Das LG Ravensburg hatte über die Wirksamkeit eines hoch verzinslichen Darlehensvertrages zu entscheiden, den die Klägerin – ein Kreditinstitut – mit dem Beklagten geschlossen hatte (LG Ravensburg, Urteil vom 11.07.2025, Az. 2 O 22/25). Der Darlehensvertrag aus dem Jahr 2020 wies einen effektiven Jahreszins von 12,79 % aus; das Darlehen sollte in 93 Raten und einer Schlussrate zurückgeführt werden.

Nachdem der Beklagte in Zahlungsverzug geraten war, kündigte die Klägerin den Vertrag und verlangte die gesamte Restschuld. Sie stützte ihre Klage auf den Darlehensvertrag sowie hilfsweise auf Bereicherungsrecht.

Das Gericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Darlehensvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist:

„Der Darlehensvertrag ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da der Effektivzinssatz sittenwidrig überhöht ist.

Der objektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB erfordert ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Rechtsprechung bejaht ein solches Missverhältnis bei Ratenkrediten, wenn der marktübliche Zinssatz um mehr als 100% überschritten wird (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 138 Rn. 27f.).

Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit bei Ratenkrediten ist nach richtiger Auffassung der marktübliche Effektivzinssatz nach der MFI-Zinsstatistik (ausführlich zum Meinungsstand: LG Saarbrücken – Az.: 1 O 79/20 – Urteil vom 18.09.2020, juris Rn. 20 ff.). Der Literaturansicht, der marktübliche Zins sei durch ein Sachverständigengutachten oder die Befragung der Bundesbank zu ermitteln, ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Prozessökonomie nicht zu folgen.

Maßgeblich ist vorliegend die Zeitreihe SUD 115 der MFI-Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank betreffend „Konsumentenkredite an private Haushalte, anfängliche Zinsbindung von über 5 Jahren“. Die Zeitreihe SUD 188 der MFI-Zinsstatistik für „neu verhandelte Konsumentenkredite“ erscheint dem Gericht nicht als geeignete Vergleichsgrundlage. Die Tatsache, dass die Zentralbank hier eine eigene und für die Zwecke der Zentralbank aufschlussreiche Statistik führt und veröffentlicht, rechtfertigt nicht die Heranziehung dieser Statistik als Vergleichsgrundlage für die zivilrechtliche Frage der Sittenwidrigkeit. Für den Marktvergleich darf kein Sondermarkt herangezogen werden (BGH, Urteil vom 12. März 1981 – III ZR 92/79 – juris Rn. 28 ff.; LG Erfurt, Urteil vom 15.05.2023 – 9 O 101/23 – BeckRS 2023, 14747 und BKR 2023, 755 mit Anm. Feldhusen; Rott, BKR 2021, 453 [458]). Der Maßstab der Sittenwidrigkeit wird verzerrt, wenn nicht der allgemeine Durchschnittszinssatz der Konsumentenkredite vergleichbarer Dauer zugrunde gelegt wird, sondern der Zinssatz für einen Kreditnehmerkreis mit geringerer Bonität. Die Zeitreihe SUD 188 basiert nicht auf einem repräsentativen Ausschnitt des Marktes. Vielmehr werden diejenigen Kreditnehmer herausgegriffen, die einen Konsumentenkredit neu verhandeln. Darunter sind auch viele Schuldner, die die Neuverhandlung nicht freiwillig anstreben, sondern wegen Verschlechterung der Finanzsituation. Es handelt sich daher um eine Negativauslese von Kreditnehmern, und erwartungsgemäß sind die Zinssätze der Zeitreihe SUD 188 auch höher als diejenigen der allgemeinen Zeitreihen SUD 114 (für Konsumentenkredite bis 5 Jahre) und SUD 115 (für Konsumentenkredite mit einer Dauer von 5 bis 10 Jahren).

Der Effektivzinssatz beträgt bei dem vorliegenden Vertrag 12,79% p.a. Nach der Zinsstatistik SUD 115 beläuft sich der marktübliche Effektivzinssatz für Verträge, die im August 2020 abgeschlossen wurden, auf 6,18% p.a. Der Grenzwert für die Sittenwidrigkeit liegt also bei 12,36% p.a., und der vorliegend vereinbarte Effektivzinssatz von 12,79% p.a. liegt somit über dem Grenzwert.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Zinssätze aus der MFI-Zinsstatistik auch nicht durch einen sogenannten Adjustierungszuschlag (MüKo/Berger, BGB, 9. Aufl. 2023, § 138 Rn. 108) zu erhöhen. Es mag zwar sein, dass die MFI- Zinsstatistik, die von der Bundesbank für die Bundesrepublik seit Januar 2003 nach einheitlichen für den Raum der Europäischen Währungsunion geltenden Vorgaben ermittelt wird, zu etwas niedrigeren Durchschnittswerten als nach der von der Bundesbank bis zum Jahr 2002 nach etwas anderen Kriterien erhobenen Statistik kommt, vor allem weil angeblich zinsgünstige Kredite damals weniger stark berücksichtigt wurden. Im Ergebnis kann dies dahingestellt bleiben, da gegen einen Adjustierungszuschlag in jedweder Form folgende Überlegung spricht:

Die in der Rechtsprechung übliche Methode zur Ermittlung der Grenze für die Sittenwidrigkeit von Ratenkrediten durch Verdoppelung des Marktzinssatzes ist zwar sehr einfach, aber wegen des Zinseszinseffekts ungenau und deshalb nur als Faustregel geeignet. Bei der Methode wird ausgeblendet, dass der bei doppeltem Durchschnittszinssatz vom Verbraucher über die Laufzeit des Vertrags zu entrichtende Gesamtzinsbetrag sich auf mehr als das Doppelte des Gesamtzinsbetrags beläuft, der bei Anwendung des Durchschnittszinssatzes zu zahlen ist. Je länger der Ratenkredit läuft, umso stärker beeinflusst der Zinseszinseffekt die Höhe des Gesamtzinsbetrages. Die Methode der Rechtsprechung eignet sich somit nur als Faustregel, die es dem Gericht erleichtert, eindeutige Fälle der Sittenwidrigkeit zu erkennen. Liegt der Zinssatz aber knapp unter dem Doppelten des Durchschnittszinssatzes, wird dennoch häufig Sittenwidrigkeit vorliegen, weil der Gesamtzinsbetrag die 100% – Grenze übersteigt. Daraus folgt, dass allenfalls ein Adjustierungsabschlag angezeigt ist, aber kein Zuschlag.

Ebensowenig ist der Auffassung der Klägerin zu folgen, wegen der Niedrigzinsphase sei die Grenze der Sittenwidrigkeit bei einer Überschreitung des Marktzinses um 110% zu ziehen. Zwar ist nach einer älteren BGH-Rechtsprechung unter Umständen bei der Beurteilung des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung zugunsten der Bank zu berücksichtigen, dass die Bank in einer Niedrigzinsperiode einen Kredit langfristig ohne Zinsänderungsvorbehalt gewährt hat (BGH, Urteil vom 11.12.1990 – XI ZR 69/90, juris Rn. 12 betreffend einen Ratenkredit über 120 Monate; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 138 Rn. 27). Dies ist allerdings nur bei äußerst lang laufenden Kreditverträgen angenommen worden (vgl. BGH, Urteil vom 9.11.1989 – III ZR 108/88, juris Rn. 18 betreffend einen Ratenkredit über 144 Monate). Der vorliegende Vertrag mit einer Ratenzahlung von 94 Monaten kommt noch nicht in diese Größenordnung.

Außer dem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung setzt der Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB in subjektiver Hinsicht voraus, dass die schwächere Lage des Kunden vorsätzlich oder grob fahrlässig ausgenutzt wird. Allerdings begründet die objektive Sittenwidrigkeit bei einem Verbraucher die tatsächliche Vermutung, dass auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 138 Rn. 30). Diese Vermutung greift hier ein, da der Beklagte Verbraucher ist.“

Aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages stehe der Klägerin nur ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) auf Rückzahlung der ausbezahlten Nettodarlehenssumme zu, abzüglich bereits erbrachter Zahlungen. Allerdings sei die Beklagte nur verpflichtet, den Betrag nach dem ursprünglichen Tilgungsplan in Raten zurückzuführen.

Das LG Ravensburg verurteilte den Beklagten dementsprechend zur Zahlung von 2.008 € nebst Zinsen sowie weiterer 9.742,96 € in 35 Monatsraten und einer Schlussrate. Im Übrigen wies es die Klage ab.