Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Gehaltszahlung kürzen möchten, weil der Arbeitnehmer während der Arbeit einen Schaden verursacht hat.
Hierbei ist zunächst zu beachten, dass Arbeitnehmer bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten nicht in allen Fällen voll haften. Der Arbeitnehmer haftet bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten nur bei Vorsatz in voller Höhe. Bei grober Fahrlässigkeit trifft den Arbeitnehmer „in der Regel“ die volle Haftung, Ausnahmen sind jedoch möglich. Bei „mittlerer“ Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt, maßgeblich für die Quote sind sämtliche Umstände des Einzelfalls. Bei „leichtester“ Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer hingegen gar nicht. Zitat Bundesarbeitsgericht:
„Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen (BAG 27. September 1994 – GS 1/89 (A) – BAGE 78, 56) haften Arbeitnehmer nur für vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang, bei leichtester Fahrlässigkeit dagegen überhaupt nicht (vgl. auch BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09 – Rn. 17). Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumut-barkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen (näher ua. BAG 13. Dezember 2012 – 8 AZR 432/11 – Rn. 20).“
(BAG, Urteil vom 21.05.2015, 8 AZR 116/14)
Selbst wenn hiernach eine Haftung des Arbeitnehmers feststeht, kann der Arbeitgeber nicht ohne weiteres den Schaden von der Gehaltszahlung abziehen. Hierbei sind nämlich die Pfändungsfreibeträge zu beachten. Das ergibt sich aus § 394 BGB:
„Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.“
(§ 394 BGB)
§ 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Demnach kann stets nur gegen den pfändbaren Nettobetrag des Arbeitseinkommens, der sich gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO bestimmt, aufgerechnet werden. Eine Aufrechnung gegen einen Bruttoentgeltanspruch verstößt gegen § 394 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 13. Juli 2021 – 3 AZR 349/20).
Rechnet der Arbeitgeber gegen Arbeitseinkommen auf, obliegt es ihm vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften erfolgt (BAG, Urteil vom 18.11.2020 – 5 AZR 57/20; BAG, Urteil vom 23.02.2016 – 9 AZR 226/15; BAG, Urteil vom 22.09.2015 – 9 AZR 143/14; BAG, Urteil vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 569/01).