Wenn eine Kapitalanlage zu Verlusten führt, stellt sich für Anleger ebenso wie für Anlagevermittler und Anlageberater häufig die Frage nach möglichen Schadensersatzansprüchen.

Was ist der Unterschied zwischen Anlagevermittler und Anlageberater?

Zunächst muss aus rechtlicher Sicht zwischen einer bloßen Anlagevermittlung und einer Anlageberatung unterschieden werden.

Von einer bloßen Anlagevermittlung ist auszugehen, wenn dem Kunden direkt ein konkretes Geschäft über die Anschaffung (Kauf, Zeichnung) oder die Veräußerung (Verkauf, Kündigung) eines Finanzinstruments vorgeschlagen wird, vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 4 WpHG.

Dagegen liegt eine Anlageberatung vor, wenn dem Kunden eine persönliche Empfehlung über die Anschaffung oder Veräußerung eines Finanzinstruments gegeben wird und sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird, vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 10 WpHG.

Die Abgrenzung ist sicherlich manchmal schwierig. Als Faustformel kann man festhalten:

  • Wer als Repräsentant eines Produktanbieters auftritt und keine Produktauswahl und Produktbewertung vornimmt, der konkrete Produktverkauf also im Vordergrund steht, ist „nur“ Anlagevermittler.

  • Wer dagegen den Eindruck einer objektiven Beratung vermittelt, zwischen verschiedenen Produkten auswählt, diese bewertet und eines für den Kunden „heraussucht“, haftet rechtlich gesehen als Anlageberater.

Die Unterscheidung ist wichtig, weil die Haftung eines Anlageberaters über die Haftung eines Anlagevermittlers hinausgeht. Der Anlageberater schuldet eine „anleger- und objektgerechte Beratung“, der Anlagevermittler dagegen „nur“ eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.

Wann haftet ein Anlagevermittler?

Für die Haftung von Anlagevermittlern gelten folgende Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in einer Reihe von mehreren Entscheidungen aufgestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2011 – III ZR 144/10; BGH, Urteil vom 05.03.2009 - III ZR 17/08; BGH, Beschluss vom 21.05.2008 - III ZR 230/07; BGH, Urteil vom 25. 10. 2007 - III ZR 100/06; BGH, Urteil vom 12. 7. 2007 - III ZR 145/06; BGH, Urteil vom 22.03.2007 - III ZR 218/06; BGH, Urteil vom 19. 10. 2006 - III ZR 122/05; BGH, Urteil vom 12. 5. 2005 - III ZR 413/04; BGH, Urteil vom 12.02.2004 - III ZR 359/02; BGH, Urteil vom 13.06.2002 - III ZR 166/01; BGH, Urteil vom 13.01.2000 - III ZR 62/99; BGH, Urteil vom 13.05.1993 - III ZR 25/92; BGH, Urteil vom 25. November 1981 – IVa ZR 286/80):

  • Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt.

  • Der zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler zustande gekommene Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.

  • Für die Erfüllung seiner Auskunftspflichten bedarf es - jedenfalls grundsätzlich - vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden („Plausibilitätsprüfung“). Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen.

  • Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem Anlageinteressenten zumindest offen legen.

  • Vertreibt der Vermittler eine Anlage anhand eines Prospekts, muss er, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind („Prospekthaftung im weiteren Sinne“).

  • Ist die Plausibilitätsprüfung des Prospekts unterblieben, hat der Anlagevermittler den Anlageinteressenten hierauf ebenfalls hinzuweisen.

Unter Umständen haften Anlagevermittler nicht nur wegen einer Verletzung des Auskunftsvertrages, sondern auch deliktisch, z.B. wenn sie eine Innenprovision, die mehr als 15 % der Zeichnungssumme beträgt, verschweigen (BGH, Beschluss vom 29.01.2015 - III ZR 547/13).

Behauptet der Anlagevermittler, die Fehlerhaftigkeit eines Prospekts wäre auch im Falle einer ordnungsgemäßen Plausibilitätskontrolle nicht aufgefallen, trifft ihn hierfür die Beweislast (BGH, Urteil vom 05.03.2009 - III ZR 17/08).

Wann haftet ein Anlageberater?

Anlageberater sind im Gegensatz zu Anlagevermittlern zu mehr als einer bloßen Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Sie schulden vielmehr eine fachkundige Beratung unter Berücksichtigung der Anlageziele und Risikobereitschaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs treffen einen Anlageberater insbesondere folgende Pflichten (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012 - III ZR 55/12; OLG Nürnberg, Urteil vom 18.06.2012 - 4 U 2312/11; BGH, Urteil vom 05.11.2009 – III ZR 302/08; BGH, Urteil vom 05.03.2009 – III ZR 302/07; BGH, Urteil vom 07.10.2008 – XI ZR 89/07; BGH, Urteil vom 12.02.2004 – III ZR 359/02; BGH, Urteil vom 06.07.1993 – XI ZR 12/93; BGH, Urteil vom 13.05.1993 – III ZR 25/92; BGH, Urteil vom 05.05.1992 – XI ZR 242/91; BGH, Urteil vom 04.02.1987 - IVa ZR 134/8; BGH, Urteil vom 25.11.1981 - IVa ZR 286/80):

  • Der Anlageberater muss anlegergerecht beraten, d.h. die empfohlene Anlage muss auf die persönlichen Verhältnisse des Anlegers zugeschnitten sein und muss mit den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Anlegers vereinbar sein. Dabei muss insbesondere erörtert werden, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage (z.B. der Altersvorsorge) dienen soll oder rein spekulativen Charakter hat.

  • Der Anlageberater muss den Wissensstand des Anlegers über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft berücksichtigen. Entscheidend ist, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Vorwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Hat zum Beispiel ein Anleger aufgrund früherer Anlagegeschäfte bereits Erfahrungen mit der jeweiligen Anlageform gesammelt, darf ein Anlageberater davon ausgehen, dass dem Anleger die mit der Anlage verbundenen Risiken bekannt sind. Sind die persönlichen Umstände des Anlegers nicht bekannt, muss ein Anlageberater den Informationsstand und die Anlageziele des Kunden erfragen.

  • In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können („anlage“- bzw. „objektgerechte“ Beratung). Dabei muss aber nicht über jedes theoretische Risiko aufgeklärt werden, sondern nur über solche Risiken, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht fernliegend sind. Dazu gehören z.B. allgemeine Risiken (z.B. Konjunkturrisiko, Inflationsrisiko) und spezielle Risiken, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes ergeben (z.B. Kurs-, Zins- und Währungsrisiken).

  • Die Pflicht des Anlageberaters betrifft auch Umstände, die für die Seriosität und Zuverlässigkeit der Fondsverantwortlichen wichtig sein können, z.B. laufende Ermittlungsverfahren wegen einschlägiger Straftaten der Fondsverantwortlichen, für die Anlage erhebliche anstehende Gesetzesänderungen oder bankrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform.

Eine wichtige Erleichterung für Vermittler und Berater ist: Die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts muss lediglich im Zeitpunkt der Beratung, also „ex ante“ betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist („Prognoserisiko“), trägt der Anleger (BGH, Urteil vom 27.09.2011 – XI ZR 182/10; BGH, Urteil vom 27.10.2009 – XI ZR 337/08; BGH, Urteil vom 14.07.2009 – XI ZR 152/08; BGH, Urteil vom 21. März 2006 – XI ZR 63/05).

Wer trägt die Beweislast?

Die Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beim Anleger (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2015 - III ZR 78/15; BGH, Urteil vom 6. 12. 2012 - III ZR 66/1).

Der Anleger muss also darlegen und nötigenfalls beweisen, dass er von seinem Vermittler bzw. Berater eine falsche Information erhalten hat. Das gilt auch dann, wenn der Anleger behauptet, dass der Vermittler bzw. Berater ihn über bestimmte entscheidungserhebliche Umstände (z.B. Risiken) nicht aufgeklärt hat.

Der Vermittler bzw. Berater darf den Vorwurf unzureichender Information jedoch nicht einfach bestreiten. Er muss vielmehr den Verlauf des Gesprächs und die erteilten Auskünfte substantiiert darlegen. Den Anleger trifft dann die Darlegungs- und Beweislast, dass diese Darstellung nicht zutrifft (BGH, Urteil vom 24.01.2006 - XI ZR 320/04; BGH, Urteil vom 9. 5. 2000 - XI ZR 159/99; BGH, Urteil vom 14. 7. 2009 - XI ZR 152/08).

Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach der Einlassung des Gegners und nach dem, was der Partei an näheren Angaben zumutbar und möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. 1. 2005 - XI ZR 201/03).

Wonach bemisst sich der Schaden bei einer fehlerhaften Anlage?

Bei Anlegern herrschen häufig Missverständnisse darüber, wann bei einer fehlerhaften Anlageberatung von einem Schaden auszugehen ist.

Eine fehlerhafte Anlageberatung, z.B. durch Banken oder freie Finanzanlagenvermittler, führt nicht erst dann zum Schaden, wenn die empfohlene Anlage an Wert verliert. Der Schaden tritt bereits vielmehr mit Erwerb einer “unpassenden” Kapitalanlage ein.

Oder um es mit den Worten der Rechtsprechung zu sagen: Bei einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung stellt der Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, weil seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage, bereits für sich genommen einen Schaden dar. Der Schadensersatzanspruch entsteht daher schon mit dem unwiderruflichen und vollzogenen Erwerb der Anlage (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – XI ZR 278/14; BGH, Urteil vom 24.03.2011 - III ZR 81/10; BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09; BGH, Urteil vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04).

Beispiel: Ein Anleger lässt sich von einem Bankberater über die Anlage eines Geldbetrages beraten. Der Bankberater empfiehlt ihm einen geschlossenen Investmentfonds mit 10jähriger Laufzeit, obwohl der Anleger darauf hingewiesen hat, dass er über das investierte Kapital jederzeit verfügen muss.

Der Schaden entsteht in diesem Fall nicht erst nach Ablauf der 10jährigen Laufzeit, sondern bereits mit schuldrechtlichem Erwerb der Fondsbeteiligung. Der Anleger ist bereits zu diesem Zeitpunkt geschädigt, weil er aufgrund der fehlerhaften Anlageberatung eine für seine Bedürfnisse unpassende Kapitalanlage erworben hat.