Sehr geehrte Leser!

Sie kennen das bestimmt: Ein Vertrag wird für Sie nutzlos, zu teuer oder Sie haben sich massiv über den Kundenservice geärgert. Also weg damit, denken Sie sich. Sie möchten den Vertrag kündigen. Dann vergessen Sie bitte nicht, sich einen Nachweis für den Zugang der Kündigung zu sichern. Denn ansonsten haben Sie schnell ein Problem.

Zum Hintergrund

Im Rechtsverkehr hängen bestimmte Rechtsfolgen zwingend vom Zugang einer Erklärung ab. Eine Kündigung zum Beispiel entfaltet erst dann ihre rechtliche Wirkung, wenn Sie dem Empfänger zugegangen ist. Das gilt auch für viele andere rechtliche gestaltende Erklärungen, z.B.

  • Widerruf

  • Anfechtung

  • Rücktritt

  • Minderung

  • Mahnung

Was bedeutet Zugang im Rechtssinne?

Zunächst stellt sich die Frage, was man unter “Zugang” rechtlich versteht. Hierfür gibt es eine herrschende Definition der Rechtsprechung:

“Zugegangen ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen.”

(BGH, Urteil vom 26. 11. 1997 - VIIIZR22/97)

Nach dieser Definition kommt es ausdrücklich nicht (!) darauf an, ob der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat oder nicht. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme ist für den Zugang ausreichend. Wenn also jemand seinen Briefkasten nicht regelmäßig leert oder seine Post ungeöffnet auf dem Schreibtisch liegen lässt, kann er den Zugang so nicht verhindern.

“Es genügt, dass die Willenserklärung in den Bereich des Empfängers gelangt ist und zwar so, dass sie üblicherweise – nicht zufällig – alsbald wahrgenommen werden kann. Hierbei hat der Empfänger die Risiken seines räumlichen Machtbereiches zu tragen. Führen diese dazu, dass der Empfänger vom Inhalt der Willenserklärung entweder verspätet oder gar nicht Kenntnis nimmt, sind diese dem Empfänger zuzurechnen, wenn die Erklärung in seinen räumlichen Machtbereich gelangt ist. Daher geht eine Willenserklärung auch dann zu, wenn der Empfänger durch Krankheit oder – wie hier – durch Urlaub daran gehindert ist, von dem Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. In diesem Fall trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche – allein in der Person des Empfängers liegenden – Gründe nicht ausgeschlossen.”

(BGH, Urteil vom 21. 1. 2004 – XII ZR 214/00)

Wann genau der Zugang eintritt, hängt davon ab, ob beide Parteien gleichzeitig “live” anwesend sind (z.B. am Telefon) oder abwesend (z.B. bei Versand per Post). Bei einer Erklärung unter Anwesenden ist die Erklärung sofort zugegangen. Bei einer Erklärung gegenüber einem Abwesenden kommt es auf das Transportmedium und die üblichen Gepflogenheiten an (z.B. wann eine Leerung des Briefkastens erwartet werden darf).

Wie kann man den Zugang einer Kündigung nachweisen?

Für den Absender einer Kündigung (oder einer anderen rechtsgestaltenden Erklärung) ist es wichtig, im Streitfall nachweisen zu können, dass die Erklärung dem Empfänger zugegangen ist. Der Zugang einer Willenserklärung ist nämlich regelmäßig von demjenigen zu beweisen, der sich hierauf beruft (also meistens vom Absender).

Einwurf in den Briefkasten

Eine Kündigung (oder andere Erklärung) kann persönlich oder durch einen Boten in den Briefkasten eingeworfen werden. Dabei sollte nach Möglichkeit ein Zeuge hinzugezogen werden. Fotos oder Videos vom Einwurf können die Beweissituation verbessern.

Bei fristgebundenen Kündigungen ist zu beachten, dass ein Zugang am gleichen Tag voraussetzt, dass die Kündigung während der üblichen Leerungszeiten eingeworfen wird.

Wenn man zum Beispiel eine Erklärung in den Briefkasten eines Bürobetriebs am Nachmittag des 31. Dezember einwirft, obwohl dort - branchenüblich - an Silvester nachmittags nicht mehr gearbeitet wird, so geht das Schriftstück erst am nächsten Werktag zu (BGH, Urteil vom 05.12.2007 – XII ZR 148/05).

Versendung mit einfachem Brief

Eine Versendung mit einfachem Brief ist grundsätzlich nicht zu empfehlen. Briefe können sich auf dem Postweg verzögern oder verloren gehen. Bei zur Post gegebenen Briefen besteht nach der Rechtsprechung kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung (BGH, Urteil vom 21.01.2009 – VIII ZR 107/08).

Eine Versendung mit einfachem Brief ist also nur dann ausreichend, wenn noch genügend Zeit besteht und erwartet werden kann, dass der Empfänger den Erhalt bestätigt.

Einschreiben

Sofern man ein Einschreiben verwendet, sollte man besser nicht auf die Variante “mit Rückschein” zurückgreifen, da hierbei das Risiko besteht, dass das Einschreiben nicht abgeholt wird und dann an den Absender zurückgeht. Der Zugang des Benachrichtigungsscheins ist kein Ersatz für den Zugang des Einschreibebriefs selbst (BGH, Urteil vom 26.11.1997 – VIII ZR 22/97). Es besteht auch keine generelle Pflicht, Empfangsvorkehrungen für Erklärungen zu treffen (BGH, Urteil vom 03.11.1976 - VIII ZR 140/75). Nur in bestimmten Ausnahmefällen wird der Zugang fingiert, z.B. wenn der Empfänger den Zugang bewusst vereitelt oder verzögert oder wenn er mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen muss und nicht dafür sorgt, dass diese ihn erreichen.

Bei einem Einschreiben sollte man außerdem einen Zeugen hinzuziehen, der das Schreiben vorher selbst liest und dann im Auftrag des Absenders bei der Post aufgibt. So lässt sich später auch beweisen, welchen Inhalt das Einschreiben hatte.

E-Mail, Fax, Messenger

Eine Versendung per E-Mail, Fax oder Messenger (z.B. Whatsapp) ist nur dann beweissicher, wenn man nach dem Versand eine Empfangsbestätigung erhält (z.B. eine Lesebestätigung über das E-Mail-Programm des Empfängers oder zwei blaue Haken in Whatsapp). So entschied z.B. das LAG Köln, dass die Absendung der E-Mail keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger begründet.

“Nach dem Versenden einer E-Mail wird die Nachricht auf einem Server eingehen. Dies ist jedoch nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post ist es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Das Risiko kann nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Der Versender wählt die Art der Übermittlung der Willenserklärung und damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Zudem hat der Versender die Möglichkeit, vorzubeugen. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, hat der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.”

(LAG Köln, Urteil vom 11.01.2022 - 4 Sa 315/21)

Zu Whatsapp hat das LG Bonn entschieden, dass die Anzeige von zwei blauen Haken belegt, dass die Nachricht auf dem Endgerät des Empfängers eingegangen und auch von diesem geöffnet worden ist (LG Bonn, Urteil vom 31. Januar 2020 – 17 O 323/19).

Bei elektronisch abgegebenen Erklärungen muss stets kritisch hinterfragt werden, ob die Schriftform oder eine gleichgestellte Form vorgeschrieben ist. Die Textform (vgl. § 126b BGB) entspricht nicht der Schriftform (vgl. § 126 BGB). So ist z.B. eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in Textform formunwirksam (§ 623 BGB).

Persönliche Zustellung durch Gerichtsvollzieher

Die sicherste Option ist eine persönliche Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (vgl. § 132 BGB). Hierbei nimmt der Gerichtsvollzieher den Inhalt des Schriftstücks zur Kenntnis, übergibt es persönlich an den Empfänger und beurkundet dies. Wird der Empfänger nicht angetroffen, legt der Gerichtsvollzieher das Schriftstück beim Empfänger nieder und erstellt darüber eine Urkunde. Auf diese Art und Weise ist der Zugang so rechtssicher wie möglich nachgewiesen. Für eine Zustellung durch den Gerichtsvollzieher wendet man sich zunächst an die Gerichtsvollzieher-Verteilstelle beim zuständigen Amtsgericht des Empfängers. Dort erhält man Auskunft darüber, welcher Gerichtsvollzieher für die Anschrift des Empfängers zuständig ist. Welches Gericht für die Anschrift des Empfängers zuständig ist, kann man über das Orts- und Gerichtsverzeichnis des Bundes und der Länder herausfinden (https://www.justizadressen.nrw.de/de/justiz/suche).

Doppelt genäht hält besser

Es spricht überhaupt nichts dagegen, eine Erklärung auf mehreren Wegen zu versenden (z.B. vorab per E-Mail oder Fax). Im Gegenteil, je mehr Transportkanäle man verwendet, desto wahrscheinlicher ist es im Streitfall, den Zugang nachweisen zu können.