Die Kündigung von Arbeitsverträgen

Wann wird die Kündigung eines Arbeitnehmers wirksam?

Eine Kündigung ist rechtlich betrachtet eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Kündigung wird daher erst rechtswirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer zugeht. Ohne Zugang der Kündigung wird das Arbeitsverhältnis also überhaupt nicht beendet. Im Arbeitsrecht besteht zudem die Besonderheit, dass eine Kündigung nur in Schriftform erfolgen kann, eine Kündigung in elektronischer Form ist ausgeschlossen (§ 623 BGB).

In welcher Form muss eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen?

Gemäß § 623 BGB muss eine Kündigung zwingend schriftlich erfolgen. Eine Kündigung in elektronischer Form ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Schriftform ist in § 126 Abs. 1 BGB geregelt:

„Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.“

Das bedeutet faktisch: Die Kündigung muss auf Papier ausgedruckt und mit einem Stift eigenhändig durch den Aussteller (z.B. durch den Geschäftsführer) unterschrieben werden. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in elektronischer Form ist rechtlich unwirksam!

Darf ein Arbeitgeber per E-Mail kündigen?

Ein Arbeitsvertrag kann nicht per E-Mail gekündigt werden. Eine solche Kündigung wäre wegen § 623 BGB formunwirksam:

„Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.“

(§ 623 BGB)

Demnach ist für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses die Schriftform vorgeschrieben.

Die Schriftform verlangt gemäß § 126 Abs. 1 BGB eine Urkunde, die von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift (oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens) unterzeichnet wurde. Eine E-Mail oder eine Whatsapp enthält allerdings keine eigenhändige Unterschrift. § 623 BGB schließt auch ausdrücklich die elektronische Form nach § 126b BGB aus. Eine Kündigung des Arbeitsvertrags per E-Mail ist daher formunwirksam.

Das gilt übrigens auch dann, wenn die Kündigung auf Papier unterschrieben und dann als Bild per E-Mail verschickt wird. Denn die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und nur dann formwirksam, wenn sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form dem Erklärungsempfänger zugeht. Daher erfüllt auch eine Übermittlung des Kündigungsschreibens per E-Mail die Schriftform nicht.

Darf ein Arbeitgeber per Whatsapp kündigen?

Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer nicht per Whatsapp kündigen. Das hat z.B. das Landesarbeitsgericht München klargestellt (Urteil vom 28. Oktober 2021 – 3 Sa 362/21). Eine per Whatsapp übermittelte Kündigung erfüllt nämlich nicht die gesetzlich vorgesehene Schriftform. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auf Papier ausdruckt, unterschreibt und dies als Foto an den Arbeitnehmer verschickt. Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Kündigung vom 02.09.2020, zugestellt per WhatsApp am 22.09.2020, ist wegen Verstoßes gegen die Schriftform, §§ 623126 Abs. 1 BGB, nichtig, § 125 Satz 1 BGB.

a) Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken. Die Schriftform wird nach § 126 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Durch die Unterzeichnung wird der Aussteller der Urkunde erkennbar. Sie stellt eine unzweideutige Verbindung zwischen der Urkunde und dem Aussteller her (Identifikationsfunktion). Außerdem wird durch die Verbindung zwischen Unterschrift und Erklärungstext gewährleistet, dass die Erklärung inhaltlich vom Unterzeichner herrührt (Echtheitsfunktion). Schließlich erhält der Empfänger der Erklärung die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist (Verifikationsfunktion). Die Schriftform des § 623 i.V.m. § 126 BGB schützt damit vor allem den Kündigungsempfänger. Darüber hinaus entfaltet das Schriftformerfordernis für den Erklärenden eine Warnfunktion (vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 27 m.w.N.).

b) Die per WhatsApp übermittelte Kündigungserklärung vom 02.09.2020 genügt dem Schriftformerfordernis des § 126 Abs. 1 BGB nicht. Die dem Kläger übersandte WhatsApp-Nachricht gibt lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift des Beklagten wieder (für den vergleichbaren Fall des Telefaxes vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 47). Ist aber die Schriftform für eine Erklärung unter Abwesenden vorgesehen, wird die Erklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB), in dem sie dem anderen Teil in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugeht. Es reicht nicht aus, dass der Empfänger die Erklärung unterzeichnet und den anderen Teil hierüber in anderer Form, die die Voraussetzungen nach § 126 BGB nicht wahrt, in Kenntnis setzt (vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 47 und Urteil vom 07.07.2010 – 4 AZR 1023/08 – unter II. 1. der Gründe).“

(LAG München, Urteil vom 28. Oktober 2021 – 3 Sa 362/21)

Auf welchem Weg sollte eine Kündigung zugestellt werden?

Das Problem bei jeder Kündigung ist: Der Arbeitgeber muss stichfest beweisen können, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist (und wann genau). Für den Zugang der Kündigung trägt derjenige die Beweislast, der sich auf den Zugang beruft (also regelmäßig der Arbeitgeber). Eine Kündigung sollte daher nach Möglichkeit immer persönlich übergeben werden, am besten unter Hinzuziehung von Zeugen. Idealerweise quittiert der Arbeitnehmer den Zeitpunkt des Erhalts der Kündigung auf einer Fotokopie des Kündigungsschreibens. Falls sich der Arbeitnehmer weigert, eine Empfangsquittung zu unterschreiben, sollten die hinzugezogenen Zeugen ein Protokoll über die Aushändigung der Kündigung anfertigen. Das mag zum Teil übertrieben wirken, aber im Streitfall kann dies über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Was ist, wenn der Arbeitnehmer die Entgegennahme der Kündigung verweigert?

Es genügt die Aushändigung und Übergabe, so dass für den Arbeitnehmer die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Ob der Arbeitnehmer die Kündigung dann tatsächlich liest, ist ohne Belang. Der Zugang ist z.B. auch dann erfolgt, wenn das Schriftstück dem Arbeitnehmer mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, überreicht wird. Verweigert der Arbeitnehmer die Entgegennahme, reicht es aus, wenn das Kündigungsschreiben in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, so dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BAG, Urteil vom 26.3.2015 – 2 AZR 483/14).

Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts reicht es z.B. auch aus, wenn der Arbeitgeber die Kündigung in einem verschlossenen Umschlag an den Arbeitnehmer aushändigt, dieser aber den Umschlag ungeöffnet zurückgibt. Die Kündigung gilt dann trotzdem als zugegangen (BAG, Urteil vom 07.01.2004 – 2 AZR 388/03).

Kann man eine Kündigung auch an Ehegatten oder Familienangehörige des Arbeitnehmers übergeben?

Nach Möglichkeit sollte die Kündigung immer dem betroffenen Arbeitnehmer selbst übergeben werden. Wenn das nicht möglich ist, kommt aber grundsätzlich auch eine Übergabe an den Ehegatten, der mit dem betroffenen Arbeitnehmer in einer gemeinsamen Wohnung lebt, in Betracht. Die Ehegatten sind dann untereinander als Empfangsboten anzusehen.

„Leben Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung und sind sie deshalb nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, gelangt eine an einen der Ehegatten gerichtete Willenserklärung grundsätzlich auch dann in dessen Macht- und Zugriffsbereich, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb der Wohnung übermittelt wird.“

(BAG, Urt. v. 9. 6. 2011 − 6 AZR 687/09)

Gleiches gilt grundsätzlich für weitere Familienangehörige, wenn diese in demselben Haushalt leben (vgl. BAG, Urteil vom 11-11-1992 – 2 AZR 328/92).

Trotzdem ist dieser Weg mit Vorsicht zu genießen: Nach einer älteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts muss sich der Arbeitnehmer eine Kündigung dann nicht zurechnen lassen, wenn ein Familienangehöriger die Annahme verweigert und der Arbeitnehmer selbst hierauf keinen Einfluss genommen hat (vgl. BAG, Urteil vom 11-11-1992 – 2 AZR 328/92). Die Übergabe an Ehegatten und Familienangehörige im selben Haushalt sollte daher nur eine Notlösung bleiben.

Wie sollte ein Arbeitgeber vorgehen, wenn die Kündigung nicht persönlich übergeben werden kann?

Es gibt immer wieder Fälle, in denen Eile geboten ist und eine persönliche Übergabe der Kündigung nicht möglich ist (z.B. wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt abwesend ist). In diesen Fällen kann man nur davon abraten, die Kündigung per Post zu versenden. Selbst ein Einschreiben – egal ob Einwurfeinschreiben, Übergabeeinschreiben oder Einschreiben mit Rückschein – ist mit erheblichen Beweisrisiken behaftet. Was zum Beispiel in dem Schreiben stand, wird durch ein Einschreiben überhaupt nicht belegt.

Daher sollte eine Kündigung, soweit sie dem Arbeitnehmer nicht persönlich übergeben werden kann, nach Möglichkeit im Beisein von Zeugen in seinen Briefkasten eingeworfen werden.

„Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. BAGE 162, 317 = NZA 2018, 1157 Rn. 15; BAG, NZA 2015, 1183 Rn. 37) und des BGH (vgl. BGH, NJW 2019, 1151 Rn. 11; NJW 2008, 843 Rn. 9) geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden iSv § 130 I 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ihn trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, wird der Zugang durch solche – allein in seiner Person liegenden – Gründe nicht ausgeschlossen.“

(BAG, Urteil vom 22.8.2019 – 2 AZR 111/19)

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in einem Mehrparteienhaus wohnt, in welchem keine einzelnen Briefkästen angebracht sind und die Postzustellung durch Einwurf in einen Briefschlitz an der Haustür erfolgt, reicht es aus, wenn das Kündigungsschreiben in diesen Briefschlitz eingeworfen wird. Ob die Kündigung den Arbeitnehmer tatsächlich erreicht, darauf kommt es dann nicht mehr an (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.09.2000 – 16 Sa 925/00).

Der Arbeitgeber kann seine Rechtsposition übrigens dadurch verbessern, dass er dem Arbeitnehmer parallel über Telefon oder Messenger mitteilt, dass man ihm am heutigen Tag eine Kündigung zugestellt hat. Wenn der Arbeitnehmer hierüber nachweislich informiert wurde, gilt z.B. auch eine spätnachmittags eingeworfene Kündigung noch am selben Tag als zugegangen (vgl. BAG, Urteil vom 26.3.2015 – 2 AZR 483/14).

Muss der Arbeitgeber eine Kündigung begründen?

Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen möchte, muss er dies grundsätzlich nicht begründen. Es gibt insoweit keine allgemeine gesetzliche Vorschrift, welche eine Begründung vorschreibt. Das gilt sowohl für eine ordentliche Kündigung als auch für eine außerordentliche, fristlose Kündigung.

Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen:

Kündigung von Arbeitnehmern, die dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) unterfallen

Soweit nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) ausnahmsweise eine Kündigung möglich ist, muss dies begründet werden. Das ergibt sich aus § 17 Abs. 2 MuSchG:

§ 17 Kündigungsverbot

(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig

1. während ihrer Schwangerschaft,

2. bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und

3. bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,

wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft.

(2) Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss den Kündigungsgrund angeben.

(3) Der Auftraggeber oder Zwischenmeister darf eine in Heimarbeit beschäftigte Frau in den Fristen nach Absatz 1 Satz 1 nicht gegen ihren Willen bei der Ausgabe von Heimarbeit ausschließen; die §§ 3, 8, 11, 12, 13 Absatz 2 und § 16 bleiben unberührt. Absatz 1 gilt auch für eine Frau, die der in Heimarbeit beschäftigten Frau gleichgestellt ist und deren Gleichstellung sich auch auf § 29 des Heimarbeitsgesetzes erstreckt. Absatz 2 gilt für eine in Heimarbeit beschäftigte Frau und eine ihr Gleichgestellte entsprechend.

(§ 17 Abs. 2 MuSchG)

Kündigung im Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit

Eine Begründung der Kündigung ist außerdem vorgeschrieben, wenn ein Ausbildungsverhältnis nach dem BBiG nach Ablauf der Probezeit gekündigt werden soll, § 22 Abs. 3 BBiG:

§ 22 Kündigung

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,

2. von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.

(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

(4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

(§ 22 Abs. 3 BBiG)

Kann eine Kündigung durch den Arbeitgeber zurückgenommen werden?

Eine Kündigung stellt rechtlich gesehen eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Sie wird mit Zugang wirksam, sofern dem Empfänger nicht vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB).

Abgesehen vom Widerruf ist eine spätere „Rücknahme“ der Kündigung nicht einseitig durch einen Vertragspartner möglich.

„Eine Kündigung kann als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nach Zugang an den Gekündigten vom Kündigenden grundsätzlich nicht mehr einseitig zurückgenommen werden.“

(BAG, Urteil vom 29.01.1981 – 2 AZR 1055/78)

Die „Rücknahme“ einer Kündigung ist aber regelmäßig als Angebot des Arbeitgebers auszulegen, ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen bzw. das frühere Arbeitsverhältnis – quasi ungekündigt – zu den alten Bedingungen fortzusetzen. In der „Rücknahme“, so das Bundesarbeitsgericht,

„liegt das Vertragsangebot des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht als beendet anzusehen, also unter Beseitigung der Kündigungswirkungen das Arbeitsverhältnis unverändert fortzusetzen. Die Rechtsfolgen dieser “Rücknahme” hängen dann davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf das Angebot des Arbeitgebers einläßt; der Arbeitnehmer kann das Vertragsangebot nach den allgemeinen Regeln über den Vertragsabschluß gem. §§ 145 ff. BGB annehmen oder ablehnen…“

(BAG, Urteil vom 19.08.1982 – 2 AZR 230/80)

Rücknahme der Kündigung vor Kündigungsschutzklage

Nimmt ein Arbeitgeber eine Kündigung zurück, bevor der Arbeitgeber eine Kündigungsschutzklage erhoben hat, kann sich der Arbeitnehmer entscheiden, ob er die „Rücknahme“ annimmt oder nicht. Wenn er hierauf nicht eingehen möchte oder sich diesbezüglich unsicher ist, muss er vorsorglich Kündigungsschutzklage erheben, da ansonsten nach Ablauf der Drei-Wochenfrist die Kündigung als wirksam behandelt wird.

„Eine einseitige Rücknahme der Kündigung ist dem Arbeitgeber verwehrt. Die Wirkungen einer Kündigung können nur durch Vereinbarung beseitigt werden. Die ausgesprochene Kündigung ist erst „aus der Welt”, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers angenommen hat, d.h. eine Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu Stande gekommen ist. Steht nicht endgültig fest, ob der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses annehmen will, muss er vorsorglich Kündigungsschutzklage erheben, um die Wirkung des § 7 KSchG zu vermeiden.“

(BAG, Urteil vom 19.02.2009 – 2 AZR 286/07)

Nach einer Entscheidung des LAG Frankfurt wird das Arbeitsverhältnis stillschweigend fortgesetzt, wenn der Arbeitnehmer über den Kündigungstermin hinaus und ohne dass der Arbeitgeber widerspricht, weiterarbeitet.

Im konkreten Einzelfall kann das Rechtsschutzinteresse jedoch entfallen, sei es, […] daß die Parteien sich vertraglich über die Unwirksamkeit der Kündigung geeinigt haben. Letzteres ist formlos möglich und dann gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorbehaltlos zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert und dieser dem ebenso vorbehaltlos nachkommt […].

(LAG Frankfurt, Urteil vom 24.05.1991 – 15 Sa 41/90)

Rücknahme der Kündigung nach erhobener Kündigungsschutzklage

Erhebt der Arbeitnehmer fristgerecht Klage und erklärt der Arbeitgeber im Lauf des Prozesses, er nehme die Kündigung zurück, ist auch darin ein Angebot des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zu sehen, das Arbeitsverhältnis ungekündigt und ununterbrochen fortzusetzen (Ascheid/Preis/Schmidt/Hesse, 6. Aufl. 2021, KSchG § 4 Rn. 130).

In einer solchen „Rücknahme“ kann allerdings nicht automatisch ein förmliches Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO gesehen werden. Ebenso wenig ist in der Erhebung einer Kündigungsschutzklage vorweggenommene Zustimmung des Arbeitnehmers zu sehen, im Fall einer „Rücknahme“ das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortsetzen zu wollen (Ascheid/Preis/Schmidt/Hesse, 6. Aufl. 2021, KSchG § 4 Rn. 130). Dem Arbeitnehmer muss nämlich die Möglichkeit verbleiben, seinen Klageantrag nach § 9 KSchG auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses umzustellen, wie das BAG klarstellt:

„Im Streitfalle hat der Kl. als Antwort auf das Angebot der Bekl. die Kündigungsschutzklage aufrecht erhalten und beantragt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufzulösen und die Bekl. zur Zahlung einer angemssenen Abfindung zu verurteilen. Der Kl. hat damit das Angebot in einer der Bekl. deutlich erkennbaren Weise abgelehnt. Abgesehen davon, daß die Bekl. den Kl. durch die Kündigungsrücknahme nicht klaglos gestellt hat – die Bekl. hat weder den Klaganspruch i. S. von § 307 ZPO anerkannt noch eingeräumt, die behaupteten personenbedingten Gründe für die Kündigung seien entfallen – konnte dem Kl. bei der gegebenen Sachlage durch die “Rücknahme der Kündigung” demnach nicht das Recht aus § 9 KSchG beeinträchtigt werden, auch wenn die Rücknahme der Kündigung zeitlich vor der Stellung des Auflösungsantrages liegt (vgl. dazu auch das Senatsurt., BAGE 35, 30 = NJW 1982, 1118).“

(BAG, Urteil vom 19.08.1982 – 2 AZR 230/80)

Wird durch die Kündigungsrücknahme der Annahmeverzug beseitigt?

Eine Rücknahme der Kündigung wird durch den Arbeitgeber mitunter erklärt, um den drohenden Annahmeverzug während eines Kündigungsschutzprozesses zu beseitigen. Dafür muss die Rücknahme aber eine hinreichend konkrete Aufforderung an den Arbeitnehmer enthalten, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu erscheinen.

„Da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeit zuweisen muss, endet der Annahmeverzug bei einer „Rücknahme“ der Kündigung nur dann, wenn der Erklärung des Arbeitgebers mit hinreichender Deutlichkeit die Aufforderung zu entnehmen ist, der Arbeitnehmer möge zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort die Arbeit wieder aufnehmen (BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 93/12 – Rn. 22; Schaub ArbR-Hdb/Linck 17. Aufl. § 95 Rn. 62).“

(BAG, Urteil vom 24.05.2017 – 5 AZR 251/16)

Wie kann man sich als Arbeitnehmer gegen eine Kündigung wehren?

Wenn der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung vorgehen möchte, muss er Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden. Ansonsten gilt die Kündigung als wirksam (§§ 4, 7 KSchG).

Welches Arbeitsgericht ist örtlich zuständig?

Die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte richtet sich nach den §§ 12 ff. ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Das bedeutet im Einzelnen:

Bei Klagen gegen eine natürliche Person richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz, § 13 ZPO.

Ist der Beklagte eine juristische Person, gelten dagegen die §§ 12, 17 ZPO. Die örtliche Zuständigkeit wird dann durch den Sitz der juristischen Person bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Je nach den Umständen des Einzelfalls sind bei juristischen Personen auch die besonderen Gerichtsstände der Niederlassung (§ 21 ZPO) und des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO).

Ein weiterer besonderer Gerichtsstand ist in § 48 Abs. 1a ArbGG geregelt, für die dort genannten Verfahren ist auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Das ist zum Beispiel für Außendienstmitarbeiter relevant. Tarifvertragsparteien können jedoch eine andere Zuständigkeit vereinbaren, § 48 Abs. 2 ArbGG.

Hat ein Arbeitnehmer bei Kündigung einen Anspruch auf Abfindung?

Entgegen einem verbreiteten Irrtum hat man als Arbeitnehmer keinen allgemeinen Anspruch auf Abfindung, wenn man gekündigt wird. In der Praxis werden trotzdem häufig Abfindungen gezahlt, um die Risiken eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden. Die Abfindung wird dann entweder direkt in der Kündigung angeboten, in einem Aufhebungsvertrag fixiert oder im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbart.

Wann kommt eine Abfindung in Betracht?

Für den Arbeitgeber besteht bei einer Kündigung das Risiko, dass der Arbeitnehmer dagegen mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht vorgeht. Das Arbeitsgericht entscheidet dann über die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Kommt das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die Kündigung unwirksam war, stellt es dies per Urteil fest. Bis zu einem Urteil können allerdings mehrere Monate vergehen. Dadurch steigt das finanzielle Risiko für den Arbeitgeber. Verliert er nämlich den Gerichtsprozess, muss er dem Arbeitnehmer im schlimmsten Fall den Lohn bis zum Urteil nachzahlen, obwohl der Arbeitnehmer in dieser Zeit garnicht gearbeitet hat (sog. Annahmeverzugsrisiko).

Aus diesem Grund sind Arbeitgeber häufig bereit, die Unsicherheiten einer Kündigung mit einer Abfindung zu beseitigen. Das bringt dem Arbeitgeber Planungssicherheit.

Wann ist eine Abfindung ausgeschlossen?

Da eine Abfindung grundsätzlich eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers darstellt, ist eine Abfindung letztlich niemals ausgeschlossen.

Eine Abfindung wird in der Praxis aber nur dann angeboten, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt. Ohne Kündigungsschutz hat der Arbeitnehmer faktisch kaum eine Möglichkeit, gegen eine Kündigung vorzugehen. Dann besteht für einen Arbeitgeber auch kein Anreiz, eine Abfindung anzubieten.

Ob ein Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt, hängt davon ab, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist oder nicht.

Das Kündigungsschutzgesetz ist – vereinfacht gesagt – nur dann anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis bereits seit sechs Monaten besteht und der Betrieb mehr als zehn Vollzeitmitarbeiter hat (Teilzeitmitarbeiter werden mit mindestens 0,5 berücksichtigt). Bei sog. Kleinunternehmen besteht somit kein Kündigungsschutz.

Wann erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung?

Eine Abfindung ist in vier Fällen denkbar:

Zunächst können Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich einen Aufhebungsvertrag abschließen und darin eine Abfindung vereinbaren. Eine Kündigung ist dann nicht mehr erforderlich.

Eine weitere Möglichkeit ist eine Kündigung des Arbeitgebers aus dringenden betrieblichen Erfordernissen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber bereits im Kündigungsschreiben anbieten, dass er dem Arbeitnehmer eine Abfindung zahlt, wenn er dafür keine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreicht (§ 1a KSchG). Lässt der Arbeitnehmer in diesem Fall die Klagefrist (3 Wochen ab Zugang der Kündigung) verstreichen, erhält er einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 0,5 Bruttomonatsgehältern, multipliziert mit den Jahren der Betriebszugehörigkeit.

Eine Abfindung kann auch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbart werden, wenn der Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben hat. Wenn sich die Parteien insoweit einig sind, erfolgt ein Vergleich meist im Gütetermin.

Die letzte Möglichkeit ist eine Festsetzung der Abfindung durch das Arbeitsgericht selbst (§§ 9, 10 KSchG). Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, dem Arbeitnehmer jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Solche „auflösenden“ Urteile sind aber eher selten, häufiger wird eine Abfindung im Rahmen eines Vergleichs vereinbart.

Wie hoch ist die Abfindung?

Die Höhe der Abfindung ist letztlich Verhandlungssache, richtet sich aber regelmäßig nach dem Gehalt und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Dabei geht man üblicherweise von einem von einem halben Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr aus.

Beispiel: Bruttomonatsgehalt = 4.000,- EUR, 15 Jahre Betriebszugehörigkeit – Regelabfindung = 4.000,- EUR x 0,5 x 15 = 30.000 EUR Abfindung

Dieses Beispiel ist nicht als „in Stein gemeißelt“ zu sehen. Es handelt sich um Richtwerte. Je nach den Umständen des Einzelfalls sind auch niedrigere oder höhere Beträge denkbar. Ist zum Beispiel eine ausgesprochene Kündigung aus rechtlicher Sicht äußerst zweifelhaft, steigen die Chancen, eine höhere Abfindung vereinbaren zu können.

Abfindung – brutto oder netto?

Etliche Kündigungsschutzklagen vor den Arbeitsgerichten werden per Vergleich beendet, häufig schon im Gütetermin. In solchen Vergleichen wird dann regelmäßig vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet ist. Dafür verpflichtet sich der Arbeitgeber regelmäßig, dem Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zu zahlen.

Bei solchen Vergleichen sollte dann stets genau vereinbart werden, ob die Vergleichszahlung als Brutto- oder Nettozahlung zu verstehen ist. Was dabei z.B. schief gehen kann, zeigt eine ältere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1985 (BAG, Urteil vom 21. November 1985 – 2 AZR 6/85). Dort hatten die Parteien in einem Vergleich Folgendes vereinbart:

„1. Die Parteien einigen sich dahingehend, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen auf Veranlassung der Beklagten am 30.06.1980 geendet hat.

2. Aus diesem Anlaß verpflichtet sich die Beklagte an den Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes eine Abfindung gem. § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von DM 40.000,– brutto = netto zu bezahlen.

3. Damit sind sämtliche beiderseitigen Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis erledigt.

4. Damit sind vorliegender Rechtsstreit und der beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg noch anhängige Rechtsstreit 4 Sa 78/80 erledigt. Die Kosten beider Verfahren sind verglichen.“

Man mag vielleicht erahnen, dass die Parteien mit der Vereinbarung brutto = netto etwas anderes gemeint haben. Aber das Bundesarbeitsgericht legte die Klausel im entschiedenen Fall eben nicht als Nettovereinbarung aus.

„Grundsätzlich ist der vom angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung zu folgen. Bei einer an den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB ausgerichteten Auslegung kann der objektive Erklärungsinhalt der Klausel „brutto=netto“ nicht im Sinne einer Nettovereinbarung gedeutet werden. Mit dieser Formulierung wird objektiv nur zum Ausdruck gebracht, daß der vereinbarte Abfindungsbetrag vom Arbeitgeber zunächst ungekürzt an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden soll. Diese Formulierung läßt darüber hinaus nicht eindeutig erkennen, wer von den Parteien die auf die Abfindung anfallende Steuer letztlich zu tragen hat, bzw. daß die Steuerschuld abweichend vom Steuerrecht geregelt werden soll. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und sich auch nicht eindeutig aus den näheren Umständen, die zu der Vereinbarung geführt haben, der Wille der Parteien ergibt, die Steuerschuld besonders zu regeln, läßt die Klausel „brutto=netto“ die gesetzliche Regelung unberührt, wonach der Arbeitnehmer der Steuerschuldner ist. Die Klausel „brutto=netto“ betrifft damit regelmäßig nur die Zahlungsmodalität, indem die Parteien festlegen, der Abfindungsbetrag sei ungekürzt an den Arbeitnehmer auszubezahlen und dieser habe – abweichend von § 38 EStG – die darauf anfallende Lohnsteuer selbst abzuführen.

(BAG, Urteil vom 21. November 1985 – 2 AZR 6/85 –, Rn. 36)

Möchte man also eine Vergleichszahlung als echte Nettozahlung vereinbaren, sollten Formulierungen wie „brutto = netto“ oder „brutto wie netto“ unterbleiben. Die Vereinbarung muss eindeutig und klar die Bereitschaft des Arbeitgebers erkennen lassen, den Arbeitnehmer von der Steuerschuld freizustellen. Anderenfalls verbleibt es bei der Regel, dass die Abfindung brutto geschuldet wird und etwaige Steuern zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. Das BAG verweist in seiner Entscheidung insoweit auf eine Entscheidung des LAG Düsseldorf:

„Vom Arbeitgeber ist hingegen die Steuerschuld zu tragen, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, der Abfindungsbetrag sei “netto” zu zahlen“

(BAG, Urteil vom 21. November 1985 – 2 AZR 6/85 unter Verweis auf LAG Düsseldorf, DB 1970, 784)

Welche Abgaben fallen bei einer Abfindung an?

Da eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und nicht für geleistete Arbeit gezahlt wird, handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB VI. Es fallen daher keine Sozialversicherungsabgaben (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung).

Eine Abfindung stellt jedoch steuerpflichtiges Einkommen dar und ist mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Eine Steuererleichterung ist jedoch über die sog. „Fünftelregelung“ vorgesehen (§ 34 EStG).

Wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?

In der Regel hat eine Abfindung keine negativen Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld. Probleme können sich aber dann ergeben, wenn der Arbeitsvertrag einvernehmlich beendet wird (z.B. durch einen Aufhebungsvertrag). Dann kann unter Umständen eine zwölfwöchige Sperrzeit verhängt werden, weil der Arbeitnehmer durch die einvernehmliche Beendigung seine Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt hat.

Nachteile können sich auch dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer einer Verkürzung der Kündigungsfristen zustimmt.

Wie wird der Urlaubsabgeltungsanspruch berechnet?

Wenn Urlaub in Geld abgegolten werden soll (z.B. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses), muss der Urlaubsabgeltungsanspruch berechnet werden.

Dafür muss man den Wert eines Urlaubstages berechnen und mit der Anzahl der abzugeltenden Resturlaubstage multiplizieren. Der Wert eines Urlaubstages wird üblicherweise mit folgender Formel berechnet:

(Bruttomonatsgehalt) x 3 : 13 : (Anzahl Wochenarbeitstage)

Das Bruttomonatsgehalt wird mit drei multipliziert, so erhält man ein Quartalsgehalt. Ein Quartal hat 13 Wochen, daher muss dies anschließend durch 13 dividiert werden. Das Ergebnis ist dann durch die Anzahl der Wochenarbeitstage zu dividieren (um ggf. Teilzeit zu berücksichtigen).

Beispiel:

Herr Maier verdient 2.000,- € brutto im Monat und arbeitet 4 Tage die Woche. Er hat 5 Tage Resturlaub, die auszuzahlen sind. Der Abgeltungsanspruch errechnet sich wie folgt:

2.000,- € x 3 : 13 : 4 = 115,38 €

Ein Urlaubstag von Herrn Maier ist also 115,38 € brutto wert. Der Abgeltungsanspruch für 5 Tage Resturlaub beträgt also 576,90 € brutto.

Wie ist der Urlaubsabgeltungsanspruch zu versteuern?

Ein Urlaubsabgeltungsanspruch ist als Arbeitslohn zu versteuern. Er stellt aus steuerrechtlicher Sicht keinen Schadensersatzanspruch dar. Das hat z.B. das FG Hamburg entschieden. Es handle sich um eine nachträgliche Lohnzahlung des Arbeitgebers. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch für mehrere Jahre stelle auch keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar (FG Hamburg v. 19.3.2019 – 6 K 80/18).

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