Wird auf einen Vollstreckungstitel (zum Beispiel ein Urteil oder ein Vollstreckungsbescheid) nicht freiwillig bezahlt, bleibt dem Gläubiger meistens nichts anderes übrig, als die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung bietet sich dann zum Beispiel eine Kontopfändung an.
Doch selbst wenn die Kontopfändung erfolgreich ist, sollten sich Gläubiger darüber noch nicht zu früh freuen. Wenn der Schuldner kurz nach der erfolgreichen Kontopfändung insolvent wird, droht nämlich eine Rückforderung durch den Insolvenzverwalter. Dies hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich in einem Urteil vom 9. Januar 2025 (Az. IX ZR 41/23) exemplarisch aufgezeigt.
Warum können erfolgreiche Kontopfändungen durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert werden?
Das Insolvenzrecht verfolgt den Zweck, alle Gläubiger gleich zu behandeln. Ein „Wettrennen“ der Gläubiger soll vermieden werden. Das Insolvenzverfahren entfaltet insoweit auch eine zeitlich begrenzte Rückwirkung. Daher räumt die Insolvenzordnung (InsO) an verschiedenen Stellen dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit ein, bestimmte Rechtshandlungen anzufechten.
Die Möglichkeit zur Anfechtung durch den Insolvenzverwalter folgt hier aus § 131 InsO („inkongruente Deckung“). Demnach sind bestimmte Rechtshandlungen durch den Insolvenzverwalter anfechtbar, wenn diese Handlungen bis zu drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag vorgenommen worden sind.
Unter solche „Handlungen“ fallen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Zahlungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt werden.
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während des Anfechtungszeitraums von drei Monaten der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheit oder Befriedigung als inkongruent anzusehen.“
(BGH, Urteil vom 9. Januar 2025, Az. IX ZR 41/23)
In welchem Zeitraum droht eine Rückforderung der Kontopfändung durch den Insolvenzverwalter?
Eine Rückforderung droht aufgrund § 131 InsO dann, wenn die Kontopfändung bis zu drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag erfolgt ist.
Erfolgt die Kontopfändung im letzten Monat vor dem Insolvenzeröffnungsantrag (oder danach), ist die Kontopfändung ohne weitere Voraussetzungen durch den Insolvenzverwalter anfechtbar.
Erfolgt die Kontopfändung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzeröffnungsantrag, bedarf es als zusätzlicher Voraussetzung
- einer objektiven Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Kontopfändung (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder
- einer positiven Kenntnis des Gläubigers, dass die Kontopfändung weitere Gläubiger benachteiligt (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO).
Wichtig: Laut Bundesgerichtshof darf die Kontopfändung, die Gegenstand der Anfechtung ist, selbst als eigenständiges Indiz für eine objektive Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden:
„Erbringt der Schuldner eine inkongruente Deckung im zweiten oder dritten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist auch die in inkongruenter Weise befriedigte Forderung bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung objektiv zahlungsunfähig war.“
(BGH, Urteil vom 9. Januar 2025, Az. IX ZR 41/23)
Welcher Zeitpunkt ist für die Fristberechnung maßgeblich?
§ 131 InsO stellt auf den Zeitraum zwischen „Handlung“ und dem „Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ ab. Wann das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist irrelevant.
Für die Kontopfändung („Handlung“ im Sinne von § 131 InsO) ist laut Bundesgerichtshof allein der Zeitpunkt des Geldeingangs auf dem Konto des Gläubigers maßgeblich:
„Die Zahlungen der Bank an die Beklagte erfolgten am 3. und 9. März 2015 und damit im dritten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 13. Mai 2015. Sie erfolgten aufgrund der von der Beklagten ausgebrachten Pfändung. Die Beklagte hat damit durch die Zahlungen innerhalb des Anfechtungszeitraums der Deckungsanfechtung im Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigung erlangt.“
(BGH, Urteil vom 9. Januar 2025, Az. IX ZR 41/23)
Worauf sollten sich Gläubiger nach einer Kontopfändung vorsorglich einstellen?
Gläubiger, die erfolgreich über eine Kontopfändung befriedigt werden konnten, sollten sich angesichts der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorsorglich darauf einstellen, dass die Kontopfändung später noch angefochten werden kann, nämlich wenn der Schuldner innerhalb von drei Monaten nach Pfändungseingang einen Insolvenzantrag stellt.