Man wundert sich ja immer wieder, welche Betrugsmaschen immer noch funktionieren, obwohl darüber regelmäßig in den Medien berichtet wird. Etwa der berühmt-berüchtigte „Enkel-Trick“. Wobei der „Enkel-Trick“ meistens nichts mehr mit angeblichen Enkeln zu tun hat. Der Begriff hat sich aber für solche Fälle etabliert, in denen älteren Menschen von Betrügern haarsträubende Geschichten am Telefon aufgetischt werden, um sie anschließend zur Herausgabe großer Mengen Bargeld zu bewegen.

Das Landgericht Dortmund musste sich nun mit der spannenden Frage beschäftigen, inwieweit eine Bank Schutzpflichten gegenüber ihren Kunden treffen, wenn diese plötzlich eine ungewöhnlich hohe Bargeldsumme abheben möchten.

In dem entschiedenen Fall verklagte eine „Ü60-Kundin“ ihre Bank, bei der sie ein privates Girokonto unterhielt. Normalerweise hob sie dort nur kleinere Bargeldbeträge zwischen 30 und 300 € ab.

Im Juli 2023 rief die Kundin im KundenDialogCenter der Bank an und fragte an, ob sie am selben Tag noch 25.000 € Bargeld abheben könne. Der Kundin wurde mitgeteilt, dass dies nach vorheriger telefonischer Bestellung in der Hauptstelle möglich sei. Die Kundin bestellte also den gewünschten Betrag und hob diesen noch am selben Nachmittag in der Hauptstelle ab.

Die Kundin behauptete, sie sei Opfer eines „Enkel-Tricks“ geworden. An dem Tag der Abhebung habe sich bei ihr ein Anrufer mit einer unterdrückten Telefonnummer als Polizeibeamter vorgestellt und mitgeteilt, dass ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe. Die Tochter befinde sich deswegen nun in Polizeigewahrsam, für eine Entlassung müsse beim Landgericht eine Kaution hinterlegt werden. Dies habe sie dann auch getan, sie habe nämlich das Geld einem Mitarbeiter vor der Gerichtskasse übergeben, welche inzwischen geschlossen war.

Die Kundin vertrat die Ansicht, dass sich den Bankmitarbeitern bei diesen Gesamtumständen hätte aufdrängen müssen, dass sie Opfer eines „Enkel-Tricks“ geworden sei. Ein entsprechend informierter Bankmitarbeiter hätte bei der Abhebung nachfragen und sie auf mögliche Gefahren hinweisen müssen.

Ganz fernliegend ist das nicht. Denn das BGB besagt:

„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“

(§ 241 Abs. 2 BGB)

Ein Girovertrag ist ein solches Schuldverhältnis und damit ist eine Bank auch grundsätzlich dazu verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Kunden Rücksicht zu nehmen.

Das LG Dortmund erteilte der Auffassung der Kundin jedoch eine Absage. Eine Pflichtverletzung der Bank nach § 241 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Aus den Entscheidungsgründen:

„Es ist gemeinhin anerkannt, dass sich ein Zahlungsdienstleister in der Regel schon wegen der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge – auch bei Bargeldauszahlungen am Schalter – auf eine rein formale Prüfung des Inhalts, ob der ihm erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist, beschränken darf. Zwar ist ebenso anerkannt, dass Warn- und Hinweispflichten des Kreditinstituts bestehen können; diese sind jedoch auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, dass Treu und Glauben es nach den Umständen des Einzelfalls gebieten, vor Ausführung des Auftrags vorherige Rückfrage bei dem abhebewilligen Bankkunden zu halten, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren. Um die Banken nicht übermäßig zu belasten und auch um Bargeldabhebungen nicht übermäßig zu erschweren, beschränken sich die Warn- und Hinweispflichten auf objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente; zusätzliche Prüfungspflichten sollen gerade nicht begründet werden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.06.2022 – 18 U 8/21 – BeckRS 2022, 17622, Rn. 55 f. m.w.N.). Dies entspricht der von der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderungsschrift vom 02.11.2023 (Bl. 44 d.A.) zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2004 – XI ZR 90/03 – NJW-RR 2004, 1637, 1638; Urt. v. 06.05.2008 – XI ZR 56/07 – NJW 2008, 2245, 2246, Rn. 15 f.; außerdem: Urt. v. 19.09.2023 – XI ZR 343/22 – NJW 2023, 3719, 3721, Rn. 24 [Mitwirkung des Zahlungsdienstleisters bei unerlaubtem Glücksspiel]).

Wenn nun ein Bankkunde bzw. eine Bankkundin – mag er oder sie auch einen nervösen Eindruck vermitteln – am Schalter die Barauszahlung eines für ihn bzw. sie unüblich hohen Betrages verlangt, hat die Bank ohne Hinzutreten weiterer, außergewöhnlicher Umstände die Motivation für die Abhebung nicht zu hinterfragen. Im Gegenteil ist sie aus dem Girovertrag ihrem Kunden bzw. ihrer Kundin gegenüber zur Ausführung des Auftrags verpflichtet, § 675o Abs. 2 BGB."

(LG Dortmund, Urteil vom 24.1.2024 - 3 O 340/23)

Das Urteil halte ich in diesem Fall für nachvollziehbar. Eine Grundsatzentscheidung ist das für meine Begriffe jedoch nicht. Es sind durchaus andere Fälle denkbar, in denen sich einem Bankmitarbeiter förmlich aufdrängen muss, dass das Vermögen des Kunden durch strafbares Verhalten gefährdet ist. Dann kommt auch eine Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht.