Die Haftung beim Verkehrsunfall

Inhaltsverzeichnis
  1. Wie sollte man sich nach einem Verkehrsunfall verhalten?
  2. Muss man den Unfall durch die Polizei aufnehmen lassen?
  3. Muss man in jedem Fall seine eigene KFZ-Versicherung informieren?
  4. Muss man ein Sachverständigengutachten einholen?
  5. Muss man einen Rechtsanwalt aufsuchen?
  6. Welche Unterlagen braucht man nach einem Verkehrsunfall?
  7. Welche typischen Schäden können nach einem Verkehrsunfall ersetzt werden?
  8. Muss man sein Fahrzeug reparieren lassen?
  9. Wie kann der Geschädigte seinen Reparaturschaden abrechnen?
  10. Was bedeutet fiktive Schadensabrechnung?
  11. Was bedeutet konkrete Schadensabrechnung?
  12. Kann man die fiktive und konkrete Schadensabrechnung kombinieren?
  13. Kann man seinen Schaden zuerst fiktiv und dann konkret abrechnen?
  14. Kann man bei fiktiver Abrechnung den Ersatz von Umsatzsteuer beanspruchen?
  15. Bis zu welcher Höhe muss der Schädiger Reparaturkosten erstatten?
  16. Was ist das „4-Stufen-Modell“?
  17. Was ist, wenn der Reparaturaufwand unter dem Wiederbeschaffungsaufwand liegt?
  18. Was ist, wenn der Reparaturaufwand zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert liegt?
  19. Was ist, wenn der Reparaturaufwand über dem Wiederbeschaffungswert liegt?
  20. Was ist, wenn die Reparaturkosten mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes betragen?
  21. Muss man sich bei fiktiver Abrechnung einen Neuwagenrabatt anrechnen lassen?
  22. Ist man an Restwertangebote der gegnerischen Versicherung gebunden?
  23. Reparatur in eigener KFZ-Werkstatt – Darf die Haftpflichtversicherung den Erstattungsbetrag kürzen?
  24. Muss man sich Vorschäden anrechnen lassen?
  25. Wie kann der Geschädigte die Beseitigung eines Vorschadens beweisen?
  26. Was hoch ist die Unkostenpauschale beim Verkehrsunfall?
  27. Was gilt bei Mitverschulden?
  28. Was bedeutet Haftungsverteilung / Quotenhaftung?
  29. Wie ist die Haftungsverteilung bei nur einem beteiligten Fahrzeug?
  30. Wie ist die Haftungsverteilung bei zwei oder mehr Fahrzeugen?
  31. Was gilt bei höherer Gewalt?
  32. Welche Haftungsquote gilt, wenn der Unfall nicht mehr aufklärbar ist?
  33. Führt Alkohol am Steuer automatisch zu Mitverschulden?
  34. Welche Haftungsbegrenzungen bestehen nach dem Haftpflichtgesetz?
  35. Wie bekommt man den Schaden bei einer Unfallflucht ersetzt?
  36. Wie ist die Beweislast beim „kontaktlosen“ Unfall?
  37. Welcher Gerichtsstand gilt bei Verkehrsunfällen im Ausland?
  38. Haften Minderjährige für Schäden im Straßenverkehr?
  39. Welche Besonderheiten gelten auf privaten Parkplätzen?
  40. Welche Besonderheiten gelten, wenn ein Einkaufswagen auf dem Supermarktparkplatz einen PKW beschädigt?

Wie sollte man sich nach einem Verkehrsunfall verhalten?

Wenn man in einen Autounfall verwickelt wird, ist der Schock meistens groß. Trotzdem sollte man immer versuchen, einige wichtige Punkte zu beherzigen, damit es später zu keinem (vermeidbaren) Ärger kommt.

Muss man den Unfall durch die Polizei aufnehmen lassen?

Die Polizei ist zwar nicht dafür zuständig, die Schadensersatzpflicht zu klären. Trotzdem empfiehlt es sich, die Polizei zu rufen, wenn man unverschuldet in einen Autounfall verwickelt wurde. Die Polizei nimmt dann das Unfallgeschehen sowie die beteiligten Fahrzeuge und Fahrer auf. Diese Angaben erleichtern eine spätere Schadensregulierung. Sollte ein eigenes Verschulden im Raum stehen, sollten Sie sich in keinem Fall selbst belasten, Angaben zur Person und zum Fahrzeug genügen.

Wichtig: Bei kleineren Parkschäden reicht es nicht aus, einfach einen Zettel am beschädigten Fahrzeug mit den eigenen Kontaktdaten zu hinterlassen. Wer den Unfallort so vorzeitig verlässt, riskiert ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB).

Muss man in jedem Fall seine eigene KFZ-Versicherung informieren?

Wenn zumindest eine Teilschuld im Raum steht oder der andere Verkehrsteilnehmer Schadensersatzansprüche anmeldet, müssen Sie unverzüglich Ihre eigene Kfz-Haftpflicht informieren. Ebenso müssen Sie unverzüglich ihre eigene Vollkaskoversicherung informieren, wenn diese später den Schaden regulieren soll.

Muss man ein Sachverständigengutachten einholen?

Zur Schadensregulierung benötigen Sie regelmäßig einen Kostenvoranschlag einer Reparaturwerkstatt oder ein Sachverständigengutachten. Als Faustformel können Sie sich Folgendes merken:

Bei Bagatellschäden (bis circa 1.000 € Schaden) reicht ein Kostenvoranschlag einer Reparaturwerkstatt nebst Fotos vom beschädigten Fahrzeug. Ein Sachverständigengutachten ist dann nicht nötig (und auch nicht erstattungsfähig). Geht es um eine aufwändigere Reparatur oder um einen Totalschaden, sollten Sie einen KFZ-Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragen. Den Sachverständigen dürfen Sie sich frei aussuchen.

Lassen Sie sich in jedem Fall eine Kopie der Sachverständigenrechnung aushändigen, auch wenn dieser gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung abrechnet.

Sämtliche finanziellen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall stehen, sollten vorsorglich protokolliert und es sollten Belege gesammelt werden (z.B. Besuchskosten für den Besuch verletzter Angehöriger). Diese Aufwendungen können am Ende erstattungsfähig sein.

Muss man einen Rechtsanwalt aufsuchen?

Einen unverschuldeten Verkehrsunfall können Sie zwar, müssen Sie aber nicht selbst regulieren! Sie dürfen sofort einen Rechtsanwalt mit der Schadensregulierung beauftragen, auch wenn Ihnen die Versicherung bereits Fragebögen o.ä. zugeschickt hat. Die gegnerische KFZ-Haftpflichtversicherung muss auch die Kosten des Rechtsanwalts erstatten. Sie brauchen sich also selbst um nichts zu kümmern.

Welche Unterlagen braucht man nach einem Verkehrsunfall?

Wenn Sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden, dürfen Sie sich sofort einen Rechtsanwalt nehmen und diesen mit der Regulierung Ihres Schadens beauftragen. Die Kosten hierfür muss die gegnerische Haftpflichtversicherung erstatten. Um Ansprüche so schnell wie möglich durchzusetzen, sollten Sie hierfür alle notwendigen Informationen bereithalten. Wichtig sind insbesondere:

  • Kennzeichen des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs
  • Name des anderen Halters
  • Name des anderen Fahrers
  • Name und Anschrift der gegnerischen Versicherung
  • Unfalltag und Unfallzeit
  • Namen und Anschriften von Zeugen
  • Soweit polizeilich aufgenommen, Adresse der Dienststelle und polizeiliches Aktenzeichen
  • Ihre eigenen Daten über Ihr Fahrzeug und die Versicherung

Sollten Sie nicht alle Daten über den Gegner haben, genügt notfalls auch das Kennzeichen des anderen Fahrzeugs und das Datum und die Uhrzeit des Unfalls. Ihr Rechtsanwalt kann dann über den Zentralruf der Autoversicherer die für Sie zuständige Versicherung ermitteln.

Darüber hinaus sind natürlich Unterlagen und/oder andere Informationen wichtig, aus denen die Höhe Ihres Schadens hervorgeht, z.B.:

  • Kostenvoranschlag Ihrer Werkstatt
  • Sachverständigengutachten
  • Rechnungen bzw. Reparaturbelege über Vorschäden
  • Finanzierungs-/ Leasingvertrag
  • Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit / ärztliche Atteste

Welche typischen Schäden können nach einem Verkehrsunfall ersetzt werden?

Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann gemäß § 249 BGB grundsätzlich den Ersatz aller Schäden verlangen, die ihm durch den Unfall entstanden sind. Meistens lassen sich diese in Sachschäden und Personenschäden unterteilen. Typische Schadenspositionen sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Anmeldekosten / Abmeldekosten: Solche Kosten fallen mitunter bei der Wiederbeschaffung eines neuen (bzw. gebrauchten) Fahrzeugs an.

Abschleppkosten: Abschleppkosten können geltend gemacht werden, wenn das beschädigte Fahrzeug nicht mehr fahrbereit bzw. nicht mehr verkehrssicher war.

Beschädigte Gegenstände: Neben dem beteiligten Fahrzeug selbst können auch andere Gegenstände, z.B. Motorradhelme oder Kleidung beschädigt werden. In diesem Fall ist es hilfreich, wenn Quittungen o.ä. vorgelegt werden können.

Besuchskosten: Auch die Kosten für Besuche im Krankenhaus können unter Umständen erstattungspflichtig sein, wenn sie der Heilung förderlich sind. Das gilt jedoch nur für Kosten naher Angehöriger (z.B. Eltern von minderjährigen Kindern).

Fahrtkosten: Fahrtkosten können aus verschiedensten Gründen anfallen, z.B. für Besuche im Krankenhaus oder Fahrten zum Rechtsanwalt. Diese müssen konkret nachgewiesen werden.

Haushaltsführungsschaden: Ein Haushaltsführungsschaden kann ggf. geltend gemacht werden, wenn die verletzte Person normalerweise Tätigkeiten im Haushalt erbringt, welche sie durch die Verletzung aber nicht mehr erbringen kann.

Höherstufungsschaden: Wird aufgrund eines Verkehrsunfalls die eigene Versicherung in Anspruch genommen und kommt es zu einer Höherstufung bei der Prämienzahlung, kann dieser Höherstufungsschaden unter Umständen erstattungspflichtig sein.

Mietwagenkosten: Grundsätzlich können auch Mietwagenkosten erstattet werden, wenn der Geschädigte auf sein Fahrzeug verzichten muss und daher ein Mietwagen angemietet wird. Dabei sollte man allerdings nur zu marktüblichen Preisen anmieten und sich nicht auf – häufig überhöhte – Unfallersatztarife einlassen. Diese verursachen sonst regelmäßig Probleme bei der Schadensregulierung.

Neuwagenersatz: Wird ein neuwertiges Fahrzeug erheblich beschädigt, kann der Schaden unter Umständen auf Neuwagenbasis abgerechnet werden, d.h. der Geschädigte kann die Kosten für ein fabrikneues Ersatzfahrzeug erstattet verlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Fahrzeug höchstens 4 Wochen alt ist und nicht mehr als  1.000 km gefahren wurde.

Nutzungsausfall: Wenn für die Dauer der Reparatur oder Ersatzbeschaffung auf ein Ersatzfahrzeug verzichtet wird, aber generell der Wille und die Möglichkeit zur Nutzung des Fahrzeugs vorlagen, kann der Geschädigte Nutzungsersatz verlangen. Meistens wird der Nutzungsersatz nebst Reparaturdauer im Sachverständigengutachten mit ausgewiesen.

Reparaturkosten: Reparaturkosten sind solche Kosten, die erforderlich sind, um ein beschädigtes Fahrzeug sachgemäß reparieren zu lassen.Die Reparaturkosten werden regelmäßig von einem Sachverständigen in einem Gutachten oder von der Werkstatt in einem Kostenvoranschlag ermittelt. Bei einem bloßen Bagatellschaden sind allerdings die Kosten für ein Sachverständigengutachten nicht erstattungsfähig!

Bei den Reparaturkosten kommt es häufig zum Streit mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung über folgende Positionen:

  • Verbringungskosten (z. B. in eine Lackiererei)
  • sog. UPE-Aufschläge (Zuschläge der markengebundenen Werkstätten)
  • Höhe der Stundenverrechnungssätze

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf grundsätzlich – soweit eine Reparatur noch wirtschaftlich erscheint – eine Fachwerkstatt seiner Wahl beauftragen.

Die Reparaturkosten sind aber nur bis zu einem bestimmten Rahmen erstattungsfähig. Das gilt insbesondere bei wirtschaftlichen Totalschäden. Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt dann vor, wenn eine Reparatur des beschädigten Fahrzeuges zwar technisch möglich ist, sich aber wirtschaftlich nicht mehr lohnt, weil der Reparaturaufwand höher ist als der wirtschaftliche Aufwand für die Beschaffung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges. Das kommt z.B. schnell bei älteren Fahrzeugen vor. Hier übersteigen die Reparaturkosten für eine fachgerechte Reparatur schnell den Preis, der für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug am Markt zu bezahlen wäre.

Nach der BGH-Rechtsprechung gilt hierbei die sog. 130%-Grenze. Dem Eigentümer eines Fahrzeugs wird dadurch gewissermaßen eine persönliche Bindung zu „seinem Fahrzeug“ zugestanden. Die Reparaturkosten dürfen daher bis zu 130% des Wiederbeschaffungswertes betragen. Innerhalb dieser Grenze kann der Geschädigte auf einer Reparatur seines Fahrzeugs bestehen.

Rechtsanwaltskosten: Auch Rechtsanwaltskosten sind Schadensbestandteil und bei einem unverschuldeten Unfall von der gegnerischen Haftpflichtversicherung in voller Höhe zu übernehmen.

Reisekosten vom Unfallort nach Hause: Wenn das beschädigte Fahrzeug nicht mehr fahrbereit ist, können unter Umständen auch Reisekosten ersetzt verlangt werden.

Sachverständigenkosten: Auch die Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sind erstattungsfähig, sofern es sich nicht um bloße Bagatellschäden handelt.

Schmerzensgeld: Der Geschädigte hat Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn er aufgrund einer bei einem Unfall eingetretenen Verschlechterung des körperlichen Wohlbefindens eine Kompensation verlangen kann. Die Bezifferung erfolgt meistens aufgrund objektiver Nachweise (ärztliche Bescheinigungen) und Schmerzensgeldtabellen.

Standgebühren / Abstellkosten: Standgebühren können nach dem Abschleppen des Fahrzeugs anfallen, wenn dieses über längere Zeit beim Abschleppunternehmen dort eine Parkfläche belegt. Solche Gebühren sind aber grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht zu vermeiden.

Umsatzsteuer / Mehrwertsteuer: Die Umsatzsteuer ist nur dann ersatzfähig, wenn sie auch tatsächlich angefallen ist. Der Anfall der Umsatzsteuer muss durch eine Rechnung, eine Quittung oder andere vergleichbare Dokumente nachgewiesen werden.

Die Umsatzsteuer ist nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. In diesem Fall stellt die angefallene Umsatzsteuer keinen Schaden dar, da der Geschädigte diese im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung abziehen kann.

Unkostenpauschale: Der Unfallgeschädigte hat einen Anspruch auf Ersatz der allgemeinen Kosten, die ihm im Rahmen der Schadensregulierung entstehen. Diese können regelmäßig pauschal mit 20-30 € angesetzt werden.

Wertminderung: Wenn bei einem Fahrzeug Schäden entstehen, die über bloße Bagatellschäden hinausgehen (insb. bei Deformationen der Karosserie oder Beschädigung von sicherheitsrelevanten Teilen) müssen diese bei einem Weiterverkauf des Fahrzeugs angegeben werden. Das wiederum führt regelmäßig zu einer Reduzierung des Kaufpreises (sog. merkantiler Minderwert). Dieser Minderwert ist als Schaden ersatzfähig. Meistens wird der Minderwert im Sachverständigengutachten mit ausgewiesen. Dabei vergleicht der Sachverständige den möglichen Verkaufspreis vor dem Unfall und den erzielbaren Verkaufspreis nach einer fachgerecht durchgeführten Reparatur.

Muss man sein Fahrzeug reparieren lassen?

Der Geschädigte hat grundsätzlich die Wahl: Entweder er lässt sein Auto reparieren und reicht die Reparaturrechnung ein.

Bei kleineren Beulen oder Lackkratzern, die nicht stören, kann der Geschädigte auch auf eine Reparatur verzichten (oder diese selbst vornehmen). Er darf dann den Schaden „fiktiv“ abrechnen, also auf Basis des Sachverständigengutachtens. Dann bekommt er allerdings nur die Netto-Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer erstattet.

Bei einem Totalschaden wird dagegen die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert erstattet.

Wie kann der Geschädigte seinen Reparaturschaden abrechnen?

Wer durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurde, hat einen Anspruch gegen den Verursacher auf Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten. Der Geschädigte kann dabei grundsätzlich wählen, ob er den Schaden fiktiv oder konkret abrechnen möchte. Ob der Geschädigte besser fiktiv oder konkret abrechnet, hängt von den konkreten Umständen des Schadens ab und von den persönlichen Vorlieben des Geschädigten.

Was bedeutet fiktive Schadensabrechnung?

Bei der fiktiven Abrechnung kann der Geschädigte vom Schädiger den Geldbetrag verlangen, der notwendig wäre, um sein beschädigtes Fahrzeug reparieren zu lassen. Das ergibt sich aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB:

„Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.“

Wie hoch dieser Geldbetrag ist, wird regelmäßig durch ein KFZ-Sachverständigengutachten bestimmt. Bei der fiktiven Schadensabrechnung kann der Geschädigte allerdings nur die im Gutachten ausgewiesenen Nettoreparaturkosten ohne Mehrwertsteuer ersetzt verlangen, wie sich aus § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ergibt:

„Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“

Der Geschädigte ist bei der fiktiven Abrechnung nicht verpflichtet, das Fahrzeug reparieren zu lassen! Er kann es zum Beispiel nur verkehrssicher in Stand setzen und den gesparten Geldbetrag anderweitig verwenden.

Was bedeutet konkrete Schadensabrechnung?

Bei einer konkreten Schadensabrechnung wird das beschädigte Fahrzeug in einer Werkstatt instandgesetzt. Der Geschädigte kann dann den Schaden durch Vorlage der Reparaturrechnung nachweisen. In diesem Fall darf der Geschädigte auch die Mehrwertsteuer ersetzt verlangen (es sei denn, er ist selbst vorsteuerabzugsberechtigt).

Kann man die fiktive und konkrete Schadensabrechnung kombinieren?

Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist nach der Rechtsprechung nicht möglich (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2007, Az. VI ZR 146/16). Das OLG Köln hat dies in einem Urteil aus dem Jahr 2001 sehr anschaulich erklärt:

„Dabei verbietet sich die fiktive, auf einer Schätzung des Sachverständigen beruhende Abrechnung nachträglich um einzelne Kostenpositionen zu ergänzen, die sich angeblich erst bei der anschließend durchgeführten Reparatur herausgestellt haben. Die Abrechnung auf fiktiver Basis kann mit der Abrechnung auf der Grundlage einer tatsächlich durchgeführten Reparatur nicht beliebig verquickt werden. Dies würde nämlich im Ergebnis dazu führen, dass der Geschädigte nicht nur den gem. § 249 S. 2 BGB geschuldeten Ersatzbetrag verlangen kann, sondern an dem Unfall noch tatsächlich verdienen könnte.“

(OLG Köln, Urteil vom 01.03.2001 – 1 U 112/00)

Kann man seinen Schaden zuerst fiktiv und dann konkret abrechnen?

Der Geschädigte darf aber zunächst seinen Schaden fiktiv abrechnen und später das Fahrzeug doch noch reparieren lassen und dann die angefallenen Kosten ersetzt verlangen. Das bietet sich zum Beispiel an, wenn sich herausstellt, dass der Schaden höher ist als zunächst gefordert.

„Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst (fiktiv) auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten abrechnet, ist an diese Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden, sondern kann nach erfolgter Reparatur grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen.“

(BGH, Urteil vom 18. 10. 2011 – VI ZR 17/11)

Kann man bei fiktiver Abrechnung den Ersatz von Umsatzsteuer beanspruchen?

Wählt ein Unfallgeschädigter den Weg der sog. fiktiven Schadensabrechnung (also auf Gutachtenbasis), kann er nicht den Ersatz von Umsatzsteuer verlangen. Das gilt auch dann, wenn bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21).

Bis zu welcher Höhe muss der Schädiger Reparaturkosten erstatten?

Nach einem Verkehrsunfall stellt sich für den Geschädigten häufig die Frage: Reparatur oder Ersatzfahrzeug? Grundsätzlich kann der Geschädigte wählen, ob er sein beschädigtes Fahrzeug reparieren oder sich ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug beschaffen möchte. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Ein Geschädigter soll nämlich nicht an einem Verkehrsunfall verdienen, vgl. BGH, Urteil vom 29. 4. 2003 – VI ZR 393/02:

„Der zu gewährende Schadensausgleich wird außerdem begrenzt durch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das besagt, dass der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht „verdienen” soll.“

(BGH, Urteil vom 29. 4. 2003 – VI ZR 393/02)

Der Bundesgerichtshof hat hierzu vier Fallgruppen entwickelt („4-Stufen-Modell“). Ob ein Unfallgeschädigter auf Reparaturkosten- oder auf Totalschadensbasis abrechnen kann, hängt von der jeweiligen Schadensstufe ab. Diese werden nachfolgend erläutert.

Was ist das „4-Stufen-Modell“?

Um das „4-Stufen-Modell“ des BGH zu verstehen, ist es erforderlich, die folgenden Definitionen zu kennen:

Unter dem Reparaturaufwand versteht man die tatsächlichen Reparaturkosten zuzüglich unfallbedingtem Minderwert.

Also: Reparaturaufwand = Reparaturkosten zzgl. Minderwert

Bei den Reparaturkosten sind regelmäßig die  Bruttoreparaturkosten einschließlich Umsatzsteuer maßgeblich, vgl. BGH, Urteil vom 3. 3. 2009 – VI ZR 100/08:

„Kommt es beim Kraftfahrzeughaftpflichtschaden für den Umfang des Schadensersatzes darauf an, ob die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, ist in der Regel auf die Bruttoreparaturkosten abzustellen.“

Unter dem Wiederbeschaffungsaufwand versteht man den Wiederbeschaffungswert (also den Wert, zu dem ein vergleichbares Ersatzfahrzeug beschafft werden kann) abzüglich dem Restwert des beschädigten Fahrzeugs (diesen muss sich der Geschädigte zumindest anrechnen lassen).

Also: Wiederbeschaffungsaufwand = Wiederbeschaffungswert  – Restwert

Was ist, wenn der Reparaturaufwand unter dem Wiederbeschaffungsaufwand liegt?

Ist der Reparaturaufwand geringer als der Wiederbeschaffungsaufwand, hat der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven oder konkreten Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 67/91). Die Umsatzsteuer ist nur dann zu ersetzen, sofern sie tatsächlich angefallen ist. Das ergibt sich aus § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB:

„Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“

Was ist, wenn der Reparaturaufwand zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert liegt?

Liegt der Reparaturaufwand zwischen dem Wiederbeschaffungsaufwand und dem Wiederbeschaffungswert, bestehen drei Möglichkeiten:

Wird das Fahrzeug überhaupt nicht oder nur teilweise repariert (also fiktiv abgerechnet), aber mindestens 6 Monate weiter genutzt, kann der Geschädigte die vom Sachverständigen geschätzten Netto-Reparaturkosten ohne Abzug eines Restwertes erstattet verlangen, vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2008, Az. VI ZR 220/07:

„Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-) reparieren lässt (im Anschluss an BGH, 29. April 2003, VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 ff.; BGH, 23. Mai 2006, VI ZR 192/05, BGHZ 168, 43 ff.)“

Wenn der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug weiterveräußert, kann er den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert – Restwert) ersetzt verlangen, vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2005, Az. VI ZR 192/04:

„Läßt der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Fahrzeug nicht reparieren, sondern realisiert er durch dessen Veräußerung den Restwert, ist sein Schaden in entsprechender Höhe ausgeglichen. Deshalb wird auch bei Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten in solchen Fällen der Schadensersatzanspruch durch den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt, so daß für die Anwendung einer sog. 70 %-Grenze kein Raum ist.“

Lässt der Geschädigte das Fahrzeug vollständig reparieren, kann er grundsätzlich die Brutto-Reparaturkosten erstattet verlangen. Auf eine spätere Weiternutzung des Fahrzeugs kommt es in diesem Fall nicht an, siehe BGH, Urteil vom 23.11.2010, Az. VI ZR 35/10:

„Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt.

2. Vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht.“

Was ist, wenn der Reparaturaufwand über dem Wiederbeschaffungswert liegt?

Wenn der Reparaturaufwand über dem Wiederbeschaffungswert liegt, kann der Geschädigte die Reparaturkosten nur unter folgenden Voraussetzungen verlangen:

  • Der Reparaturaufwand liegt bis maximal 30 % über dem Wiederbeschaffungswert.
  • Der Geschädigte lässt das Fahrzeug vollständig und fachgerecht reparieren (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005, Az. VI ZR 70/04).
  • Der Geschädigte nutzt das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2007 – VI ZR 89/07).

Der BGH führt hierzu aus (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – VI ZR 70/04):

„Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.“

Die erforderliche Weiternutzung für mindestens 6 Monate begründet der BGH folgendermaßen:

„Der Geschädigte, der Ersatz des Reparaturaufwands über dem Wiederbeschaffungswert verlangt, bringt sein für den Zuschlag von bis zu 30% ausschlaggebendes Integritätsinteresse regelmäßig dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt.

Im Regelfall wird hierfür ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen.“

Was ist, wenn die Reparaturkosten mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes betragen?

Wenn die Reparaturkosten mehr als 130% des Wiederbeschaffungswertes betragen, erscheint die Instandsetzung des Fahrzeugs in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. Der Geschädigte kann daher in solchen Fällen grundsätzlich nur den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) ersetzt verlangen, vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005, Az. VI ZR 172/04:

„Übersteigt der Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, können dem Geschädigten Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt.“

Muss man sich bei fiktiver Abrechnung einen Neuwagenrabatt anrechnen lassen?

Mit dieser Frage hatte sich z.B. das OLG Stuttgart beschäftigt. Das OLG Stuttgart entschied, dass der Geschädigte sich bei fiktiver Abrechnung eines Verkehrsunfallschadens regelmäßig keinen bei der Ersatzanschaffung eines Neufahrzeugs erzielbaren Rabatt anrechnen lassen muss. Eine Anrechnung käme nur dann in Betracht, wenn die Anschaffung eines Neufahrzeugs unter Berücksichtigung des Sonderrabatts günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2023, Az. 2 U 303/21).

Ist man an Restwertangebote der gegnerischen Versicherung gebunden?

Bei einer Abrechnung eines Totalschadens hat die gegnerische Haftpflichtversicherung ein wirtschaftliches Interesse daran, dass der Restwert des beschädigten Fahrzeugs möglich hoch angesetzt wird.

Daher versenden Versicherer dem Geschädigten häufig ein Restwertangebot eines Aufkäufers, welches höher als Restwertangebot im Schadensgutachten ist. Die Abwicklung ist regelmäßig kostenlos und die Abholung erfolgt beim Geschädigten durch spezielle Abwicklungsfirmen. Diese Praxis ist zulässig. Der Geschädigte ist jedenfalls dann, wenn er das beschädigte Fahrzeug noch nicht veräußert hat, verpflichtet, ein rechtzeitiges Restwertangebot im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht anzunehmen oder sich zumindest die Differenz anrechnen zu lassen, so der BGH:

„Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen; er muß sich jedoch einen höheren Erlös anrechnen lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes ohne besondere Anstrengungen erzielt.“

(BGH, Urteil vom 07.12.2004, Az. VI ZR 119/04)

Der Geschädigte ist allerdings nicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben, weitere Angebote räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte muss auch nicht zunächst abwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen (BGH, Urteil vom 27.09.2016, Az. VI ZR 673/15).

Reparatur in eigener KFZ-Werkstatt – Darf die Haftpflichtversicherung den Erstattungsbetrag kürzen?

Es kommt immer wieder vor, dass der Geschädigte eine eigene Reparaturwerkstatt betreibt und das Fahrzeug dort selbst repariert (Stichwort „Reparatur werkstatteigener Fahrzeuge“). Dann entbrennt immer wieder Streit darüber, ob sich der Geschädigte den Unternehmergewinn vom Erstattungsbetrag abziehen lassen muss. Die KFZ-Haftpflichtversicherer nehmen hierbei teilweise Abzüge in Höhe von 20 % vor.

Nach der herrschenden Rechtsprechung hat der Geschädigte grundsätzlich auch dann einen Anspruch auf Ersatz des vollen Wiederherstellungsaufwands, wenn er das beschädigte Fahrzeug in einer eigenen Werkstatt reparieren lässt, und wenn in der für die Reparatur angefallenen Zeit ein anderer Auftrag hätte erledigt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 363/12; BGH, Urteil vom 30. Juni 1997 – II ZR 186/96; BGH, Urteil vom 19. Juni 1973 – VI ZR 46/72; BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 – VI ZR 168/68; LG Mühlhausen, Urteil vom 08. November 2011 – 2 S 95/11; AG Marl, Urteil vom 25. März 2010 – 3 C 554/09; AG Halle, Urteil vom 25. September 2008 – 2 C 1115-07; AG Düsseldorf, Urteil vom 03. November 2000 – 39 C 6443/00; LG Wiesbaden, Urteil vom 06. Februar 1991 – 14 O 36/89; LG Heidelberg, Urteil vom 21. August 1990 – 4 S 24/90; AG Ulm, Urteil vom 11. August 1989 – 1 C 1131/89 – 03; LG Bochum, Urteil vom 21. Juni 1989 – 10 S 61/89).

Problematisch ist, wer insoweit die (mangelnde) Auslastung des Reparaturbetriebes beweisen muss. Die ältere Rechtsprechung ging noch davon aus, dass der Geschädigte insoweit vollumfänglich beweispflichtig ist (vgl. z.B. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28. September 1988 – 8 S 4444/88).

Nach der neueren Rechtsprechung trifft allerdings insoweit den Schädiger die Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 363/12; AG Aschaffenburg, Urteil vom 22. September 2015 – 126 C 2089/14; LG Mühlhausen, Urteil vom 08. November 2011 – 2 S 95/11; AG Düsseldorf, Urteil vom 03. November 2000 – 39 C 6443/00; LG Wiesbaden, Urteil vom 06. Februar 1991 – 14 O 36/89; LG Heidelberg, Urteil vom 21. August 1990 – 4 S 24/90).

Der Geschädigte sollte es sich angesichts dessen trotzdem nicht zu einfach machen und einfach behaupten, sein Reparaturbetrieb sei ausgelastet gewesen. Denn nach der Rechtsprechung trifft den Geschädigten insoweit eine so genannte sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 363/12; AG Altötting, Urteil vom 19. Juni 2015 – 1 C 558/14; AG Chemnitz, Urteil vom 21. März 2014 – 15 C 3153/13; AG Kassel, Urteil vom 23. Juli 2013 – 423 C 315/13).

Hintergrund ist, dass der Unfallverursacher bzw. seine Kfz Haftpflichtversicherung regelmäßig keine Möglichkeit haben, die Auslastung des Reparaturbetriebs überprüfen zu können.

Wer also bei einer Reparatur in der eigenen Kfz Werkstatt keine Abzüge durch die gegnerische KFZ-Haftpflichtversicherung hinnehmen möchte, sollte vorsichtshalber Beweismittel für die Auslastung des Werkstattbetriebs zum Zeitpunkt der Reparatur sammeln. Dazu bieten sich beispielsweise an:

  • Aufzeichnungen in den Auftragsbüchern
  • Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten der Mitarbeiter („Stundenzettel“)
  • Aussagen von Mitarbeitern als Zeugen über die Auslastungsituation

Muss man sich Vorschäden anrechnen lassen?

Fiktiv abgerechnete Schäden werden von den Versicherern an Hinweis- und Informations-System der Versicherungswirtschaft-GmbH (HIS) gemeldet und dort gespeichert. Wir ein KFZ-Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen, so prüft dieser bei der Schadensbearbeitung, ob bei dem betreffenden Fahrzeug bereits ein Vorschaden vorliegt, der nur fiktiv abgerechnet wurde. Ggf. wird dann ein Abzug nach den Grundzügen „Neu für Alt“ vorgenommen. Möchte der Geschädigte dies vermeiden, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass der Vorschaden fachgerecht und vollständig beseitigt wurde.

Wie kann der Geschädigte die Beseitigung eines Vorschadens beweisen?

Bei der Darlegung und Beweisführung einer sach- und fachgerechten Reparatur eines Vorschadens kommt dem Geschädigten die erleichterte Beweismaß nach § 287 ZPO zugute. Geht es zum Beispiel um einen sog. Bagatellschaden, der nur das äußerliche Erscheinungsbild des Fahrzeugs (Kratzer, kleine Dellen) und keine dahinter liegenden Teile betrifft, kann das Gericht unter Berücksichtigung von § 287 ZPO im Rahmen der Beweisaufnahme selbst feststellen, ob der Schaden sach- und fachgerecht beseitigt worden ist (vgl. OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 14 U 149/22).

Was hoch ist die Unkostenpauschale beim Verkehrsunfall?

Nach einem Verkehrsunfall entstehen dem Geschädigten meistens Auslagen in kleinerem Umfang, zum Beispiel für Telefon, Porto- und Fahrtkosten. Das Problem für den Geschädigten ist häufig, dass er diese Kleinbeträge im einzelnen schlecht belegen kann. Die Rechtsprechung erkennt daher zugunsten von Verkehrsunfallgeschädigten eine allgemeine Unkostenpauschale an.

Die Unfallkostenpauschale zeichnet sich dadurch aus, der Geschädigte die getätigten Aufwendungen nicht im einzelnen darlegen und beweisen muss.

Wie hoch diese allgemeine Unkostenpauschale ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Meistens werden jedoch Beträge zwischen 20 und 30 € zugesprochen. Wichtig ist zu wissen, dass pro Unfall nur einmal die Unfallkostenpauschale verlangt werden kann.

Soweit dem Geschädigten tatsächlich höhere Kosten entstanden sind, besteht für ihn natürlich weiterhin die Möglichkeit, seine Unkosten konkret zu belegen und gegenüber dem Schädiger bzw. seiner Haftpflichtversicherung abzurechnen.

Nachfolgend finden Sie einige Gerichtsentscheidungen zur Höhe der Unkostenpauschale:

  • AG Brandenburg, Urteil vom 08. Januar 2016 – 31 C 111/15 (25 €, konkrete Darlegung der Kosten bleibt möglich)
  • AG Nürnberg, Urteil vom 08.05.2015 – 18 C 8938/14 (25€)
  • AG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014 – 37 C 11789/11 (25€)
  • OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014 – 4 U 61/13 (25€)
  • OLG München, Urteil vom 26.04.2013 –10 U 4938/12 (25€)
  • OLG Köln, Urteil vom 26.02.2013 – 3 U 141/12 (25€)
  • BGH, Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 37/11 (Anspruch auf Unkostenpauschale, keine generelle Anerkennung auf sämtliche Schadensfälle)
  • LG Ansbach, Urteil vom 05.01.2012 – 1 S 717/11 (25€)
  • OLG München, Urteil vom 08.04.2011 – 10 U 5122/10 (25€)
  • OLG Frankfurt/Main (Urteil vom 17.03.2011 – 17 U 276/09 (30 €)
  • OLG Frankfurt, Urteil vom 08.02.2011 – 22 U 162/08 (konkrete Darlegung der Kosten bleibt möglich)
  • KG Berlin, Beschluss vom 20.12.2010 – 12 U 70/10 (20 €)
  • KG Berlin, Urteil vom 16.08.2010 – 22 U 15/10 (20 €)
  • AG Schwäbisch Hall, Urteil vom 06.05.2010 – 6 C 20/10 (30 €)
  • OLG Stuttgart, Urteil vom 07.04.2010 – 3 U 216/09 (25€)
  • OLG Nürnberg, Urteil vom 15.08.2008 – 5 U 29/08 (25€)
  • OLG Celle, Urteil vom 09.09.2004 – 14 U 32/04 (25€)

Was gilt bei Mitverschulden?

Verkehrsunfälle werden nicht immer von einem Teilnehmer alleine verschuldet. Es kann genauso vorkommen, dass mehrere Unfallbeteiligte „gepennt“ haben. In diesem Beitrag stellen wir kurz die Grundzüge des Mitverschuldens beim Verkehrsunfall (Quotelung) dar.

Was bedeutet Haftungsverteilung / Quotenhaftung?

Die Ersatzpflicht des Schädigers hängt davon ab, ob der Geschädigte den Schaden mitverursacht hat bzw. ihn ein Mitverschulden trifft.

Zentrale Grundvorschrift ist insoweit § 254 Abs. 1 BGB:

„Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.“

Daneben existieren für den Bereich des Straßenverkehrsrechts Sondervorschriften (§§ 9, 17, 18 StVG). Die Besonderheit der straßenverkehrsrechtlichen Haftung liegt darin, dass Fahrzeughalter und Fahrzeugführer verschuldensunabhängig haften. Dahinter steckt der Gedanke, dass Kraftfahrzeuge generell gefährlich sind (sog. Gefährdungshaftung). Insofern ist der Begriff „Mitverschulden“ bei Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen mitunter nicht ganz korrekt, es geht dann um die Frage der „Haftungsverteilung“.

Wie ist die Haftungsverteilung bei nur einem beteiligten Fahrzeug?

Wird der eigene Anspruch auf eine Haftung aus StVG gestützt, gilt zunächst § 7 StVG:

„(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Fahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Fahrzeug vom Halter überlassen worden ist. Die Sätze 1 und 2 sind auf die Benutzung eines Anhängers entsprechend anzuwenden.“

(§ 7 StVG)

Wenn am Unfall ein nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer beteiligt war (z.B. ein Fußgänger) gilt über § 9 StVG die zentrale Vorschrift des 254 BGB:

„Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.“

(§ 9 StVG)

Wie ist die Haftungsverteilung bei zwei oder mehr Fahrzeugen?

Wenn zwei oder mehr Fahrzeuge am Unfall beteiligt waren, gilt § 17 StVG:

„(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und einen Anhänger, durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.“

(§ 17 StVG)

Zwischen zwei Fahrzeughaltern bzw. Fahrzeugführern geht man zu Beginn von einer Haftungsquote von 50:50 aus. Dann sind die jeweiligen Verkehrsverstöße der Beteiligten zu bewerten und ggf. eine Erhöhung der Betriebsgefahr zu berücksichtigen (z.B. bei großen Fahrzeugen). Sind die Betriebsgefahren identisch und lässt sich keinem der Unfallbeteiligten ein höheres Verschulden nachweisen, bleibt es bei der Haftungsquote von 50:50. Auch ohne Verschulden bleibt es also bei der so genannten Betriebsgefahr. Eine alleinige Haftung eines Fahrzeughalters bzw. Fahrzeugführers kommt nur dann in Betracht,

„wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat.“

(§ 17 Abs. 3 StVG)

Was gilt bei höherer Gewalt?

Die Ersatzpflicht eines Kfz-Halters entfällt bei höherer Gewalt. Darunter versteht die Rechtsprechung

„ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis anzuerkennen ist, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung nicht vorhersehbar ist und mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann.“

(BGH, Urteil vom 17.10.1985 – III ZR 99/84)

Welche Haftungsquote gilt, wenn der Unfall nicht mehr aufklärbar ist?

Nicht immer ist der Sachverhalt bei einem Verkehrsunfall klar. Häufig stellten die Unfallbeteiligten den Unfallhergang gegensätzlich dar oder sie können sich selbst nicht erklären, wer den Unfall verursacht hat (z.B. beim Vorbeifahren zweier entgegenkommender Fahrzeuge). Auch Zeugen sind nicht immer ergiebig. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wie die Haftungsverteilung vorzunehmen ist.

Das OLG Zweibrücken hat hierzu klargestellt, dass bei Unaufklärbarkeit eines Verkehrsunfalls grundsätzlich von einer hälftigen Haftungsquote auszugehen ist (Urteil vom 29.06.2016 – 1 U 14/15). In dem entschiedenen Fall kam es bei einem Linksabbiegevorgang an einer Ampel zu einer Kollision. Der Kläger behauptete, er sei bei grün in die Kreuzung eingefahren. Der Beklagte behauptete dagegen, der Kläger habe eine rote Ampel missachtet. Ob die Ampel rot oder grün war, ließ sich aber im Prozess nicht aufklären. Das OLG Zweibrücken verteilte die Haftung daher zu jeweils 50% und begründete dies wie folgt:

„Der Kläger hat gegen die Beklagten lediglich in Höhe von 50 % seines Schadens einen Ersatzanspruch gemäß §§ 7 StVG, 823 BGB, bei der Beklagten zu 2) jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.

Die Berufungsbegründung hat zu Recht aufgezeigt, dass im Fall der Unaufklärbarkeit eines Verkehrsunfalls gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG eine hälftige Haftungsverteilung vorzunehmen ist, da lediglich die Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge gegeneinander abzuwägen sind. Bei der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG ist zunächst von der allgemeinen Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge auszugehen. Diese kann durch besondere Umstände erhöht sein, namentlich durch eine fehlerhafte oder verkehrswidrige Fahrweise der bei dem Betrieb tätigen Personen. Die Betriebsgefahr erhöhende Umstände können bei der Schadensabwägung zu Lasten eines Beteiligten allerdings nur berücksichtigt werden, wenn sie feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO von demjenigen, der sich auf sie beruft, bewiesen sind, und wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben, also unfallursächlich geworden sind (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker-Heß, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 17 StVG Rn. 12).

Im vorliegenden Fall hat weder der Kläger nachgewiesen, dass der Beklagte zu 1) bei „rot“ in die Kreuzung eingefahren ist noch haben die Beklagten einen entsprechenden Rotlichtverstoß des Klägers beweisen können. Somit können lediglich die Betriebsgefahren der Fahrzeuge miteinander abgewogen werden, so dass auf Grund der Gleichwertigkeit der Pkws eine hälftige Haftungsverteilung angezeigt ist.“

(OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.06.2016 – 1 U 14/15)

Führt Alkohol am Steuer automatisch zu Mitverschulden?

Wer unter Alkoholeinfluss in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, macht sich häufig Sorgen um seine eigenes zivilrechtliches Mitverschulden. Allerdings führt eine Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls nach der Rechtsprechung nicht automatisch zu einer Mithaftung. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich die Alkoholisierung eines Fahrzeugführers erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt hat.

Ausgangspunkt für die Frage der Mithaftung ist § 17 StVG. Demnach gilt für die Mithaftung Folgendes:

„(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.“

(§ 17 StVG)

Aus § 17 StVG ergibt sich, dass eine Haftung für einen Fahrzeughalter bzw. Fahrzeugführer komplett ausgeschlossen ist, wenn der Unfall für ihn unabwendbar war. Daran ändert auch eine Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt grundsätzlich nichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) gelten hierbei folgende Grundsätze (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 10-01-1995 – VI ZR 247/94):

  • Bei der Abwägung nach § 17 StVG können nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben.
  • Dies gilt grundsätzlich auch für die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.
  • Dass ein Fahrzeugführer infolge seiner Trunkenheit das Fahrzeug gar nicht erst führen durfte, ist insoweit ohne Belang.
  • Maßgebend ist vielmehr, ob sich die Fahruntüchtigkeit als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen hat.
  • Ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können.

Welche Haftungsbegrenzungen bestehen nach dem Haftpflichtgesetz?

Im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen ist die Haftung nach dem Haftpflichtgesetz (HPflG) für jede Person auf einen maximalen Kapitalbetrag von 600.000 € oder auf einen maximalen Rentenbetrag von jährlich 36.000 € begrenzt, § 9 HPflG.

Für Sachschäden ist die Haftung je Versicherungsfall auf insgesamt 300.000€ begrenzt, § 10 Abs. 1 HPflG.

Sind auf Grund desselben Ereignisses an mehrere Personen Entschädigungen zu leisten, die insgesamt den Höchstbetrag von 300.000 € übersteigen, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in dem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrag steht, § 10 Abs. 2 HPfIG.

Wie bekommt man den Schaden bei einer Unfallflucht ersetzt?

Wer durch einen fremdverschuldeten Unfall geschädigt wird, hat bereits Ärger genug. Noch ärgerlicher ist es, wenn der Unfallverursacher nicht ermittelt werden kann, weil dieser „Unfallflucht“ begeht, sich also unerlaubt vom Unfallort entfernt (§ 142 StGB).

In solchen Fällen kann der Geschädigte unter Umständen seinen Schaden beim Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ regulieren. Dieser Verein reguliert entsprechend §§ 12 ff. PflVG Schäden, die z.B. durch den Gebrauch eines nicht zu ermittelnden Kraftfahrzeuges entstanden sind oder die mit einem Kraftfahrzeug vorsätzlich und rechtwidrig herbeigeführt werden.

Voraussetzungen hierfür sind unter anderem:

  • Schädigung durch Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers
  • Personen- oder Sachschaden
  • das Fahrzeug, durch dessen Gebrauch der Schaden verursacht worden ist, kann nicht ermittelt werden
  • der Ersatzberechtigte macht glaubhaft, dass er keinen Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag
  • es besteht wegen des Unfalls keine anderweitige Amtshaftung
  • der Schaden wird nicht durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, durch Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen, Vergütung oder Lohn oder durch Gewährung von Versorgungsbezügen ausgeglichen

Bei „Unfallfluchtfällen“ ist außerdem § 12 Abs. 2 PflVG zu beachten:

„In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 können gegen den Entschädigungsfonds Ansprüche nach § 253 Abs. 2 BGB nur geltend gemacht werden, wenn und soweit die Leistung einer Entschädigung wegen der besonderen Schwere der Verletzung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist. Für Sachschäden beschränkt sich in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds auf den Betrag, der 500 Euro übersteigt. Ansprüche auf Ersatz von Sachschäden am Fahrzeug des Ersatzberechtigten können darüber hinaus in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 nur geltend gemacht werden, wenn der Entschädigungsfonds auf Grund desselben Ereignisses zur Leistung einer Entschädigung wegen der Tötung einer Person oder der erheblichen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des Ersatzberechtigten oder eines Fahrzeuginsassen des Fahrzeugs verpflichtet ist.

(§ 12 Abs. 2 PflVG)

Das bedeutet: Kommt es allein zu einem Sachschaden, kann dieser in Unfallfluchtfällen nicht über den Entschädigungsfonds des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V. reguliert werden. Eine Entschädigung kommt hierüber nur dann in Betracht, wenn aufgrund des Unfalls zugleich ein erheblicher Personenschaden entstanden ist.

Weitere Informationen finden Sie auch unter

http://www.verkehrsopferhilfe.de/de/

Wie ist die Beweislast beim „kontaktlosen“ Unfall?

Bei Verkehrsunfällen muss es nicht immer krachen. Jedenfalls nicht zwischen zwei Fahrzeugen. Die Gerichte müssen sich mitunter auch mit so genannten „berührungslosen“ Unfällen auseinandersetzen, also wenn zwei Kraftfahrzeuge zwar keinen unmittelbaren Kontakt haben, es aber durch ein notwendiges Ausweichmanöver zum Schaden kommt.

Das OLG Hamm hatte nun über einen solchen Fall zu entscheiden. Es wies die Klage einer Fahrzeughalterin ab. Diese hatte vorgetragen, die Unfallgegnerin sei zum Unfallzeitpunkt mit ihrem Fahrzeug aus Unachtsamkeit auf die Gegenspur gelangt mit der Folge, dass ihr Ehemann, der als Zeuge benannt wurde, nach rechts habe ausweichen müssen und mit dem am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeug einer anderen Zeugin kollidiert sei.

Nach Auffassung des OLG war ein berührungsloser Unfall nicht plausibel dargelegt worden. Ein Sachverständigengutachten ergab, dass das Unfallgeschehen im Rahmen einer Zeit-Wege-Betrachtung völlig unplausibel war. Der späteste Zeitpunkt, den der Ehemann der Klägerin gehabt habe, um ordnungsgemäß an dem geparkten Fahrzeug vorbeizufahren, sei 3,4 Sekunden vor dem Unfall gewesen. Das heißt, er habe sich 3,4 Sekunden vor dem Unfall entschließen müssen, ein Ausweichmanöver durchzuführen. Bei einem späteren Zeitpunkt hätte er das Fahrzeug bereits passiert gehabt. Zu diesem Zeitpunkt, also 3,4 Sekunden vor dem Unfall, habe er den entgegenkommenden PKW noch gar nicht erkennen können, da die Straße eine Kurve beschreibe und sich der entgegenkommende PKW bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von etwa 50 km/h zu diesem Zeitpunkt noch hinter der Sichtgrenze befunden habe.

Vor diesem Hintergrund hatte das OLG Hamm erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen der Zeugen. Es wies die Klage ab.

(OLG Hamm, Urteil vom 31.08.2021 – 9 U 141/19)

Welcher Gerichtsstand gilt bei Verkehrsunfällen im Ausland?

Bei Auslandsunfällen ist zu unterscheiden zwischen Auslandsunfällen innerhalb des EU/EWR-Raums und sonstigen Auslandsunfällen.

Bei Unfällen im EU/EWR-Territorium gelten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2007 – C 463/06 – „Odenbreit“) folgende Grundsätze:

  • Nach Art. 9 Abs. 1 lit. b Verordnung (EG) Nr. 44/2001 besteht ein inländischer Gerichtsstand bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten gegen einen  Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat.
  • „Begünstigter“ im Sinne dieser Vorschrift ist auch der Geschädigte eines Verkehrsunfalls. Somit können ausländische Geschädigte auch in ihrem Heimatland gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers klagen.
  • Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass dieser inländische Gerichtsstand nur für Klagen gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers eröffnet ist. Der inländische Gerichtsstand gilt dagegen nicht für Klagen gegen den Fahrer oder Halter. Weiterhin ist zu beachten, dass sich zwar das Prozessrecht nach dem Recht des inländischen Gerichtsstand richtet, nicht aber das materielle Recht.
  • Die Klage muss einen Haftpflichtanspruch gegen einen ausländischen Versicherer zum Gegenstand haben.
  • Der Versicherer muss weiterhin seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats der EU/EWR haben.
  • Es muss sich weiterhin um einen eigenen Anspruch des Geschädigten handeln. Ansprüche, die zum Beispiel auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind, können von diesem nicht an einem inländischen Wohnsitzgerichtsstand geltend gemacht werden (EuGH, Urteil vom 17. September 2009 – C347/08).
  • Der Geschädigte muss zuletzt aus Gründen der »Waffengleichheit“ gegenüber dem Versicherer schutzbedürftig sein. Diese Schutzbedürftigkeit ist beispielsweise nicht gegeben bei Klagen eines Bundeslandes (OLG Koblenz, Urteil vom 15. Oktober 2012 – 12 U 1528111) oder eines Versicherers (EuGH, Urteil vom 26. Mai 2005 – Rs C-77104).

Bei Unfällen außerhalb des EU/EWR-Territoriums gilt dies nicht. Hier müssen die Ansprüche gegenüber dem Schädiger/Haftpflichtversicherer im Ausland geltend gemacht werden.

Haften Minderjährige für Schäden im Straßenverkehr?

Die Haftung von Minderjährigen ist in § 828 BGB geregelt. Dabei wird zwischen drei Fallgruppen unterschieden:

Kinder unter 7 Jahren

Nach § 828 Abs. 1 BGB gilt, dass Kinder unter 7 Jahren für einen Schaden, den sie einem anderen zufügen, nicht verantwortlich sind. Kinder unter 7 Jahren sind somit nicht deliktsfähig. Das gilt nicht nur im Straßenverkehr, sondern allgemein.

Kinder von 7 bis 17 Jahren

Minderjährige von 7 bis 17 Jahren haften für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht haben. Die erforderliche Einsicht wird bejaht, wenn das Kind erkennt, dass es in irgendeiner Weise für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann. So kann zum Beispiel auch ein 8jähriges Kind für Schädigung anderer Fußgänger im Straßenverkehr haftbar gemacht werden (OLG Celle, Urteil vom 19.02.2020, Az. 14 U 69/19).

Sonderregelung für Kinder von 7 bis 9 Jahren im Straßenverkehr

Gemäß § 828 Abs. 2 BGB sind Kinder, die das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet haben, für den Schaden, den sie bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer  Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügen, nicht verantwortlich, außer im Falle von Vorsatz.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird jedoch der Anwendungsbereich des § 828 Abs. 2 BGB reduziert. Demnach greift das Haftungsprivileg nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ein, wenn eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs vorliegt (BGH, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 335/03). Über diese Frage befindet der Tatrichter.

Ob eine typische Überforderungssituation vorlag oder nicht, hängt letztlich nicht entscheidend davon ab, ob es sich um eine Situation im fließenden oder im ruhenden Verkehr handelt. Auch im ruhenden Verkehr sind nämlich typische Überforderungssituationen eines Kindes denkbar. Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Ein Kind fährt mit einem Fahrrad gegen ein mit geöffneten hinteren Türen am Fahrbahnrand stehendes Fahrzeug (BGH, Beschluss vom 11. 3. 2008 – VI ZR 75/07).
  • Ein achtjähriges Kind lässt auf dem Bürgersteig sein Fahrrad los, damit es von alleine weiterrollt, das führungslose Fahrrad rollt auf die Fahrbahn gegen das zu diesem Zeitpunkt vorbeifahrende Kraftfahrzeug (BGH, Urteil vom 16. 10. 2007 – VI ZR 42/07).

Die Haftungsfreistellung nach § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt auch für das Mitverschulden nach § 254 BGB. Wenn sich ein Kind im Straßenverkehr also verletzt und Schadensersatz verlangt, kann sich der Anspruchsgegner grundsätzlich nicht auf ein Mitverschulden des Kindes berufen, weil § 828 Abs. 2S. 1 BGB den Mitverschuldenseinwand ausschließt.

Der Schädiger kann allerdings versuchen, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass keine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 30. 6. 2009 – VI ZR 310/08).

Welche Besonderheiten gelten auf privaten Parkplätzen?

Auf privaten Parkflächen werden zwar häufig vom Inhaber Schilder aufgestellt, wonach die StVO gelten soll. Trotzdem sollte man sich dort besser nicht darauf verlassen, dass z.B. Rechts vor Links gilt, wie eine Entscheidung des OLG Frankfurt am Main zeigt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.06.2022, Az. 17 U 21/22).

In dem entschiedenen Fall befuhr ein Autofahrer den Parkplatz eines Baumarktes. Der Baumarktbetreiber hatte angeordnet, dass auf dem Parkplatz die StVO gilt. Die vom Autofahrer benutzte Fahrgasse führte zwischen Parkboxen zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes. Von rechts schlossen sich mehrere Fahrgassen an, die auch zwischen Parkboxen lagen. Im Einmündungsbereich der kreuzenden Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß der Fahrzeuge. Das OLG Frankfurt ging hierbei von einer hälftigen Schadensteilung aus.

Das OLG stellte klar: An einer Kreuzung aus zwei Fahrgassen, die der Parkplatzsuche auf einem Parkplatz oder in einem Parkhaus dienen, gelte keine allgemeine Vorfahrtsregelung. Für die herannahenden Fahrzeugführer gelte vielmehr das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme. Jeder Fahrzeugführer sei in dieser Situation verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrzeugführer zu suchen. Anders sei die Situation, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutigen Straßencharakter haben. Das sei zum Beispiel dann der Fall, wenn sich aus der baulichen Art ergibt, dass die Fahrspuren der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge dienen und nicht der Suche von freien Parkplätzen.

Welche Besonderheiten gelten, wenn ein Einkaufswagen auf dem Supermarktparkplatz einen PKW beschädigt?

Wahrscheinlich jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Einkaufswagen keine Handbremse haben und deshalb leicht wegrollen können. Wie gut, dass auf Supermarktparkplätzen meistens viele Fahrzeuge herumstehen, die den Einkaufswagen dann zum Stehen bringen können. Ärgerlicherweise ist das jedoch meistens mit Blechschäden oder Lackkratzern verbunden.

In solchen Fällen stellt sich für die Beteiligten dann die Frage, welche Versicherung des „Einkaufswagenführers“ ggf. für den Schaden aufkommen muss – die KFZ-Haftpflichtversicherung oder die private Haftpflichtversicherung?

Die Frage stellt sich deshalb, weil in der privaten Haftpflichtversicherung regelmäßig eine sog. „Benzinklausel“ enthalten ist. Die Benzinklausel besagt, dass die private Haftpflichtversicherung – vereinfacht gesagt – nicht für Schäden verantwortlich ist, die mit einem KFZ verursacht wurden. Beispiel:

„Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.“

(Beispiel für eine „Benzinklausel“)

Quasi spiegelbildlich hierzu regeln die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2015) Folgendes:

„A.1.1 Was ist versichert?
Sie haben mit Ihrem Fahrzeug einen Anderen geschädigt
A.1.1.1 Wir stellen Sie von Schadenersatzansprüchen frei, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs
a Personen verletzt oder getötet werden,
b Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c Vermögensschäden verursacht werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem
Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (reine Vermögensschäden),
und deswegen gegen Sie oder uns Schadenersatzansprüche aufgrund von
Haftpflichtbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Straßenverkehrsgesetzes
oder aufgrund anderer gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen des Privatrechts geltend
gemacht werden. Zum Gebrauch des Fahrzeugs gehört neben dem Fahren z. B. das Ein und Aussteigen sowie das Be- und Entladen.“

(Auszug aus den AKB 2015)

Welche Versicherung greift (Privathaftpflicht oder KFZ-Haftpflichtversicherung), hängt also maßgeblich davon ab, ob der Schaden auf den Gebrauch eines KFZ zurückzuführen ist oder nicht. Die Abgrenzung zwischen den beiden Versicherungen ist nicht immer einfach. Häufiger Streitpunkt ist, was man unter dem „Gebrauch eines Fahrzeugs“ verstehen darf oder nicht (mehr).

„Ereignet sich ein Schaden bei einem Gebrauch des Kraftfahrzeuges hat gemäß § 10 AKB die Kraftfahrthaftpflicht einzustehen, liegt ein solcher Gebrauch nicht, noch nicht oder nicht mehr vor, greift dagegen die Privathaftpflichtversicherung ein.“

(Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 05.09.2003, Az.: 301 C 769/03 (70))

Diese Abgrenzung ist natürlich nicht immer einfach vorzunehmen und beschäftigt in der Praxis häufig die Gerichte.

In einem Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main hatte z.B. ein Versicherungsnehmer seine private Haftpflichtversicherung wegen der Schäden an einem Opel Corsa in Anspruch genommen. Zu dem Schaden kam es deshalb, weil der Kläger auf einem Supermarktparkplatz seinen Einkaufswagen kurz losließ, um in die Hosentasche nach seinem Fahrzeugschlüssel mit Fernbedienung zu greifen. Der wegrollende Einkaufswagen beschädigte dann den Opel Corsa. Die Klage hatte keinen Erfolg. Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die beklagte Privathaftpflichtversicherung keinen Anspruch auf .Gewährung von Versicherungsschutz für den Schaden vom 30.09.2002 anlässlich des Geschehens auf dem Parkplatz des Nettomarktes in Hohenkirchen im Wangerland/Nordsee. Der Schaden an dem Fahrzeug des geschädigten Dritten Märke Opel Corsa ist nämlich durch den Gebrauch des |. eigenen Kraftfahrzeuges des Klägers eingetreten. Für einen solchen Schaden besteht im Rahmen des zwischen den Parteien abgeschlossenen privaten Haftpflichtversicherungsvertrages kein Versicherungsschutz. Die Beklagte hat sich wirksam auf die so genannte kleine Benzinklausel gemäß Ziffer 1.3 der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung (BBR) berufen.

[…]

Der Kläger hat im Sinne der vorzunehmenden Abgrenzung zwischen der Haftung der Privathaftpflichtversicherung und der Haftung der Kfz.- Haftpflichtversicherung von seinem eigenen Fahrzeug Gebrauch gemacht, in dem er die Hand vom Einkaufswagen löste und in die rechte Hosentasche führte, um die Fernbedienung der Zentralverriegelung zu betätigen. Der Kläger hat damit auf dem Weg zum geparkten Fährzeug begonnen, dieses mittels der Fernbedienung über die Heckklappe zu öffnen wie er dies in seiner Schadensanzeige auch formuliert hat. Zum Gebrauch des Fahrzeuges gehören nach ständiger Rechtsprechung auch die Durchführung von Reparaturarbeiten und das Be – und Entladen (BGH Z 75, 45, BGH VersR 77, 418). Dazu gehören auch die jeweiligen unmittelbaren Vor – und Nachbereitungsarbeiten für dieses Be – und Entladen, soweit sie in einem engen räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist bei dem vom Kläger beschriebenen Öffnungsvorgang der Fall. Nur wenn das schädigende Ereignis über die bloße Anwesenheit des Fahrzeuges hinaus mit diesem nichts zu tun hat, liegt ein Gebrauch und damit ein Eingreifen der Kfz. – Haftpflichtversicherung nicht mehr vor. So hat das Landgericht Wiesbaden (VersR 1991, 872) bereits das Betätigen einer in einer Tiefgarage befindlichen verschiebbaren Parkpalette durch Knopfdruck als Gebrauch ausreichen lassen, obgleich das Fahrzeug des Versicherungsnehmers selbst lediglich hinter der Parkpalette stand und selbst weder geöffnet noch bewegt wurde. Vorliegend wurde das Fahrzeug des Klägers geöffnet und im Zuge dieser Vorbereitungshandlung für das Beladen in Gebrauch genommen. Dies geht über die bloße Vorbereitung der Annäherung an das Fahrzeug wie in dem vom Landgericht Wiesbaden entschiedenen Fall deutlich hinaus.“

(AG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.09.2003, Az.: 301 C 769/03 (70))

Eine Haftung der KFZ-Haftpflichtversicherung liegt auch dann vor, wenn sich der Einkaufswagen in dem Moment selbständig macht, wenn der Fahrzeugführer seine soeben eingekauften Sachen vom Einkaufswagen in den Kofferraum einpackt (vgl. LG Aachen, Urteil vom 30. 3. 1990 – 5 S 477/89):

„Keinem Zweifel unterliegt es, daß der Schaden an dem Fahrzeug des Geschädigten H. dann durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs des Kl. verursacht worden ist, wenn der rechtlichen Beurteilung die Unfallmeldung des Kl. an die Bekl. vom 10.6.1989 zugrundegelegt wird, also sich der Einkaufswagen des Kl. in dem Moment auf dem abschüssigen Gelände selbständig gemacht hat, als der Kl. seine soeben eingekauften Sachen vom Einkaufswagen in den Kofferraum einpackte. In diesem Fall ist die notwendige aktuelle und unmittelbare Beteiligung des Fahrzeugs an der schadenstiftenden Verrichtung gegeben, denn der Schaden ist dann unmittelbar beim Beladen des Fahrzeugs entstanden. Aber auch dann, wenn der Kl. – wie er nunmehr behauptet – im Zeitpunkt des Wegrollens des Einkaufswagens lediglich damit beschäftigt war, Kofferraum und Beifahrertür zu öffnen, um Gegenstände vom Fahrgastraum in den Kofferraum zu laden, damit für die neu eingekauften Waren Platz geschaffen wurde, also noch nicht mit dem Beladen der gekauften Gegenstände begonnen hatte, steht der durch das Wegrollen des Einkaufswagens verursachte Schaden nach Auffassung der Kammer in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeuges.

Eine zeit- und ortsnahe Verknüpfung zwischen Schaden und dem Beladevorgang kann bereits bei Handlungen zu bejahen sein, die unmittelbar Vor- oder Nachbereitungsarbeiten für die Be- oder Entladetätigkeit darstellen. Wann eine Beteiligung des Fahrzeuges am schadenstiftenden Ereignis vorliegt, kann zwar nicht für alle derartigen Handlungen einheitlich beurteilt werden. Vielmehr sind die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei einer natürlichen Betrachtungsweise ergibt sich, daß sich schon dann das Beladungsrisiko verwirklicht, wenn sich der Einkaufswagen mit den zu beladenden Gütern während des Öffnens von Kofferraum und Beifahrertür und dem Umladen von Gegenständen aus dem Fahrgastraum in den Kofferraum gerade zu dem Zweck, Raum für die neu zu beladenden Güter zu schaffen, selbständig macht und dadurch Rechtsgüter anderer geschädigt werden.

Hier diente das Umladen der unmittelbaren Vorbereitung des Beladungsvorganges, denn es sollte den notwendigen Raum für das Beladen schaffen. Sodann sollte sich – der Einkaufswagen stand in der Nähe des Fahrzeuges – das Beladen anschließen. Eine solche, im unmittelbaren Vorfeld der Beladung vorgenommene, der Beladung dienende Handlung muß aber dem Gebrauch des Fahrzeuges ebenso zugerechnet werden wie der Beladevorgang selbst. Eine Differenzierung zwischen beiden Vorgängen derart, daß der eine dem Gebrauch des Fahrzeuges noch nicht, der folgende aber sodann doch dem Gebrauch zuzurechnen sei, erscheint willkürlich, da sich beide bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitlicher Vorgang darstellen. Dies macht auch ein Vergleich mit dem sicherlich dem Gebrauch des Fahrzeuges zuzurechnenden Fall deutlich, daß der Beladende erst während des Ladevorgangs bemerkt, daß der Laderaum nicht ausreicht und dabei Gegenstände im Fahrzeug umlagert. Schwerlich nachvollziehbar wäre die Unterscheidung, daß während der in den Beladevorgang integrierten Umladearbeiten eine Schadenverursachung durch den Gebrauch des Fahrzeuges vorläge, in dem hier gegebenen Fall aber nicht. In beiden Fällen ist die Aufmerksamkeit des VersNehmers in gleicher Weise „durch” die Beschäftigung mit dem Fahrzeug abgelenkt, sein Gebrauch also ursächlich für den Schaden.“

(LG Aachen, Urteil vom 30. 3. 1990 – 5 S 477/89)

Das Amtsgericht München entschied dagegen, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne von § 7 StVG nicht mehr vorliege, wenn das Wegrollen eines Einkaufwagens nicht auf die Gefahr des abgestellten KFZ sondern auf die nachlässige Sicherung des Einkaufswagens zurückzuführen ist (AG München, Urteil vom 5.2.2014 (343 C 28512/12)).

„Die Bekl. zu 2) ist als Kfz-Haftpflichtversicherung nur einstandspflichtig, wenn sich ein Unfall „bei Betrieb“ des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeugs ereignet. Nach der in der Rspr. üblichen Definition ereignet sich ein Unfall „bei Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs, wenn er „durch die dem Kfz-Betrieb typisch innewohnende Gefährlichkeit adäquat verursacht wurde“ und sich „von dem Fahrzeug ausgehenden Gefahren bei seiner Entstehung ausgewirkt haben“. Dabei genügt ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Einrichtung des Kraftfahrzeugs, nicht jedoch eine bloße räumliche Nähe (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 7 StVG Rn. 4 f.)

Nach dieser Definition liegt hier kein Unfall vor, der im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kfz steht. Der Bekl. zu 1) hat zwar im Zusammenhang mit dem Unfall einen Einkaufswagen beladen, den er zu diesem Zweck in der Nähe des Kastenwagens der Kl. abgestellt hatte. Dass dieser sich dann in Bewegung setzte, hat aber nichts mit den typischen Gefahren zu tun, die im Zusammenhang mit der Benutzung des Ducatos als Kfz stehen. Der Einkaufswagen hätte sich genauso gut in Bewegung setzen können, wenn z. B. der Bekl. zu 1) unmittelbar vor dem Supermarkt Getränkekästen von einem auf den anderen Einkaufswagen umgeladen hätte. Die Ursache des Unfalls liegt hier nicht in der Gefährlichkeit des Ducatos, sondern darin begründet, dass der Bekl. zu 1) beim Abstellen des Einkaufswagens nicht darauf geachtet hat, dass dieser einen sicheren Stand hat und nicht wegrollt. So sieht es auch das LG Kassel (Urteil vom 16.1.2003 zfs 2003, 301–302). Demzufolge muss hier auch die Bekl. zu 2), die die Betriebsgefahren im Zusammenhang mit der Benutzung des Fiat Ducatos absichern soll, für den entstandenen Schaden nicht aufkommen. Die Klage gegen die Bekl. zu 2) war abzuweisen.“

(AG München, Urteil vom 5.2.2014 (343 C 28512/12))

In ähnlicher Weise entschied z.B. das LG Kassel (LG Kassel, Urteil vom 16.01.2003 – 1 S 402/02):

„Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass das von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gedeckte Wagnis in einem adäquaten Ursachenzusammenhang mit dem entstandenen Schaden stehen muss; dies bedeutet, dass die Gefahr vom Fahrzeug selbst ausgehen muss; beim Be- und Entladen eines Kraftfahrzeuges kommt es deshalb darauf an, ob das versicherte Fahrzeug an der schadensstiftenden Verrichtung schon oder noch beteiligt, d. h. aktuell und unmittelbar, zeit- und ortsnah dafür eingesetzt worden ist; nur dann ist der Schaden gerade durch den Gebrauch des Fahrzeugs adäquat verursacht (BGH VersR 80, 1039; VersR 77, 418; Z 75, 45; Wussow in: VersR 1996, 669).

Im vorliegenden Fall war die Klägerin mit dem Öffnen der Heckklappe ihres Personenkraftwagens beschäftigt, um anschließend ihren Pkw mit dem Inhalt ihres Einkaufswagens zu beladen, als ihr Einkaufswagen wegrollte und einen anderen Personenkraftwagen beschädigte. Damit liegt eine unmittelbare Vorbereitungshandlung zum Beladen ihres Personenkraftwagens vor, was noch unter den Gebrauch eines Fahrzeuges fällt (insoweit ähnlich LG Aachen, r + s 90, 188). Auch liegt eine zeit- und ortsnahe Verknüpfung zwischen der unmittelbaren Vorbereitung des Beladungsvorganges und dem dann durch den Einkaufswagen verursachten Schaden vor. Jedoch ist eine adäquate Schadensverursachung durch diesen Gebrauch des Personenkraftwagens durch die Klägerin im oben erwähnten Sinne nicht gegeben, weil die sich in dem Schaden realisierte Gefahr nicht von dem Personenkraftwagen der Klägerin selbst ausging, sondern von dem vorhergehenden Verhalten der Klägerin, nämlich der mangelnden Sicherung des Einkaufswagens gegen Wegrollens. An dieser schadensstiftenden Verrichtung war der Personenkraftwagen nicht unmittelbar beteiligt, wenn auch sein Vorhandensein und die Notwendigkeit des Öffnens der Heckklappe ursächlich im Sinne der Bedingungstheorie für das Loslassen des Einkaufswagens und in der Folge für den eintretenden Schaden sein mag.“

(LG Kassel, Urteil vom 16.01.2003 – 1 S 402/02)

Wie man an den vorangegangenen Entscheidungen erkennen kann, kommt es maßgeblich darauf an, ob ein direkter Zusammenhang mit dem Be- oder Entladen vorliegt oder nicht. Dies ist letztlich stets eine Frage des Einzelfalls und muss ggf. vor Gericht durch entsprechende Beweismittel belegt werden.

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