Nachdem ich für mehrere Kunden der Kreissparkasse Eichsfeld gerichtlich gegen die Kündigungen ihrer Prämiensparverträge vorgegangen bin, hat das Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt in erster Instanz bislang durchweg entschieden, dass die Kündigungen unwirksam sind. Die Kreissparkasse Eichsfeld ist daraufhin in sämtlichen von mir begleiteten Verfahren in Berufung gegangen.

Nun liegt uns ein erster Hinweisbeschluss des Landgerichts Mühlhausen zu dieser Thematik vor (LG Mühlhausen, Hinweisbeschluss vom 10.08.2022, Az. 1 S 37/21). Das LG Mühlhausen vertritt die Auffassung, dass das Urteil des AG Heilbad Heiligenstadt den Angriffen der Berufung vollumfänglich standhält. Nachfolgend der Volltext des Hinweisbeschlusses:

“I. Die Beklagte wehrt sich mit der Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil, in welchem in der Hauptsache festgestellt wurde, dass der Prämiensparvertrag vom 16.06.2005 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.09.2020 zum 16.01.2021 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht, sowie gegen die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Nichtannahme der monatlichen Sparraten. Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag weist eine Prämienstaffel vom 3. - 25. Sparjahr aus, wobei die höchste Prämienstufe von 50 % ab dem 15. Sparjahr erreicht wird und für die weiteren Sparjahre jeweils bis zum 25. Sparjahr die Prämienstufe gleichbleibend mit 50 % angegeben ist (Anlage Kl, Bl. 11f. d.A.). Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II. Vorliegender Prämiensparvertrag ist ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag gemäß § 700 BGB, da der Sparer nicht zur Einzahlung monatlicher Sparbeiträge verpflichtet ist. Fraglich ist, ob die Beklagte hier nach 15 Jahren den Sparvertrag ordentlich kündigen konnte gemäß Nr. 26 ihrer AGB.

III. Das Urteil des Amtsgerichts hält nach Auffassung der Kammer den Berufungsangriffen vollumfänglich stand. Ein objektiver Empfänger der AGB konnte die vorliegende Prämienstaffel so verstehen, dass bis zum 25. Sparjahr jedenfalls durch die Beklagte keine Kündigung erfolgen kann (so auch OLG Nürnberg v. 29.03.2022 - 14 U 3259/20; a.A. OLG Celle v. 18.10.2021 - 3 U 140/21). Das Amtsgericht hat nicht die Entscheidung des BGH vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18 verkannt und eine Laufzeitvereinbarung i.S.e. Mindestlaufzeit angenommen. Es geht vorliegend nicht um eine Mindestlaufzeit, sondern um einen konkludenten Ausschluss der nach den AGB der Beklagten möglichen ordentlichen Kündigung aus sachlichem Grund durch Wiedergabe einer Prämienstaffel im Vertrag. Insofern hatte der BGH zum Az. XI ZR 345/18 eine andere Klausel zu bewerten, sodass offen ist, wie er hiesige Klausel auslegen würde. In der Entscheidung zum Az. XI ZR 345/18 hat der BGH einen konkludenten Kündigungsausschluss der Beklagten in der Prämienstaffelangabe bis zum 15. Sparjahr gesehen, wobei im 15. Sparjahr die höchste Prämienstufe erreicht wurde. Im hiesigen Rechtsstreit ist zwar auch die höchste Prämienstufe im 15. Sparjahr erreicht, jedoch sind die weiteren Prämien für die Sparjahre bis zum 25. Sparjahr ausdrücklich für jedes weitere Jahr gleichbleibend mit 50 % angegeben. Wenn der BGH einen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Bank bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe annimmt, wenn keine weiteren Sparjahre angegeben werden, dann müsste man aus Sicht der Kammer auch einen Kündigungsausschluss annehmen, wenn nachfolgende Sparjahre angegeben werden, auch, wenn bereits die höchste Stufe erreicht wurde.

IV. Auch ist der Prämienanreiz nicht mit Erreichen der Höchststufe für den Sparer erfüllt. Warum sonst, sollte die Beklagte die Folgejahre abdrucken, wenn sie nicht hierdurch einen weiteren Sparanreiz in den Prämienzahlungen bei ihren Kunden erwecken wollte? Die Beklagte hätte den weiteren Abdruck einfach weglassen können. Für den durchschnittlichen Kunden erweckt die weitere Angabe der Sparjahre über das 15 Sparjahr hinaus den Eindruck, er könne jedenfalls mit gleichbleibenden Prämien rechnen, wenn er den Vertrag solange bespart, sodass die vorherige Kündigung durch die Beklagte konkludent ausgeschlossen ist. Die Kammer vermag deshalb der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, es sei nur eine exemplarische Fortschreibung der Prämien bis zum 25. Sparjahr erfolgt, die ohne weitere rechtliche Relevanz sei. Auch aus der anfänglichen Kündigungssperrfrist (Anlage B 1, Bl. 112 d.A.) für den Sparer vermag die Beklagte nichts für ein zu ihren Gunsten bestehendes Kündigungsrecht herleiten. Diese galt nur für den Kunden. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob die Beklagte auf ihr ordentliches Kündigungsrecht konkludent verzichtet hat. Auch aus der Formulierung des Leitsatz 2 des BGH, folgt nicht, dass die Beklagte in jedem Falle und unabhängig von der konkreten Formulierung der Prämienstaffel nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen dürfte bei Vorliegen eines sachlichen Grundes. Denn wie bereits ausgeführt, hatte der BGH über eine ganz bestimmte Prämienstaffelformulierung zu befinden, die sich von der hier gegenständlichen aber wesentlich unterscheidet. Der BGH hatte lediglich die abgedruckte höchste Prämienstaffel vorliegen. Ein weitergehender Leitsatz war somit nicht notwendig.

V. Entgegen der Berufung hat das Amtsgericht auch § 305c Abs. 2 BGB hier zutreffend für einschlägig gehalten. Es gilt § 305c Abs. 2 BGB als allgemeiner Auslegungsgrundsatz für alle AGB. Vorliegend könnte man die AGB im Sinne der Beklagten dahin verstehen, dass diese immer bei Vorliegen eines sachlichen Grundes nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen könne. Man könnte sie aber auch so verstehen, dass die Kündigung der Beklagten aus sachlichem Grund erst möglich sein soll, wenn die in der Prämienstaffel abgedruckten Sparjahre erreicht worden sind. Wenn mehrere mögliche objektive Auslegungen verbleiben, die wie hier nicht zur Unwirksamkeit der Klausel führen, ist hiernach derjenigen der Vorzug zu geben, die kundenfreundlicher ist (Fornasier in Münchener Kommentar, 9. Auflage 2022, § 305c BGB Rn. 51 f.).

VI. Die Revision müsste aufgrund der o.g. unterschiedlichen obergerichtlichen Rechtsprechung zugelassen werden. Die Parteien werden daher angefragt, ob sie einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zustimmen. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.”

(LG Mühlhausen, Hinweisbeschluss vom 10.08.2022, Az. 1 S 37/21)