Unter Zwangsvollstreckung versteht man die staatliche Durchsetzung eines Anspruchs, wenn der Schuldner freiwillig nicht leistet.

Grundvoraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung sind:

  • ein Vollstreckungstitel (z. B. Urteil, Vollstreckungsbescheid, Prozessvergleich, notarielle Urkunde mit Unterwerfung)
  • die Vollstreckungsklausel (regelmäßig „Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung“)
  • die Zustellung dieser Ausfertigung an den Schuldner.

Erst hiernach dürfen konkrete Vollstreckungsmaßnahmen beginnen (siehe §§ 704, 794, 724 f., 750 ZPO).

Welche Vollstreckungstitel kommen in der Praxis am häufigsten vor?

Praktisch relevant sind das rechtskräftige oder für vorläufig vollstreckbar erklärte Endurteil (§ 704 ZPO), der Vollstreckungsbescheid aus dem gerichtlichen Mahnverfahren (§ 699 Abs. 1, § 700 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) sowie der Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Wer führt die Zwangsvollstreckung durch?

Forderungspfändungen (z.B: Lohnpfändung, Kontopfändung etc.) ordnet das Vollstreckungsgericht (Amtsgericht) an, örtlich zuständig ist regelmäßig das Amtsgericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners (§§ 764, 828 ZPO).

Die Mobiliarvollstreckung (z. B. Wohnungsdurchsuchung, Pfändung beweglicher Sachen) nimmt der Gerichtsvollzieher vor.

Die Immobiliarvollstreckung (Zwangsversteigerung/-verwaltung) richtet sich nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG).

Welche Schutz- und Rechtsbehelfe gibt es gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen?

Schuldner können in der Zwangsvollstreckungsphase insbesondere auf folgende Rechtsbehelfe zurückgreifen:

  • Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) gegen den titulierten Anspruch; hiermit können „materielle“ Einwendungen gegen den Anspruch geltend gemacht werden (z.B. dass die Forderung zwischenzeitlich bezahlt wurde)
  • Erinnerung (§ 766 ZPO) gegen Art und Weise der Vollstreckung (z. B. Fehler des Gerichtsvollziehers)
  • Sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) gegen Beschlüsse des Vollstreckungsgerichts
  • Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO), wenn ein Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht am Vollstreckungsgegenstand geltend macht (z.B. Sicherungseigentum)

Außerdem ist in extremen Härtefällen Vollstreckungsschutz denkbar (siehe § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO):

„Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.“

Vollstreckungsschutz ist insbesondere bei Zwangsräumungen relevant. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu unter anderem Folgendes ausgeführt (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2025, 2 BvQ 32/25):

„Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen werden und dadurch der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (…). Es ist Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen (…). Macht der Vollstreckungsschuldner für den Fall einer Zwangsräumung substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend, haben sich die Tatsacheninstanzen – beim Fehlen eigener Sachkunde – zur Achtung verfassungsrechtlich verbürgter Rechtspositionen wie in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann (…).

Eine Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Rechts des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit kann im Vollstreckungsschutzverfahren nicht nur bei der konkreten Gefahr eines Suizids gegeben sein. Die Vollstreckung kann auch aus anderen Gründen eine konkrete Gefahr für das Leben des Schuldners begründen oder wegen schwerwiegender gesundheitlicher Risiken eine mit den guten Sitten unvereinbare Härte im Sinne von § 765a ZPO darstellen (…). Einzubeziehen sind dabei nicht nur die Gefahren für Leben und Gesundheit des Schuldners während des Räumungsvorgangs, sondern auch die Lebens- und Gesundheitsgefahren im Anschluss an die Zwangsräumung (…).

Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist (…).“