In diesem Beitrag finden Sie eine Sammlung interessanter Urteile zum Thema Lebensversicherung.
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Kündigung einer Lebensversicherung führt nicht automatisch zum Widerruf des Bezugsrechts für den Todesfall
Die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer bedeutet nicht automatisch, dass damit auch die Bezugsberechtigung für den Todesfall widerrufen wird.
Die Kündigungserklärung eines Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung enthält – jedenfalls bei einem Bezugsrecht auf den Todesfall – ohne weitere Anhaltspunkte nicht automatisch den Widerruf dieses Bezugsrechts. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer stets zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall enthält. Vielmehr ist auch in einem solchen Fall die Frage, ob die Kündigung konkludent nach dem Willen des Versicherungsnehmers ebenfalls einen Widerruf der Bezugsberechtigung enthalten soll, durch Auslegung seiner Erklärung zu beantworten.
(BGH, Urteil vom 22.03.2023 – IV ZR 95/22)
Geringfügiger Belehrungsfehler in der Widerspruchsbelehrung
Die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. (hier: Fassung vom 13. Juli 2001) verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (hier: Schriftform statt Textform).
(BGH, Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21)
Wohnort in Gerichtsstandsklausel
Stellen Versicherungsbedingungen einer ausländischen Lebensversicherung in einer Gerichtsstandsklausel auf den Wohnort des Versicherungsnehmers ab, kommt es auf den Wohnort bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss an.
(OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 8.2.2023, Az. 7 U 66/21)
Keine Verletzung der Anzeigeobliegenheit bei Verschweigen eines nicht erfragten Alkoholmissbrauchs
Der Versicherer darf auch zeitlich unbegrenzte Gesundheitsfragen stellen.
Je länger eine verschwiegene Erkrankung zurückliegt, desto belangvoller muss sie sein, um die Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit auszulösen.
Fragt ein Versicherer nicht ausdrücklich nach Alkoholmissbrauch, so muss der Versicherungsnehmer ihn nicht ohne Weiteres als „Krankheit, Beschwerde oder Störung“ angeben.
(OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.06.2006 – 5 U 697/05-103)
Beweislastverteilung bei behaupteter mündlicher Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen
Anders als für den Rücktritt nach §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 2 VVG ist für die Anfechtung nach § 123 BGB vom Versicherer der positive Nachweis nicht nur des objektiven Pflichtverstoßes, sondern auch der den Arglistvorwurf begründenden Umstände zu verlangen, insbesondere der Nachweis eines das Wissen von der Offenbarungspflicht und der Erheblichkeit für die Willensentschließung der Gegenseite, den Täuschungswillen und die unredliche Übervorteilungsabsicht umfassenden subjektiv unredlichen Verhaltens.
(OLG Koblenz, Urteil vom 11. November 1994 – 10 U 586/94)
Anzeigepflicht ernsthafter Erkrankungen in der Lebensversicherung
Bei der Prüfung, ob einem Versicherungsnehmer bei der Antragstellung für den Abschluss einer Lebensversicherung eine arglistige Täuschung durch Verschweigen von Vorerkrankungen zur Last fällt, kann der Umfang der verschwiegenen Umstände ein Indiz für die Täuschungsabsicht sein. Deshalb ist für die subjektiven Voraussetzungen der Arglist eine Gesamtschau vorzunehmen.
Ein Versicherungsnehmer hat ihm bekannte Störungen der Gesundheit, nach denen gefragt wird, anzugeben. Es steht bei einer Verletzung dieser Pflicht in seiner Beweislast, ob die Anzeige ohne Verschulden unterblieb.
Liegt die Gefahrerheblichkeit eines verschwiegenen Umstandes auf der Hand, kommt es auf eine Offenlegung der Risikoprüfungsgrundsätze des Versicherers nicht an.
(BGH, Urteil vom 26. Oktober 1994, IV ZR 151/93)
Bloße Befürchtung einer Krankheit (z.B. Depression) ist nicht anzeigepflichtig
Wenn und solange ein Versicherungsnehmer nicht weiß, dass er erkrankt ist und woran er leidet, kann er hierüber auch keine Angaben machen. Damit kommt eine Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen auch dann nicht in Betracht, wenn darin auch nach einer depressiven Verstimmung mit Krankheitswert gefragt wird. Dem Umstand allein, dass ein Versicherungsnehmer seinen Arzt aufsucht, kommt noch keine aussagekräftige Bedeutung für seinen Wissensstand bezüglich seiner Gesundheitsverhältnisse zu. Selbst wenn ein Versicherungsnehmer einen Arzt in der Befürchtung aufsucht, er könnte krank sein, hat er dadurch noch keine Kenntnis im Sinne der §§ 16, 17 VVG, solange der Arzt seine Befürchtung nicht bestätigt.
(BGH, Urteil vom 17.02.1993 – IV ZR 278/91)
Technischer und materieller Versicherungsbeginn bei Lebensversicherung
Vereinbaren die Parteien eines Lebensversicherungsvertrages, daß der materielle Versicherungsschutz schon vor der Zahlung der ersten Prämie beginnen soll, so ist ALB § 8 nicht dahin auszulegen, daß die Wartefrist seit dem vorverlegten Versicherungsbeginn zu berechnen ist.
(BGH, Urteil vom 13. März 1991 – IV ZR 37/90)
Leistungsausschluss bei Selbstmord
Die unselbständige wie auch die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Lebensversicherung zuzurechnen.
Bei einer Lebensversicherung auf den Todesfall wird der Versicherer nach § 169 VVG von der Leistungspflicht frei, wenn sich der Versicherungsnehmer selbst getötet hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer befand sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit. Zur Befreiung von der Leistung genügt es nicht, dass der Versicherungsnehmer fahrlässig handelte.
(BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – IV ZR 13/90)
Rückwärtsversicherung in der Lebensversicherung
In der Lebensversicherung kommt eine Rückwärtsversicherung nur insoweit begrifflich nicht in Betracht, als der Versicherungsnehmer eine Versicherung auf den eigenen Todesfall abschließt und dabei ein vor der Antragstellung liegender Zeitpunkt als Versicherungsbeginn genannt wird.
Wenn VVG § 2 Abs 2 S 2 auf die „Schließung des Vertrages“ abstellt, so ist damit nicht der Zeitpunkt gemeint, in dem der Versicherungsnehmer die von seiner Seite erforderliche Willenserklärung abgibt, sondern der, in dem der Vertrag durch Annahme des Vertragsantrags zustande kommt.
Bei einer Rückwärtsversicherung ist VVG § 2 Abs 2 S 2 für alle nach der Abgabe des Versicherungsantrags eintretenden Versicherungsfälle regelmäßig stillschweigend abbedungen.
(BGH, Urteil vom 21. März 1990 – IV ZR 39/89)
Alkoholbedingte Leberschädigung ist anzeigepflichtig
Stirbt der Versicherungsnehmer an Lungenkrebs und bleibt ungeklärt, ob ein Leberleiden infolge mehrjährigen stationär und ambulant behandelten Alkoholmissbrauchs, den der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss verschwiegen hatte, für den Tod mitursächlich war, so ist der Versicherer wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheit leistungsfrei.
Eine alkoholabhängige Leberschädigung zählt in der Lebensversicherung zu den typischen Gefahrumständen i.S.d. § 16 VVG, sodass der Versicherer die Gefahrerheblichkeit nicht mehr durch Angabe seiner Risikoprüfungsgrundsätze darlegen muss.
(BGH, Urteil vom 25. 10. 1989 – IVa ZR 141/88)