Die Rügepflicht nach dem Handelsgesetzbuch (HGB)

Bei Handelskäufen besteht für den Käufer gemäß § 377 HGB eine Untersuchungspflicht. Zeigen sich dabei Mängel, muss der Käufer dies unverzüglich anzeigen („Rügepflicht“). In diesem Beitrag finden Sie einige wichtige Fragen und Antworten zum Thema Rügepflicht nach HGB.

Hintergrund

Damit Handelskäufe schnell abgewickelt werden können und der Verkäufer nicht zu lange einer möglichen Inanspruchnahme ausgesetzt ist, trifft den Käufer bei einem Handelskauf gemäß § 377 HGB eine Untersuchungs- und Rügepflicht:

„(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.

(2) Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.

(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muß die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.

(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.

(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.“

§ 377 HGB

Entdeckt der Käufer einen Sachmangel, muss er den Mangel demnach unverzüglich dem Verkäufer anzeigen („Mängelrüge“).

Welche Fristen gelten bei der Untersuchungs- und Rügepflicht?

§ 377 HGB regelt zum einen eine Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge von Mängeln, sobald sich solche zeigen, zum anderen aber auch – zeitlich vorausgehend – eine Obliegenheit zur unverzüglichen Untersuchung der Ware nach deren Anlieferung auf das Vorhandensein von Mängeln (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 25. November 2009 – 12 U 715/09).

Somit ist zwischen zwei Fristen zu unterscheiden:

  1. Der Untersuchungsfrist, das ist der Zeitraum, in welchem der Käufer die gekaufte Ware auf Mängel untersuchen muss.
  2. Die Rügefrist, das ist der Zeitraum, innerhalb dessen der Käufer die entdeckten Mängel anzeigen muss.

Wie lange ist die Untersuchungsfrist?

Gemäß § 377 Abs. 1 HGB muss der Käufer nach Ablieferung der Ware diese unverzüglich auf Mängel untersuchen. Unverzüglich meint dabei (vgl. § 121 BGB) „ohne schuldhaftes Zögern“. Der Käufer darf die Untersuchung also nicht durch fahrlässiges Verhalten hinauszögern. Dabei gilt der strenge Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 Abs. 1 HGB). Der Sorgfaltsmaßstab wird hierbei streng ausgelegt, schon geringe, bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang vermeidbare Lässigkeiten machen eine Rüge verspätet (OLG Nürnberg, Urteil vom 25. November 2009 – 12 U 715/09).

Eine starre Untersuchungsfrist gibt es nach dem Gesetz nicht. Aufgrund der Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen, Waren und den jeweils zugrundeliegenden Sachverhalten kann insoweit keine allgemeingültige Aussage getroffen werden.

So ist die Untersuchungsfrist etwa für leicht verderbliche Ware oder Saisonware kürzer als bei langlebigen Wirtschaftsgütern oder komplizierter Technik. So hat z.B. das OLG München für die Untersuchung von Orangen höchstens einen Tag Untersuchungsfrist zugestanden (OLG München, Urteil vom 05.08.1955 – 6 U 731/55). Bei einer umfangreichen EDV-Anlage stellte der BGH auf eine Frist von 14 Tagen ab (BGH, Urteil vom 24.01.1990 – VIII ZR 22/89).

Die Anforderungen an die Obliegenheit des Käufers zur alsbaldigen Prüfung der Ware dürfen aber nicht überspannt werden. Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kostenaufwand und Zeitaufwand sowie die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten für eine Prüfung (BGH, Urteil vom 20. April 1977 – VIII ZR 141/75).

Wie lange ist die Rügefrist?

Nicht nur die Untersuchung der Kaufsache selbst, sondern auch die Anzeige von entdeckten Mängeln muss unverzüglich erfolgen. Unverzüglich heißt auch hier „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 BGB).

Die Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterscheiden dabei für gewöhnlich zwischen offenen und verdeckten Mängeln.

Sogenannte „offene“ Mängel muss der Käufer, wenn er sich die Gewährleistungsansprüche erhalten will, unverzüglich nach der Ablieferung rügen. Zu diesen offenen Mängeln gehören neben denjenigen, die bei der Ablieferung offen zutage treten, auch die Mängel, die der Käufer bei einer nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlichen Überprüfung alsbald nach der Ablieferung erkennen kann (BGH, Urteil vom 20. April 1977 – VIII ZR 141/75).

Sog. verdeckte Mängel sind Mängel, die bei einer ordnungsgemäßen und unverzüglich nach Entgegennahme durchgeführten Untersuchung objektiv nicht erkennbar sind (vgl. § 377 Abs. 2 HGB).

Ist ein Mangel ohne Untersuchung erkennbar oder erkannt worden, so ist dem Käufer eine Rügefrist von 1-2 Tagen zuzubilligen (OLG Koblenz, Urteil vom 24.6.2004 – 2 U 39/04).

Zeigt sich ein Mangel erst später, so muss die Mängelanzeige unverzüglich nach der Entdeckung übersandt werden (vgl. § 377 Abs. 3 HGB). Auch hier wird eine Frist von ein bis zwei Tagen für das Absenden der Rüge nach Kenntnis des Mangels ist in der Regel ausreichend, wobei das Wochenende nicht mit eingerechnet wird (OLG Brandenburg, Urteil vom 12.12.2012 – 7 U 102/11).

Verlängern Feiertage die Frist?

Gesetzliche Feiertage können die Untersuchungs- bzw. Rügefrist verlängern. Die Tatsache allein, dass in einem Betrieb zwischen Weihnachten und Neujahr nicht oder wenig gearbeitet wird, führt jedoch zu keiner Verlängerung (BGH, Urteil vom 26.02.1964 – VIII ZR 176/62).

Gilt die Rügefrist auch bei verdeckten Mängeln?

Die Mängelrüge ist gemäß § 377 Abs. 3 HGB bei verdeckten Sachmängeln ebenso unverzüglich vorzunehmen, nachdem der Mangel bekannt geworden ist.

Ist für die Einhaltung der Frist die Absendung oder der Zugang maßgeblich?

Gemäß § 377 Abs. 4 HGB genügt für die Einhaltung der Rügefrist die rechtzeitige Absendung. Eine Verzögerung bei der Übermittlung steht der Rechtzeitigkeit der Mängelrüge also nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1985 – VIII ZR 238/83). Jedoch muss der Verkäufer die Mängelrüge auch erhalten, die Verlustgefahr trägt der Käufer. Den Käufer trifft auch die Beweislast für den Zugang der Mängelanzeige (BGH, Urteil vom 13.05.1987 – VIII ZR 137/86).

Was passiert, wenn die Rügefrist nicht eingehalten wird?

Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war (§ 377 Abs. 2 HGB). Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt (§ 377 Abs. 3 HGB).

Rügt der Käufer den Mangel also nicht (oder nicht rechtzeitig), verliert er sämtliche daraus herzuleitende Ansprüche. Das betrifft insbesondere Gewährleistungsansprüche.

Welchen Inhalt muss die Mängelrüge haben?

Die Mängelrüge muss dem Verkäufer ermöglichen, Art und Umfang des Mangels nachzuvollziehen. In der Mängelrüge muss der Mangel also so genau wie möglich beschrieben werden, sodass der Verkäufer das Vorhandensein des behaupteten Mangels prüfen kann. Der Käufer muss allerdings noch nicht mitteilen, welche Rechte er wegen des Mangels geltend machen will (BGH, Urteil vom 14.05.1996 – X ZR 75/94).

Dabei hat der Käufer jedenfalls die gerügten Qualitätsabweichungen zu bezeichnen, wobei z.B. bei Maschinen und technischen Geräten nur die Darlegung der Symptome, nicht aber die Angabe der diesen zu Grunde liegenden Ursachen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 03.11.1999 – VIII ZR 287/98).

In welcher Form hat die Mängelrüge zu erfolgen?

Die Mängelrüge unterliegt keinen besonderen Formvorschriften. Die Mängelrüge muss daher nicht zwingend schriftlich erfolgen, sondern kann auch mündlich ausgesprochen werden (z.B. per Telefon) oder in Textform übermittelt werden (z.B. per E-Mail oder WhatsApp).

Wer trägt die Beweislast?

Der Verkäufer trägt die Beweislast für die Voraussetzungen, wonach der Käufer zur Rüge verpflichtet war. Ebenso trägt der Verkäufer die Beweislast für die Ablieferung der Ware. Der Käufer trägt dagegen die Beweislast dafür, dass er seine Untersuchungs- und Rügepflicht eingehalten hat, einschließlich des Zugangs der Mängelrüge beim Verkäufer (BGH, Urteil vom 13.05.1987 – VIII ZR 137/86).

Kann die Untersuchungspflicht ausgeschlossen werden?

§ 377 HGB kann durch Individualvereinbarung abbedungen werden. Der Verkäufer kann auch auf das Erfordernis einer Mängelrüge verzichten.

Trifft die Untersuchungs- und Rügepflicht auch Zwischenhändler?

Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB trifft auch den Zwischenhändler (OLG Nürnberg, Urteil vom 25. November 2009 – 12 U 715/09).

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