Urteile zur Haftung beim Verkehrsunfall

Nachfolgend finden Sie eine Sammlung interessanter Urteile zur Haftung beim Verkehrsunfall.

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Inhalt
  1. Geringfügiges Verschulden tritt hinter Rotlichtverstoß zurück
  2. Vertrauen auf verkehrsgerechtes Verhalten eines Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn
  3. Anscheinsbeweis beim Spurwechsel
  4. Benutzung einer Ankerwinde
  5. Zur angemessenen Geschwindigkeit auf einem Parkplatz
  6. Überhöhte Sachverständigenkosten
  7. Keine Berücksichtigung eines Großkundenrabatts bei fiktiver Abrechnung
  8. Geschädigter darf Sachverständigen grundsätzlich frei auswählen
  9. Keine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung
  10. Anscheinsbeweis bei Spurwechsel im innerstädtischen Verkehr
  11. Schätzung von Sachverständigenkosten
  12. Erschütterung des Anscheinsbeweises bei grundloser Vollbremsung
  13. Darlegungslast bezüglich Sachverständigenkosten
  14. Anscheinsbeweis auf einspuriger Bundesstraße
  15. Kein Anscheinsbeweis gegen Straßenbahnen
  16. Auffahrender haftet in der Regel mit 100%
  17. Zum Anscheinsbeweis beim Spurwechsel
  18. Keine Pflicht des Geschädigten zur Einholung von Restwertangeboten
  19. Anscheinsbeweis bei Abbremsen trotz grüner Ampel
  20. Kein Anscheinsbeweis gegen Abbiegenden
  21. Anscheinsbeweis wird durch Abbiegevorgang nicht erschüttert
  22. Anscheinsbeweis beim Spurwechsel
  23. Anscheinsbeweis spricht gegen Auffahrenden
  24. Eigenreparatur nach Verkehrsunfall
  25. Anscheinsbeweis bei Spurwechsel
  26. Kein Anscheinsbeweis auf der Autobahn bei Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens
  27. Eigenreparatur, Darlegungs- und Beweislast des Schädigers für freie Kapazitäten während der Reparaturzeit
  28. Übergang von fiktiver zu konkreter Schadensabrechnung
  29. Anscheinsbeweis auf der Autobahn setzt typischen Geschehensablauf voraus
  30. Weiternutzung von mindestens 6 Monaten
  31. Ersatzfähige Reparaturkosten bei Eigenreparatur
  32. Bruttoreparaturkosten, 130%-Grenze
  33. Anspruch auf Unternehmergewinn bei Eigenreparatur
  34. Weiternutzung von mindestens 6 Monaten
  35. Weiternutzung von mindestens 6 Monaten
  36. Keine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung
  37. Realisierter Restwert ist in Abzug zu bringen
  38. Ersatz von Reparaturkosten über Wiederbeschaffungswert
  39. Geschädigter muss keinen Sondermarkt für Restwertaufkäufer in Anspruch nehmen
  40. Grundsatz der Wahlfreiheit zwischen Reparatur und Wiederbeschaffung
  41. Keine Vermengung von fiktiver und konkreter Abrechnung
  42. Wirtschaftlicher Totalschaden, 130%-Grenze
  43. Zahlung an Dritte hat keine Auswirkung auf Gegenstandswert
  44. Ersatzfähigkeit fiktiver Mehrwertsteuer bei Eigenreparatur
  45. Schadenbehebung in eigener Reparaturwerkstatt

Geringfügiges Verschulden tritt hinter Rotlichtverstoß zurück

Der Verkehrsregelung durch eine Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung oder Einmündung kommt eine so erhebliche Bedeutung zu, dass die Betriebsgefahr sowie im Einzelfall auch ein geringfügiges Verschulden des bei Grünlicht in den geschützten Kreuzungs-/Einmündungsbereich Einfahrenden hinter den Rotlichtverstoß des Unfallgegners zurücktritt.

(OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.04.2023 – 3 U 11/23)

Vertrauen auf verkehrsgerechtes Verhalten eines Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn

Hat ein aus Sicht des Kraftfahrers von links die Fahrbahn querender Fußgänger die Fahrbahn bereits betreten und ist noch in Bewegung, darf der Kraftfahrer nicht in jedem Fall darauf vertrauen, der Fußgänger werde in der Mitte der Fahrbahn stehenbleiben und ihn vorbeilassen.

Richtig handelt zwar ein Fußgänger, der beim Überschreiten einer belebten und nicht allzu schmalen Straße zunächst, soweit es der von links kommende Verkehr gestattet, bis zur Mitte geht und dort wartet, bis er auch die andere Fahrbahnhälfte überqueren kann.

Das Vertrauen darauf, der Fußgänger werde an einer vorhandenen Mittellinie anhalten und das bevorrechtigte Fahrzeug passieren lassen, entfällt, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass für den Kraftfahrer besteht, am verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln.

(BGH, Urteil vom 04.04.2023 – VI ZR 11/21)

Anscheinsbeweis beim Spurwechsel

Kommt es zu einer Kollision zwischen zwei Kraftfahrzeugen, welche in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Fahrers steht, so spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Spurwechslers. In diesem Fall ist die volle Haftung des Wechslers angemessen.

(OLG München, Urteil vom 23.03.2022 – 10 U 7411/21e)

Benutzung einer Ankerwinde

Zur Haftung eines Fahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG, wenn nur die Ankerwinde eingesetzt wird.

(OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2023 – 7 U 130/22)

Zur angemessenen Geschwindigkeit auf einem Parkplatz

Auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter müssen Fahrzeugführer, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme zu genügen, von vornherein mit geringerer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können.

(OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2023 – 7 U 3/23)

Überhöhte Sachverständigenkosten

Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat.

(BGH, Urteil vom 07.02.2023 – VI ZR 137/22)

Keine Berücksichtigung eines Großkundenrabatts bei fiktiver Abrechnung

Bei der fiktiven Abrechnung eines Totalschadens ist ein dem Geschädigten für Neufahrzeuge eingeräumter Großkundenrabatt nicht zu berücksichtigen.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2023 – 2 U 303/21)

Geschädigter darf Sachverständigen grundsätzlich frei auswählen

Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen.

Verlangt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Schädiger die Freistellung von der Honorarforderung des von ihm mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragten Sachverständigen, richtet sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber dem Sachverständigen eingegangen ist, beschwert ist.

(BGH, Urteil vom 13. Dezember 2022 – VI ZR 324/21)

Keine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung

Wählt ein Unfallgeschädigter den Weg der sog. fiktiven Schadensabrechnung (also auf Gutachtenbasis), kann er nicht den Ersatz von Umsatzsteuer verlangen. Das gilt auch dann, wenn bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

(BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21)

Anscheinsbeweis bei Spurwechsel im innerstädtischen Verkehr

Zur Übertragung der auf Auffahrunfälle auf Autobahnen bezogenen Rechtsprechung des BGH auf den mehrspurigen innerstädtischen Verkehr.

(KG Berlin, Urteil vom 22.12.2021 – 25 U 33/21)

Schätzung von Sachverständigenkosten

Zur Schätzung des erforderlichen Herstellungsaufwands im Hinblick auf die Kosten eines Sachverständigen.

(BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18)

Erschütterung des Anscheinsbeweises bei grundloser Vollbremsung

Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden kann allenfalls erschüttert sein, wenn eine grundlose Vollbremsung mit der nötigen Gewissheit iSd § 286 ZPO bewiesen ist.

Ein Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist, gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden unmöglich.

Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß des Vorausfahrenden gegen § 4 I 2 StVO vorliegen sollte.

(OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2018 – 7 U 70/17)

Darlegungslast bezüglich Sachverständigenkosten

Zu den Anforderungen an die Darlegung der Sachverständigenkosten.

(BGH, Urteil vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16)

Anscheinsbeweis auf einspuriger Bundesstraße

Bei einem Auffahrunfall kann der Anschein gegen den auffahrenden Hintermann sprechen, dass dieser entweder unaufmerksam war (§ 1 Abs. 1 StVO) oder aber nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO).

Dieser Anscheinsbeweis greift nicht ein, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen oder aber unstreitig es an der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Typizität der Unfallkonstellation fehlt, z. B. bei einem grundlosen Abbremsen durch den Vordermann oder bei nachgewiesenem bzw. feststehendem Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Auffahrunfällen auf mehrspurigen Autobahnen, die bei Auffahrunfällen eine hälftige Schadensteilung annimmt, wenn vor dem Auffahren ein Fahrspurwechsel stattgefunden hat, aber streitig und nicht aufklärbar ist, ob die Fahrspur unmittelbar vor dem Anstoß gewechselt worden ist und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat, betrifft nur vorangegangene Spurwechsel im Sinne von § 7 Abs. 5 StVO. Die Rechtsprechung ist deshalb bei einem Auffahrunfall auf einer einspurigen Bundesstraße nicht einschlägig.

(OLG Schleswig, Beschluss vom 30.01.2018 – 7 U 100/17)

Kein Anscheinsbeweis gegen Straßenbahnen

Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden gilt nicht für Straßenbahnen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2017 – I-1 U 33/17)

Auffahrender haftet in der Regel mit 100%

Die abrupte Bremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs ohne äußeren Anlass ändert bei einem Auffahrunfall grundsätzlich nichts an einem im Wege des Anscheinsbeweises festzustellenden schuldhaften Verkehrsverstoß des Hintermanns.

Bei einem Auffahrunfall trifft den auffahrenden Fahrzeugführer in der Regel eine Haftungsquote von 100 %. Die nicht ausgeräumte Möglichkeit, dass der Vordermann eventuell vorsätzlich aus „erzieherischen Gründen“ abrupt gebremst hat, ändert daran nichts. Denn ein Verkehrsverstoß des vorausfahrenden Fahrzeugführers wäre nur dann zu berücksichtigen, wenn er nachgewiesen wäre.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.4.2017 – 9 U 189/15)

Zum Anscheinsbeweis beim Spurwechsel

Bei Auffahrunfällen kann, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 I StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 I StVO).

Der Auffahrunfall reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises aber dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen.

Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden, zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

(BGH, Urteil vom 13.12.2016 – VI ZR 32/169

Keine Pflicht des Geschädigten zur Einholung von Restwertangeboten

Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

(BGH, Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 673/15)

Anscheinsbeweis bei Abbremsen trotz grüner Ampel

Der durch Grün bevorrechtigte Fahrzeugführer ist gehalten, die Grünphase einer Ampel auszunutzen, um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten. Bremst er während der Grünphase ohne zwingenden Grund vor dem Kreuzungsbereich stark ab und fährt das nachfolgende Fahrzeug auf, ist der gegenüber dem Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert.

(LG Saarbrücken, Urteil vom 20.11.2015 – 13 S 67/15)

Kein Anscheinsbeweis gegen Abbiegenden

Beim Auffahren eines nachfolgenden Fahrzeugs auf ein abbiegendes oder wendendes Fahrzeug ist die Annahme eines Anscheinsbeweises gegen den Abbiegenden/­Wendenden nicht zu rechtfertigen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2015 – 1 U 46/­15)

Anscheinsbeweis wird durch Abbiegevorgang nicht erschüttert

Fährt ein nachfolgendes Fahrzeug auf ein Fahrzeug auf, das im Begriff ist, nach links in ein Grundstück abzubiegen, rechtfertigt die Lebenserfahrung nicht die Annahme, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Abbiegenden besteht.

Ebenso wenig lässt sich aus den hohen Anforderungen, die § 9 Abs. 5 StVO an den Abbiegenden stellt, ableiten, dass in diesen Fällen jedenfalls der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert sei.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2015 − I-1 U 107/14)

Anscheinsbeweis beim Spurwechsel

Zum Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden, wenn ein Spurwechsel des vorderen Fahrzeugs eingewandt wird.

(OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.08.2014 – 4 U 68/13)

Anscheinsbeweis spricht gegen Auffahrenden

Wer im Straßenverkehr, von hinten kommend, aufgrund des Fahrverhaltens des vorausfahrenden Fahrzeugs nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, war in der Regel unaufmerksam oder hat den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Für diese Beurteilung spricht der Beweis des ersten Anscheins.

(LG Magdeburg, Urteil vom 03.06.2014 – 11 O 2274/13)

Eigenreparatur nach Verkehrsunfall

Wird eine im Bereich einer Autobahn befindliche Baustellenabsicherungsanlage durch ein Kraftfahrzeug beschädigt, kann dem Unternehmer, der die Anlage im Auftrag der zuständigen Behörde errichtet hat, ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens in Höhe des Werklohns zustehen, den ein gewerblicher Betrieb für eine Reparatur in vergleichbaren Fällen üblicherweise verlangen kann.

(BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 363/12)

Anscheinsbeweis bei Spurwechsel

Es ist allgemein anerkannt, dass derjenige, der mit seinem Kfz auf ein vorausfahrendes oder vor ihm stehendes Kfz auffährt, den Anscheinsbeweis gegen sich hat, dass er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hat oder mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat.

Steht der Auffahrunfall im Zusammenhang mit einem Spurwechsel, so muss der Vordermann, der ein Auffahrverschulden nach Anscheinsbeweisregeln geltend macht, vortragen und notfalls beweisen, dass er so lange im gleichgerichteten Verkehr spurgleich vorausgefahren ist, dass der Hintermann den nötigen Sicherheitsabstand einhalten konnte.

(OLG München, Urteil vom 25.10.2013 – 10 U 964/13)

Kein Anscheinsbeweis auf der Autobahn bei Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens

Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist.

(BGH, Urteil vom 13.12.2011 − VI ZR 177/10)

Eigenreparatur, Darlegungs- und Beweislast des Schädigers für freie Kapazitäten während der Reparaturzeit

Nach § 249 BGB kann der Gläubiger bei Beschädigung einer Sache statt einer Naturalrestitution den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. In der Verwendung ist der Geschädigte frei. Er kann die Sache auch unrepariert lassen oder selbst reparieren. In beiden Fällen hat er, selbst wenn er kraft besonderer Fähigkeiten oder aus sonstigen individuellen Gründen zu einer kostengünstigen Eigenreparatur imstande ist, grundsätzlich Anspruch auf die im Reparaturgewerbe objektiv entstehenden Kosten einschließlich des Unternehmergewinns. Das gilt im Allgemeinen auch dann, wenn der Gläubiger die Arbeiten von eigenen Angestellten während der üblichen Arbeitszeiten erledigen lässt.

Ein Geschädigter kann nur dann auf den um den Unternehmergewinn verringerten Schadensersatzbetrag verwiesen werden, wenn es eine besondere Beschäftigungslage gibt, die zu keiner gewinnbringenden Aktivität führen konnte. Dafür, dass freie Kapazitäten beim Geschädigten vorhanden waren, trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast.

Übergang von fiktiver zu konkreter Schadensabrechnung

Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst (fiktiv) auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten abrechnet, ist an diese Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden, sondern kann nach erfolgter Reparatur grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen.

(BGH, Urteil vom 18. 10. 2011 – VI ZR 17/11)

Anscheinsbeweis auf der Autobahn setzt typischen Geschehensablauf voraus

Bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, kann grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen. Dies setzt allerdings nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass ein typischer Geschehensablauf feststeht.

(BGH, Urteil vom 30.11.2010 − VI ZR 15/10)

Weiternutzung von mindestens 6 Monaten

Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt.

Vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht.

(BGH, Urteil vom 23.11.2010 – VI ZR 35/10)

Ersatzfähige Reparaturkosten bei Eigenreparatur

Der Geschädigte behält auch grundsätzlich seinen Anspruch auf den vollen objektiven Wiederherstellungsaufwand, wenn er die geschädigte Sache in seiner eigenen Werkstatt reparieren lässt.

(AG Marl, Urteil vom 25. März 2010 – 3 C 554/09)

Bruttoreparaturkosten, 130%-Grenze

Kommt es beim Kraftfahrzeughaftpflichtschaden für den Umfang des Schadensersatzes darauf an, ob die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, ist in der Regel auf die Bruttoreparaturkosten abzustellen.

Übersteigt der Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs – im Rahmen der 130%-Grenze -, können Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, und wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt, und dass anderenfalls die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt ist.

(BGH, Urteil vom 03.03.2009 – VI ZR 100/08)

Anspruch auf Unternehmergewinn bei Eigenreparatur

Dem Geschädigten, der sein Fahrzeug in eigener Werkstatt instandsetzt, ist auch der 20-prozentige Unternehmensgewinn zu ersetzen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte infolge der besonderen Beschäftigungslage in der fraglichen Zeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Instandsetzungskapazität seines Betriebes anderweitig und bestimmungsgemäß gewinnbringend einzusetzen. Der Verzicht auf diese Möglichkeit im Interesse des Schädigers ist nicht zumutbar.

(AG Halle, Urteil vom 25. September 2008 – 2 C 1115-07)

Weiternutzung von mindestens 6 Monaten

Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-) reparieren lässt.

(BGH, Urteil vom 29.04.2008 – VI ZR 220/07)

Weiternutzung von mindestens 6 Monaten

Der Geschädigte, der Ersatz des Reparaturaufwands über dem Wiederbeschaffungswert verlangt, bringt sein für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebendes Integritätsinteresse regelmäßig dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt.

Im Regelfall wird hierfür ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen.

(BGH, Urteil vom 13.11.2007 – VI ZR 89/07)

Keine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung

Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist nicht zulässig.

(BGH, Urteil vom 24.01.2007 – VI ZR 146/16)

Realisierter Restwert ist in Abzug zu bringen

Lässt der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Fahrzeug nicht reparieren, sondern realisiert er durch dessen Veräußerung den Restwert, ist sein Schaden in entsprechender Höhe ausgeglichen. Deshalb wird auch bei Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten in solchen Fällen der Schadensersatzanspruch durch den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt.

(BGH, Urteil vom 07.06.2005 – VI ZR 192/04)

Ersatz von Reparaturkosten über Wiederbeschaffungswert

Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.

(BGH, Urteil vom 15.02.2005 – VI ZR 70/04)

Geschädigter muss keinen Sondermarkt für Restwertaufkäufer in Anspruch nehmen

Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen; er muss er sich jedoch einen höheren Erlös anrechnen lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes ohne besondere Anstrengungen erzielt.

(BGH, Urteil vom 07.12.2004 – VI ZR 119/04)

Grundsatz der Wahlfreiheit zwischen Reparatur und Wiederbeschaffung

Grundsätzlich kann der Geschädigte wählen, ob er sein beschädigtes Fahrzeug reparieren oder sich ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug beschaffen möchte. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Der zu gewährende Schadensausgleich wird begrenzt durch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das besagt, dass der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht verdienen soll.

(BGH, Urteil vom 29.04.2003 – VI ZR 393/02)

Keine Vermengung von fiktiver und konkreter Abrechnung

Die Abrechnung auf fiktiver Basis kann mit der Abrechnung auf der Grundlage einer tatsächlich durchgeführten Reparatur nicht beliebig verquickt werden. Dies würde nämlich im Ergebnis dazu führen, dass der Geschädigte nicht nur den gem. § 249 S. 2 BGB geschuldeten Ersatzbetrag verlangen kann, sondern an dem Unfall noch tatsächlich verdienen könnte.

(OLG Köln, Urteil vom 01.03.2001 – 1 U 112/00)

Wirtschaftlicher Totalschaden, 130%-Grenze

Auch bei sog wirtschaftlichem Totalschaden eines Kraftfahrzeugs verbleibt dem Geschädigten der Herstellungsanspruch aus BGB § 249, wenn es ihm möglich ist, sich mit wirtschaftlich vernünftigem Aufwand ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen.

Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur eines Kraftfahrzeugs mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. Läßt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130% des Wiederbeschaffungswertes) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden. In solchem Falle kann der Geschädigte vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen.

(BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 67/91)

Zahlung an Dritte hat keine Auswirkung auf Gegenstandswert

Eine Zahlung an Dritte aufgrund von Abtretungserklärungen hat keine Auswirkung auf den unfallbedingten Schaden und damit auch keine Auswirkungen auf den Erledigungswert, aus welchem der Schädiger die Kosten einer anwaltlichen Vertretung zu erstatten hat.

(AG Tettnang, Urteil vom 21. Juni 1985 – 3 C 297/85).

Ersatzfähigkeit fiktiver Mehrwertsteuer bei Eigenreparatur

Hat der Schädiger dem Eigentümer, der seinen Kraftwagen selbst wieder instandgesetzt hat, die gedachten Kosten einer Reparatur in einer gewerblichen Werkstätte zu ersetzen, dann umfaßt der Anspruch auch die Mehrwertsteuer, die in diesen Kosten enthalten wäre.

(BGH, Urteil vom 19. Juni 1973 – VI ZR 46/72 –, BGHZ 61, 56-59)

Schadenbehebung in eigener Reparaturwerkstatt

Unterhält ein Verkehrsbetrieb eine Werkstätte, die nur zur Instandsetzung der eigenen Fahrzeuge bestimmt ist, dann kann er vom Beschädiger eines Fahrzeugs nicht ohne weiteres Ersatz der höheren Kosten einer nicht vorgenommenen Fremdreparatur fordern.

(BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 – VI ZR 168/68 –, BGHZ 54, 82-89)

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