Kann ein Käufer, der gegen einen Verkäufer einen Nacherfüllungsanspruch durchsetzen möchte, hierfür anfallende außergerichtliche Anwaltskosten auch dann ersetzt verlangen, wenn noch kein Verzug vorlag?
Grundsätzlich ist das nicht ausgeschlossen, entschied nun der Bundesgerichtshof im Falle eines Autokaufs (BGH, Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 66/17).
„§ 439 Abs. 2 BGB kann verschuldensunabhängig auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erfassen, die dem Käufer entstehen, um das Vertragsziel der Lieferung einer mangelfreien Sache zu erreichen.“
Im entschiedenen Fall lag noch kein Verzug vor, da die Rechtsanwaltskosten bereits entstanden waren, bevor der Verkäufer mit seiner Verpflichtung zur Lieferung einer mangelfreien Sache in Verzug kommen konnte.
Der BGH bejahte allerdings die Möglichkeit einer Erstattungspflicht aus § 439 Abs. 2 BGB. Aus den Entscheidungsgründen:
„§ 439 Abs. 2 BGB, der eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellt (…), bestimmt, dass der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten zu tragen hat. Davon werden nicht nur die vom Gesetz beispielhaft (“insbesondere”) genannten Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten erfasst, sondern etwa auch zur Klärung von Mangelerscheinungen erforderliche Sachverständigenkosten, weil diese mit der Zielrichtung, dem Käufer die Durchsetzung eines daran anknüpfenden Nachprüfungsanspruchs zu ermöglichen, und damit “zum Zwecke der Nacherfüllung” aufgewandt werden (…). Unter diesen Umständen können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig sein (…).
Im Streitfall ging es dem Kläger mit der Beauftragung seines Rechtsanwaltes nicht darum, die Ursache einer Mangelerscheinung aufzufinden. Ebenso wenig ging es um die Klärung der Verantwortlichkeit für den Mangel; es stand ohnehin nicht in Rede, dass der Kläger für die irreführende Warnmeldung der Fahrzeugsoftware verantwortlich gewesen sein könnte. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger der Beklagten zudem bereits vor Einschaltung seines Rechtsanwalts mehrfach Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben. Erst nachdem der Beklagten dies nicht gelungen war, hat der Kläger anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen, um den Anspruch auf Nacherfüllung nunmehr in Form der Lieferung einer mangelfreien Sache durchzusetzen.
Auch eine solche Fallgestaltung unterfällt nach dem Wortlaut und dem Normzweck des § 439 Abs. 2 BGB in dessen Anwendungsbereich. Dieser beschränkt sich nicht nur auf die zur Feststellung der Ursache einer Mangelerscheinung erforderlichen Untersuchungskosten, sondern erfasst auch die zur Durchsetzung einer Ersatzlieferung erforderlichen Anwaltskosten, wenn der Verkäufer die ihm zunächst gewährte Gelegenheit zur Beseitigung des Mangels nicht wahrgenommen hat.
Die vom Kläger geltend gemachten Anwaltskosten wurden “zum Zwecke der Nacherfüllung” aufgewandt, nämlich zu der Zeit, als sich der Vollzug des Kaufvertrags (noch) im Stadium der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB befand (…) und auch mit der Zielrichtung, dem Kläger die Durchsetzung eines Nacherfüllungsanspruchs - hier in Gestalt von § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB - zu ermöglichen (…).
Es handelt sich des Weiteren um zur Wahrung und Durchsetzung des Anspruchs auf Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB “erforderliche Aufwendungen”. Aus der gebotenen ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (…) durfte der Kläger annehmen, dass es nach mehreren vergeblichen Versuchen, den Sachmangel zu beseitigen, mit Rücksicht auf seine besondere Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig ist (…), das Vertragsziel der Lieferung einer mangelfreien Sache nunmehr in Form einer Ersatzlieferung und unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes zu erreichen.“