Welche Fristen gelten für die Erbausschlagung?
Wer eine Erbschaft ausschlagen möchte, muss hierbei die gesetzlichen Fristen beachten. Die Fristen der Erbausschlagung sind in § 1944 BGB geregelt. Demnach gibt es zwei mögliche Fristen:
- Die reguläre Frist von 6 Wochen (§ 1944 Abs. 1 BGB)
- Die verlängerte Frist bei Auslandssachverhalten von 6 Monaten (§ 1944 Abs. 3 BGB)
Die Frist zur Erbausschlagung beträgt also grundsätzlich sechs Wochen. Sie verlängert sich aber auf 6 Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
Da der Fristbeginn nicht immer ohne Weiteres zu bestimmen ist, kommt es mitunter zu Streitigkeiten darüber, ob eine Erbausschlagung rechtzeitig erfolgt ist oder nicht.
Wann beginnen die Fristen für die Erbausschlagung zu laufen?
Die Frist beginnt laut Gesetz (§ 1944 Abs. 2 BGB) mit dem Zeitpunkt,
„in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt.“
Der Fristbeginn hat also zwei Voraussetzungen:
- Kenntnis des Anfalls der Erbschaft
- Kenntnis des Berufungsgrundes
Was bedeutet Kenntnis des Anfalls für die Ausschlagung einer Erbschaft?
Mit „Kenntnis des Anfalls“ ist gemeint, dass der Erbe über den (vorläufigen) Erwerb der Erbschaft Kenntnis erlangt hat. Der (vorläufige) Erbe muss also tatsächlich wissen, dass der Erblasser verstorben ist (oder rechtskräftig für tot erklärt wurde).
Handelt es sich um eine Erbschaft aufgrund gesetzlicher Erbfolge (also wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt), muss der Erbe Kenntnis von der Verwandtschaft bzw. Ehe oder Lebenspartnerschaft haben, welche die gesetzliche Erbfolge begründet. Einem gesetzlichen Erben fehlt diese Kenntnis, wenn er glaubt, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen zu sein (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 14.9.2011 – 3 W 118/10).
Handelt es sich um eine Erbschaft aufgrund letztwilliger Verfügung (Testament oder Erbvertrag), muss der Erbe Kenntnis von der letztwilligen Verfügung haben. Das Gesetz bestimmt in solchen Fällen ausdrücklich, dass die Frist nicht vor Bekanntgabe der letztwilligen Verfügung durch das Nachlassgericht zu laufen beginnt (§ 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Was bedeutet Kenntnis des Berufungsgrundes für die Ausschlagung einer Erbschaft?
Der Erbe muss außerdem Kenntnis von dem konkreten Tatbestand haben, aus dem seine Erbenstellung folgt.
Der Erbe muss also zunächst wissen, ob er aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge zum Erben berufen ist. Vorher beginnt die Frist zur Ausschlagung nicht zu laufen. Geht ein Erbe zum Beispiel irrtümlich davon aus, aufgrund eines Testaments Erbe geworden zu sein, ist in Wahrheit aber gesetzlicher Erbe geworden, beginnt die Ausschlagungsfrist nicht zu laufen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. 7. 2000 – IV ZR 180/99). Das gleiche gilt auch umgekehrt, zum Beispiel wenn ein Erbe der festen Überzeugung ist, dass ein Testament unwirksam ist und der deshalb „nur“ gesetzlicher Erbe ist (BGH, Urteil vom 19.02.1968 – III ZR 196/65).
Außerdem muss der Erbe nach der Rechtsprechung nicht nur Kenntnis von dem Erbfall an sich haben, sondern auch von dem konkreten einschlägigen Berufungsgrund. Der Erbe muss also Kenntnis davon haben, ob er nach der gesetzlichen Erbfolge, aufgrund einer letztwilligen Verfügung oder aufgrund eines Erbvertrages geerbt hat (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.6.2016 – 3 Wx 96/15, Kl).
Wann gilt statt der sechswöchigen Frist für die Erbausschlagung die 6-Monatsfrist?
Die Frist zur Erbausschlagung verlängert sich kraft Gesetzes auf 6 Monate, wenn
- sich der Erblasser beim Erbfall oder
- der Erbe bei Beginn der Ausschlagungsfrist
im Ausland aufgehalten hat. Bei dem Erblasser kommt es darauf an, ob er seinen Wohnsitz ausschließlich im Ausland hatte. Bei dem Erben kommt es nicht auf den Wohnsitz, sondern auf den tatsächlichen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Fristbeginns (siehe oben) an. Ein Tagesausflug ins Ausland reicht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aber insoweit nicht aus (BGH, Beschluss vom 16.1.2019 – IV ZB 20/18, IV ZB 21/18).