“Wer schießen will, der soll schießen und nicht quatschen“, das wusste schon Tuco in “Zwei gloreiche Halunken“.

Das gilt sinngemäß auch für die fristlose Kündigung eines Darlehens:

Kreditgebende Banken dürfen einen Darlehensvertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos kündigen. Ein solcher wichtiger Grund kann z.B. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers sein.

Die Bank darf sich jedoch in solchen Fällen mit der Kündigung nicht zu lange Zeit lassen, wie eine aktuelle Entscheidung des LG Heidelberg zeigt (Urteil vom 05.03.2024, Az. 2 O 1/24).

Das LG Heidelberg entschied im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage, dass die Bank das ihr (grundsätzlich zustehende) außerordentliche Kündigungsrecht nicht rechtzeitig ausgeübt habe, weil sie mit der Kündigungserklärung mehr als dreieinhalb Monate abgewartet hat, nachdem sie Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhielt.

Aus den Entscheidungsgründen:

“Indes hat die Beklagte die außerordentliche fristlose Kündigung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erklärt, nachdem sie von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Nach § 314 Abs. 3 BGB kann der Berechtigte ein Dauerschuldverhältnis innerhalb einer angemessenen Frist fristlos aus wichtigem Grund kündigen, nachdem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass der andere Teil in angemessener Zeit Klarheit darüber erhalten soll, ob von einer Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird, und dass der Kündigungsberechtigte mit längerem Abwarten zu erkennen gibt, dass für ihn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz des Vorliegens eines Grundes zur fristlosen Kündigung nicht unzumutbar ist (BGH, Urteil vom 25. November 2010 – Xa ZR 48/09, juris Rn. 28 m.w.N.). Wegen der Vielgestaltigkeit der Dauerschuldverhältnisse ist es ausgeschlossen, die Frist des § 314 Abs. 3 BGB für alle Verträge einheitlich zu bemessen. Bei Darlehensverträgen kann unter Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur fristlosen Kündigung des Handelsvertreters (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Dezember 1993 – VIII ZR 157/92, juris Rn. 12 m.w.N.) ein zweimonatiges Zuwarten unter Umständen nicht mehr als eine angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Überlegung der Folgen der fristlosen Kündigung angesehen werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juni 2001 – 9 U 153/00, juris Rn. 24).

Unabhängig von der Regelung des § 314 Abs. 3 BGB gebietet es auch Treu und Glauben, dass der zur Kündigung Berechtigte dem Vertragspartner alsbald und möglichst frühzeitig Klarheit darüber verschafft, ob er sein Kündigungsrecht ausüben wird oder nicht (BGH, Urteil vom 12. Mai 1978 – V ZR 199/75, juris Rn. 29 m.w.N.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 4. Aufl., § 24, Rn. 46). Sobald die Bank Kenntnis von den zur Kündigung berechtigenden Umständen erlangt, muss sie ihr Kündigungsrecht in einer nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen Frist ausüben (BGH, Urteil vom 10. Januar 1980 – III ZR 108/78, juris Rn. 25 m.w.N.; Beschluss vom 12. Juli 1984 – III ZR 32/84, juris Rn. 2. m.w.N.; Bunte, a.a.O. m.w.N.), andernfalls kann die Kündigung rechtsmissbräuchlich sein (BGH, Beschluss vom 26. April 1983 – III ZR 186/82, juris Rn. 2; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Juni 2016 – 17 U 79/15, n.v.).

Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist die von der Beklagten mit Schreiben vom 11. September 2015 ausgesprochene Kündigung der Darlehensverträge unabhängig davon, ob das Erfordernis der Erklärung der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist aus § 314 Abs. 3 BGB oder aus Treu und Glauben abgeleitet wird, unwirksam. Denn die Beklagte hat die Kündigung nicht innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angemessenen Frist erklärt.

Ausweislich der Angaben des Vertreters der Beklagten während der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024 hat die Beklagte „zeitnah und innerhalb weniger Tage nach der Eröffnung von dieser (gemeint: von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) – also um den 17. Mai 2019 herum –“ Kenntnis erlangt. Bei Zugrundelegung dieses Sachvortrags ist davon auszugehen, dass die Beklagte (aller-)spätestens am Freitag, dem 24. Mai 2019 von der Insolvenzeröffnung Kenntnis erlangt hat.

Gegenteiliges macht die in Bezug auf den Tag der Kenntniserlangung zumindest darlegungsbelastete Beklagte nicht substantiiert geltend. Soweit die auf ihre Darlegungslast in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024 hingewiesene Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Februar 2024 vorträgt, es sei davon auszugehen, dass die Veröffentlichung des Insolvenzverfahrens „in jedem Falle Anfang Juni 2019“ erfolgt sei (Bl. 78), genügt sie insoweit ihrer Darlegungslast nicht. Der in diesem Zusammenhang weiter erhobene Sachvortrag, sie habe „über die zur Verfügung stehenden Interneteintragungen“ bisher nicht feststellen können, wann die Veröffentlichung tatsächlich erfolgt sei, ist unzureichend. Denn sie trägt weder vor, wann in ihren eigenen Unterlagen die Insolvenzeröffnung erstmals vermerkt wurde, noch (für den Fall, dass der Zeitpunkt der Kenntniserlangung in den Unterlagen nicht dokumentiert ist), dass sie insoweit die zuständigen Mitarbeiter befragt habe. Unabhängig davon ist aufgrund einer vor der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Internetrecherche auf der allgemein zugänglichen Internetseite „Insolvenzbekanntmachungen.de“ amtsbekannt, dass die Veröffentlichung am 17. Mai 2019 erfolgt ist.

Damit hat die Beklagte nach Kenntniserlangung (spätestens am 24. Mai 2019) mehr als dreieinhalb Monate bis zum Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung am 11. September 2019 zugewartet. Unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen hat die Beklagte die Kündigung damit nicht innerhalb einer den Umständen angemessenen Frist erklärt.

(LG Heidelberg, Urteil vom 05.03.2024, Az. 2 O 1/24)