Wer nach dem Tod eines Erblassers sein Testament auffindet, ist verpflichtet, dieses an das Nachlassgericht abzuliefern (sofern Kenntnis vom Todesfall besteht). Das ergibt sich aus § 2259 Abs. 1 BGB:
„Wer ein Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitz hat, ist verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern.“
Das OLG Frankfurt a.M. hat nun entschieden, dass diese Ablieferungspflicht auch fortlaufend nummerierte, nicht physisch verbundene Seiten eines Abschiedsbriefs umfasst, wenn diese als Teil des Testaments in Frage kommen.
Der Besitzer des Testaments könne hiergegen auch nicht einwenden, dass diese Seiten keine erbrechtlich relevanten Ausführungen enthielten. Die Prüfung obliege insoweit allein dem Nachlassgericht.
Befindet sich das ablieferungspflichtige Testament zudem im Besitz eines Rechtsanwalts, so könne dieser die Ablieferung auch nicht mit der Begründung verweigern, das Schriftstück sei ihm von seinem Mandanten mit der ausdrücklichen Anweisung übergeben worden, es vertraulich zu behandeln.
Der Erblasser könne die Eröffnung eines Testaments nach § 2263 BGB nicht wirksam ausschließen. Daher könne auch der Rechtsanwalt die Ablieferung nicht unter Berufung auf seine Berufsverschwiegenheit nach § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO verweigern. Bei der Ablieferungspflicht nach § 2259 Abs. 1 BGB handle es sich nämlich um eine gesetzliche Ausnahme im Sinne von S 2 Abs. 3 BORA.
(OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.01.2025, Az. 20 W 220/22)
