Trotz allen technischen Fortschritts ist ein Verkehrsunfall schnell passiert. Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, hat das Recht, sich sofort einen Rechtsanwalt zu nehmen und mit der Schadensregulierung zu beauftragen. Die hierfür anfallenden Gebühren muss die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernehmen.
Ich unterstütze Sie umfassend bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers und/oder die eigene Kaskoversicherung.
Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie rechtliche Beratung zu dieser Thematik benötigen.
Inhaltsverzeichnis
- Keine Unfallregulierung ohne Anwalt!
- Kostenübernahme durch die gegnerische Haftpflichtversicherung
- Mögliche Schadenspositionen nach einem Verkehrsunfall
- Konkrete Schadensabrechnung vs. fiktive Schadensabrechnung („4-Stufen-Modell“)
- Stufe 1: Reparaturaufwand ist geringer als der Wiederbeschaffungsaufwand
- Stufe 2: Reparaturaufwand liegt zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert
- Stufe 3: Reparaturaufwand liegt über Wiederbeschaffungswert (bis zu 130%)
- Stufe 4: Reparaturaufwand entspricht mehr als 130% des Wiederbeschaffungswerts
- Besonderheit „Werkstattrisiko“
- „Abzug neu für alt“
- Beweislast bei Auffahrunfällen
- Schadensersatz nach Unfallflucht?
- Einkaufswagen rollt gegen Fahrzeug – welche Versicherung ist zuständig?
- Höhe der Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung?
Keine Unfallregulierung ohne Anwalt!
Falls Sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden, sollten Sie Folgendes beherzigen:
Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist nicht Ihr Freund, sondern steht auf der Gegenseite und hat ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, Ihnen so wenig wie möglich zu bezahlen. Um die nötige rechtliche „Waffengleichheit“ herzustellen, sollten Sie sich daher von Beginn an einen Anwalt nehmen, und zwar direkt nach dem Unfall. Sie müssen auch nicht erst abwarten, bis sich die Versicherung bei Ihnen meldet!
„Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.“
(OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.12.2014 – 22 U 171/13)
Kostenübernahme durch die gegnerische Haftpflichtversicherung
Die Kosten für die Rechtsberatung und -vertretung durch einen Anwalt sind grundsätzlich vom Schädiger bzw. seiner Haftpflichtversicherung zu tragen.
Voraussetzungen für die Kostenübernahme sind:
- Der Unfall muss durch den anderen Verkehrsteilnehmer verursacht worden sein.
- Sie dürfen keine Schuld am Unfall tragen.
Mögliche Schadenspositionen nach einem Verkehrsunfall
Mögliche Schadenspositionen nach einem Verkehrsunfall sind zum Beispiel (alphabetisch sortiert):
- Anmeldekosten / Abmeldekosten
- Abschleppkosten
- beschädigte Gegenstände
- Besuchskosten
- Fahrtkosten
- Haushaltsführungsschaden
- Höherstufungsschaden
- Mietwagenkosten
- Neuwagenersatz
- Nutzungsausfall
- Reparaturkosten
- Reisekosten (z.B. vom Unfallort nach Hause)
- Sachverständigenkosten
- Schmerzensgeld
- Standgebühren / Abstellkosten
- Unkostenpauschale
- Wertminderung
Konkrete Schadensabrechnung vs. fiktive Schadensabrechnung („4-Stufen-Modell“)
Bei der Regulierung von Sachschäden nach einem Verkehrsunfall muss immer hinterfragt werden, ob eine Reparatur noch wirtschaftlich ist oder nicht. Davon hängt wiederum ab, was der Geschädigte konkret verlangen kann. Der Geschädigte darf sich durch den Schaden nämlich nicht bereichern.
Ermittelt wird dies nach dem so genannten „4-Stufen-Modell“, welches durch den Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Entscheidungen entwickelt wurde.
Für die Anwendung des 4-Stufen-Modells benötigt man folgende Kennzahlen:
- Reparaturkosten (Kosten, welche eine vollständige Reparatur des beschädigten Fahrzeugs kostet)
- Wertminderung (Betrag, den das Fahrzeug weniger wert ist, da es nicht mehr unfallfrei ist)
- Reparaturaufwand (Reparaturkosten plus Wertminderung, ggf. minus Vorteilsausgleich „neu für alt“)
- Wiederbeschaffungswert (Preis, zu dem ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug am Markt beschafft werden kann)
- Restwert (Preis, zu dem das beschädigte Fahrzeug – oder was davon übrig ist – ohne vorherige Instandsetzung verkauft werden kann, siehe auch BGH, Urteil vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/91)
- Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert minus Restwert)
Diese Kennzahlen werden regelmäßig durch den Sachverständigen in seinem Schadensgutachten ausgewiesen.
Bei einem Vergleich der Kennzahlen ist in der Regel auf die Bruttowerte abzustellen. Ist der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt, sind die Nettowerte heranzuziehen (BGH, Urteil vom 03.03.2009 – VI ZR 100/08).
Unter Umständen sind bei der Gegenüberstellung der Kennzahlen auch unterschiedlich hohe Nutzungsausfallzeiten bzw. Mietwagenkosten zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 314/90; OLG Celle, Urteil vom 07.11.2017 – 14 U 24/17).
Stufe 1: Reparaturaufwand ist geringer als der Wiederbeschaffungsaufwand
Der Geschädigte kann in diesem Fall seinen Schaden entweder fiktiv abrechnen (gegen Vorlage des Gutachtens) oder konkret abrechnen (gegen Vorlage der Reparaturrechnung). Umsatzsteuer kann der Geschädigte nur dann ersetzt verlangen, soweit sie bei Reparatur oder Wiederbeschaffung tatsächlich anfällt.
Der Geschädigte kann allerdings nicht zuerst fiktiv abrechnen und anschließend nach Reparatur in einer günstigeren Werkstatt die angefallene Umsatzsteuer ersetzt verlangen (keine „Rosinenpickerei“).
Entscheidet sich der Geschädigte für eine Ersatzbeschaffung und fällt dabei keine Umsatzsteuer an, erfolgt keine Abrechnung auf Brutto-Reparaturkostenbasis. Fällt bei einer Ersatzbeschaffung nachweislich Umsatzsteuer an, ist diese bis zur Höhe der im Gutachten für die Reparatur ausgewiesene Umsatzsteuer zu ersetzen.
Stufe 2: Reparaturaufwand liegt zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert
Hier hat der Geschädigte folgende Möglichkeiten:
Der Geschädigte kann fiktiv abrechnen (gegen Vorlage des Gutachtens), wenn das Fahrzeug zumindest noch fahrbereit und verkehrssicher ist (oder wieder fahrbereit und verkehrssicher gemacht wird) und der Geschädigte das Fahrzeug sechs Monate weiter nutzt, siehe BGH, Urteil vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07:
„Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-) reparieren lässt (…)“
Der Geschädigte kann dann die Netto-Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung verlangen. Siehe auch BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02:
„Der Geschädigte kann zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts verlangen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren läßt und weiter nutzt. Die Qualität der Reparatur spielt jedenfalls so lange keine Rolle, als die geschätzten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.“
Der Geschädigte kann das Fahrzeug natürlich auch schon vor Ablauf von sechs Monaten veräußern. Allerdings kann der Geschädigte in diesem Fall fiktiv nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands abrechnen, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07:
„Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Geschädigte die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel jedoch nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-) reparieren lässt (…)
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Geschädigte im Streitfall das Fahrzeug spätestens 22 Tage nach dem Unfall weiterveräußert mit der Folge, dass er nicht (fiktiv) die geschätzten Reparaturkosten, sondern nur den Wiederbeschaffungsaufwand verlangen kann. Da er infolge der Weiterveräußerung den Restwert realisiert hat, muss er sich diesen bei der Schadensberechnung mindernd anrechnen lassen.“
Lässt der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich reparieren, kann er den Ersatz der Brutto-Reparaturkosten verlangen, sofern diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen. Einer sechsmonatigen Weiterbenutzung bedarf es in diesem Fall nicht, vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07:
„Der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, kann grundsätzlich Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.“
Stufe 3: Reparaturaufwand liegt über Wiederbeschaffungswert (bis zu 130%)
Auch wenn der Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert übersteigt, wird dem Geschädigten ein Interesse zugestanden, „sein“ Fahrzeug weiterfahren zu wollen und dieses daher reparieren zu lassen, auch wenn dies teurer ist als die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Der BGH billigt insoweit einen „Integritätszuschlag“ von 30% zu, siehe BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90:
„Der Geschädigte muß bei der Frage, ob er sein beschädigtes Kraftfahrzeug reparieren lassen oder sich ein Ersatzfahrzeug anschaffen soll, einen Vergleich der Reparaturkosten (einschließlich eines etwaigen Minderwerts) mit den Wiederbeschaffungskosten anstellen. Dabei erscheint es aus Gründen der einfachen und praktikablen Handhabung vertretbar, auf der Seite der Ersatzbeschaffung den Restwert des Fahrzeugs außer Betracht zu lassen und allein auf den Wiederbeschaffungswert abzustellen.
Der hohe Stellenwert des Integritätsinteresses rechtfertigt es, daß der Geschädigte für die Reparatur des ihm vertrauten Fahrzeugs Kosten aufwendet, die einschließlich des etwaigen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert bis zu einer regelmäßig auf 130% zu bemessenden „Opfergrenze“ übersteigen.“
Der „Integritätszuschlag“ von 30% gilt grundsätzlich auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge
(BGH, Urteil vom 8. Dezember 1998 – VI ZR 66/98)
Ein Anspruch auf Erstattung der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten besteht in solchen Fällen aber nur dann, wenn die Reparatur fachgerecht und vollständig erfolgt, d.h. in dem laut Gutachten kalkulierten Umfang (oder zumindest wertmäßig wie im Gutachten durchgeführt). Außerdem muss der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall 6 Monate weiter nutzen (das bedeutet aber nicht, dass der Ersatzanspruch erst sechs Monate nach dem Unfall fällig ist, vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – VI ZB 22/08).
Ansonsten erfolgt eine Abrechnung nur auf Basis des Wiederbeschaffungsaufwands.
Der Geschädigte darf allerdings auf Reparaturkostenbasis abrechnen, wenn die Reparatur unerwartet teurer geworden ist als im Gutachten angenommen (und dadurch die 130 %-Grenze überschreitet). Das sog. Prognoserisiko / Werkstattrisiko trägt der Schädiger (BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 314/90).
Stufe 4: Reparaturaufwand entspricht mehr als 130% des Wiederbeschaffungswerts
Übersteigen die voraussichtlichen Reparaturkosten laut Gutachten 130% des Wiederbeschaffungswerts, ist eine Reparatur unwirtschaftlich („Totalschaden“). Siehe BGH, Urteil vom 10. Juli 2007 – VI ZR 258/06:
„Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur eines Kraftfahrzeugs mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig und der Geschädigte kann vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen“
Der Geschädigte kann dann vom Schädiger grundsätzlich nur den Wiederbeschaffungsaufwand verlangen. Umsatzsteuer kann der Geschädigte nur dann ersetzt verlangen, soweit sie bei Wiederbeschaffung tatsächlich anfällt.
Besonderheit „Werkstattrisiko“
Was ist das Werkstattrisiko?
Das Werkstattrisiko lässt sich vereinfacht gesagt wie folgt beschreiben:
Wenn ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt wird, für den ein anderer allein verantwortlich ist, haben der Geschädigte Anspruch auf Schadensersatz. Er darf daher das Fahrzeug durch einen Fachbetrieb reparieren lassen und die für eine Reparatur erforderlichen Kosten ersetzt verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Das führt häufig zu einem Problem. Denn Reparaturwerkstätten neigen nicht gerade zur Sparsamkeit, wenn der Schaden „sowieso von der Versicherung bezahlt wird“.
Deshalb wird häufig von Seiten der ersatzpflichtigen KFZ-Haftpflichtversicherung entgegnet, die Reparaturkosten seien überhöht und enthielten unnötige Positionen.
Das Problem für den Unfallgeschädigten ist dagegen, dass er regelmäßig nicht beurteilen kann, welche Arbeitsschritte und Materialien für die fachgerechte Reparatur im Einzelnen notwendig sind.
Das Risiko, dass die Werkstatt bei Durchführung der Reparatur auch unnötige, kostentreibende Arbeiten verrichtet, auf die der Geschädigte keinen Einfluss hat, nennt man auch „Werkstattrisiko“.
Der BGH geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass dieses Werkstattrisiko grundsätzlich zu Lasten des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung geht (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73). Der Gedanke dahinter ist nachvollziehbar: Der Unfallgeschädigter kann ja letztlich überhaupt nichts dafür, dass er nun gezwungen wird, sein Fahrzeug in eine Werkstatt zu geben. Außerdem sind die einzelnen Arbeitsschritte der Werkstatt regelmäßig der Einflusssphäre des Geschädigten entzogen. Er kann letztlich nur darauf vertrauen, dass die Werkstatt wirtschaftlich vorgeht.
Der BGH hat dies in der Entscheidung vom 16.1.2024 (Az. VI ZR 51/23) noch einmal wie folgt bekräftigt:
„Der aufgrund eines Verkehrsunfalls Geschädigte darf bei der Beauftragung einer Fachwerkstatt mit der Reparatur des Unfallfahrzeugs grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt und nur die objektiv erforderlichen Reparaturmaßnahmen durchführt.“
Werkstattrisiko bei unbezahlter Rechnung
Selbst vermeintlich kleine Blechschäden kosten bei fachgerechter Instandsetzung regelmäßig vierstellige Beträge. Die hat aber nicht jeder Geschädigte auf der „hohen Kante“ liegen, um die Werkstatt im Voraus selbst zu bezahlen.
Daher gingen Werkstattbetriebe in der Vergangenheit regelmäßig so vor, dass sie dem Geschädigten mit der Bezahlung der Reparatur so lange Zeit ließen, bis die gegnerische Versicherung die Kosten erstattet (und sich zur eigenen Absicherung den Erstattungsanspruch des Geschädigten abtreten ließen).
Der BGH stellt nun klar, dass die Grundsätze des Werkstattrisikos auch dann gelten, wenn die Werkstattrechnung noch nicht bezahlt wurde (BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 253/22). Der Leitsatz der Entscheidung lautet:
Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt.
Der BGH stellt in diesem Zusammenhang auch klar, dass der Geschädigte, sofern er sich weiter auf die Grundsätze des Werkstattrisikos berufen möchte, nur Zahlung an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen kann.
„Aus diesem Grund kann der Geschädigte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft, aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht (vollständig) bezahlt hat, von dem Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest-) Honorars nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1993 – V ZR 69/92, NJW 1993, 2232, 2233, juris Rn. 19). Nur so stellt er sicher, dass (in den oben unter d) angeführten Grenzen) das Werkstattrisiko beim Schädiger bleibt und sich dieser mit der Werkstatt über unangemessene bzw. unberechtigte Rechnungsposten auseinanderzusetzen hat.“
Mehr noch, der BGH gibt Geschädigten auch einen Hinweis, was sie besser nicht tun sollten (nämlich Zahlung an sich selbst zu verlangen):
„Wählt der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung hingegen – auch nach gerichtlichem Hinweis – Zahlung an sich selbst, so trägt er und nicht der Schädiger das Werkstattrisiko. Er hat dann im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind.“
Verlangt der Geschädigte dagegen Zahlung direkt an die Werkstatt, bringt ihm dies erhebliche Vorteile im Hinblick auf die Beweislast:
„Soweit der Schädiger das Werkstattrisiko trägt, verbietet sich im Schadensersatzprozess zwischen Geschädigtem und Schädiger mangels Entscheidungserheblichkeit eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten.
Werkstattrisiko bei Abtretung
Wie bereits dargestellt, haben sich viele Reparaturwerkstätten in der Vergangenheit den Schadensersatzanspruch des Geschädigten abtreten lassen. Wenn der Schädiger (bzw. seine Haftpflichtversicherung) dann nicht vollständig zahlte, gingen manche Werkstätten selbst aus abgetretenem Recht gegen die Versicherung vor und machten den Ersatz der restlichen Reparaturkosten geltend.
Dieser Praxis hat der BGH nun einen heftigen Dämpfer verpasst. Denn in seiner Entscheidung VI ZR 239/22 stellt der BGH klar, dass sich eine Werkstatt, die aus abgetretenem Recht gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung vorgeht und Zahlung des (restlichen) Reparaturbetrages verlangt, nicht auf die Grundsätze des Werkstattrisikos berufen kann. Die Werkstatt muss dann ggf. beweisen, dass die streitigen Rechnungspositionen angefallen sind und auch erforderlich waren.
„Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin als Zessionarin nicht auf das Werkstattrisiko berufen.
Nach § 399 Alt. 1 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden,
wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Eine solche Inhaltsänderung wird auch dann angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerposition aber besonders schutzwürdig ist.(…)
Bei einer – wie hier – erfolgten Abtretung an die Werkstatt ist bei wertender Betrachtung zudem in den Blick zu nehmen, dass die Grundsätze zum Werkstattrisiko nach ihrer dogmatischen Herleitung nur dem Geschädigten, nicht aber der Werkstatt selbst zugutekommen sollen.
Nach all dem lässt sich die Option des Geschädigten, sich auch bei
unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko. Im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer hat folglich der Zessionar – hier die klagende Werkstatt – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die geltend gemachten Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt zur Herstellung nicht erforderlich waren.“
Sachverständigengutachten nicht zwingend erforderlich
In der Entscheidung VI ZR 51/23 stellt der BGH zudem fest, dass der Geschädigte nicht gezwungen ist, vor Beginn der Reparatur ein Schadensgutachten einzuholen:
„Der aufgrund eines Verkehrsunfalls Geschädigte darf bei der Beauftragung einer Fachwerkstatt mit der Reparatur des Unfallfahrzeugs grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt und nur die objektiv erforderlichen Reparaturmaßnahmen durchführt. Er ist daher aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht gehalten, vor der Beauftragung der Fachwerkstatt zunächst ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Reparaturauftrag auf dessen Grundlage zu erteilen.“
Diese Entscheidung dürfte in der Sachverständigenbranche sicher nicht zu frenetischem Jubel geführt haben. Allerdings wird damit die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten auch nicht in Frage gestellt.
Grundsätze des Werkstattrisikos gelten auch für Sachverständigen
In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die o.g. Grundsätze zum Werkstattrisiko auf überhöhte Kostenansätze eines KFZ-Sachverständigen übertragen (BGH, Urteil vom 12.3.2024 – VI ZR 280/22). Es gibt somit nicht nur ein „Werkstattrisiko, sondern auch ein „Sachverständigenrisiko“.
Dementsprechend kann sich ein Sachverständiger, der aus abgetretenem Recht des Geschädigten vorgeht, nicht auf die Grundsätze des „Sachverständigenrisikos“ berufen.
Im entschiedenen Fall musste daher die klagende Sachverständige darlegen und beweisen, dass die mit einer Pauschale abgerechneten Corona-Schutzmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden, objektiv erforderlich waren und dass die Pauschale ihrer Höhe nach angemessen war.
„Abzug neu für alt“
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls hat grundsätzlich einen Kostenerstattungsanspruch für die beim Unfall beschädigten Sachen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Grundgedanke des Schadensersatzes ist die sog. „Naturalrestitution“. Damit soll die wirtschaftliche Lage des Geschädig-
ten vor dem Schadensereignis wiederhergestellt werden. Der Geschädigte soll also so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht passiert.
Das bedeutet aber auch, dass der Geschädigte sich nicht am Schaden bereichern darf. Werden gebrauchte Sachen beschädigt, erhält der Geschädigte durch die Anschaffung neuer Ersatzsachen einen wirtschaftlichen Vorteil. Damit der Geschädigte hierdurch nicht bereichert wird, nimmt die Rechtsprechung regelmäßig einen „Abzug neu für alt“ vor.
Abzug neu für alt bei Kindersitzen?
Bei Kindersitzen ist kein Abzug neu für alt vorzunehmen (vgl. LG Amberg, Urteil vom 17. April 2023 – 14 O 491/22; LG Stade, Urteil vom 05. Oktober 2021 – 4 O 161/20; AG Norderstedt, Urteil vom 20. Oktober 2020 – 47 C 28/17; AG Osterholz-Scharmbeck Urteil vom 13. Februar 2020 – 3 C 700/19; LG Stuttgart, Beschluss vom 14. März 2018 – 5 S 6/18; AG Ansbach, Urteil vom 19. Oktober 2016 – 5 C 721/16).
Dabei kommt es nach einer Entscheidung des AG Meppen auch nicht auf den Kaufpreis des beschädigten Kindersitzes an, sondern auf den Kaufpreis des als Ersatz beschafften Kindersitzes. Zwischenzeitliche Preiserhöhungen gehen zu Lasten des Schädigers (vgl. AG Meppen, Urteil vom 17. Juni 2020 – 3 C 372/20).
Beweislast bei Auffahrunfällen
„Wenns hinten kracht, gibt’s vorne Geld“, so lautet eine Volksweisheit beim Auffahrunfall. Doch häufig ist vor Gericht überhaupt nicht klar, ob überhaupt ein Auffahrunfall vorliegt oder nicht. Der Vordermann behauptet, der Hintermann sei ihm „draufgefahren“. Der Hintermann hingegen behauptet, der Vordermann sei rückwärts gefahren bzw. zurückgerollt.
In solchen Fällen kommt die Rechtsprechung häufig zu dem Ergebnis, dass kein Anscheinsbeweis greift, sondern eine Schadensteilung vorzunehmen ist.
Unaufklärbarkeit führt bei Auffahrunfall zu Schadensteilung (so z. B. das OLG Köln und das OLG Hamm)
So führt z.B. das OLG Köln aus:
„Keine Partei hat nachgewiesen, daß der Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis i. S. des § 7 II StVG gewesen ist. Der Senat teilt die Beweiswürdigung des LG, wonach nicht sicher festgestellt werden kann, ob die Bekl. zu 1 zurückgesetzt hat oder ob der Kl. aufgefahren ist. Eine dahingehende Feststellung ist auch nicht mit Hilfe des Beweises vom ersten Anschein möglich. Denn Voraussetzung für einen Auffahr- Anscheinsbeweis ist, daß das “Auffahren” als solches bewiesen ist. Gerade diese Feststellung kann aber nicht getroffen werden.
Bei dieser Beweislage ist jedoch nicht, wie das LG gemeint hat, die Klage mangels Beweisfälligkeit abzuweisen, sondern der Schaden nach § 17 I 1 StVG zu teilen. Auszugehen ist dabei von der für beide Fahrzeuge feststehenden Betriebsgefahr. Weitere Umstände können weder zu Lasten noch zu Gunsten einer Partei berücksichtigt werden. Denn es ist streitig, ob die Bekl. zu 1 durch Zurücksetzen oder der Kl. durch Abrutschen vom Bremspedal die ausschlaggebende Ursache für den Zusammenstoß gesetzt hat. Die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge ist gleich hoch zu bewerten. Daraus, daß der Kl. hinter dem Wagen der Bekl. zu 1 stand und vielleicht eine größere Wahrscheinlichkeit für das Auffahren besteht, darf keine zusätzliche Belastung des Kl. hergeleitet werden. Denn die bloße Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Unfallherganges muß bei der Abwägung nach § 17 StVG unberücksichtigt bleiben, solange keine i. S. des § 286 I ZPO sicheren Feststellungen dazu getroffen werden können.“
(OLG Köln, Urteil vom 19.03.1986 – 2 U 167/85)
Ähnlich entschied auch das OLG Hamm:
„Der Umfang der Haftung bestimmt sich nach § 17 Abs. 1 StVG danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. insoweit konnte die Klägerin einen höheren Verursachungsanteil des Beklagten aufgrund pflichtwidrigen Zurücksetzens (Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO) nicht beweisen; auch umgekehrt ist dem Beklagten ein Nachweis eines höheren Verursachungsanteils durch die Klägerin (z. B.: Verstoß gegen § 4 StVO) nicht gelungen. Die Haftungsquote bei ungeklärter Unfallursache beträgt dann 50 : 50.“
(OLG Hamm Urt. v. 15.4.2010 – 6 U 205/09)
Sachverständigenbeweis bei Auffahrunfall ungeeignet?
Auch das Berliner Kammergericht kommt in der Konstellation, wenn nicht aufklärbar ist, ob der Vordermann zurückgerollt ist oder nicht, zu einer Schadensteilung. In diesem Zusammenhang merkt das KG auch an, dass ein Sachverständigengutachten grundsätzlich nicht geeignet ist, ein Rückwärtsfahren des Vordermanns zu beweisen:
„Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei deshalb zum Unfall gekommen, weil das Gespann des Beklagten zu 1 in dem Zeitpunkt, als er, der Kläger, mit seinem Fahrzeug am Ende des Gespanns vorbeigefahren sei, zurückgerollt sei. Allerdings kann dem Landgericht nicht darin gefolgt werden, wenn es meint, der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei nicht schlüssig, weil der Kläger nicht vorgetragen habe, warum das Gespann des Beklagten zu 1 zurückgerollt sei und wie der Kläger dies habe wahrnehmen können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BGH NJW 1991, 2707, 2709; NJW-RR 1996, 1402; NJW RR 1998, 1409; NJW RR 1999, 361, ständige Rechtsprechung). Würde der Vortrag des Klägers zutreffen, wonach das Gespann des Beklagten zu 1 zum Unfallzeitpunkt zurückgerollt ist, so würde der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Beklagte zu 2 die nach § 9 Abs. 5 StVO beim Rückwärtsfahren erforderliche besondere Sorgfalt nicht beachtet hat. Dies könnte – mangels eines festgestellten Mitverschuldens des Klägers – die volle Haftung des Beklagten zu 1 für die bei dem Unfall entstandenen Schäden am Fahrzeug des Klägers führen. Die Fragen, warum das Gespann des Beklagten zu 1 – nach der Darstellung des Klägers – zurückgerollt sein soll und wie der Kläger dazu in der Lage gewesen sein soll, dies festzustellen, ist für die in Anspruch genommene Rechtsfolge ohne Bedeutung und gehört daher nicht zu einem schlüssigen Vortrag. Der Kläger hat seine Sachverhaltsdarstellung jedoch nicht in ausreichender Weise und Beweis gestellt. Er hat sich insoweit lediglich auf das Gutachten eines Sachverständigen für Unfallrekonstruktion berufen. Dem Gericht, das geschäftsplanmäßig mit der Bearbeitung von Verkehrsunfallsachen betraut ist, ist aus einer Vielzahl von Sachverständigengutachten bekannt, dass ein Sachverständiger mangels besonderer Unfallspuren anhand der an den Fahrzeugen entstandenen Schäden grundsätzlich nur den Kollisionswinkel und den relativen Geschwindigkeitsunterschied der beteiligten Fahrzeuge ermitteln kann. Dem gegenüber kann ein Sachverständiger ohne besondere Anhaltspunkte nicht feststellen, ob ein am Unfall beteiligtes Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt rückwärts gegen den Unfallgegner gerollt ist oder ob umgekehrt das andere Fahrzeug vorwärts fahrend gegen den Unfallgegner gestoßen ist. Da der Kläger im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände dargetan hat, aufgrund derer ausnahmsweise weitergehende Feststellungen durch einen Sachverständigen möglich wären, ist der Beweisantritt des Klägers nicht geeignet, die Richtigkeit seiner Sachverhaltsdarstellung zu beweisen. Hierauf hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
(…)
Da ein Verschulden des Klägers oder des Beklagten zu 2 an dem streitgegenständlichen Unfall nicht festgestellt werden kann, führt die nach § 17 Abs. 1 StVG erforderliche Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr zur hälftigen Schadensteilung.“
(KG Berlin, Urteil vom 6. Dezember 2004 – 12 U 28/04)
Gilt der Anscheinsbeweis auch für das Auffahren an sich?
Etwas differenzierter urteilte das LG Berlin mit Urteil vom 6. Januar 2000 (Az. 58 S 176/99). Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
„1. Das Auffahren ist ein tatsächlicher Vorgang, der mittels eines Beweises des ersten Anscheins bewiesen werden kann.
- Kommt es auf ebener Fahrbahn im gleichgerichteten Verkehr in demselben Fahrstreifen zu einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen mit der Folge eines Frontschadens an dem einen und eines Heckschadens an dem anderen Fahrzeug und steht fest, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden entweder vorwärts gefahren ist oder (jedenfalls zunächst) stillgestanden hat, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug mit dem Frontschaden aufgefahren ist.
- Der Anscheinsbeweis eines Auffahrens ist nicht schon dadurch zu entkräften, dass der Auffahrende einen Sachverhalt darlegt, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufes ergibt. Er muss die der Typizität entgegenstehenden Tatsachen, hier ein eigenes Stillstehen oder ein Rückwärtsfahren des anderen Fahrzeugs, beweisen. Ein lediglich denkmöglicher, theoretischer Geschehensablauf, ohne dass sich im konkreten Fall Anhaltspunkte für die ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Verlaufs ergeben würden, reicht nicht aus.
- Die ernsthafte Möglichkeit eines Rückwärtsfahrens besteht nicht bereits deshalb, weil mit einem Kraftfahrzeug konstruktionsbedingt auch rückwärts gefahren werden kann. Die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes besteht auch noch nicht, wenn es theoretisch möglich ist, dass beide Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision in einer gegenläufigen Bewegung gewesen sein können.
- Ist mittels des ersten Anscheinsbeweises die Tatsache des Auffahrens bewiesen, dann folgt aus der Tatsache des Auffahrens im Wege des zweiten Anscheinsbeweises das Verschulden des Auffahrenden.
- Gegen den Auffahrenden spricht der Beweis des ersten Anscheins, dass er entweder zu schnell (vgl StVO § 3 Abs 1), mit nicht ausreichendem Sicherheitsabstand (vgl StVO § 4 Abs 1 S 1) oder generell unaufmerksam (vgl StVO § 1 Abs 2) gefahren ist, dies führt regelmäßig zunächst zu seiner Alleinhaftung.
- Auch der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis eines schuldhaften Auffahrens ist nur dadurch zu entkräften, dass der Auffahrende einen Sachverhalt darlegt und im Sinne des ZPO § 286 Abs 1 beweist, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufes ergibt. Der Auffahrende kann darlegen und beweisen, dass das vor ihm befindliche Fahrzeug zurückgesetzt hat bzw dessen Zurückfahren oder Zurückrollen ernsthaft möglich ist. Auch hier genügt die bloß theoretische Möglichkeit einer rückwärtigen Bewegung selbst dann nicht, wenn diese nicht absolut ausgeschlossen werden kann.“
(LG Berlin, Urteil vom 6. Januar 2000 – 58 S 176/99)
Das AG Hamburg-St. Georg entschied zudem, dass in Konstellationen, in denen die beiden Fahrzeuge, die am Unfall beteiligt waren, gleichgerichtet und achsparallel standen sowie eine Zweidrittelüberdeckung der Fahrzeugfronten bestand, ein Anscheinsbeweis dahingehend anzunehmen ist, dass Auffahrverschulden allein beim Auffahrenden liegt:
„Dem Kläger steht der geltend gemachte Ersatzanspruch nach §§ 7, 17 StVO schon dem Grunde nach nicht zu. Nach der Auffassung des Gerichts konnte der genaue Unfallhergang nicht aufgeklärt werden. Bei der Anhörung des Klägers sowie der Beklagten zu 1) haben beide ihre gegensätzliche Unfallschilderung bestätigt. Die Zeugenvernehmung der Zeugin … war – was den Vortrag des Klägers betraf – unergiebig. Sie konnte sich insbesondere nicht daran erinnern, dass die Beklagte zu 1) das Fahrzeug vor dem Zusammenstoß zurückgesetzt hat. Auch das seitens des Gerichts eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen … konnte keine weitere Aufklärung bringen. Nach den widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen kann anhand der Schadensbilder an beiden Fahrzeugen nicht geklärt werden, ob die Beschädigungen durch eine Rückwärtsfahrt der Beklagten zu 1) oder aber durch ein zu spätes Bremsen des Klägers verursacht worden ist. Auch die seitens der Parteien eingereichten Lichtbilder vermögen keine weitere Aufklärung zu bringen.
Der Entscheidung waren demnach die Beweislastgrundsätze zugrundezulegen. Diese führten im vorliegenden Fall dazu, dass zu Lasten des Klägers von einem von ihm allein verschuldeten Auffahrunfall auszugehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. bspw. OLG Zweibrücken, BeckRS 2009, 18609 unter 2.2) gibt es einen Anscheinsbeweis dahingehend, dass in Konstellationen, in denen die beiden Fahrzeuge, die am Unfall beteiligt waren, gleichgerichtet und achsparallel standen sowie eine Zweidrittelüberdeckung der Fahrzeugfronten bestand, ein Anscheinsbeweis dahingehend anzunehmen ist, dass Auffahrverschulden allein beim Auffahrenden liegt. So ist der Fall hier. Ausweislich der bei Gericht eingereichten Fotos standen die Fahrzeug gleichgerichtet, achsparallel und überdeckten sich die Fahrzeugfronten zu 2/3. Einen anderweitigen Geschehensablauf konnte der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht beweise. Insbesondere das eingeholte Sachverständigengutachten war insofern unergiebig.“
(AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 16. Juli 2015 – 924 C 128/14)
Diese Entscheidungen, die letztlich auf eine Ausweitung des Anscheinsbeweises auf den Auffahrvorgang an sich hinauslaufen, blieben jedoch nicht ohne Kritik und sind daher „mit Vorsicht zu genießen“ (siehe AG Buxtehude, Urteil vom 7. Mai 2021 – 31 C 44/21; Revilla, jurisPR-VerkR 8/2016 Anm. 3). Beispielsweise führt das AG Ludwigslust zu der Entscheidung des LG Berlin vom 06.01.2000 Folgendes aus:
„Soweit dies voraussetzt, dass der typische Geschehensablauf, also bei einem Auffahrunfall eben das Auffahren des hinteren Fahrzeuges auf ein davor befindliches, unstreitig oder bewiesen ist (vgl. Zöller-Greger, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., 2010, vor § 284 Rn. 29 m. w. N.), soll dann nach einer Auffassung auch bereits das Auffahren als solches ein tatsächlicher Vorgang sein, der mittels eines Beweises des ersten Anscheins nachgewiesen werden kann. Dieser erfordere, dass es auf ebener Fahrbahn im gleichgerichteten Verkehr in demselben Fahrstreifen zu einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen mit der Folge eines Frontschadens an dem einen und eines Heckschadens an dem anderen Fahrzeug komme, und fest stehe, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden entweder vorwärts gefahren sei oder (jedenfalls zunächst) stillgestanden habe; aufgrund solcher Umstände spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug mit dem Frontschaden aufgefahren sei (vgl. LG Berlin, Urteil vom 06.01.2000, Az.: 58 S 176/99, – zitiert nach juris –).
(c) Der Anscheinsbeweis ist aber angewandte Lebenserfahrung im Sinne einer besonderen Art des Indizienbeweises; danach gibt es Vorgänge, die so typisch und häufig sind, dass man dem ersten Anschein nach auf eine bestimmte Ursache oder Wirkung schließen darf (vgl. BGHZ 2, 1). Vor diesem Hintergrund greift die zuvor unter lit. (b) dargestellte Ansicht insofern zu weit, als sie doch gerade auch für den Fall, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden „(jedenfalls zunächst)“ gestanden hat, unterstellt, dass sich dasjenige dahinter in Bewegung befunden habe. Denn das Stehen des am Heck beschädigten Wagens lässt für sich genommen keinerlei irgendwie zwingenden Rückschluss darauf zu, dass das dahinter befindliche Auto (noch) gefahren sei, wenn genau dies zwischen den Unfallbeteiligten streitig ist; vielmehr erscheint es ab dem Zeitpunkt, zu dem das vordere Fahrzeug zum Stehen gekommen ist, genauso wahrscheinlich, dass es sich nunmehr selbst nach hinten gegen das rückwärtige (gegebenenfalls stehende) Auto bewegt hat, wie dass dieses (weiter) nach vorne gefahren ist (noch deutlicher wird die Zweifelhaftigkeit der dortigen Grundsätze in der Konstellation zweier an einer roten Ampeln haltenden PKW bei LG Berlin a. a. O.). Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass es des Rückgriffes auf einen Beweis des ersten Anscheins im Übrigen gar nicht bedürfte, wenn feststeht, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden vorwärts gefahren ist; unter solchen Umständen ist es vielmehr schon denklogisch ausgeschlossen, dass es ohne ein Auffahren des dahinter befindlichen Wagens zu dem Unfall gekommen wäre.“
(AG Ludwigslust, Urteil vom 9. Mai 2012 – 5 C 124/10)
Kein Anscheinsbeweis bei ansteigender Fahrbahn
Das AG Wuppertal entschied im Übrigen, dass der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nicht greift, wenn sich der Unfall auf einer Fahrbahn ereignet, die in Fahrtrichtung ansteigt:
„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht die Beklagte aufgefahren, sondern der Zeuge I. ist zurückgerollt. Infolge des an der Unfallstelle vorhandenen Gefälles in Richtung der Tankstelle, sprich einer Steigung in Richtung der Fahrbahn und damit Fahrtrichtung, streitet kein Anscheinsbeweis gegen die Beklagten, da eine entsprechende Typizität eines Geschehens hier fehlt. Ist unstreitig, dass die Fahrbahn ansteigend war, kommt nämlich ein Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes Auffahren des Hintermannes nicht in Betracht bzw. ist zumindest entkräftet (Landgericht Berlin, Entscheidung vom 10.01.2000, Aktenzeichen 58 S 188/99). So liegt der Fall hier.“
(AG Wuppertal, Urteil vom 26. Januar 2015 – 32 C 220/13 –, Rn. 20, juris)
Ebenso entschied das AG Neuss:
„Infolge des an der Unfallstelle vorhandenen Gefälles in Richtung der Ausfahrt und damit Fahrtrichtung, streitet kein Anscheinsbeweis gegen die Beklagten, da eine entsprechende Typizität eines Geschehens hier fehlt. Ist unstreitig, dass die Fahrbahn ansteigend war, kommt nämlich ein Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes Auffahren des Hintermannes nicht in Betracht bzw. ist zumindest entkräftet (vgl. AG Wuppertal, Entscheidung vom 26.01.2015, Aktenzeichen 32 C 220/13; Landgericht Berlin, Entscheidung vom 10.01.2000, Aktenzeichen 58 S 188/99). So liegt der Fall hier.“
(AG Neuss, Urteil vom 19. Oktober 2015 – 84 C 274/15)
Schadensersatz nach Unfallflucht?
Wer durch einen fremdverschuldeten Unfall geschädigt wird, hat bereits Ärger genug. Noch ärgerlicher ist es, wenn der Unfallverursacher nicht ermittelt werden kann, weil dieser „Unfallflucht“ begeht, sich also unerlaubt vom Unfallort entfernt (§ 142 StGB).
In solchen Fällen kann der Geschädigte unter Umständen seinen Schaden beim Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ regulieren. Dieser Verein reguliert entsprechend §§ 12 ff. PflVG Schäden, die z.B. durch den Gebrauch eines nicht zu ermittelnden Kraftfahrzeuges entstanden sind oder die mit einem Kraftfahrzeug vorsätzlich und rechtwidrig herbeigeführt werden.
Voraussetzungen hierfür sind unter anderem:
- Schädigung durch Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers
- Personen- oder Sachschaden
- das Fahrzeug, durch dessen Gebrauch der Schaden verursacht worden ist, kann nicht ermittelt werden
- der Ersatzberechtigte macht glaubhaft, dass er keinen Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag
- es besteht wegen des Unfalls keine anderweitige Amtshaftung
- der Schaden wird nicht durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, durch Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen, Vergütung oder Lohn oder durch Gewährung von Versorgungsbezügen ausgeglichen
Bei „Unfallfluchtfällen“ ist außerdem § 12 Abs. 2 PflVG zu beachten:
„In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 können gegen den Entschädigungsfonds Ansprüche nach § 253 Abs. 2 BGB nur geltend gemacht werden, wenn und soweit die Leistung einer Entschädigung wegen der besonderen Schwere der Verletzung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist. Für Sachschäden beschränkt sich in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds auf den Betrag, der 500 Euro übersteigt. Ansprüche auf Ersatz von Sachschäden am Fahrzeug des Ersatzberechtigten können darüber hinaus in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 nur geltend gemacht werden, wenn der Entschädigungsfonds auf Grund desselben Ereignisses zur Leistung einer Entschädigung wegen der Tötung einer Person oder der erheblichen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des Ersatzberechtigten oder eines Fahrzeuginsassen des Fahrzeugs verpflichtet ist.„(§ 12 Abs. 2 PflVG)
Das bedeutet: Kommt es allein zu einem Sachschaden, kann dieser in Unfallfluchtfällen nicht über den Entschädigungsfonds des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V. reguliert werden. Eine Entschädigung kommt hierüber nur dann in Betracht, wenn aufgrund des Unfalls zugleich ein erheblicher Personenschaden entstanden ist.
Weitere Informationen findet man auch unter
http://www.verkehrsopferhilfe.de
Einkaufswagen rollt gegen Fahrzeug – welche Versicherung ist zuständig?
Rollt ein Einkaufswagen auf einem Parkplatz gegen ein Fahrzeug und beschädigt dieses, stellt sich für die Beteiligten häufig die Frage, welche Versicherung des „Einkaufswagenführers“ für den Schaden aufkommen muss – die KFZ-Haftpflichtversicherung oder die private Haftpflichtversicherung?
Die Frage stellt sich deshalb, weil in der privaten Haftpflichtversicherung regelmäßig eine sog. „Benzinklausel“ enthalten ist. Die Benzinklausel besagt, dass die private Haftpflichtversicherung – vereinfacht gesagt – nicht für Schäden verantwortlich ist, die mit einem KFZ verursacht wurden. Beispiel:
„Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.“(Beispiel für eine „Benzinklausel“)
Quasi spiegelbildlich hierzu regeln die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2015) Folgendes:
„A.1.1 Was ist versichert?
Sie haben mit Ihrem Fahrzeug einen Anderen geschädigt
A.1.1.1 Wir stellen Sie von Schadenersatzansprüchen frei, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs
a Personen verletzt oder getötet werden,
b Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c Vermögensschäden verursacht werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem
Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (reine Vermögensschäden),
und deswegen gegen Sie oder uns Schadenersatzansprüche aufgrund von
Haftpflichtbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Straßenverkehrsgesetzes
oder aufgrund anderer gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen des Privatrechts geltend
gemacht werden. Zum Gebrauch des Fahrzeugs gehört neben dem Fahren z. B. das Ein und Aussteigen sowie das Be- und Entladen.“(Auszug aus den AKB 2015)
Welche Versicherung greift (Privathaftpflicht oder KFZ-Haftpflichtversicherung), hängt also maßgeblich davon ab, ob der Schaden auf den Gebrauch eines KFZ zurückzuführen ist oder nicht. Die Abgrenzung zwischen den beiden Versicherungen ist nicht immer einfach. Häufiger Streitpunkt ist, was man unter dem „Gebrauch eines Fahrzeugs“ verstehen darf oder nicht (mehr).
„Ereignet sich ein Schaden bei einem Gebrauch des Kraftfahrzeuges hat gemäß § 10 AKB die Kraftfahrthaftpflicht einzustehen, liegt ein solcher Gebrauch nicht, noch nicht oder nicht mehr vor, greift dagegen die Privathaftpflichtversicherung ein.“(Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 05.09.2003, Az.: 301 C 769/03 (70))
Diese Abgrenzung ist natürlich nicht immer einfach vorzunehmen und beschäftigt in der Praxis häufig die Gerichte.
In einem Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main hatte z.B. ein Versicherungsnehmer seine private Haftpflichtversicherung wegen der Schäden an einem Opel Corsa in Anspruch genommen. Zu dem Schaden kam es deshalb, weil der Kläger auf einem Supermarktparkplatz seinen Einkaufswagen kurz losließ, um in die Hosentasche nach seinem Fahrzeugschlüssel mit Fernbedienung zu greifen. Der wegrollende Einkaufswagen beschädigte dann den Opel Corsa. Die Klage hatte keinen Erfolg. Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die beklagte Privathaftpflichtversicherung keinen Anspruch auf .Gewährung von Versicherungsschutz für den Schaden vom 30.09.2002 anlässlich des Geschehens auf dem Parkplatz des Nettomarktes in Hohenkirchen im Wangerland/Nordsee. Der Schaden an dem Fahrzeug des geschädigten Dritten Märke Opel Corsa ist nämlich durch den Gebrauch des |. eigenen Kraftfahrzeuges des Klägers eingetreten. Für einen solchen Schaden besteht im Rahmen des zwischen den Parteien abgeschlossenen privaten Haftpflichtversicherungsvertrages kein Versicherungsschutz. Die Beklagte hat sich wirksam auf die so genannte kleine Benzinklausel gemäß Ziffer 1.3 der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung (BBR) berufen.
[…]
Der Kläger hat im Sinne der vorzunehmenden Abgrenzung zwischen der Haftung der Privathaftpflichtversicherung und der Haftung der Kfz.- Haftpflichtversicherung von seinem eigenen Fahrzeug Gebrauch gemacht, in dem er die Hand vom Einkaufswagen löste und in die rechte Hosentasche führte, um die Fernbedienung der Zentralverriegelung zu betätigen. Der Kläger hat damit auf dem Weg zum geparkten Fährzeug begonnen, dieses mittels der Fernbedienung über die Heckklappe zu öffnen wie er dies in seiner Schadensanzeige auch formuliert hat. Zum Gebrauch des Fahrzeuges gehören nach ständiger Rechtsprechung auch die Durchführung von Reparaturarbeiten und das Be – und Entladen (BGH Z 75, 45, BGH VersR 77, 418). Dazu gehören auch die jeweiligen unmittelbaren Vor – und Nachbereitungsarbeiten für dieses Be – und Entladen, soweit sie in einem engen räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist bei dem vom Kläger beschriebenen Öffnungsvorgang der Fall. Nur wenn das schädigende Ereignis über die bloße Anwesenheit des Fahrzeuges hinaus mit diesem nichts zu tun hat, liegt ein Gebrauch und damit ein Eingreifen der Kfz. – Haftpflichtversicherung nicht mehr vor. So hat das Landgericht Wiesbaden (VersR 1991, 872) bereits das Betätigen einer in einer Tiefgarage befindlichen verschiebbaren Parkpalette durch Knopfdruck als Gebrauch ausreichen lassen, obgleich das Fahrzeug des Versicherungsnehmers selbst lediglich hinter der Parkpalette stand und selbst weder geöffnet noch bewegt wurde. Vorliegend wurde das Fahrzeug des Klägers geöffnet und im Zuge dieser Vorbereitungshandlung für das Beladen in Gebrauch genommen. Dies geht über die bloße Vorbereitung der Annäherung an das Fahrzeug wie in dem vom Landgericht Wiesbaden entschiedenen Fall deutlich hinaus.“
(AG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.09.2003, Az.: 301 C 769/03 (70))
Eine Haftung der KFZ-Haftpflichtversicherung liegt auch dann vor, wenn sich der Einkaufswagen in dem Moment selbständig macht, wenn der Fahrzeugführer seine soeben eingekauften Sachen vom Einkaufswagen in den Kofferraum einpackt:
„Keinem Zweifel unterliegt es, daß der Schaden an dem Fahrzeug des Geschädigten H. dann durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs des Kl. verursacht worden ist, wenn der rechtlichen Beurteilung die Unfallmeldung des Kl. an die Bekl. vom 10.6.1989 zugrundegelegt wird, also sich der Einkaufswagen des Kl. in dem Moment auf dem abschüssigen Gelände selbständig gemacht hat, als der Kl. seine soeben eingekauften Sachen vom Einkaufswagen in den Kofferraum einpackte. In diesem Fall ist die notwendige aktuelle und unmittelbare Beteiligung des Fahrzeugs an der schadenstiftenden Verrichtung gegeben, denn der Schaden ist dann unmittelbar beim Beladen des Fahrzeugs entstanden. Aber auch dann, wenn der Kl. – wie er nunmehr behauptet – im Zeitpunkt des Wegrollens des Einkaufswagens lediglich damit beschäftigt war, Kofferraum und Beifahrertür zu öffnen, um Gegenstände vom Fahrgastraum in den Kofferraum zu laden, damit für die neu eingekauften Waren Platz geschaffen wurde, also noch nicht mit dem Beladen der gekauften Gegenstände begonnen hatte, steht der durch das Wegrollen des Einkaufswagens verursachte Schaden nach Auffassung der Kammer in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeuges.
Eine zeit- und ortsnahe Verknüpfung zwischen Schaden und dem Beladevorgang kann bereits bei Handlungen zu bejahen sein, die unmittelbar Vor- oder Nachbereitungsarbeiten für die Be- oder Entladetätigkeit darstellen. Wann eine Beteiligung des Fahrzeuges am schadenstiftenden Ereignis vorliegt, kann zwar nicht für alle derartigen Handlungen einheitlich beurteilt werden. Vielmehr sind die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei einer natürlichen Betrachtungsweise ergibt sich, daß sich schon dann das Beladungsrisiko verwirklicht, wenn sich der Einkaufswagen mit den zu beladenden Gütern während des Öffnens von Kofferraum und Beifahrertür und dem Umladen von Gegenständen aus dem Fahrgastraum in den Kofferraum gerade zu dem Zweck, Raum für die neu zu beladenden Güter zu schaffen, selbständig macht und dadurch Rechtsgüter anderer geschädigt werden.
Hier diente das Umladen der unmittelbaren Vorbereitung des Beladungsvorganges, denn es sollte den notwendigen Raum für das Beladen schaffen. Sodann sollte sich – der Einkaufswagen stand in der Nähe des Fahrzeuges – das Beladen anschließen. Eine solche, im unmittelbaren Vorfeld der Beladung vorgenommene, der Beladung dienende Handlung muß aber dem Gebrauch des Fahrzeuges ebenso zugerechnet werden wie der Beladevorgang selbst. Eine Differenzierung zwischen beiden Vorgängen derart, daß der eine dem Gebrauch des Fahrzeuges noch nicht, der folgende aber sodann doch dem Gebrauch zuzurechnen sei, erscheint willkürlich, da sich beide bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitlicher Vorgang darstellen. Dies macht auch ein Vergleich mit dem sicherlich dem Gebrauch des Fahrzeuges zuzurechnenden Fall deutlich, daß der Beladende erst während des Ladevorgangs bemerkt, daß der Laderaum nicht ausreicht und dabei Gegenstände im Fahrzeug umlagert. Schwerlich nachvollziehbar wäre die Unterscheidung, daß während der in den Beladevorgang integrierten Umladearbeiten eine Schadenverursachung durch den Gebrauch des Fahrzeuges vorläge, in dem hier gegebenen Fall aber nicht. In beiden Fällen ist die Aufmerksamkeit des VersNehmers in gleicher Weise „durch” die Beschäftigung mit dem Fahrzeug abgelenkt, sein Gebrauch also ursächlich für den Schaden.“
(LG Aachen, Urteil vom 30. 3. 1990 – 5 S 477/89)
Das Amtsgericht München entschied dagegen, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne von § 7 StVG nicht mehr vorliege, wenn das Wegrollen eines Einkaufwagens nicht auf die Gefahr des abgestellten KFZ sondern auf die nachlässige Sicherung des Einkaufswagens zurückzuführen ist:
„Die Bekl. zu 2) ist als Kfz-Haftpflichtversicherung nur einstandspflichtig, wenn sich ein Unfall „bei Betrieb“ des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeugs ereignet. Nach der in der Rspr. üblichen Definition ereignet sich ein Unfall „bei Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs, wenn er „durch die dem Kfz-Betrieb typisch innewohnende Gefährlichkeit adäquat verursacht wurde“ und sich „von dem Fahrzeug ausgehenden Gefahren bei seiner Entstehung ausgewirkt haben“. Dabei genügt ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Einrichtung des Kraftfahrzeugs, nicht jedoch eine bloße räumliche Nähe (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 7 StVG Rn. 4 f.)
Nach dieser Definition liegt hier kein Unfall vor, der im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kfz steht. Der Bekl. zu 1) hat zwar im Zusammenhang mit dem Unfall einen Einkaufswagen beladen, den er zu diesem Zweck in der Nähe des Kastenwagens der Kl. abgestellt hatte. Dass dieser sich dann in Bewegung setzte, hat aber nichts mit den typischen Gefahren zu tun, die im Zusammenhang mit der Benutzung des Ducatos als Kfz stehen. Der Einkaufswagen hätte sich genauso gut in Bewegung setzen können, wenn z. B. der Bekl. zu 1) unmittelbar vor dem Supermarkt Getränkekästen von einem auf den anderen Einkaufswagen umgeladen hätte. Die Ursache des Unfalls liegt hier nicht in der Gefährlichkeit des Ducatos, sondern darin begründet, dass der Bekl. zu 1) beim Abstellen des Einkaufswagens nicht darauf geachtet hat, dass dieser einen sicheren Stand hat und nicht wegrollt. So sieht es auch das LG Kassel (Urteil vom 16.1.2003 zfs 2003, 301–302). Demzufolge muss hier auch die Bekl. zu 2), die die Betriebsgefahren im Zusammenhang mit der Benutzung des Fiat Ducatos absichern soll, für den entstandenen Schaden nicht aufkommen. Die Klage gegen die Bekl. zu 2) war abzuweisen.“
(AG München, Urteil vom 5.2.2014 (343 C 28512/12))
In ähnlicher Weise entschied z.B. das LG Kassel:
„Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass das von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gedeckte Wagnis in einem adäquaten Ursachenzusammenhang mit dem entstandenen Schaden stehen muss; dies bedeutet, dass die Gefahr vom Fahrzeug selbst ausgehen muss; beim Be- und Entladen eines Kraftfahrzeuges kommt es deshalb darauf an, ob das versicherte Fahrzeug an der schadensstiftenden Verrichtung schon oder noch beteiligt, d. h. aktuell und unmittelbar, zeit- und ortsnah dafür eingesetzt worden ist; nur dann ist der Schaden gerade durch den Gebrauch des Fahrzeugs adäquat verursacht (BGH VersR 80, 1039; VersR 77, 418; Z 75, 45; Wussow in: VersR 1996, 669).
Im vorliegenden Fall war die Klägerin mit dem Öffnen der Heckklappe ihres Personenkraftwagens beschäftigt, um anschließend ihren Pkw mit dem Inhalt ihres Einkaufswagens zu beladen, als ihr Einkaufswagen wegrollte und einen anderen Personenkraftwagen beschädigte. Damit liegt eine unmittelbare Vorbereitungshandlung zum Beladen ihres Personenkraftwagens vor, was noch unter den Gebrauch eines Fahrzeuges fällt (insoweit ähnlich LG Aachen, r + s 90, 188). Auch liegt eine zeit- und ortsnahe Verknüpfung zwischen der unmittelbaren Vorbereitung des Beladungsvorganges und dem dann durch den Einkaufswagen verursachten Schaden vor. Jedoch ist eine adäquate Schadensverursachung durch diesen Gebrauch des Personenkraftwagens durch die Klägerin im oben erwähnten Sinne nicht gegeben, weil die sich in dem Schaden realisierte Gefahr nicht von dem Personenkraftwagen der Klägerin selbst ausging, sondern von dem vorhergehenden Verhalten der Klägerin, nämlich der mangelnden Sicherung des Einkaufswagens gegen Wegrollens. An dieser schadensstiftenden Verrichtung war der Personenkraftwagen nicht unmittelbar beteiligt, wenn auch sein Vorhandensein und die Notwendigkeit des Öffnens der Heckklappe ursächlich im Sinne der Bedingungstheorie für das Loslassen des Einkaufswagens und in der Folge für den eintretenden Schaden sein mag.“
(LG Kassel, Urteil vom 16.01.2003 – 1 S 402/02)
Wie man an den vorangegangenen Entscheidungen erkennen kann, kommt es maßgeblich darauf an, ob ein direkter Zusammenhang mit dem Be- oder Entladen vorliegt oder nicht. Dies ist letztlich stets eine Frage des Einzelfalls und muss ggf. vor Gericht durch entsprechende Beweismittel belegt werden.
Höhe der Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung?
Verlangt der Geschädigte eine fiktive Schadensregulierung auf Gutachtenbasis, kommt es nicht selten zu Streitigkeiten mit der gegnerischen Versicherung über die Höhe der Stundenverrechnungssätze, die in dem Gutachten ausgewiesen sind.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu im „Porsche-Urteil“ entschieden:
„Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.“
(BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02)
Dahinter steht der Gedanke, dass der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Beschädigung seines Fahrzeugs den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen darf. Letztlich ist hierbei auch gleichgültig, ob bzw. in welchem Umfang und in welcher Qualität der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren lässt:
„Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt.“
(BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – VI ZR 313/13)
Auf der anderen Seite hat der Geschädigte eine Schadensminderungspflicht.
„Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.“
(BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13)
Daher hat der BGH die Möglichkeit, sich auf die Verrechnungssätze markengebundener Werkstätten zu berufen, in weiteren Entscheidungen eingeschränkt.
„Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.“
(BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08)
Jedoch muss der Versicherer beweisen, dass dies für den Geschädigten zumutbar ist. Dabei kommt dem Schädiger bzw. seiner Haftpflichtversicherung die Möglichkeit der richterlichen Schadensschätzung (§ 287 ZPO) zu Gute:
„Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht im Streitfall getroffenen Feststellungen durfte die Beklagte die Klägerin im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auf eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit in der benannten Karosseriefachwerkstatt verweisen. Für die technische Gleichwertigkeit der Reparatur der am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Bagatellschäden hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass sämtliche benannten Fachbetriebe den „Eurogarant-Fachbetrieben“ angehören, deren hoher Qualitätsstandard regelmäßig vom TÜV oder der DEKRA kontrolliert werde. Es handele sich um Meisterbetriebe und Mitgliedsbetriebe des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik, die auf die Instandsetzung von Unfallschäden spezialisiert seien. Zudem erfolge die Reparatur nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag unter Verwendung von Originalteilen. Auf dieser Grundlage durfte sich das auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Berufungsgericht ohne Rechtsfehler die Überzeugung bilden, dass die benannten Betriebe die Unfallschäden genauso kompetent beheben könnten wie eine markengebundene Vertragswerkstatt.“
(BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09)
Konkreter wurde der BGH dann in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017. Der BGH differenziert in dieser Entscheidung zwischen Fahrzeugen, die jünger bzw. älter als drei Jahre sind:
„Der Schädiger kann den Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien“ Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden (…)
Bei Fahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann der Verweis auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer „freien“ Fachwerkstatt insbesondere dann unzumutbar sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen und dies vom Schädiger nicht widerlegt wird (…)
Ist ein über neun Jahre altes und bei dem Unfall verhältnismäßig leicht beschädigtes Fahrzeug zwar stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert, dort aber in den letzten Jahren vor dem Unfall nicht mehr gewartet worden, ist der Verweis auf eine „freie“ Fachwerkstatt nicht unzumutbar.“
(BGH, Urteil vom 7. Februar 2017 – VI ZR 182/16)
Achtung: Die Möglichkeit der Versicherung, den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt zu verweisen, besteht auch noch während eines laufenden Rechtsstreits (BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – VI ZR 313/13; Urteil vom 14.05.2013 – VI ZR 320/12).
Bei Fahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es darauf ankommen, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder gegebenenfalls nach einem Unfall repariert worden ist. In diesem Zusammenhang kann es dem Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine günstigere gleichwertige und ohne weiteres zugängliche Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen zu lassen, wenn er konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder – im Fall der konkreten Schadensberechnung – sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt (BGH, Urteil vom 23. Februar 2010 – VI ZR 91/09).