Vorsorgevollmachten führen im Bankgeschäft regelmäßig zu Unsicherheiten und Problemen. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass Banken und Sparkassen vorgelegte Vorsorgevollmachten nicht akzeptieren und keine Verfügungen zulassen, weil sie nicht auf hauseigenen Formularen erteilt wurden oder nicht notariell beurkundet wurden.

Die spannende Frage ist, ob Banken oder Sparkassen eine Vorsorgevollmacht überhaupt zurückweisen dürfen.

Vorsorgevollmachten unterliegen keinem Formzwang

Zunächst einmal gibt es keine gesetzliche Vorschrift, welche eine bestimmte Form für Vorsorgevollmachten vorschreibt. Vorsorgevollmachten können daher nach § 167 Abs. 2 BGB formlos erteilt werden:

“Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht.”

Theoretisch ist somit auch eine mündliche Bevollmächtigung möglich. Es besteht kein Zwang, bestimmte Formulare zu benutzen oder eine Vorsorgevollmacht beurkunden zu lassen.

LG Detmold: Kreditinstitute müssen privat erstellte Vorsorgevollmachten akzeptieren

In diesem Sinne entschied z.B. das LG Detmold (Urteil vom 14. Januar 2015 – 10 S 110/14), dass Kreditinstitute verpflichtet sind, privat erstellte Vorsorgevollmachten zu akzeptieren, und sich bei unberechtigter Zurückweisung einer Vollmacht schadensersatzpflichtig machen können:

“Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Sie führt in Abänderung des angefochtenen Urteils - bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs - zu einer antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1, 398 BGB. Zu dem nach diesen Vorschriften ersatzfähigen Schaden zählen auch die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB liegt darin, dass sie die Ausführung der Zahlungsanweisung des Bevollmächtigten bezüglich des besagten Sparkontos von Voraussetzungen abhängig gemacht hat, die - wovon mangels entsprechenden Sachvortrages auszugehen ist - weder vertraglich vereinbart worden sind, noch gesetzlich oder aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich waren.

a)

Die Zedentin hat dem Bevollmächtigten am 16.12.2002 wirksam eine Vorsorgevollmacht erteilt, die diesen dazu berechtigte, die Zedentin in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies rechtlich möglich ist, zu vertreten (vergleiche Ziff. I. 1. der Vorsorgevollmacht). Unstreitig lag diese Vorsorgevollmacht der Beklagten jedenfalls als Telefax vor, wie sich insbesondere der vorgerichtlichen Korrespondenz entnehmen lässt. Begründete Zweifel an der Wirksamkeit dieser Vorsorgevollmacht hat die Beklagte weder vorgerichtlich noch im vorliegenden Rechtsstreit geäußert. Der Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Beklagten hat nach dem Aktenvermerk des Betreuungsgerichts G vom 29.05.2013 zudem eingeräumt, dass die Unterschrift unter der Vorsorgevollmacht mit den hinterlegten Vergleichsunterschriften der Zedentin übereinstimme. Wie sich insbesondere den beiden E-Mails ihres Mitarbeiters vom 15. und 17.05.2013 entnehmen lässt, verlangte die Beklagte allerdings die Vorlage einer Bestellungsurkunde und eines Betreuerausweises. Insbesondere sind auch in diesen beiden E-Mails keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht erhoben worden. Der Mitarbeiter der Beklagten spricht in der E-Mail vom 15.05.2013 vielmehr nur von möglichen abweichenden juristischen Auslegungen einer solchen Vorsorgevollmacht.

Die Beklagte hat auch die Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Dabei trägt die Beklagte die Darlegung- und Beweislast für ein fehlendes Verschulden.

Der Sachvortrag der Beklagten reicht indes nicht aus, um vorliegend die Vermutung eines Verschuldens zu widerlegen. Denn spätestens mit der Übersendung der Stellungnahme des Amtsgerichts G vom 24.05.2013 durch das Schreiben des Klägers vom 29.05 2013 konnte die Beklagte gefahrlos die Anweisungen des Bevollmächtigten ausführen. Aufgrund dieses “Negativattestes” drohten ihr keine haftungsrechtlichen Risiken, nachdem das Amtsgericht G von einer wirksamen Vollmachtserteilung ausgegangen und darüber hinaus eine Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis “Vermögenssorge” gerade wegen der bestehenden Vorsorgevollmacht nicht für möglich gehalten hat. Gleichwohl hat die Beklagte auch in der Folgezeit die Anweisung zunächst noch nicht ausgeführt, sondern auch noch mit Schreiben vom 31.05.2013 daran festgehalten, dass aus ihrer Sicht eine Betreuung sachgerecht sei.

Auch der Umstand, dass die Zedentin bezüglich des 2009 eröffneten Sparkontos dem Bevollmächtigten gerade keine spezielle Bankvollmacht erteilt hat, vermag die Beklagte nicht zu entlasten. Ohne einen Widerruf, eine Einschränkung oder Abänderung der bestehenden Vorsorgevollmachtkonto konnte und durfte die Beklagte allein aufgrund dieser Vorsorgevollmacht Anweisungen des Bevollmächtigten ausführen, ohne sich haftungsrechtlichen Risiken auszusetzen. Schließlich lässt die Beklagte bei ihrer Argumentation auch außer Betracht, dass gerade wegen des Bestehens der Vorsorgevollmacht eine gesonderte Vollmacht für das im Jahr 2009 eröffnete Sparkonto nicht mehr erteilt worden sein könnte.”

LG Hamburg: Zurückweisung einer Vollmacht durch Sparkasse kann grobes Verschulden darstellen

Ähnlich entschied auch das LG Hamburg. In dem entschiedenen Fall war eine Sparkassenkundin so schwer an Krebs erkrankt, dass sie nicht mehr das Bett verlassen konnte. Daher erteilte sie ihrer Tochter eine Vorsorgevollmacht. Die Sparkasse akzeptierte diese Vollmacht allerdings nicht und äußerte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Kundin. Die Tochter wandte sich daher an das zuständige Amtsgericht und beantragte eine rechtliche Betreuung für die Vermögensangelegenheiten ihrer Mutter. Das Betreuungsgericht legte die Kosten des Betreuungsverfahrens der Sparkasse auf, was vom LG Hamburg bestätigt wurde. Nach Ansicht des LG Hamburg traf die Sparkasse ein erhebliches Mitverschulden dafür, daß die Betreuung gerichtlich angeordnet wurde (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 30. August 2017 – 301 T 280/17):

“Die Sparkasse trifft darüber hinaus im Hinblick auf die Veranlassung des hiesigen Verfahrens ein grobes Verschulden im Sinne des § 81 Abs. 4 FamFG. Sinn und Zweck von Vorsorgevollmachten ist es, gerichtlich kostspielige Betreuungsverfahren zu vermeiden. Wenn aber im Falle einer vorgelegten Vorsorgevollmacht keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese nicht ordnungsgemäß ausgestellt worden ist bzw. nicht mehr dem Willen des Vollmachtgebers entspricht, etwa weil die Vollmacht nicht in dessen Interesse ausgeübt wird, geht eine Vorsorgevollmacht regelmäßig einem gerichtlichen Betreuungsverfahren vor. Ein Betreuer darf andererseits nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Ein bloßer Verdacht genügt nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es somit bei der wirksamen Bevollmächtigung. Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2017, XII ZB 501/16 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen gab es im vorliegenden Fall keine konkreten Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht. Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, bei einer derart schweren körperlichen Erkrankung seien auch psychische Beeinträchtigungen „nicht fernliegend“, handelt es sich um eine lediglich ins Blaue hinein erfolgte Behauptung, die weder durch die ärztlichen Atteste noch durch die Ergebnisse der persönlichen Anhörung durch das Gericht gestützt wird. Vielmehr ergibt sich hieraus allein eine physische Erkrankung, welche die Betroffene daran hindert, ihr Bett zu verlassen und ihre Bankgeschäfte selbst zu tätigen. Die Kammer ist sich bewusst, dass es in der Frage der Akzeptanz privatschriftlicher Vollmachten auch um die Abgrenzung zur Wahrnehmung eigener, berechtigter Interessen des jeweiligen Finanzinstituts geht, insbesondere zur Vermeidung einer etwaigen Schadensersatzpflicht bei fehlender schuldbefreiender Wirkung. Insoweit hätte es der Sparkasse hier freigestanden, sich bei der Betroffenen der Richtigkeit der Vollmacht zu vergewissern. Ohne konkrete Anhaltspunkte ist hingegen der hier erfolgte Verweis der Beschwerdeführerin auf weitere, durch die Vollmachtnehmerin zu leistende Darlegungen und Bescheinigungen zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen, nicht tragfähig, wie sich insbesondere auch dem Rechtsgedanken des § 174 BGB entnehmen lässt. Sofern - wie im vorliegenden Fall - keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht vorliegen, verstößt die Nichtbeachtung einer solchen Vollmacht gegen die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße. Hinzu kommt, dass die Sparkasse auch auf den Hinweis des Gerichts vom 1. Juni 2017 und sogar in Kenntnis des bereits durch die Vollmachtnehmerin angestrengten Betreuungsverfahrens untätig blieb.”

BGH: Bloße Zweifel an der Geschäftsfähigkeit sind nicht ausreichend

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht außerdem eine Vermutung für die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht, da grundsätzlich von der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers auszugehen ist. Ein bloßer Verdacht genügt dagegen nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Daher ist eine Vorsorgevollmacht als wirksam anzusehen, wenn die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht ausdrücklich festgestellt werden kann (BGH, Beschluss vom 03. Februar 2016 – XII ZB 425/14; vgl. auch LG Frankenthal, Beschluss vom 06. Oktober 2017 – 1 T 165/17).

Umstände des Einzelfalls sind entscheidend

Aus der oben genannten Rechtsprechung folgt allerdings nicht, dass Banken und Sparkassen jede Vorsorgevollmacht akzeptieren müssen. Es kommt letztlich immer auf die Umstände des Einzelfalls an, nämlich ob berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht bestehen oder ob zum Beispiel ein offensichtlicher Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegt.