Die Bürgschaft ist eine beliebte Sicherheit zur Absicherung von Forderungen. Für den Bürgen kann eine Bürgschaft ein hohes finanzielles Risiko darstellen. In diesem Beitrag finden Sie einige wichtige Fragen und Antworten zur Bürgschaft.
Was ist überhaupt eine Bürgschaft?
Die Bürgschaft ist eine so genannte Personalsicherheit. In einem Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger, für die Erfüllung einer Hauptschuld einzustehen, wenn der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Zu einer Bürgschaft gehören somit drei Beteiligte:
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Der Gläubiger einer Verbindlichkeit (z.B. eine Bank)
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Der Hauptschuldner, der gegenüber dem Gläubiger schuldet (z.B. ein Darlehensnehmer)
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Der Bürge, der für die Verbindlichkeit haftet
Weil bei einem Bürgschaftsvertrag allein der Bürge Verpflichtungen trägt, bricht man auch von einem einseitig verpflichtenden Vertrag.
Beispiel: Herr Meier nimmt bei der X-Bank einen Kredit auf. Diese möchte ihm den Kredit allerdings nur gewähren, wenn sein Geschäftspartner Müller für die Rückzahlung mit bürgt. Herr Müller gibt gegenüber der X-Bank eine schriftliche Bürgschaftserklärung ab. Zahlt Herr Meier seinen Kredit nicht zurück, kann die X-Bank an Herrn Müller herantreten und von ihm die Rückzahlung fordern.
In welchem Umfang haftet der Bürge gegenüber dem Gläubiger?
Für die Bürgschaft gilt das Akzessorietätsprinzip (§ 767 BGB). Das heißt, die Verpflichtung des Bürgen hängt vom jeweiligen Bestand der Hauptverbindlichkeit ab. Der Gläubiger kann also vom Bürgen nicht mehr bzw. nichts anderes verlangen, als ihm gegen den Hauptschuldner zusteht. Wenn sich also die Hauptschuld verringert, kommt das auch automatisch dem Bürgen zugute.
Der Bürge haftet auch für die vom Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.
Wenn der Bürge seine mögliche Haftung von vornherein begrenzen möchte, sollte er auf eine so genannte Höchstbetragsbürgschaft hinwirken. Bei einer solchen Höchstbetragsbürgschaft wird direkt ein Betrag vereinbart, bis zu dem der Bürge maximal haften will.
Rechtsprechung zum Thema:
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BGH, Urteil vom 27. Januar 2004 – XI ZR 111/03 (Umfang der Bürgschaftsschuld bei haftungserweiternden Vereinbarungen)
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BGH, Urteil vom 17. Mai 1994 – IX ZR 232/93 (Verringerung des Darlehens kommt auch dem Bürgen zugute)
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BGH, Beschluss vom 23. Februar 1984 – III ZR 220/82 (Verringerungen der Hauptschuld kommen dem Bürgen ohne weiteres zugute)
Was bedeutet “Einrede der Vorausklage”?
Die so genannte Einrede der Vorausklage ist in § 771 BGB geregelt. Demnach muss ein Gläubiger zunächst gegen den Hauptschuldner die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen versuchen, bevor er auf den Bürgen zugreifen darf.
In der Praxis wird allerdings häufig eine sogenannte “selbstschuldnerische Bürgschaft” vereinbart, d.h. die Einrede der Vorausklage wird vertraglich ausgeschlossen. Dies ist zulässig.
Was passiert, wenn der Bürge an den Gläubiger zahlt?
Wenn der Bürger an den Gläubiger zahlt, geht die Forderung des Gläubigers automatisch auf den Bürgen über (§ 774 BGB). Der Bürge erwirbt in diesem Zusammenhang auch noch sämtliche bestehenden akzessorischen Sicherungsrechte an der Forderung. Dadurch kann der Bürge Ersatz vom Hauptschuldner fordern und darüber hinaus auch verlangen, dass der Hauptschuldner die Verwertung der zur Sicherung dienenden Gegenstände duldet.
Welche Möglichkeiten hat ein Bürge gegen die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft?
Wer als Bürge in Anspruch genommen wird, stellt sich natürlich die Frage, ob es irgendwelche rechtlichen Möglichkeiten gibt, um einer Zahlungspflicht zu entgehen.
Hierfür gibt es – je nach den Umständen des Einzelfalls – verschiedene rechtliche Ansatzpunkte:
1. Es liegt kein wirksamer Bürgschaftsvertrag vor
2. Der Bürgschaftsvertrag ist sittenwidrig
3. Die Bürgschaftsforderung ist bereits verjährt
4. Die Bürgschaft ist bereits erloschen
5. Der Bürgschaftsvertrag kann noch widerrufen werden
Wann ist ein Bürgschaftsvertrag (un)wirksam?
Ein Bürge muss nur dann zahlen, wenn ein wirksamer Bürgschaftsvertrag abgeschlossen wurde.
Nach § 766 BGB ist für einen gültigen Bürgschaftsvertrag eine schriftliche Erklärung des Bürgen erforderlich. Wenn die Schriftform nicht eingehalten wird, ist die Bürgschaft nach § 122 BGB nichtig.
Die Erklärung muss den Verbürgungswillen ausreichend erkennen lassen. Außerdem muss die Erklärung des Bürgen dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen: Der Gläubiger, der Hauptschuldner und die Schuld, für die gebürgt werden soll, müssen konkret genug in der Bürgschaftserklärung bezeichnet werden.
Achtung: Eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis gilt für Bürgschaften eines sogenannten Vollkaufmanns (§ 350 HGB). Ein Vollkaufmann kann auch eine mündliche Bürgschaftserklärung abgeben, wenn diese für ihn ein Handelsgeschäft ist. Natürlich ist es auch unter Kaufleuten aus Beweisgründen empfehlenswert, einen Bürgschaftsvertrag stets schriftlich abzufassen.
Unter Umständen kann ein zunächst wirksamer Bürgschaftsvertrag auch angefochten werden. Eine Anfechtung kommt zum Beispiel in Betracht, wenn sich der Erklärende nicht über den Bürgschaftscharakter bewusst war.
Wann ist ein Bürgschaftsvertrag sittenwidrig?
Sittenwidrige Rechtsgeschäfte sind gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig (also unwirksam). Auch eine Bürgschaftserklärung kann somit sittenwidrig sein. Dies wird nach der Rechtsprechung insbesondere angenommen, wenn drei Voraussetzungen zusammen vorliegen:
1. Der Bürge ist mit dem Hauptschuldner emotional verbunden
2. Der Bürge hatte kein eigenes persönliches bzw. wirtschaftliches Interesse an der Vergabe des Darlehens
3. Der Bürge wird durch die Übernahme der Bürgschaft finanziell krass überfordert
Rechtsprechung zum Thema:
BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005 – 1 BvR 1905/02 (Zwangsvollstreckung von rechtskräftigen Titeln aus sittenwidriger Bürgschaft)
BGH, Urteil vom 14.11.2000 – XI ZR 248/99 (Gleichstellung von Mithaftenden und Bürgen)
BVerfG, Beschluss vom 19.10.1993 – 1 BvR 567 u. 1044/89 (Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften)
Wann ist man als Bürge mit dem Hauptschuldner emotional verbunden?
Eine emotionale Verbundenheit zwischen Bürge und Hauptschuldner wird von der Rechtsprechung regelmäßig angenommen bei Ehegatten, eheähnlichen Gemeinschaften sowie bei nahen Angehörigen. Auch Arbeitnehmer können unter Umständen betroffen sein.
Bei Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft (KG) sowie Gesellschaftern einer GmbH geht die Rechtsprechung dagegen regelmäßig nicht von einer emotionalen Verbundenheit aus.
Rechtsprechung zum Thema:
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OLG Schleswig, Beschluss vom 30. August 2010 – 5 W 6/10 (Bürgschaftserklärungen von GmbH-Gesellschafter)
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OLG Celle, Urteil vom 05. Mai 2010 – 3 U 227/09 (getrennt lebender Ehegatte)
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BGH, Urteil vom 09. Dezember 2008 – XI ZR 588/07 (GmbH-Gesellschafter)
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BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 – XI ZR 330/05 („Angehörigenbürgschaften“)
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OLG Celle, Urteil vom 23. Januar 2008 – 3 U 180/07 (Stiefsohn)
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OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. September 2007 – I-3 U 31/07 (geschäftsführender GmbH-Gesellschafter)
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OLG Celle, Beschluss vom 01. März 2007 – 3 W 29/07 (50%ige Beteiligung an einer GmbH)
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OLG Koblenz, Urteil vom 14. Februar 2007 – 1 U 295/06 (9%ige Beteiligung an einer GmbH)
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OLG Dresden, Beschluss vom 17. Juli 2006 – 12 W 769/06 (Ehegattenbürgschaft für Kreditverbindlichkeiten einer OHG)
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BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 – XI ZR 28/04 (Ehepartner als Mitarbeiter im Gewerbebetrieb)
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BGH, Urteil vom 23. März 2004 – XI ZR 114/03 (Mitverpflichtung der vermögenslosen Ehefrau beim Kauf eines Familienfahrzeugs)
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BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – XI ZR 121/02 (Arbeitnehmerbürgschaften)
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BGH, 10. Dezember 2002 – XI ZR 82/02 (Bürgschaft eines GmbH-Gesellschafters)
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BGH, 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01 (Kommanditistenbürgschaft)
Wann liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor?
Ob ein Bürge durch die Übernahme der Bürgschaft krass finanziell überfordert wird, stets eine Frage des Einzelfalls. Entscheidend sind die konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bürgen. Der Betrag der Hauptforderung ist somit für sich gesehen nicht entscheidend.
Wenn der Bürge über verwertbares Vermögen verfügt, kann dies einer krassen finanziellen Überforderung auch entgegenstehen, selbst wenn der Bürge an sich einkommensschwach ist. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein einkommensschwacher Bürge nicht als wirtschaftlich krass überfordert anzusehen ist, wenn er die gesamte Bürgschaftsschuld voraussichtlich durch Verwertung eines von ihm bewohnten Eigenheims tilgen kann (BGH, Urteil vom 26.04.2001 - IX ZR 337/98).
Für den objektiven Tatbestand der krassen finanziellen Überforderung im Zeitpunkt der Haftungsübernahme trägt der Bürge die Beweislast.
Rechtsprechung zum Thema:
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BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – XI ZR 82/11 (Krasse finanzielle Überforderung bei Höchstbetragsbürgschaften)
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OLG Nürnberg, Urteil vom 21. September 2010 – 14 U 892/09 (krasse finanzielle Überforderung des mithaftenden Ehegatten)
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BGH, Urteil vom 24. November 2009 – XI ZR 332/08 (Berücksichtigung von dinglichen Belastungen bei der Frage der krassen finanziellen Überforderung)
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BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 – XI ZR 539/07 (Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO schließt Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft nicht aus)
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OLG Köln, Urteil vom 11. Februar 2009 – 13 U 102/08 (Darlegungs- und Beweislast)
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OLG Köln, Urteil vom 11. Februar 2008 – 13 U 102/08 (Darlegungs- und Beweislast)
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OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. Dezember 2007 – I-10 U 138/06 (Anforderungen an die Darlegung einer krassen finanziellen Überforderung)
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OLG Celle, Urteil vom 12. September 2007 – 3 U 85/07 (Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO schließt Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft nicht aus)
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OLG Dresden, Urteil vom 06. Dezember 2006 – 12 U 1394/06 (Verpflichtungen von 15.000 bis 25.000 EUR)
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OLG Celle, Beschluss vom 06. März 2006 – 3 U 26/06 (Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO schließt Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft nicht aus)
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OLG Brandenburg, Beschluss vom 02. Januar 2006 – 3 W 57/05 (vorhandenes Immobilienvermögen des Bürgen)
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BGH, Urteil vom 26. April 2001 – IX ZR 337/98 (Keine krasse finanzielle Überforderung bei verwertbarem Grundeigentum)
Ist die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit auch anwendbar, wenn man im Darlehensvertrag “drin steht”?
Hier kommt es darauf an, ob man „echter“ Darlehensnehmer oder bloßer “Mithaftender” ist.
Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftserklärungen ist nämlich auf bloße Mithaftungserklärungen anwendbar, aber nicht auf “echte” Mitdarlehensnehmer.
Echter Mitdarlehensnehmer ist, wer ein eigenes Interesse an der Gewährung des Darlehens hat und darüber hinaus auch gleichberechtigt über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden kann. Eine bloße Mithaftung liegt dagegen vor, wenn jemand gegenüber dem Darlehensgeber nur zu Sicherungszwecken in Höhe des Darlehensbetrages haften soll.
Natürlich kommt es nicht allein auf die entsprechende Formulierung im Darlehensvertrag an (z.B. „Mitantragsteller“ oder „Mitdarlehensnehmer“). Denn ansonsten hätte es der Darlehensgeber in der Hand, allein durch die Formulierung im Vertrag die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit zu umgehen.
Maßgeblich sind somit immer die objektiv für den Darlehensgeber erkennbaren Umstände auf Darlehensnehmerseite.
Rechtsprechung zum Thema:
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BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – XI ZR 454/07 (Beweislast für Eigenschaft als Mitdarlehensnehmer)
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BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 – XI ZR 325/03 (Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerschaft und Mithaftungsübernahme)
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BGH, Urteil vom 14.11.2000 – XI ZR 248/99 (Gleichstellung von Mithaftenden und Bürgen)
Wann ist eine Bürgschaftsforderung verjährt?
Wie jede andere Forderung kann auch eine Bürgschaftsforderung verjähren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Verjährung der Bürgschaftsforderung und der Verjährung der Hauptforderung.
Verjährung der Bürgschaftsforderung
Bürgschaftsforderungen verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach aktuellem Recht drei Jahre. Sie beginnt in dem Jahr, in dem die Bürgschaftsforderung fällig wird und endet zum Ablauf eines Kalenderjahres. Wird z.B. die Bürgschaftsforderung im Juli 2012 fällig, tritt die Verjährung der Bürgschaftsforderung mit Ablauf des 31.12.2015 ein.
Für den Fall der selbstschuldnerischen Bürgschaft (also unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung bereits mit der Fälligkeit der Hauptschuld eintritt und ist nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig ist.
Grundsätzlich können Gläubiger und Bürger die Verjährung der Bürgschaftsforderung auch vertraglich regeln. Allerdings dürften dann in den meisten Fällen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vorliegen, welche einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Wird der Bürge durch eine Verjährungsregelung in AGB unangemessen benachteiligt, ist die entsprechende Klausel unwirksam.
Verjährung der Hauptforderung
Der Bürge kann jedoch nicht nur die Verjährung der Bürgschaftsforderung geltend machen. Er kann sich unter Umständen auch auf die Verjährung der Hauptforderung berufen. Möglich ist dies wegen § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Zu diesen Einreden gehört auch die Einrede der Verjährung.
Ob der Hauptschuldner die Verjährungsrede selbst erhebt, ist unerheblich. Der Hauptschuldner kann sogar auf die Verjährungseinrede verzichten. Trotzdem bleibt der Bürge berechtigt, sich auf die Verjährung zu berufen.
Erhebt der Hauptschuldner die Einrede der Verjährung und wird trotzdem rechtskräftig verurteilt, kann der Bürge allerdings nicht mehr geltend machen, dass die Hauptforderung verjährt ist.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen. Nach § 203 Satz 1 BGB wird die Verjährung bei Verhandlungen gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Nach der Rechtsprechung wirkt die Hemmung der Verjährung durch solche Verhandlungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger auch gegenüber dem Bürgen.
Rechtsprechung zum Thema:
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BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 (Verlängerung der Verjährungsfrist in AGB)
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BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 417/11 (Vereinbarung über Verjährungsbeginn in AGB)
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BGH, Urteil vom 11. September 2012 – XI ZR 56/11 (Leistungsaufforderung des Gläubigers nicht erforderlich für Verjährungsbeginn)
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OLG München, Urteil vom 19.06.2012 - 5 U 3445/11 (Verlängerung der Verjährungsfrist von 3 auf 5 Jahre)
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OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2010 - 21 U 139/09 (Vereinbarung über gemeinsame Verjährung von Hauptschuld und Bürgschaftsschuld)
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BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 – XI ZR 18/08 (Verjährungshemmende Verhandlungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger wirken auch ggü. Bürgen)
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OLG Nürnberg, Urteil vom 09.02.2009 - 14 U 1226/09 (Kein Missbrauch der Verjährungseinrede trotz Insolvenzverschleppung)
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BGH, Urteil vom 29. Januar 2008 – XI ZR 160/07 (Verjährungsbeginn bei selbstschuldnerischer Bürgschaft)
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BGH, Urteil vom 18. September 2007 – XI ZR 447/06 (Keine Erweiterung der Bürgenhaftung durch Einredeverzicht des Hauptschuldners)
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BGH, Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 294/05 (selbständige Verjährung von Hauptschuld und Bürgschaftsschuld)
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BGH, Urteil vom 28. Januar 2003 – XI ZR 243/02 (Verjährung bei Untergang der Hauptschuldnerin als Rechtsperson)
Wann kann eine Bürgschaft gekündigt werden bzw. wann erlischt die Bürgschaft?
Wenn eine Bürgschaft zeitlich unbefristet vereinbart wird, darf der Bürge nach Ablauf eines gewissen Zeitraums mit angemessener Kündigungsfrist kündigen. Die Bürgschaft beschränkt sich dann auf die bis zur Wirksamkeit der Kündigung begründeten Verbindlichkeiten. Bezieht sich die Bürgschaft z.B. auf ein Konto, ist der Tagessaldo zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung entscheidend.
Darüber hinaus kann die Bürgschaft auch erlöschen, zum Beispiel wenn die Hauptschuld entfällt und damit auch alle gesicherten Verbindlichkeiten erlöschen.
Denkbar ist auch, dass die Bürgschaft von vornherein zeitlich befristet vereinbart wurde oder durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung erlöschen soll.
Rechtsprechung zum Thema:
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BGH, Urteil vom 04. Juni 2013 – XI ZR 505/11 (Wegfall der Bürgschaft bei Aufgabe anderweitiger Sicherheit)
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OLG Bamberg, Urteil vom 17. November 2011 – 1 U 88/11 (Wegfall der Bürgschaft bei Aufgabe anderweitiger Sicherheit)
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OLG Schleswig, Urteil vom 05. Juli 2007 – 5 U 48/07 (Wiederaufleben nach Insolvenzanfechtung)
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BGH, Urteil vom 21. Januar 1993 – III ZR 15/92 (Recht zur Kündigung von zeitlich unbefristeter Bürgschaft)
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BGH, Urteil vom 04. Juli 1985 – IX ZR 135/84 (Haftung des Bürgen nach Kündigung)
Kann ein Bürgschaftsvertrag widerrufen werden?
Das Widerrufsrecht für Verbraucher gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für die Übernahme einer Bürgschaft (BGH, Urteil vom 22.09.2020 - XI ZR 219/19).
In dem entschiedenen Fall nahm eine Bank einen GmbH-Geschäftsführer auf Zahlung aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft in Anspruch.
Die Bank räumte der GmbH mit Vertrag vom 22. Dezember 2015 einen Kontokorrentkredit über 300.000 € ein. Der geschäftsführende Alleingesellschafter der GmbH übernahm zugunsten der Bank eine Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 170.000 €, welche sämtliche Ansprüche aus dem Kreditvertrag absicherte. Die Bürgschaftserklärung am 22. Dezember 2015 in den Geschäftsräumen der GmbH unterzeichnet. Eine Widerrufsbelehrung erfolgte nicht.
Der BGH verneinte in diesem Fall jedoch ein Widerrufsrecht. Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB i.V.m. § 312b Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB setze gemäß § 312 Abs. 1 BGB einen Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) voraus. Der Verbrauchervertrag müsse eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Erforderlich sei, dass der Unternehmer aufgrund eines Verbrauchervertrages die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat. Diese Voraussetzungen eines Widerrufsrechts seien bei einer Bürgschaft aber nicht erfüllt. Die Rechtslage habe sich insoweit ab dem 13. Juni 2014 geändert.
Wie haften mehrere GmbH-Gesellschafter untereinander, die zugunsten einer GmbH eine Bürgschaft aufgenommen haben?
Die Bonität einer GmbH wird von Kreditgebern häufig schlechter als die von natürlichen Personen bewertet. Schließlich haftet die GmbH nur mit dem Gesellschaftsvermögen und das Mindestkapital für eine GmbH-Gründung liegt “nur” bei 25.000 €. Daher bestehen viele Kreditgeber, die ein Darlehen an eine GmbH (oder eine UG) vergeben, auf persönlichen Bürgschaften der Gesellschafter. Greift der Kreditgeber dann auf einen Gesellschafter als Bürgen zurück, stellt sich für den betroffenen Gesellschafter die Frage, inwieweit er seine Mitgesellschafter in Anspruch nehmen kann.
Beispielsfall
X war zusammen mit Y an einer UG (“Mini-GmbH”) beteiligt. X hielt einen Geschäftsanteil von 1,00 € (also 25 %), Y war mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 3,00 € (also von 75 %) beteiligt. Die Gesellschaft nahm bei einer Bank ein Darlehen in Höhe von 10.000,00 € auf. X sowie Y übernahmen zur Sicherung dieses Darlehens als Mitbürgen eine Höchstbetragsbürgschaft über jeweils 10.000,00 €. Nachdem die Darlehensverbindlichkeiten von der Gesellschaft nicht beglichen werden konnten, nahm die Bank X aus der Bürgschaft in Anspruch. Diese zahlte daraufhin den geforderten Betrag.
Die Rechtslage im Innenverhältnis
X hatte gemeinsam mit Y als Mitbürgen eine Bürgschaft gegenüber der kreditgebenden Bank abgegeben. Im Innenverhältnis bestimmt sich der Ausgleich daher nach §§ 774 Abs. 2, 426 BGB:
“Mitbürgen haften einander nur nach § 426.”
(§ 774 Abs. 2 BGB)
“(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.”
(§ 426 BGB)
Es handelt sich dabei um ein selbstständiges Ausgleichsverhältnis. Ist der Gläubiger von einem Mitbürgen befriedigt worden, so folgt aus dem Ausgleichsverhältnis zwischen gleichrangigen Mitbürgen, dass die erbrachte Leistung gem. §§ 774 Abs. 2, 426 BGB anteilig auf alle zu verteilen ist (vgl. BGH NJW 1986, 978 (979) = WM 1986, 170; 1987, 374 (376) = WM 1986, 1550; 2000, 1034 (1035) = WM 2000, 408.).
Wer muss welchen Anteil tragen?
Soweit nichts anderes bestimmt ist, erfolgt der Ausgleich zwischen Mitbürgen nach Kopfteilen. Das ergibt sich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.
In unserem Fall wurde das Darlehen für die Gesellschaft aufgenommen. Y war an dieser Gesellschaft stärker beteiligt als X (zu 75 %). Nach der Rechtsprechung haften die Gesellschafter in einem solchen Fall nicht nach Kopfteilen, sondern im Zweifel nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile (vgl. Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 91 Rnr. 473 m.w.N.).
Somit muss Y an X im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs einen Betrag in Höhe von 7.327,11 € erstatten (3/4 der geleisteten Bürgschaftszahlung).
Muss eine Bürgschaft vom Hauptschuldner mit unterzeichnet werden?
Die Unterschrift des Hauptschuldners ist für eine wirksame Bürgschaftserklärung nicht erforderlich.
Unter einer Bürgschaft versteht das BGB einen Vertrag, durch den sich eine Person (=Bürge) gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (Dritter=Hauptschuldner) verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen, vgl. § 765 Abs. 1 BGB.
Zu unterscheiden ist also zwischen dem Bürgschaftsverhältnis und dem Bürgschaftsvertrag.
Zum Bürgschaftsverhältnis gehören drei Personen (Bürge, Gläubiger und Hauptschuldner).
Der Bürgschaftsvertrag kommt dagegen nur zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen zustande. Der Bürgschaftsvertrag begründet insoweit zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger eine Leistungsverpflichtung. Leistet der Bürge, erfüllt er seine eigene Schuld, die ursprüngliche Forderung gegen den Hauptschuldner geht danach kraft Gesetzes auf ihn über, vgl. § 774 BGB.