Schon seit einiger Zeit kündigen Sparkassen gegenüber ihren Kunden langfristige Prämiensparverträge, die zum Teil erhebliche Zinsen und Zusatzprämien versprachen.

Zu dieser Thematik gibt es bereits einige Gerichtsentscheidungen, die leider nicht immer einheitlich sind.

Hintergrund

Der Streit um die Kündigung von Prämiensparverträgen durch deutsche Sparkassen beschäftigt immer noch Gerichte quer durch die Republik.

Sparkassen boten in den 90er- und 2000er-Jahren ihren Kunden häufig langfristige Prämiensparverträge mit variablem Zinssatz an. Solche Prämiensparverträge zeichnen sich dadurch aus, dass der Sparer über einen längeren Zeitraum (z.B. 25 Jahre) regelmäßige Sparraten erbringt und hierauf variable Zinsen und zusätzliche Prämien erhält. Die Zusatzprämie ist dabei meistens nach der Vertragslaufzeit gestaffelt und beträgt – je nach Vertrag – bis zu 100 Prozent der eingezahlten Sparraten.

Mit Urteil vom 14.05.2019 (Az. XI ZR 345/18) fällte der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zu Gunsten der Sparkassen: Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Sparkasse im entschiedenen Fall dazu berechtigt war, den Prämiensparvertrag nach Erreichen der höchsten Prämienstufe zu kündigen. Der BGH führte hierzu Folgendes aus:

“Einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts haben die Parteien auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des Vertrages nicht vereinbart (so aber Stößer, BB 2018, 1223, 1224 f.). Nach dem Inhalt der Vertragsantragsformulare hat die Beklagte die Zahlung einer Sparprämie lediglich bis zum 15. Sparjahr versprochen. Ab diesem Zeitpunkt waren die Sparverträge zwar nicht automatisch - mit der Folge der Fälligkeit und Rückzahlung der Spareinlagen - beendet, sondern liefen weiter. Nach dem Vertragsinhalt stand der Beklagten aber ab diesem Zeitpunkt ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen unter Beachtung der in Nr. 4 Satz 1 der Bedingungen für den Sparverkehr geregelten Auslauffrist von drei Monaten zu.

Dies entspricht auch einer beiderseits interessengerechten Auslegung der Sparverträge. Der von der Beklagten gesetzte besondere Sparanreiz liegt in erster Linie in der bis zum 15. Sparjahr kontinuierlich steigenden Prämienhöhe. Dagegen kann - anders als die Revision meint - ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrages eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll.”

(BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18)

Nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe kündigten weitere Sparkassen massenhaft derartige Verträge unter Berufung auf die vorgenannte BGH-Entscheidung.

Verschiedene Verträge mit unterschiedlichem Wortlaut

Bei der vorgenannten BGH-Entscheidung vom 14.05.2019 ist zu beachten, dass diese einen Sachverhalt betraf, der sich zum Teil von anderen Sparverträgen deutlich unterscheidet. In dem vom BGH entschiedenen Fall war im Vertrag lediglich eine Prämienstaffel bis zum 15. Sparjahr abgedruckt, wie sich aus dem Tatbestand der Entscheidung ergibt:

“Die Kläger schlossen mit der Beklagten am 17. Mai 1996 einen Sparvertrag “S-Prämiensparen flexibel” mit der Kontoendnummer -61. Vertragsbeginn war der 1. Juni 1996. In dem von den Klägern unterzeichneten Vertragsantragsformular heißt es auszugsweise wie folgt:

Wir werden monatlich ab 01.06.1996 den Betrag von DM 200,00 einzahlen.

Vom 01.06.1996 bis Vertragsende gelten folgende Konditionen:

Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 3% verzinst.

Daneben zahlt die Sparkasse am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche S-Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres.

Die Prämie beträgt nach dem 3. Sparjahr: 3,0% 4. Sparjahr: 4,0% 5. Sparjahr: 6,0%

6. Sparjahr: 8,0% 7. Sparjahr: 10,0% 8. Sparjahr: 15,0%

9. Sparjahr: 20,0% 10. Sparjahr: 25,0% 11. Sparjahr: 30,0%

12. Sparjahr: 35,0% 13. Sparjahr: 40,0% 14. Sparjahr: 45,0%

15. Sparjahr: 50,0%.”

(Aus dem Tatbestand von BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18)

Allerdings waren nicht alle Prämiensparverträge so ausgestaltet wie im Fall des BGH. Mitunter haben andere Sparkassen die Prämienstaffel nicht nur bis zum 15. Sparjahr, sondern bis zum 25. Sparjahr abgedruckt.

Hier stellt sich die Frage, ob mit dem Abdruck einer Prämienstaffel über 25 Jahre das Kündigungsrecht der Sparkasse über diesen Zeitraum ausgeschlossen wurde. Außerdem gab es Fälle, in denen ausdrück­lich lange Lauf­zeiten im Vertrag vereinbart wurden.

Die Rechtsprechung ist insoweit derzeit noch uneinheitlich. Zu Gunsten der Sparkassen entschieden beispielsweise:

  • AG Bad Liebenwerda, Urteil vom 23.10.2020, Az. 11 C 46/20

  • LG Coburg, Urteil vom 23.02.2021, Az. 11 O 468/20

  • LG Deggendorf, Urteil vom 24. September 2020, Az. 31 O 232/20

Zu Gunsten der Sparer entschieden dagegen beispielsweise folgende Gerichte:

  • OLG Dresden, Urteil vom 21. November 2019, Az. 8 U 1770/18 (dort war eine Laufzeit von 1188 Monaten angegeben)

  • LG Stendal, Urteil vom 14. November 2019 – 22 S 104/18 (dort war eine Laufzeit von 1188 Monaten angegeben)

  • Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt, Urteile vom 05.03.2021 (Az. 1 C 436/20, 1 C 437/20), vom 12.03.2021 (Az. 1 C 507/20) und vom 26.03.2021 (Az. 1 C 518/20)

Eine endgültige Klärung wird wahrscheinlich wieder erst der Bundesgerichtshof herbeiführen.

Welche Sparverträge dürfen gekündigt werden?

Höchstrichterlich geklärt ist die Frage seit 2019 für Sparverträge, in denen eine Prämienstaffel über 15 Jahre abgedruckt wurde und das Kündigungsrecht auch sonst nicht ausgeschlossen war. Hierzu entschied der Bundesgerichtshof, dass die Sparkasse nach Erreichen der höchsten Prämienstufe (im entschiedenen Fall war das nach 15 Jahren) gegenüber ihren Kunden kündigen darf (BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18).

Ob dies auch für andere Prämiensparverträge gilt, wird derzeit von den Gerichten noch uneinheitlich beurteilt. Die von den Sparkassen verwendeten Vertragsformulare waren nicht einheitlich. So gab es zum Beispiel Verträge, in denen eine Prämienstaffel über 25 Jahre abgedruckt war. Andere enthielten einen Zusatz “FJ” (für “Folgejahre”). Weitere Verträge wiederum enthielten eine konkrete Laufzeit, andere eine “maximale” Laufzeit. Es kommt somit stark auf die Formulierung im Einzelfall an.

Wie kann man gegen die Kündigung eines Prämiensparvertrags rechtlich vorgehen?

Betroffene Kunden sollten der Kündigung vorsorglich schriftlich widersprechen und darauf bestehen, dass der Vertrag weiter erfüllt wird. Hierfür kann z.B. folgendes Musterschreiben verwendet werden:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

ich nehme Bezug auf meinen Sparvertrag mit der Nummer XXX und Ihre Kündigung vom XXX. Hiermit widerspreche ich Ihrer Kündigung ausdrücklich. Ich fordere Sie auf, meinen oben genannten Sparvertrag über das Datum des Kündigungstermins hinaus entsprechend der vereinbarten Bedingungen unverändert fortzuführen.

Ich werde meine Sparraten weiterhin wie vertraglich vereinbart leisten.

Ich bitte um Stellungnahme bis zum XXX. Sollte ich bis dahin keine Antwort von Ihnen erhalten oder sollten Sie weiterhin an der Kündigung festhalten, behalte ich mir rechtliche Schritte vor.“

Das bereits erzielte Sparguthaben sollte keinesfalls ausgegeben oder auf andere Konten bzw. Anlageformen umgebucht werden. Es sollte jeder Anschein vermieden werden, dass man die Kündigung stillschweigend akzeptiert. Am besten sollte auch versucht werden, die vertraglich vereinbarte monatliche Sparrate weiter zu entrichten. Damit bringt der Sparer deutlich zum Ausdruck, dass er am Prämiensparvertrag festhalten möchte. Wenn die Sparkasse diese nicht annimmt, kann man ggf. später Schadensersatz verlangen.

Besonders deutlich ergibt sich dies bei den Verträgen, wo eine feste Laufzeit (300 bzw. 1188 Monate) vereinbart worden ist, das Fälligkeitsdatum im Kundenfinanzstatus taggenau festgehalten ist oder der Vertrag selbst eine Prämienstaffel von 25 bzw. 99 Jahren enthält.

Sollte die betroffene Sparkasse nicht einlenken, besteht die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage. Das zuständige Gericht prüft dann verbindlich, ob die Kündigung gerechtfertigt war oder nicht. Rechtsschutzversicherungen übernehmen regelmäßig die Kosten für ein entsprechendes Gerichtsverfahren.

Unwirksame Zinsanpassungsklauseln

Die variable Verzinsung für solche Prämiensparverträge wurde in Zinsanpassungsklauseln der Banken und Sparkassen geregelt. Diese Zinsanpassungsklauseln berechtigten das jeweilige Kreditinstitut, die vertraglich vorgesehene variable Verzinsung einseitig anzupassen. Beispiele für solche Klauseln sind:

„Die Bank/Sparkasse zahlt … den durch Aushang bekanntgegebenen Zins“

oder

„die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit … % verzinst“

Solche Klauseln wurden jedoch vom Bundesgerichtshof (BGH) seit 2004 in mehreren Entscheidungen für unwirksam befunden.

So entschied der BGH mit Urteil vom 17.02.2004 (Az. XI ZR 140/03), dass eine Klausel mit dem Inhalt

“Die Sparkasse zahlt am Ende eines Kalenderjahres den im Jahresverlauf durch Aushang bekanntgegebenen Zins für das Combispar-Guthaben”

gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt und damit unwirksam ist. Ein solches uneingeschränktes Leistungsbestimmungsrecht der Sparkasse sei den Kunden – auch unter Berücksichtigung der Interessen der Sparkasse – nicht mehr zumutbar. Das folge insbesondere aus dem Langfrist-Charakter der Combispar-Verträge.

Aufgrund der Tatsache, dass etliche Zinsanpassungsklauseln unwirksam sind, ist eine ergänzende Vertragsauslegung notwendig. Der Bundesgerichtshof hat in weiteren Verfahren die Anforderungen an die Gestaltung von Zinsanpassungsklauseln konkretisiert (BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09; BGH, Urteil vom 21.12.2010 – XI ZR 52/08; BGH, Urteil vom 14.03.2017 – XI ZR 508/15). Die vom BGH entwickelten Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Zinsanpassungsklausel muss an einen der Vertragslaufzeit entsprechenden aussagekräftigen Referenzzinssatz gekoppelt sein. , einen Anpassungsschwellenschwert sowie konstant wiederkehrende Prüfungs- und Anpassungszeitpunkte gebunden sein.

  • Der Referenzzinssatz muss der konkreten Vereinbarung möglichst nahekommen (Allerdings hat der BGH in diesem Zusammenhang keinen konkreten Referenzzinssatz der Deutschen Bundesbank genannt).

  • Die Zinsanpassungsklausel muss einen Anpassungsschwellenwert enthalten, ab welchem eine Zinsänderung vorzunehmen ist.

  • Die Zinsanpassungsklausel muss außerdem einen Anpassungszeitraum enthalten, nach welchem eine Überprüfung der Anpassungsschwelle erfolgen muss (allerdings kann es nach Auffassung des BGH auch sachgerecht sein, eine Anpassungsschwelle auch ganz entfallen zu lassen).

  • Die Zinsanpassungsklausel muss dem Äquivalenzprinzip entsprechen. Gemeint ist damit, dass der relative Abstand von Vertragszins zu Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit konstant bleiben muss, und zwar in beide Richtungen.

Wie muss die Zinsanpassung erfolgen?

Eine bestimmte Methode der Zinsanpassung hat der BGH nicht im Detail vorgegeben. Der BGH führt hierzu aus:

“Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB zugebilligt werden kann. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders entfällt mit Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos (vgl. Schimansky, WM 2001, 1169, 1175; Burkiczak, BKR 2007, 190, 193; Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 218; Metz, BKR 2001, 21, 24, 28; siehe auch BGHZ 94, 98, 103; aA Habersack, WM 2001, 753, 760). Die Beklagte konnte daher nicht einseitig die Parameter festlegen, die sie ihrer Neuberechnung zugrunde gelegt hat und auf denen das Sachverständigengutachten beruht. Da diese Parameter nicht Inhalt des Sparvertrages sind, kann auch dahinstehen, ob sie im Rahmen einer vertraglichen Zinsänderungsklausel der Inhaltskontrolle standhalten würden. Vielmehr hat das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die maßgeblichen Parameter selbst zu bestimmen, wobei in sachlicher Hinsicht (z.B. Umstände einer Zinsänderung, insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzins) und in zeitlicher Hinsicht (z.B. Dauer der Zinsperiode) präzise Parameter zu wählen sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (vgl. Senat, BGHZ 180, 257, Tz. 35 m.w.N.).”

(BGH, Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09)