Urteile zu Verkehrsunfällen

In diesem Beitrag finden Sie eine Sammlung interessanter Urteile zur Haftung bei Verkehrsunfällen.

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Stille Sicherungsabtretung an die Werkstatt muss im Prozess nicht offengelegt werden

Wenn der Schädiger pauschal eine Sicherungsabtretung an die Werkstatt behauptet und dies im Ergebnis nicht bestritten wird, so ist der Geschädigte dennoch als aktivlegitimiert anzusehen, wenn er vorträgt, dass, wenn eine Abtretung vorliegen sollte, es sich jedenfalls um eine stille Zession handelt, bei welcher der Geschädigte im eigenen Namen einziehungsberechtigt geblieben ist.

(OLG Bremen, Urteil vom 18.08.2023 – 1 U 18/23)

Schadensminderungspflicht bei Verkehrsunfall des Inhabers eines Reparaturbetriebs

Wird bei einem Verkehrsunfall ein Kfz beschädigt, hat der Geschädigte, der einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führt, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils.

Allerdings muss sich der Geschädigte in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen lassen, wenn sein Betrieb nicht ausgelastet und es ihm zumutbar ist, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur zu nutzen. Dies gilt sowohl bei der konkreten als auch bei der fiktiven Schadensabrechnung.

(BGH, Urteil vom 26. Mai 2023 – VI ZR 274/22)

Kein Vertrauen des Kraftfahrers auf verkehrsgerechtes Verhalten eines Fußgängers bei der Fahrbahnüberquerung

Ein Kraftfahrer, der einen die Fahrbahn aus seiner Sicht von links nach rechts überquerenden, trotz Dunkelheit bereits aus einiger Entfernung erkennbaren Fußgänger vor dem Zusammenstoß nicht bemerkt hat, darf nicht darauf vertrauen, der Fußgänger werde sich bei der Fahrbahnüberquerung verkehrsgerecht verhalten.

(Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 26. Mai 2023 – 3 U 4/23)

Anscheinsbeweis gegen Auffahrenden gilt auch für Radfahrende

Die Abwägung der wechselseitigen Unfallverursachungsbeiträge kann im Rahmen von §§ 9 StVG, 254 BGB zum vollständigen Ausschluss des Ersatzanspruchs führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiegt, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktritt.

Bei einem typischen Auffahrunfall spricht der Anschein gegen den Auffahrenden. Es wird vermutet, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, zu schnell gewesen ist oder schlicht unaufmerksam war und hierdurch grob gegen seine Verkehrspflichten verstoßen hat.

Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Dies gilt auch für Radfahrer, die sich im öffentlichen Straßenverkehr auf einer sportlich ambitionierten Übungs-Zeitfahrt befinden.

Plötzliche Ereignisse wie ein Unfall oder drohende Gefahr sind typischerweise Anlass für abruptes Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs, wofür gerade die Abstandsregeln gelten sollen.

Korrigierendes Vorbringen einer Partei zur Sache in der mündlichen Verhandlung ist weder präkludiert noch von vornherein unglaubhaft. Der Vorgang unterliegt vielmehr der richterlichen Wertung.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. April 2023 – 7 U 214/22)

Mitverschulden des Fahrgasts bei Bus-Unfällen

Bei Businsassenunfällen verdrängt grundsätzlich das Eigenverschulden des Fahrgastes, der sich nicht ordnungsgemäß festgehalten hat, vollständig die Gefährdungshaftung aus einfacher Betriebsgefahr. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sich das Eigenverschulden des Fahrgastes jedoch verringern. Eine Schadensteilung 50 : 50 kommt in Betracht, wenn der Busfahrer schuldhaft eine Notbremsung vorgenommen hat.

Grünes Ampellicht an einer Kreuzung bedeutet zwar, dass der Verkehrsteilnehmer nach den Regeln des § 9 StVO abbiegen darf. Nach § 9 Abs. 3 StVO muss er jedoch auf Fußgänger besondere Rücksicht nehmen und – wenn nötig – warten.

Jeder Fahrgast ist grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, dass er durch typische oder zu erwartende Bewegungen eines Busses nicht zu Fall kommt. Im Stadtverkehr muss ein Fahrgast jederzeit mit plötzlichen Bremsmanövern rechnen und das bei der Wahl der Sicherheitsvorkehrungen berücksichtigen. Dazu gehört u.a. auch, bei ausgelöstem Haltesignal solange sitzen zu bleiben, bis der Bus die Haltestelle erreicht hat. Bei stehendem Transport sollten sich Fährgäste im fortgeschrittenen Alter mit beiden Händen an der Haltestange festhalten.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25. April 2023 – 7 U 125/22)

Kein Ausgleichsanspruch des Unfallgegners gegen Leasingnehmer nach Schadensregulierung beim Leasinggeber

Kommt es zu einem Unfall zwischen einem Leasingfahrzeug und einem anderen Fahrzeug, so besteht kein Gesamtschuldner-Ausgleichsanspruch gegen den Leasingnehmer und Fahrer, wenn die Schadensregulierung gegenüber dem Leasinggeber bereits erfolgt ist.

(BGH, Urteil vom 18. April 2023 – VI ZR 345/21)

Geringfügiges Verschulden tritt hinter Rotlichtverstoß zurück

Der Verkehrsregelung durch eine Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung oder Einmündung kommt eine so erhebliche Bedeutung zu, dass die Betriebsgefahr sowie im Einzelfall auch ein geringfügiges Verschulden des bei Grünlicht in den geschützten Kreuzungs-/Einmündungsbereich Einfahrenden hinter den Rotlichtverstoß des Unfallgegners zurücktritt.

(OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.04.2023 – 3 U 11/23)

Vertrauen auf verkehrsgerechtes Verhalten eines Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn

Hat ein aus Sicht des Kraftfahrers von links die Fahrbahn querender Fußgänger die Fahrbahn bereits betreten und ist noch in Bewegung, darf der Kraftfahrer nicht in jedem Fall darauf vertrauen, der Fußgänger werde in der Mitte der Fahrbahn stehenbleiben und ihn vorbeilassen.

Richtig handelt zwar ein Fußgänger, der beim Überschreiten einer belebten und nicht allzu schmalen Straße zunächst, soweit es der von links kommende Verkehr gestattet, bis zur Mitte geht und dort wartet, bis er auch die andere Fahrbahnhälfte überqueren kann.

Das Vertrauen darauf, der Fußgänger werde an einer vorhandenen Mittellinie anhalten und das bevorrechtigte Fahrzeug passieren lassen, entfällt, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass für den Kraftfahrer besteht, am verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln.

(BGH, Urteil vom 04.04.2023 – VI ZR 11/21)

Anscheinsbeweis beim Spurwechsel

Kommt es zu einer Kollision zwischen zwei Kraftfahrzeugen, welche in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Fahrers steht, so spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Spurwechslers. In diesem Fall ist die volle Haftung des Wechslers angemessen.

(OLG München, Urteil vom 23.03.2022 – 10 U 7411/21e)

Benutzung einer Ankerwinde

Zur Haftung eines Fahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG, wenn nur die Ankerwinde eingesetzt wird.

(OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2023 – 7 U 130/22)

Zur angemessenen Geschwindigkeit auf einem Parkplatz

Auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter müssen Fahrzeugführer, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme zu genügen, von vornherein mit geringerer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können.

(OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2023 – 7 U 3/23)

Überhöhte Sachverständigenkosten

Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat.

(BGH, Urteil vom 07.02.2023 – VI ZR 137/22)

Zur Höhe des Schmerzensgeldes bei einfacher HWS-Distorsion nach einem Verkehrsunfall

Eine einfache HWS-Distorsion – ohne nachgewiesene längerfristige Beschwerden und dauernde Schäden – ist mit einem gezahlten Schmerzensgeld in Höhe von 650,00 € angemessen ausgeglichen.

Für Fragen der unfallbedingten, individuellen Belastbarkeit und der konkreten körperlichen Beeinträchtigungen ist im Rahmen eines interdisziplinären Gutachtens nicht der technische, sondern der medizinische Gutachter zuständig.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 1. Februar 2023 – 7 U 156/22)

Voraussetzungen für die Annahme eines unfallursächliches Verschulden bei Zweitkollision

Allein der Umstand, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung bei der Beurteilung der Haftung für die Erstkollision – als hierfür nicht mitursächlich – außer Betracht bleiben muss, bedeutet nicht, dass sie für die Zweitkollision nicht nach den allgemeinen Grundsätzen der Haftungsverteilung zu berücksichtigen ist. Es bedarf dafür keineswegs eines erst nach der Erstkollision neu hinzugekommenen Verursachungsbeitrages, vielmehr genügt ein bereits vor der Erstkollision gesetzter Verursachungsbeitrag.

Ein unfallursächliches Verschulden des Fahrzeugführers ist anzunehmen, wenn der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zwar nicht räumlich, wohl aber zeitlich vermeidbar gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn es dem Fahrer bei einer verkehrsordnungsgemäßen Fahrweise zwar nicht gelungen wäre, das Fahrzeug noch vor der späteren Unfallstelle zum Stehen zu bringen, wenn er den PKW aber so stark hätte abbremsen können, dass dem Verletzten Zeit geblieben wäre, den Gefahrenbereich noch rechtzeitig zu verlassen.

Die Annahme einer Haftungsquote (§ 17 StVG) von jeweils 50% für die Folgen der Zweitkollision ist gerechtfertigt. Die ohnehin gegenüber dem PKW höhere Betriebsgefahr eines fast 36 t schweren Sattelzuges ist durch dessen erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (§ 3 StVO; hier 75 – 78 km/h bei erlaubten 60 km/h) deutlich erhöht. Dem steht der Verstoß des Erstschädigers gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) gegenüber. Letzterer Verstoß war zwar das auslösende Ereignis für die Erstkollision, für die nachfolgende Zweitkollision und die dadurch verursachten Schäden sind jedoch beide Fahrzeughalter gleichermaßen verantwortlich.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 7 U 148/22)

Keine Berücksichtigung eines Großkundenrabatts bei fiktiver Abrechnung

Bei der fiktiven Abrechnung eines Totalschadens ist ein dem Geschädigten für Neufahrzeuge eingeräumter Großkundenrabatt nicht zu berücksichtigen.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2023 – 2 U 303/21)

Geschädigter darf Sachverständigen grundsätzlich frei auswählen

Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen.

Verlangt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Schädiger die Freistellung von der Honorarforderung des von ihm mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragten Sachverständigen, richtet sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber dem Sachverständigen eingegangen ist, beschwert ist.

(BGH, Urteil vom 13. Dezember 2022 – VI ZR 324/21)

Keine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung

Wählt ein Unfallgeschädigter den Weg der sog. fiktiven Schadensabrechnung (also auf Gutachtenbasis), kann er nicht den Ersatz von Umsatzsteuer verlangen. Das gilt auch dann, wenn bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

(BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21)

Anscheinsbeweis bei Spurwechsel im innerstädtischen Verkehr

Zur Übertragung der auf Auffahrunfälle auf Autobahnen bezogenen Rechtsprechung des BGH auf den mehrspurigen innerstädtischen Verkehr.

(KG Berlin, Urteil vom 22.12.2021 – 25 U 33/21)

Folgen des Abwartens der Reparaturfreigabe des gegnerischen Haftpflichtversicherers

Einem Kfz-Haftpflichtversicherer steht kein genereller Anspruch auf eigene Fahrzeugbesichtigung des Unfallgeschädigten zu. Ein solcher ergibt sich nicht aus § 119 Abs. 3 VVG. Etwas anderes kann sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aus dem zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 VVG zustande gekommenen gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Dem Geschädigten sind in Grenzen Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadenfeststellung auferlegt, aus denen sich ausnahmsweise ein Recht des Haftpflichtversicherers auf eigene Fahrzeugnachbesichtigung ergeben kann.

Steht dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer weder generell noch ausnahmsweise im konkreten Fall ein Anspruch gegen den Geschädigten auf Fahrzeugnachbesichtigung zu und hat er zudem nicht einmal eine eigene Besichtigung begehrt, kann ihm nicht umgekehrt eine Obliegenheit zur Erteilung einer vom Geschädigten begehrten Reparaturfreigabe mit der Folge auferlegt werden, dass ihm bis zur Erteilung einer solchen Reparaturfreigabe ein verzögerter Zeitraum bis zum tatsächlichen Reparaturauftrag angelastet wird. Vielmehr hat der Geschädigte etwaige Schäden, die ihm in einem solchen Fall durch Verzögerungen wegen Abwartens der Reparaturfreigabe des gegnerischen Haftpflichtversicherers entstanden sind, selbst zu tragen.

Etwas anders kann nur dann gelten, wenn der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten seinen Wunsch auf Nachbesichtigung kundtut, dem Geschädigten das Einräumen der Nachbesichtigung tatsächlich (noch) möglich und zumutbar ist und er dem Versicherer diese Möglichkeit – ob nun kraft gesetzlichen Schuldverhältnisses verpflichtet oder freiwillig – auch einräumt. Denn erst dann erwächst ein Vertrauenstatbestand für den Geschädigten dahingehend, dass er keine Nachteile dadurch erleiden soll, dass er dem Versicherer die Nachbesichtigung ermöglicht und aus diesem Grund auf dessen Reparaturfreigabe wartet.

(OLG Celle, Urteil vom 1. Dezember 2021 – 14 U 83/21)

Schätzung von Sachverständigenkosten

Zur Schätzung des erforderlichen Herstellungsaufwands im Hinblick auf die Kosten eines Sachverständigen.

(BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18)

Höhe der Mietwagenkosten bei Verzögerung der Reparatur wegen Ersatzteilbeschaffung

Wer sein Fahrzeug infolge eines schädigenden Ereignisses nicht mehr nutzen kann (z.B. weil dieses nicht mehr verkehrssicher ist), hat einen Anspruch auf Ersatz der für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entstehenden Kosten. Bei einer konkreten Schadensabrechnung sind die Mietwagenkosten grundsätzlich für die gesamte erforderliche Ausfallzeit zu leisten. Verzögerungen bei der Ersatzteilbeschaffung gehen dabei grundsätzlich zu Lasten des Schädigers.

(LG Köln, Urteil vom 13. August 2019 – 11 S 250/18)

Ersatzfähigkeit fiktiver UPE-Aufschläge

Bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf diese verweisen lassen.

Dies gilt auch dann, wenn der Reparaturkostenkalkulation des von ihm beauftragten Sachverständigen bereits mittlere ortsübliche Sätze nicht markengebundener Fachwerkstätten zugrunde liegen. Es kann keinen Unterschied machen, ob im Privatgutachten von durchschnittlichen regionalen Stundenverrechnungssätzen markengebundener oder freie Fachwerkstätten ausgegangen worden ist.

Die Frage der „Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge“ entscheidet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten.

(BGH, Urteil vom 25. September 2018 – VI ZR 65/18)

Erschütterung des Anscheinsbeweises bei grundloser Vollbremsung

Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden kann allenfalls erschüttert sein, wenn eine grundlose Vollbremsung mit der nötigen Gewissheit iSd § 286 ZPO bewiesen ist.

Ein Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist, gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden unmöglich.

Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß des Vorausfahrenden gegen § 4 I 2 StVO vorliegen sollte.

(OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2018 – 7 U 70/17)

Treuwidriges Bestreiten der Aktivlegitimation

Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist es einer beklagten Versicherung verwehrt, die Aktivlegitimation des Klägers erstmalig im Prozess zu bestreiten, wenn sie zuvor ohne Beanstandung die Forderungsberechtigung des Klägers und eine Rechnung geprüft und einzelne Positionen hieraus vorbehaltlos ausgeglichen hat.

(KG Berlin, Beschluss vom 17.07.2018 – 6 U 15/18)

Darlegungslast bezüglich Sachverständigenkosten

Zu den Anforderungen an die Darlegung der Sachverständigenkosten.

(BGH, Urteil vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16)

Pflicht des Geschädigten zum unverzüglichen Reparaturauftrag

Ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter ist aufgrund seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) von Rechts wegen gehalten, unverzüglich einen Auftrag zur Reparatur des geschädigten Fahrzeuges zu erteilen und für den schnellstmöglichen Beginn der tatsächlichen Fahrzeugreparatur Sorge zu tragen, sofern die Reparaturwürdigkeit feststeht und das Fahrzeug repariert werden soll, um die Zeit des Nutzungsausfalls so gering wie möglich zu halten. Ein Geschädigter ist nicht berechtigt, mit der Reparatur seines geschädigten Fahrzeuges so lange zu warten, bis der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung eine bindende Erklärung abgegeben hat, für die Reparaturkosten aufzukommen. Deshalb hat ein Geschädigter grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Erstattung des aufgrund des Zuwartens bis zur Kostenübernahmeerklärung seitens des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung zusätzlich entstandenen Nutzungsausfallschadens.

(LG Hagen (Westfalen), Beschluss vom 9. Mai 2018 – 7 S 19/18)

Anscheinsbeweis auf einspuriger Bundesstraße

Bei einem Auffahrunfall kann der Anschein gegen den auffahrenden Hintermann sprechen, dass dieser entweder unaufmerksam war (§ 1 Abs. 1 StVO) oder aber nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO).

Dieser Anscheinsbeweis greift nicht ein, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen oder aber unstreitig es an der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Typizität der Unfallkonstellation fehlt, z. B. bei einem grundlosen Abbremsen durch den Vordermann oder bei nachgewiesenem bzw. feststehendem Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Auffahrunfällen auf mehrspurigen Autobahnen, die bei Auffahrunfällen eine hälftige Schadensteilung annimmt, wenn vor dem Auffahren ein Fahrspurwechsel stattgefunden hat, aber streitig und nicht aufklärbar ist, ob die Fahrspur unmittelbar vor dem Anstoß gewechselt worden ist und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat, betrifft nur vorangegangene Spurwechsel im Sinne von § 7 Abs. 5 StVO. Die Rechtsprechung ist deshalb bei einem Auffahrunfall auf einer einspurigen Bundesstraße nicht einschlägig.

(OLG Schleswig, Beschluss vom 30.01.2018 – 7 U 100/17)

Kein Anscheinsbeweis gegen Straßenbahnen

Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden gilt nicht für Straßenbahnen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2017 – I-1 U 33/17)

Zum Anspruch auf eine Reparaturkosten-Übernahmebestätigung

Die Frage der Reparaturfreigabe nach Vorlage eines Kostenvoranschlags bei einem hohen Sachschaden ist nicht vergleichbar mit der Forderung nach einer Kostenübernahmebestätigung nach Vorlage eines Sachverständigengutachtens. Zutreffend ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch darauf hat, dass der Haftpflichtversicherer ihm das wirtschaftliche Risiko des zu erteilenden Reparaturauftrags durch eine sogenannte Übernahmebestätigung abnimmt. Etwaige Ungewissheiten zum Grund des Anspruchs, darüber, ob vielleicht eine Quotierung in Betracht kommt, darf ein Geschädigter nicht auf den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer abwälzen.

(AG Wittmund, Urteil vom 16. Februar 2017 – 4 C 343/16)

Auffahrender haftet in der Regel mit 100%

Die abrupte Bremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs ohne äußeren Anlass ändert bei einem Auffahrunfall grundsätzlich nichts an einem im Wege des Anscheinsbeweises festzustellenden schuldhaften Verkehrsverstoß des Hintermanns.

Bei einem Auffahrunfall trifft den auffahrenden Fahrzeugführer in der Regel eine Haftungsquote von 100 %. Die nicht ausgeräumte Möglichkeit, dass der Vordermann eventuell vorsätzlich aus „erzieherischen Gründen“ abrupt gebremst hat, ändert daran nichts. Denn ein Verkehrsverstoß des vorausfahrenden Fahrzeugführers wäre nur dann zu berücksichtigen, wenn er nachgewiesen wäre.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.4.2017 – 9 U 189/15)

Zum Anscheinsbeweis beim Spurwechsel

Bei Auffahrunfällen kann, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 I StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 I StVO).

Der Auffahrunfall reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises aber dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen.

Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden, zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

(BGH, Urteil vom 13.12.2016 – VI ZR 32/169

Keine Pflicht des Geschädigten zur Einholung von Restwertangeboten

Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

(BGH, Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 673/15)

Anscheinsbeweis bei Abbremsen trotz grüner Ampel

Der durch Grün bevorrechtigte Fahrzeugführer ist gehalten, die Grünphase einer Ampel auszunutzen, um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten. Bremst er während der Grünphase ohne zwingenden Grund vor dem Kreuzungsbereich stark ab und fährt das nachfolgende Fahrzeug auf, ist der gegenüber dem Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert.

(LG Saarbrücken, Urteil vom 20.11.2015 – 13 S 67/15)

Kein Anscheinsbeweis gegen Abbiegenden

Beim Auffahren eines nachfolgenden Fahrzeugs auf ein abbiegendes oder wendendes Fahrzeug ist die Annahme eines Anscheinsbeweises gegen den Abbiegenden/­Wendenden nicht zu rechtfertigen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2015 – 1 U 46/­15)

Anscheinsbeweis wird durch Abbiegevorgang nicht erschüttert

Fährt ein nachfolgendes Fahrzeug auf ein Fahrzeug auf, das im Begriff ist, nach links in ein Grundstück abzubiegen, rechtfertigt die Lebenserfahrung nicht die Annahme, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Abbiegenden besteht.

Ebenso wenig lässt sich aus den hohen Anforderungen, die § 9 Abs. 5 StVO an den Abbiegenden stellt, ableiten, dass in diesen Fällen jedenfalls der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert sei.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2015 − I-1 U 107/14)

Geschädigter darf Reparaturkosten-Übernahmebestätigung abwarten

Ein Geschädigter darf nicht nur die Reparaturkostenübernahme der gegnerischen KFZ-Haftpflichtversicherung, sondern auch das Gutachten des beauftragten Sachverständigen abwarten, um letztlich tatsächlich die Reparatur ausführen zu lassen.

(AG Nauen, Urteil vom 8. September 2014 – 14 C 98/14)

Anscheinsbeweis beim Spurwechsel

Zum Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden, wenn ein Spurwechsel des vorderen Fahrzeugs eingewandt wird.

(OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.08.2014 – 4 U 68/13)

Anscheinsbeweis spricht gegen Auffahrenden

Wer im Straßenverkehr, von hinten kommend, aufgrund des Fahrverhaltens des vorausfahrenden Fahrzeugs nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, war in der Regel unaufmerksam oder hat den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Für diese Beurteilung spricht der Beweis des ersten Anscheins.

(LG Magdeburg, Urteil vom 03.06.2014 – 11 O 2274/13)

Eigenreparatur nach Verkehrsunfall

Wird eine im Bereich einer Autobahn befindliche Baustellenabsicherungsanlage durch ein Kraftfahrzeug beschädigt, kann dem Unternehmer, der die Anlage im Auftrag der zuständigen Behörde errichtet hat, ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens in Höhe des Werklohns zustehen, den ein gewerblicher Betrieb für eine Reparatur in vergleichbaren Fällen üblicherweise verlangen kann.

(BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 363/12)

Anscheinsbeweis bei Spurwechsel

Es ist allgemein anerkannt, dass derjenige, der mit seinem Kfz auf ein vorausfahrendes oder vor ihm stehendes Kfz auffährt, den Anscheinsbeweis gegen sich hat, dass er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hat oder mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat.

Steht der Auffahrunfall im Zusammenhang mit einem Spurwechsel, so muss der Vordermann, der ein Auffahrverschulden nach Anscheinsbeweisregeln geltend macht, vortragen und notfalls beweisen, dass er so lange im gleichgerichteten Verkehr spurgleich vorausgefahren ist, dass der Hintermann den nötigen Sicherheitsabstand einhalten konnte.

(OLG München, Urteil vom 25.10.2013 – 10 U 964/13)

Erstattungsfähige Positionen sind grundsätzlich auch bei fiktiver Abrechnung zu erstatten

Die im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen (Gesamt-) Reparaturkosten eines Kraftfahrzeuges nach einem Verkehrsunfall setzen sich aus vielen einzelnen Kostenfaktoren zusammen und lassen sich schadensrechtlich nicht aufspalten in einen „angefallenen“ und einen „nicht angefallenen“ Teil. Dies wäre in der Rechtspraxis nicht handhabbar und würde dem Geschädigten sowohl die Ersetzungsbefugnis als auch die Dispositionsfreiheit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nehmen.

(BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – VI ZR 401/12)

Kein Anscheinsbeweis auf der Autobahn bei Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens

Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist.

(BGH, Urteil vom 13.12.2011 − VI ZR 177/10)

Eigenreparatur, Darlegungs- und Beweislast des Schädigers für freie Kapazitäten während der Reparaturzeit

Nach § 249 BGB kann der Gläubiger bei Beschädigung einer Sache statt einer Naturalrestitution den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. In der Verwendung ist der Geschädigte frei. Er kann die Sache auch unrepariert lassen oder selbst reparieren. In beiden Fällen hat er, selbst wenn er kraft besonderer Fähigkeiten oder aus sonstigen individuellen Gründen zu einer kostengünstigen Eigenreparatur imstande ist, grundsätzlich Anspruch auf die im Reparaturgewerbe objektiv entstehenden Kosten einschließlich des Unternehmergewinns. Das gilt im Allgemeinen auch dann, wenn der Gläubiger die Arbeiten von eigenen Angestellten während der üblichen Arbeitszeiten erledigen lässt.

Ein Geschädigter kann nur dann auf den um den Unternehmergewinn verringerten Schadensersatzbetrag verwiesen werden, wenn es eine besondere Beschäftigungslage gibt, die zu keiner gewinnbringenden Aktivität führen konnte. Dafür, dass freie Kapazitäten beim Geschädigten vorhanden waren, trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast.

Übergang von fiktiver zu konkreter Schadensabrechnung

Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst (fiktiv) auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten abrechnet, ist an diese Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden, sondern kann nach erfolgter Reparatur grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen.

(BGH, Urteil vom 18. 10. 2011 – VI ZR 17/11)

Anscheinsbeweis auf der Autobahn setzt typischen Geschehensablauf voraus

Bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, kann grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen. Dies setzt allerdings nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass ein typischer Geschehensablauf feststeht.

(BGH, Urteil vom 30.11.2010 − VI ZR 15/10)

Weiternutzung von mindestens 6 Monaten

Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt.

Vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht.

(BGH, Urteil vom 23.11.2010 – VI ZR 35/10)

Ersatzfähige Reparaturkosten bei Eigenreparatur

Der Geschädigte behält auch grundsätzlich seinen Anspruch auf den vollen objektiven Wiederherstellungsaufwand, wenn er die geschädigte Sache in seiner eigenen Werkstatt reparieren lässt.

(AG Marl, Urteil vom 25. März 2010 – 3 C 554/09)

Bruttoreparaturkosten, 130%-Grenze

Kommt es beim Kraftfahrzeughaftpflichtschaden für den Umfang des Schadensersatzes darauf an, ob die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, ist in der Regel auf die Bruttoreparaturkosten abzustellen.

Übersteigt der Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs – im Rahmen der 130%-Grenze -, können Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, und wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt, und dass anderenfalls die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt ist.

(BGH, Urteil vom 03.03.2009 – VI ZR 100/08)

Geschädigter muss Reparaturauftrag unverzüglich erteilen

Der Geschädigte ist grundsätzlich gehalten, den Reparaturauftrag unverzüglich zu erteilen und nicht die Kostenübernahmeerklärung des Haftpflichtversicherers abzuwarten.

Ein Geschädigter verletzt seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB, wenn er die gegnerische KFZ-Haftpflichtversicherung nicht über fehlende eigene Mittel und die Unmöglichkeit einer Krediterlangung informiert und deshalb um unverzügliche Übernahmeerklärung oder Vorschussleistung gebeten hat.

(LG Hildesheim, Urteil vom 13. November 2008 – 1 S 34/08)

Anspruch auf Unternehmergewinn bei Eigenreparatur

Dem Geschädigten, der sein Fahrzeug in eigener Werkstatt instandsetzt, ist auch der 20-prozentige Unternehmensgewinn zu ersetzen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte infolge der besonderen Beschäftigungslage in der fraglichen Zeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Instandsetzungskapazität seines Betriebes anderweitig und bestimmungsgemäß gewinnbringend einzusetzen. Der Verzicht auf diese Möglichkeit im Interesse des Schädigers ist nicht zumutbar.

(AG Halle, Urteil vom 25. September 2008 – 2 C 1115-07)

Weiternutzung von mindestens 6 Monaten

Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-) reparieren lässt.

(BGH, Urteil vom 29.04.2008 – VI ZR 220/07)

Weiternutzung von mindestens 6 Monaten

Der Geschädigte, der Ersatz des Reparaturaufwands über dem Wiederbeschaffungswert verlangt, bringt sein für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebendes Integritätsinteresse regelmäßig dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt.

Im Regelfall wird hierfür ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen.

(BGH, Urteil vom 13.11.2007 – VI ZR 89/07)

Keine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung

Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist nicht zulässig.

(BGH, Urteil vom 24.01.2007 – VI ZR 146/16)

Realisierter Restwert ist in Abzug zu bringen

Lässt der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Fahrzeug nicht reparieren, sondern realisiert er durch dessen Veräußerung den Restwert, ist sein Schaden in entsprechender Höhe ausgeglichen. Deshalb wird auch bei Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten in solchen Fällen der Schadensersatzanspruch durch den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt.

(BGH, Urteil vom 07.06.2005 – VI ZR 192/04)

Ersatz von Reparaturkosten über Wiederbeschaffungswert

Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.

(BGH, Urteil vom 15.02.2005 – VI ZR 70/04)

Geschädigter muss keinen Sondermarkt für Restwertaufkäufer in Anspruch nehmen

Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen; er muss er sich jedoch einen höheren Erlös anrechnen lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes ohne besondere Anstrengungen erzielt.

(BGH, Urteil vom 07.12.2004 – VI ZR 119/04)

Pflicht zur unverzüglichen Reparaturdurchführung

Wartet eine Reparaturwerkstatt den Eingang einer Kostenübernahmebestätigung der gegnerischen KFZ-Haftpflichtversicherung ab und überschreitet dadurch die laut Schadensgutachten erforderliche Reparaturdauer, verstößt der Geschädigte damit gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 256 BGB mit der Folge, dass er keine weiteren Mietwagenkosten verlangen kann.

(AG Zehdenick, Urteil vom 17. Juni 2004 – 62 C 134/03)

Grundsatz der Wahlfreiheit zwischen Reparatur und Wiederbeschaffung

Grundsätzlich kann der Geschädigte wählen, ob er sein beschädigtes Fahrzeug reparieren oder sich ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug beschaffen möchte. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Der zu gewährende Schadensausgleich wird begrenzt durch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das besagt, dass der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht verdienen soll.

(BGH, Urteil vom 29.04.2003 – VI ZR 393/02)

Keine Vermengung von fiktiver und konkreter Abrechnung

Die Abrechnung auf fiktiver Basis kann mit der Abrechnung auf der Grundlage einer tatsächlich durchgeführten Reparatur nicht beliebig verquickt werden. Dies würde nämlich im Ergebnis dazu führen, dass der Geschädigte nicht nur den gem. § 249 S. 2 BGB geschuldeten Ersatzbetrag verlangen kann, sondern an dem Unfall noch tatsächlich verdienen könnte.

(OLG Köln, Urteil vom 01.03.2001 – 1 U 112/00)

Wirtschaftlicher Totalschaden, 130%-Grenze

Auch bei sog wirtschaftlichem Totalschaden eines Kraftfahrzeugs verbleibt dem Geschädigten der Herstellungsanspruch aus BGB § 249, wenn es ihm möglich ist, sich mit wirtschaftlich vernünftigem Aufwand ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen.

Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur eines Kraftfahrzeugs mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. Läßt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130% des Wiederbeschaffungswertes) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden. In solchem Falle kann der Geschädigte vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen.

(BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 67/91)

Zahlung an Dritte hat keine Auswirkung auf Gegenstandswert

Eine Zahlung an Dritte aufgrund von Abtretungserklärungen hat keine Auswirkung auf den unfallbedingten Schaden und damit auch keine Auswirkungen auf den Erledigungswert, aus welchem der Schädiger die Kosten einer anwaltlichen Vertretung zu erstatten hat.

(AG Tettnang, Urteil vom 21. Juni 1985 – 3 C 297/85).

Ersatzfähigkeit fiktiver Mehrwertsteuer bei Eigenreparatur

Hat der Schädiger dem Eigentümer, der seinen Kraftwagen selbst wieder instandgesetzt hat, die gedachten Kosten einer Reparatur in einer gewerblichen Werkstätte zu ersetzen, dann umfaßt der Anspruch auch die Mehrwertsteuer, die in diesen Kosten enthalten wäre.

(BGH, Urteil vom 19. Juni 1973 – VI ZR 46/72 –, BGHZ 61, 56-59)

Schadenbehebung in eigener Reparaturwerkstatt

Unterhält ein Verkehrsbetrieb eine Werkstätte, die nur zur Instandsetzung der eigenen Fahrzeuge bestimmt ist, dann kann er vom Beschädiger eines Fahrzeugs nicht ohne weiteres Ersatz der höheren Kosten einer nicht vorgenommenen Fremdreparatur fordern.

(BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 – VI ZR 168/68 –, BGHZ 54, 82-89)

Schadenersatz für Besitzentzug eines KFZ

Die Kosten für Kraftfahrzeugversicherung und Kraftfahrzeugsteuer, die während der Zeit des vorübergehenden Verlustes der Gebrauchsmöglichkeit eines beschädigten Kraftwagens entstehen, hat der Ersatzpflichtige zu ersetzen.

Mitverschulden wegen unterlassener Schadensminderung (Unterlassen der polizeilichen Abmeldung) scheidet jedenfalls so lange aus, als infolge der durch polizeiliche Ab- und Anmeldung entstehenden geldlichen und zeitlichen Aufwendungen und infolge der Ungewissheit über die Ausbesserung eine Schadensminderung durch Einsparung der Prämien und Steuern nicht zu erwarten ist.

(BGH, Urteil vom 30. September 1963 – III ZR 186/61)

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