2021 wird Folgendes angeordnet:

“Ich ordne an, alle betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, mit denen ein langfristiger Prämiensparvertrag mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses abgeschlossen wurde, über die Unwirksamkeit der darin enthaltenen Zinsanpassungsklausel sowie das Fehlen einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu unterrichten und dies zu verbinden mit

a) der unwiderruflichen Zusage, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung seit Vertragsbeginn zu machen,

oder

b) dem Angebot der Vereinbarung einer sachgerechten, die Vorgaben des BGH aus dem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 berücksichtigenden Zinsanpassungsklausel im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages.

Die Unterrichtung muss mindestens enthalten:

die im jeweiligen Vertrag verwendete unwirksame Zinsanpassungsklausel mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses,

die Erläuterung, dass der BGH diese Art von Klauseln mit Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 für unwirksam erklärt hat,

die Erläuterung, dass dadurch eine Lücke im Vertrag hinsichtlich der Zinsvereinbarung entstanden ist und zur Schließung dieser Lücke

entweder der Vertrag ergänzend ausgelegt werden muss, jedoch zur Frage, wie dies zu erfolgen hat, noch keine allgemeinverbindliche gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung existiert, diese jedoch zu erwarten ist,

oder eine individuelle Vereinbarung getroffen werden kann,

die Erläuterung, dass als Reaktion auf das Urteil des BGH vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 von Seiten des Kreditinstituts für das Bestandsgeschäft einseitig neue Zinsparameter bestimmt wurden,

die Erläuterung, dass aufgrund der unwirksamen Klausel unter Umständen Zinsen in zu geringer Höhe gezahlt wurden.”

Der genaue Wortlaut der Allgemeinverfügung kann nachgelesen werden unter

https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_210621_allgvfg_Zinsanpassungsklauseln_Praemiensparvertraege.html

Mehrere Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen (Update 21.06.2021)

Nicht nur die BaFin wurde im Zusammenhang mit Prämiensparverträgen gegen Kreditinstitute aktiv: Diverse Verbraucherschutzorganisationen gingen in der Vergangenheit auch mit Musterfeststellungsklagen gegen verschiedene Sparkassen vor, um die inhaltlichen Anforderungen an eine Zinsanpassungsklausel gerichtlich klären zu lassen:

Allgemeiner Ausweis der Prämie für Folgejahre schließt Kündigung nicht aus (Update 25.06.2021)

Eine Prämienstaffel, in welcher nach Erreichen der höchsten Prämienstufe für die Folgejahre „FJ 50,000 %.“ ausgewiesen werden, führt zu keinem Kündigungsausschluss, die Sparkasse darf nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen, so entschied das AG Nürnberg (AG Nürnberg, Urteil vom 25. Juni 2021 – 18 C 814/20).

„Laufzeit maximal 30 Jahre“ enthält keinen Kündigungsausschluss (Update 22.07.2021)

Die Formulierung „Laufzeit maximal 30 Jahre“ sowie die Erwähnung von Prämien „für das 15. Sparjahr bis 30. Sparjahr 50 % auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres“ führt nach Ansicht des LG Krefeld zu keinem Kündigungsausschluss für die Zeit nach Erreichen der höchsten Prämienstufe (LG Krefeld, Urteil vom 22. Juli 2021 – 3 O 270/20).

Auch Kreissparkasse Düsseldorf kündigt Prämiensparverträge (Update 15.09.2021)

Auch die Kreissparkasse Düsseldorf möchte Sparverträge vom Typ S-Prämiensparen flexibel wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase nicht mehr fortführen und kündigt solche Verträge – wie andere Sparkassen auch – gegenüber ihren Kunden.

Die Prämiensparverträge der Kreissparkasse Düsseldorf waren zum Teil überdurchschnittlich lukrativ. Im Gegensatz zu anderen Sparkassen gewährte die Kreissparkasse Düsseldorf ihren Kunden zusätzliche Prämien von bis zu 70% auf die eingezahlten Sparraten, wie dieses Beispiel zeigt:

Bei vielen anderen Sparkassen wurden meistens „nur“ Prämien bis zu 50% gewährt. Insofern waren die Prämiensparverträge der Kreissparkasse Düsseldorf überdurchschnittlich attraktiv.

Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sieht die Kreissparkasse Düsseldorf – wie viele andere Sparkassen auch – keine Möglichkeit der Fortführung mehr und kündigt Prämiensparverträge nach Erreichen der höchsten Prämienstufe. Zur Begründung führt die Kreissparkasse aus:

„Seit dem Vertragsabschluss haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend geändert: Niemand hätte damals nur geahnt, dass wir heute faktisch in einer Welt ohne Zinsen leben würden. Somit hat die seit zwölf Jahren andauernde Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank erhebliche Auswirkungen auf Ihre Geldanlage wie für uns als Sparkasse.“

Klausel „Die Spareinlage wird variabel z.Zt. mit .. % p.a. verzinst“ ist unwirksam (Update 06.10.2021)

Die in Prämiensparverträgen enthaltene Formularklausel „Die Spareinlage wird variabel z.Zt. mit .. % p.a. verzinst“ ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 – XI ZR 234/20). In seiner Entscheidung befasste sich der BGH mit der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Sachsen e.V. gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

„Die in Prämiensparverträgen enthaltene Formularklausel „Die Spareinlage wird variabel z. Zt. mit … % p.a. verzinst“, nach der bei objektiver Auslegung eine Änderung des Zinssatzes mit der Änderung eines Aushangs im Kassenraum der Musterbekl. in Kraft tritt, ist in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (Bestätigung von Senat BGHZ 158, 149 (153 ff.) = NJW 2004, 1588 und BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742 Rn. 15).

Eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) von Prämiensparverträgen hinsichtlich der durch die (teilweise) Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandenen Lücke ist auch im Rahmen einer Musterfeststellungsklage nach §§ 606 ff. ZPO möglich und geboten. Dabei ist eine objektiv-generalisierende Sicht auf die typischen Vorstellungen der an Prämiensparverträgen gleicher Art beteiligten Verkehrskreise maßgebend. Individualabreden (§ 305 b BGB) zur variablen Verzinsung sind in den (ausgesetzten) Individualverfahren der angemeldeten Verbraucher zu berücksichtigen, da erst das Gericht, gegenüber dem das Musterfeststellungsurteil Bindungswirkung entfalten soll, beurteilt, ob seine Entscheidung die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft (§ 613 I ZPO).

Bei Prämiensparverträgen, bei denen die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zum 15. Sparjahr steigen, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für die vorzunehmenden Zinsanpassungen allein ein Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen und eine Zinsanpassung nach der Verhältnismethode maßgebend (Bestätigung von Senat BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742 Rn. 22 f., 26 f. und NJW-RR 2011, 625 = WM 2011, 306 Rn. 22, 25).

Die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung weiterer Zinsbeträge aus den Prämiensparverträgen werden frühestens mit Beendigung der Prämiensparverträge fällig (§ 271 II BGB).“

(BGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 – XI ZR 234/20)

Ausweis weiterer Sparjahre schließt Kündigungsrecht nicht aus (Update 18.10.2021)

Einer Sparkasse steht nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ein Recht zur ordentlichen Kündigung eines Prämiensparvertrages aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in der schriftlichen Vertragsbestätigung eine Auflistung der Prämienhöhe über den Zeitpunkt des erstmaligen Erreichens der höchsten Prämienstufe hinaus vorgenommen wurde (OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 3 U 140/21).

Vorsicht vor „Vergleichsangeboten“ der Kreissparkasse Eichsfeld (Update 15.11.2021)

Wie ich heute von Mandanten erfahren habe, wird die Kreissparkasse Eichsfeld bei dieser Thematik anscheinend immer kreativer, um sich gegen mögliche Ansprüche der Kunden zu wehren: Zwei Mandanten wurde Ende 2020 der Prämiensparvertrag gekündigt. Diese wollten sich die Kündigung nicht gefallen lassen und widersprachen der Kündigung schriftlich. Im weiteren Schriftverkehr führte die Kreissparkasse Eichsfeld aus, dass man für eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses keine Rechtsgrundlage erkennen könne. Im „beiderseitigen Interesse“ biete man den beigefügten Vergleich an:

In ihrem Anschreiben schreibt die Kreissparkasse Eichsfeld dann noch, dass man die Sache als erledigt betrachte, sollte keine Rückmeldung innerhalb einer bestimmten Frist eingehen. So möchte die Kreissparkasse offenbar ihre Kunden dazu bewegen, den „Vergleich“ zu unterzeichnen.

Diesen „Vergleich“ kann man aber eigentlich nur als schlechten Witz bezeichnen! Der Kunde erlangt hierdurch nämlich überhaupt keinen wirtschaftlichen Vorteil. Dafür verzichtet er aber auf mögliche Nachforderungen gegenüber der Kreissparkasse Eichsfeld, z.B. auf Zahlung weiterer Prämien und Zinsen.

Es ist auch überhaupt nicht nachvollziehbar, welche Forderungen der Sparkasse gegen ihre Kunden „aufgehoben“ werden sollen. Schließlich geht es um einen Sparvertrag, der aus Sicht der Kreissparkasse bereits beendet wurde. Wenn überhaupt, stehen dem Kunden noch Forderungen gegen die Kreissparkasse zu (und nicht umgekehrt). In dieser Situation von einem „beiderseitigen Interesse“ zu sprechen, ist schon sehr kreativ.

Faktisch gesehen handelt es sich überhaupt nicht um ein Vergleichsangebot. Denn ein Vergleich zeichnet sich durch gegenseitiges Nachgeben aus (§ 779 BGB). Worin hier ein Nachgeben der Kreissparkasse Eichsfeld gegenüber ihren Kunden zu sehen sein soll, bleibt deren Geheimnis. Der Kunde erklärt hiermit eigentlich nur einen Verzicht auf sämtliche Rechte im Zusammenhang mit dem Prämiensparvertrag. Eine Gegenleistung erhält der Kunde dafür nicht.

Ich kann jedenfalls keinen vernünftigen Grund dafür erkennen, warum ein Kunde diesen „Vergleich“ unterzeichnen sollte. Es handelt sich meiner Meinung nach nur um einen billigen Versuch, Kunden die Wahrung möglicher Ansprüche zu erschweren.

Laufzeit über 1188 Monate (99 Jahre) schließt Kündigung der Sparkasse aus (Update 16.11.2021)

Enthält ein Prämiensparvertrag eine Regelung, wonach die Laufzeit 1188 Monate (99 Jahre) betragen soll, so kommt ein Kündigungsrecht nach § 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nicht in Betracht, entschied das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Urteil vom 16. November 2021 – 14 U 185/21).

Bundesgerichtshof verwirft weitere Zinsanpassungsklauseln (Update 24.11.2021)

Ein weiteres Verfahren beim BGH betraf eine Musterfeststellungsklage gegen die Erzgebirgssparkasse (BGH, Urteil vom 24.11.2021, Az. XI ZR 461/20). Die Sparkasse verwendete hier unter anderem folgende Klausel:

„Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“

Der BGH entschied, dass diese Klausel einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle wegen eines Verstoßes gegen den nach Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB anwendbaren § 308 Nr. 4 BGB nicht standhält, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist. Bei den vorzunehmenden Zinsanpassungen müsse das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz gewahrt bleiben:

„Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts für vergleichbare Sparverträge erkannt hat, muss bei den von der Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz gewahrt bleiben und nicht eine gleich bleibende absolute Gewinnmarge (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 – XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 95 ff.). Die Anwendung der Verhältnismethode entspricht bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Sie wahrt das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleistet, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen (Senatsurteil aaO Rn. 96 mwN). Wie der Senat ebenfalls bereits eingehend begründet hat, stehen bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte der Anwendung der Verhältnismethode nicht entgegen (Senatsurteil aaO Rn. 100 ff.).“

(BGH, Urteil vom 24.11.2021, Az. XI ZR 461/20)

Ähnlich entschied der BGH auch in einem Verfahren gegen die Sparkasse Zwickau (Urteil vom 24.11.202, Az. XI ZR 310/20).

Vertragsdauer von „max. 25 Jahre“ schließt Kündigung nicht aus (Update 18.01.2022)

Eine Vertragsdauer von „max. 25 Jahre“ beinhaltet keinen Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht gemäß Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen (BGH, Verfügung vom 18. Januar 2022 – XI ZR 104/21).

„Dauer der Konditionsvereinbarung: max. 25 Jahre“ führt zu keinem Kündigungsausschluss (Update 10.03.2022)

Die Klausel „Dauer der Konditionsvereinbarung: max. 25 Jahre“ führt zu keinem Ausschluss des Kündigungsrechts nach Erreichen der höchsten Prämienstufe (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2022 – 6 U 24/21

Ausweis weiterer Sparjahre führt zum Ausschluss der Kündigung (Update 29.03.2022)

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einer Entscheidung die Rechte von Sparern gestärkt und entschieden, dass der Abdruck einer Prämienstaffel in den Vertragsunterlagen ein vorzeitiges Kündigungsrecht der Sparkasse ausschließt (OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2022 – 14 U 3259/20). Das gelte auch dann, wenn die höchste Prämie zwar nach 15 Jahren erreicht werde, die Staffel aber weitere Prämienzahlungen in den folgenden Jahren ausweise.

Im entschiedenen Fall hatte der Vertrag folgenden Wortlaut:

“3. Zinsen und Prämien

Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, zzt. 2,500 %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche S-Pramie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres, und zwar erstmals am

31.12.2004. Das Sparjahr beginnt jeweils am 01.11. und endet jeweils am 31.10. des Folgejahres.

Die S-Prämie beträgt nach

6J 8,000 %10J 25,000 %14J 45,000 %18J 50,000 %
3J 3,000 %7J 10,000 %11J 30,000 %15J 50,000 %19J 50,000 %
4J 4,000 %8J 15,000 %12J 35,000 %16J 50,000 %20J 50,000 %
5J 6,000 %9J 20,000 %13J 40,000 %17J 50,000 %FJ 20,000 %

Das OLG Nürnberg kam hierbei zu dem Ergebnis, dass eine Kündigung der Sparkasse vor Ablauf des zwanzigsten Sparjahres unzulässig sei.

“Ob sich aus den Vertragsbedingungen der Beklagten für das „S-Prämiensparen flexibel“ ein konkludenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten gem. Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt, ist im Wege der Auslegung der Abreden über den Prämiensparvertrag zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. vom 14.5.2019 – XI ZR 345/18BGHZ 222, 74, Rn. 38). Da der Prämiensparvertrag vorliegend auf einem für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsformular der Beklagten beruht, sind insoweit die für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätze anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung sind AGB nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind und der Wortlaut der Klausel vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. jew. m.w.N. etwa BGH, Urt. vom 12.10.2005 – IV ZR 162/03BGHZ 164, 297, 317; BGH, Urt. vom 05.10.2016 – VIII ZR 222/15BGHZ 212, 140, Rn. 40; BGH, Urt. vom 05.06.2018 – XI ZR 790/16BGHZ 219, 35, Rn. 37; speziell zu Prämiensparverträgen BGH, Urt. vom 14.5.2019 – XI ZR 345/18BGHZ 222, 74, Rn. 28; BGH, Urt. vom 06.10.2021 – XI ZR 234/20NJW 2022, 311, Rn. 44; Basedow, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 33 ff.; Staudinger/Mäsch (2019), § 305c Rn. 119 ff.). Verbleiben bei Anwendung dieses Maßstabs Zweifel bei der Auslegung der Klausel, gehen diese gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, so dass im Ergebnis die verbraucherfreundlichere Auslegung Maß gibt (ausf. Basedow, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 48 ff.; Staudinger/Mäsch (2019), § 305c Rn. 92 ff.).

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist die Abrede über die Prämienstaffel gem. Ziffer 3 des Prämiensparvertrages der Beklagten im Sinne eines konkludenten Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten aus Nr. 26 ihrer AGB bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres zu verstehen.

(OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2022 – 14 U 3259/20)

Weiterhin stellte das OLG klar, dass die beklagte Sparkasse es selbst in der Hand hatte, durch zweifelsfreie Formulierungen zu regeln, wie lange der Kündigungsausschluss gelten solle. Unklarheiten gingen insoweit zu Lasten der Sparkasse (§ 305c Abs. 2 BGB):

“Im Ergebnis kann letztlich dahinstehen, welcher der Auslegungsvarianten der Vorzug zu geben ist. Denn gem. § 305c Abs. 2 BGB trägt die Beklagte als Verwenderin des Vertragsformulars das Risiko der für sie unschwer vermeidbaren Unklarheit der von ihr gestellten Vertragsbedingungen.”

(OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2022 – 14 U 3259/20)

Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen (BGH, Az. XI ZR 72/22).

Anmerkung: Anders entschied z.B. das OLG Celle (OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 3 U 140/21).

Unwirksame Zinsanpassungsklausel (Update 13.04.2022)

Bei S-Prämiensparverträgen ist eine von der Sparkasse gestellt Vertragsklausel, die die Ausgestaltung der – als solche wirksam vereinbarten – variablen Verzinsung der Sparkasse durch Aushang überlässt, unwirksam, da sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (OLG Dresden, Urteil vom 13. April 2022 – 5 U 1973/20).

Auch das LG Mühlhausen hält Kündigungen für rechtswidrig (Update 10.08.2022)

Nachdem ich für mehrere Kunden der Kreissparkasse Eichsfeld gerichtlich gegen die Kündigungen ihrer Prämiensparverträge vorgegangen bin, hat das Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt in erster Instanz bislang durchweg entschieden, dass die Kündigungen unwirksam sind. Die Kreissparkasse Eichsfeld ist daraufhin in sämtlichen von mir begleiteten Verfahren in Berufung gegangen.

Nun liegt mir ein erster Hinweisbeschluss des Landgerichts Mühlhausen zu dieser Thematik vor (LG Mühlhausen, Hinweisbeschluss vom 10.08.2022, Az. 1 S 37/21). Das LG Mühlhausen vertritt die Auffassung, dass das Urteil des AG Heilbad Heiligenstadt den Angriffen der Berufung vollumfänglich standhält. Nachfolgend der Volltext des Hinweisbeschlusses:

„I. Die Beklagte wehrt sich mit der Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil, in welchem in der Hauptsache festgestellt wurde, dass der Prämiensparvertrag vom 16.06.2005 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.09.2020 zum 16.01.2021 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht, sowie gegen die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Nichtannahme der monatlichen Sparraten. Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag weist eine Prämienstaffel vom 3. – 25. Sparjahr aus, wobei die höchste Prämienstufe von 50 % ab dem 15. Sparjahr erreicht wird und für die weiteren Sparjahre jeweils bis zum 25. Sparjahr die Prämienstufe gleichbleibend mit 50 % angegeben ist (Anlage Kl, Bl. 11f. d.A.). Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II. Vorliegender Prämiensparvertrag ist ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag gemäß § 700 BGB, da der Sparer nicht zur Einzahlung monatlicher Sparbeiträge verpflichtet ist. Fraglich ist, ob die Beklagte hier nach 15 Jahren den Sparvertrag ordentlich kündigen konnte gemäß Nr. 26 ihrer AGB.

III. Das Urteil des Amtsgerichts hält nach Auffassung der Kammer den Berufungsangriffen vollumfänglich stand. Ein objektiver Empfänger der AGB konnte die vorliegende Prämienstaffel so verstehen, dass bis zum 25. Sparjahr jedenfalls durch die Beklagte keine Kündigung erfolgen kann (so auch OLG Nürnberg v. 29.03.2022 – 14 U 3259/20; a.A. OLG Celle v. 18.10.2021 – 3 U 140/21). Das Amtsgericht hat nicht die Entscheidung des BGH vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18 verkannt und eine Laufzeitvereinbarung i.S.e. Mindestlaufzeit angenommen. Es geht vorliegend nicht um eine Mindestlaufzeit, sondern um einen konkludenten Ausschluss der nach den AGB der Beklagten möglichen ordentlichen Kündigung aus sachlichem Grund durch Wiedergabe einer Prämienstaffel im Vertrag. Insofern hatte der BGH zum Az. XI ZR 345/18 eine andere Klausel zu bewerten, sodass offen ist, wie er hiesige Klausel auslegen würde. In der Entscheidung zum Az. XI ZR 345/18 hat der BGH einen konkludenten Kündigungsausschluss der Beklagten in der Prämienstaffelangabe bis zum 15. Sparjahr gesehen, wobei im 15. Sparjahr die höchste Prämienstufe erreicht wurde. Im hiesigen Rechtsstreit ist zwar auch die höchste Prämienstufe im 15. Sparjahr erreicht, jedoch sind die weiteren Prämien für die Sparjahre bis zum 25. Sparjahr ausdrücklich für jedes weitere Jahr gleichbleibend mit 50 % angegeben. Wenn der BGH einen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Bank bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe annimmt, wenn keine weiteren Sparjahre angegeben werden, dann müsste man aus Sicht der Kammer auch einen Kündigungsausschluss annehmen, wenn nachfolgende Sparjahre angegeben werden, auch, wenn bereits die höchste Stufe erreicht wurde.

IV. Auch ist der Prämienanreiz nicht mit Erreichen der Höchststufe für den Sparer erfüllt. Warum sonst, sollte die Beklagte die Folgejahre abdrucken, wenn sie nicht hierdurch einen weiteren Sparanreiz in den Prämienzahlungen bei ihren Kunden erwecken wollte? Die Beklagte hätte den weiteren Abdruck einfach weglassen können. Für den durchschnittlichen Kunden erweckt die weitere Angabe der Sparjahre über das 15 Sparjahr hinaus den Eindruck, er könne jedenfalls mit gleichbleibenden Prämien rechnen, wenn er den Vertrag solange bespart, sodass die vorherige Kündigung durch die Beklagte konkludent ausgeschlossen ist. Die Kammer vermag deshalb der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, es sei nur eine exemplarische Fortschreibung der Prämien bis zum 25. Sparjahr erfolgt, die ohne weitere rechtliche Relevanz sei. Auch aus der anfänglichen Kündigungssperrfrist (Anlage B 1, Bl. 112 d.A.) für den Sparer vermag die Beklagte nichts für ein zu ihren Gunsten bestehendes Kündigungsrecht herleiten. Diese galt nur für den Kunden. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob die Beklagte auf ihr ordentliches Kündigungsrecht konkludent verzichtet hat. Auch aus der Formulierung des Leitsatz 2 des BGH, folgt nicht, dass die Beklagte in jedem Falle und unabhängig von der konkreten Formulierung der Prämienstaffel nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen dürfte bei Vorliegen eines sachlichen Grundes. Denn wie bereits ausgeführt, hatte der BGH über eine ganz bestimmte Prämienstaffelformulierung zu befinden, die sich von der hier gegenständlichen aber wesentlich unterscheidet. Der BGH hatte lediglich die abgedruckte höchste Prämienstaffel vorliegen. Ein weitergehender Leitsatz war somit nicht notwendig.

V. Entgegen der Berufung hat das Amtsgericht auch § 305c Abs. 2 BGB hier zutreffend für einschlägig gehalten. Es gilt § 305c Abs. 2 BGB als allgemeiner Auslegungsgrundsatz für alle AGB. Vorliegend könnte man die AGB im Sinne der Beklagten dahin verstehen, dass diese immer bei Vorliegen eines sachlichen Grundes nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen könne. Man könnte sie aber auch so verstehen, dass die Kündigung der Beklagten aus sachlichem Grund erst möglich sein soll, wenn die in der Prämienstaffel abgedruckten Sparjahre erreicht worden sind. Wenn mehrere mögliche objektive Auslegungen verbleiben, die wie hier nicht zur Unwirksamkeit der Klausel führen, ist hiernach derjenigen der Vorzug zu geben, die kundenfreundlicher ist (Fornasier in Münchener Kommentar, 9. Auflage 2022, § 305c BGB Rn. 51 f.).

VI. Die Revision müsste aufgrund der o.g. unterschiedlichen obergerichtlichen Rechtsprechung zugelassen werden. Die Parteien werden daher angefragt, ob sie einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zustimmen. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.“

(LG Mühlhausen, Hinweisbeschluss vom 10.08.2022, Az. 1 S 37/21)

LG Hannover benennt heranzuziehenden Referenzzinssatz (Update 22.12.2022)

Das LG Hannover hat in einem Berufungsverfahren „Ross und Reiter“ benannt und sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Bundesbank-Zinsreihen für eine ergänzende Vertragsauslegung heranzuziehen sind (LG Hannover, Urteil vom 22. Dezember 2022 – 4 S 5/21). Aus den Entscheidungsgründen:

„Nach diesen Maßgaben entspricht es dem verobjektivierten Willen der Parteien unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen XXX in dessen schriftlichem Gutachten vom 25.04.2021 am ehesten, die dort angeführten kombinierten Zinsreihen zugrunde zu legen. Der Sachverständige führt überzeugend aus, dass für die Berechnung zunächst die Zinsreihe BBK01 SU0542 für den Zeitraum bis 2003 heranzuziehen ist, die insbesondere Spareinlagen mit höherer Verzinsung ohne Vereinbarung einer Vertragsdauer oder Gewährung einer Prämie bzw. eines Bonus betrifft; diese Zinsreihe sei passgenau zu dem in Rede stehenden Prämiensparvertrag. Ab Januar 2003 sei auf die Zinsreihe BBK01 SUD105 zurückzugreifen, in die explizit Prämien und Boni einfließen. Die Zeitreihen seien zu kombinieren und am besten passend. Auf den übrigen Inhalt der Begutachtung und Berechnung wird Bezug genommen. Von der durch den Sachverständigen zugrunde gelegten Berechnung der Sparkasse (per 31.12.2019, S. 20 des Gutachtens unten) sind weiterer 306,78 € abzuziehen, die Beklagte ausweislich des Auszugs Anlage K11 (Bl. 36 d.A.) nach dem 31.12.2019 an die Beklagte gezahlt hat. Es ergibt sich daher eine Zinsdifferenz von 17.606,12 € + 306,78 €= 17.912,90 € abzgl. des durch den Sachverständigen errechneten Zinsanspruchs in Höhe von 19.200,33 €, mithin 1.287,43 €. Ein darüberhinausgehender Zinsanspruch ergibt sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht. Insbesondere ist die durch das Privatgutachten XXX der Klägerin verwendete Zinsreihe BBK01 WX4260 nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen (S. 6 des Gutachtens) nicht als Berechnungsgrundlage geeignet, da die zugrundeliegende Datenbasis „inländische Inhaberschuldverschreibungen/ Hypothekenpfandbriefe“ wirtschaftlich nichts mit Sparverträgen zu tun hat. Auch die vergleichbare Zinsreihe über Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/ Bankschuldverschreibungen /… (S. 7 des Gutachtens) sei mangels Äquivalenz ungeeignet, ebenso die Zinsreihe BBK.01.SU0022.

Dass im Parallelverfahren OLG Dresden (5 U 1973/20) sachverständig beraten eine andere Zinsreihe (W U9554-Ist) verwendet wurde, ist vorliegend ohne Belang, da es sich um eine tatsächliche, und keine rechtliche Frage handelt. Die Beklagte (Schriftsatz vom 13.05.2022) trägt überdies nicht vor, warum diese Zinsreihe für die Berechnung besser geeignet sein soll, als die kombinierte Zinsreihe wie durch den Sachverständigen XXX verwendet; auch beantragt sie nicht, den Sachverständigen hierzu zu hören.“

(LG Hannover, Urteil vom 22. Dezember 2022 – 4 S 5/21)

OLG Dresden muss Referenzzinssatz bestimmen (Update 26.01.2023)

Der XI. Zivilsenat des BGH hat erneut über Revisionen gegen ein Musterfeststellungsurteil des OLG Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden. Es ging erneut um eine Klausel mit dem Wortlaut „Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst.“ bzw. „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. …%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […].“

Der Musterkläger wollte unter anderem die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode erreichen. Das OLG Dresden hatte die Klage insoweit abgewiesen.

Der BGH entschied, dass das OLG über den Referenzzinssatz zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz zu bestimmen hat (BGH, Urteil vom 24.01.2023, Az.: XI ZR 257/21).

OLG Dresden entscheidet zum Referenzzinssatz (Update 22.03.2023)

Das OLG Dresden hat nun im Musterfeststellungsverfahren gegen die Ostsächsische Sparkasse Stellung zum Referenzzinssatz genommen (OLG Dresden, 22.03.2023, 5 MK 1/22). Die Vertragslücke bei unwirksamen Zinsanpassungsklauseln ist nach Auffassung des OLG Dresden auf der Grundlage der Zinsreihe der Deutschen Bundesbank für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8- bis 15-jähriger Restlaufzeit vorzunehmen. Die Zinsreihe heißt:

„Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Börsennotierte Bundeswertpapiere/ RLZ von über 8 bis 15 Jahren/Monatswerte“

(derzeitige Kennung BBSIS.M.I.UMR.RD. EUR.S1311.B.A604.R0815.R.A.A._Z._Z.A., vormals WU 9554)

Die Vornahme der Zinsanpassung habe unter Wahrung des relativen Abstandes zwischen dem im jeweiligen Vertrag bezifferten Zinssatz und dem Referenzzinssatz monatlich zu erfolgen.

Das OLG stellte auch noch einmal klar, dass die Verjährungsfrist für den Nachverzinsungsanspruch frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des jeweiligen Sparvertrages beginnt.

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