Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kommt in einer Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 zu dem Schluss, dass Kreditinstitute nach der BGH Entscheidung vom 17.02.2004 nicht nur für das Neugeschäft neue Zinsanpassungsklauseln entwickelt haben. Vielmehr hätten viele Kreditinstitute ihre neu entwickelten Zinsanpassungsklauseln einfach auf das Bestandsgeschäft übertragen, insbesondere auf solche Verträge, die eine unwirksame Zinsanpassungsklausel enthielten. Hierfür hätten die Banken und Sparkassen nach Erkenntnissen der BaFin keine Zustimmung ihrer Kunden eingeholt. Sie hätten dies vielmehr einseitig festgesetzt.

“Die Kreditinstitute haben faktisch durch Anwendung einer selbstgegebenen Klausel in unzulässiger Weise eigenmächtig in das Vertragsgefüge eingegriffen. Auch dies haben Kreditinstitute bereits im Vorfeld dieser Allgemeinverfügung in diversen Beschwerdeverfahren und einer gesonderten Erhebung eingeräumt.”

(Aus der Allgemeinverfügung der BaFin vom 21.06.2021)

Die BaFin bemängelt auch, dass die von den Kreditinstituten faktisch im Bestandsgeschäft zugrunde gelegten Zinsanpassungsklauseln nicht den vom BGH aufgestellten Grundsätzen entsprechen. So finde sich in der Praxis die Kopplung zu 100 % an den 3-Monats-Euribor, unterschiedliche Zeitreihen in unterschiedlichsten Gewichtungen, gängig sei eine Mischung 30 % 3-Monats-Euribor und 70 % 10-Jahreszins. Am weitesten verbreitet sei ein Anpassungsintervall von 3 Monaten, das längste bekannt gewordene Anpassungsintervall sei 6 Monate. Als Anpassungsschwelle würden vielfach Werte von 0,10 % bis 0,50 % angewendet. Außerdem werde das Modell des relativen Abstandes in der Praxis überwiegend nicht umgesetzt.

Nachdem die BaFin erfolglos Gespräche mit der Kreditwirtschaft führte, insbesondere auch mit dem Bundesverband deutscher Banken (BdB), dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sowie dem Deutschen Sparkassen und Giroverband (DSGV), sah sich diese nun zum Erlass einer Allgemeinverfügung gezwungen.

Die Begründung hat es durchaus in sich: Die BaFin beruft sich auf § 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG, wonach sie unter anderem einschreiten dürfe bei “systematischen oder gewichtigen Verstößen gegen verbraucherschützende Rechtsvorschriften”.

In der Allgemeinverfügung der BaFin vom 21.06.2021 wird Folgendes angeordnet:

“Ich ordne an, alle betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, mit denen ein langfristiger Prämiensparvertrag mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses abgeschlossen wurde, über die Unwirksamkeit der darin enthaltenen Zinsanpassungsklausel sowie das Fehlen einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu unterrichten und dies zu verbinden mit

a) der unwiderruflichen Zusage, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung seit Vertragsbeginn zu machen,

oder

b) dem Angebot der Vereinbarung einer sachgerechten, die Vorgaben des BGH aus dem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 berücksichtigenden Zinsanpassungsklausel im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages.

Die Unterrichtung muss mindestens enthalten:

die im jeweiligen Vertrag verwendete unwirksame Zinsanpassungsklausel mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses,

die Erläuterung, dass der BGH diese Art von Klauseln mit Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 für unwirksam erklärt hat,

die Erläuterung, dass dadurch eine Lücke im Vertrag hinsichtlich der Zinsvereinbarung entstanden ist und zur Schließung dieser Lücke

entweder der Vertrag ergänzend ausgelegt werden muss, jedoch zur Frage, wie dies zu erfolgen hat, noch keine allgemeinverbindliche gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung existiert, diese jedoch zu erwarten ist,

oder eine individuelle Vereinbarung getroffen werden kann,

die Erläuterung, dass als Reaktion auf das Urteil des BGH vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 von Seiten des Kreditinstituts für das Bestandsgeschäft einseitig neue Zinsparameter bestimmt wurden,

die Erläuterung, dass aufgrund der unwirksamen Klausel unter Umständen Zinsen in zu geringer Höhe gezahlt wurden.”

Der genaue Wortlaut der Allgemeinverfügung kann nachgelesen werden unter

https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_210621_allgvfg_Zinsanpassungsklauseln_Praemiensparvertraege.html