Häufige Fragen zum Autokaufrecht

Autokaufrecht

Beim Autokauf, egal ob vom Händler oder von Privat, kommt es häufig zu rechtlichen Streitigkeiten. Für das Autokaufrecht gelten im wesentlichen die kaufrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 433 ff. BGB), die AGB von Autohändlern sowie eine umfangreiche Rechtsprechung.

Inhaltsverzeichnis
  1. Welche AGB gelten beim Autokauf?
  2. Besteht beim Autokauf ein Widerrufsrecht?
  3. Was ist der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie beim Autokauf?
  4. Was bedeutet Gewährleistung?
  5. Wird die Gewährleistung durch eine Herstellergarantie verdrängt?
  6. Wann ist ein Auto mangelhaft?
  7. Stellen falsche Werbeaussagen einen Mangel dar?
  8. Kann eine Anleitung selbst einen Sachmangel darstellen?
  9. Gilt die Sachmängelhaftung auch bei Verschleißteilen?
  10. Wer trägt die Beweislast dafür, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft war?
  11. Welche Rechte hat der Käufer bei Mängeln?
  12. Darf man bei Mängeln direkt den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag zurücktreten?
  13. In welcher Form muss die Nacherfüllung verlangt werden?
  14. Wie lange muss die Frist für die Nacherfüllung sein?
  15. Was passiert, wenn die Frist zur Nacherfüllung zu kurz ist?
  16. Wann hält der Verkäufer die Nacherfüllungsfrist ein?
  17. Wer muss die Kosten der Nacherfüllung tragen?
  18. An welchem Ort muss der Verkäufer reparieren?
  19. Wie oft darf der Verkäufer reparieren?
  20. Wann gilt eine Nacherfüllung als fehlgeschlagen?
  21. Wer trägt die Beweislast für ein Fehlschlagen der Nachbesserung?
  22. Zählt jeder Mangel einzeln?
  23. Wann ist ein Nachbesserungsversuch abgeschlossen?
  24. Wann darf man vom Autokaufvertrag zurücktreten?
  25. Wann gilt der Vorrang der Nacherfüllung nicht?
  26. Gilt der Vorrang der Nacherfüllung auch bei Unfallschäden?
  27. Gilt der Vorrang der Nacherfüllung auch bei arglistiger Täuschung?
  28. Wie muss der Rücktritt vom Autokaufvertrag erklärt werden?
  29. Was passiert nach dem Rücktritt?
  30. Muss der Käufer das Fahrzeug nach dem Rücktritt zurückbringen oder muss der Verkäufer das Fahrzeug selbst abholen?
  31. Darf man auch bei kleineren Mängeln vom Kaufvertrag zurücktreten?
  32. Darf man auch bei kleineren Mängeln die Zahlung des Kaufpreises zurückhalten?
  33. Kann die Gewährleistung beim Autokauf komplett ausgeschlossen werden?
  34. Wie lange läuft die Gewährleistungsfrist bei der Nacherfüllung?
  35. Kann man die Gewährleistungsfrist beim Autokauf verkürzen?
  36. Ist bei einem „Bastlerfahrzeug“ die Gewährleistung ausgeschlossen?
  37. Ist man an eine Minderungserklärung gebunden?
  38. Welche Aufklärungspflichten hat ein Gebrauchtwagenhändler?
  39. Welche Rechte hat der Käufer, wenn der Verkäufer eine Aufklärungspflicht verletzt?
  40. Wann besteht ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung?
  41. Was bewirkt die Anfechtung des Gebrauchtwagenkaufvertrages?
  42. Wer trägt die Beweislast für die arglistige Täuschung?
  43. Wann darf man als Käufer von einem Autokaufvertrag zurücktreten?
  44. Kann man auch bei geringfügigen Mängeln vom Autokaufvertrag zurücktreten?
  45. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Käufer bei einer Tachomanipulation?
  46. Wann darf man vom Autokaufvertrag wegen Tachomanipulation zurücktreten?
  47. Muss man bei einem manipuliertem Tacho vor dem Rücktritt Nacherfüllung verlangen?
  48. Wie wirkt sich ein Gewährleistungsausschluss bei Tachomanipulation aus?
  49. Wann darf man den Autokaufvertrag wegen Tachomanipulation anfechten?
  50. Wann muss der Käufer Nutzungsentschädigung zahlen?
  51. Wie wird die Nutzungsentschädigung bei Neuwagen berechnet?
  52. Wie wird die Nutzungsentschädigung bei Gebrauchtwagen berechnet?
  53. Welche Gesamtlaufleistung ist bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung anzusetzen?
  54. Was hat es mit der 0,67-Pauschale bei Neufahrzeugen auf sich?
  55. Muss eine Nutzungsentschädigung auch bei Rückabwicklung nach arglistiger Täuschung gezahlt werden?
  56. Muss auf die Nutzungsentschädigung Mehrwertsteuer berechnet werden?
  57. Was passiert, wenn dem Käufer vor Rücktritt weitere Kosten für das Fahrzeug entstehen?
  58. Wie erfolgt eine Zug-um-Zug-Vollstreckung bei der Rückabwicklung eines Autokaufvertrags?

Welche AGB gelten beim Autokauf?

Im Autohandel werden traditionell Muster-AGB verwendet, die von verschiedenen Verbänden erarbeitet werden. Wer bei einem gewerblichen Autohändler ein Neufahrzeug oder ein Gebrauchtfahrzeug kauft, akzeptiert häufig Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auf solchen Muster-AGB beruhen.

Die Verbände, die solche AGB erarbeiten, sind

Die Muster-AGB werden zwar nur unverbindlich zur Anwendung empfohlen, aber überwiegend eingesetzt. Es existieren verschiedene Bedingungen, je nach Anwendungsbereich:

  • Neuwagenverkaufsbedingungen (NWVB)
  • Gebrauchtwagenverkaufsbedingungen (GWVB)
  • Kfz-Reparaturbedingungen (RepB)

Bei den Gebrauchtwagenverkaufsbedingungen und den Kfz-Reparaturbedingungen handelt es sich übrigens um Ausarbeitungen des ZDK.Die Bedingungen können z.B. hier heruntergeladen werden:

http://www.vdik.de/arbeitsgebiete/recht-vertrieb/agbs-im-autohandel.html

Die Musterbedingungen werden regelmäßig überarbeitet (z.B. anlässlich der Schuldrechtsreform). Somit ist bei der Streitigkeiten im Zusammenhang mit Autokaufverträgen immer darauf zu achten, welche Version dem konkreten Fall zugrunde liegt.

Üblicherweise werden die jeweiligen AGB durch einen entsprechenden Hinweis im Bestellformular Vertragsbestandteil. Gegenüber Verbrauchern setzt dies allerdings voraus, dass die AGB auf der Rückseite des Bestellformulars vollständig enthalten sind. Ein Käufer ist in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet, die Unterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 02. November 1988 – 17 U 148/87).

Gegenüber Unternehmern gelten wegen § 310 Abs. 1, 305 Abs. 2 BGB insoweit weniger strenge Anforderungen. Hier kann ein bloßer Verweis auf die Bedingungen und deren Zusendung auf Wunsch ausreichen (OLG Stuttgart, Urteil vom 16.02.2011 – 3 U 136/10).

Besteht beim Autokauf ein Widerrufsrecht?

Auch beim Autokauf kann – je nach den Umständen des Vertragsabschlusses – ein gesetzliches Widerrufsrecht bestehen. So hat zum Beispiel das OLG Nürnberg entschieden, dass auch im Gebrauchtwagenhandel ein Fernabsatzwiderrufsrecht bestehen kann, die Beweislast für ein nicht vorhandenes Fernabsatzsystem liegt insoweit beim Verkäufer:

„Die Beweislast für das Nichtvorliegen eines Fernabsatzsystems trägt nach dem Wortlaut und der Systematik des § 312c I BGB der Unternehmer, da die Norm in Hs. 2 eine entsprechende widerlegliche Vermutung aufstellt (BGH NJW 2018, 690 Rn. 16 f.; BGH NJW 2021, 304 Rn. 12; HdB-VerbraucherR/Schirmbacher § 9 Rn. 42; BeckOK BGB/Marten BGB § 312c Rn. 30; MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312c Rn. 28).

Den damit nach § 312c I Hs. 2 BGB der Bekl. obliegenden Vortrag und Beweis, dass der Vertragsabschluss im vorliegenden Fall unabhängig von einem derartigen System erfolgt ist, hat die Bekl. nicht gehalten bzw. geführt.

Wie dargestellt, ist von vornherein unerheblich, dass die Bekl. die verkauften Fahrzeuge nicht versendet. § 312c BGB stellt allein auf die Art und Weise ab, in der der Vertrag geschlossen wird, also die maßgeblichen Willenserklärungen abgegeben werden, weil später die Wahl-/Entscheidungsfreiheit, die Ware abzunehmen und zu bezahlen, nicht mehr gegeben ist (OLG Celle NJW 2020, 2341 Rn. 13). Eine geschäftsmäßige Versendung mag zwar, wenn sie vorliegt, ein starkes Indiz für ein Fernabsatzsystem sein, doch ist sie weder Voraussetzung für ein solches noch indiziert ihr Fehlen das Nichtvorhandensein eines Fernabsatzsystems.

Ebenso ist nicht erforderlich, dass der Vertragsschluss vollständig online und/oder automatisiert erfolgt (BeckOK BGB/Martens BGB § 312c Rn. 22; BGH NJW 2019, 303 Rn. 20) wie etwa durch einen „Buy“-Button und ein entsprechendes automatisiertes Abwicklungssystem. Vielmehr genügt es, dass die beiden Willenserklärungen über Medien iSv § 312c II BGB ausgetauscht werden, mag die Entscheidung über den Vertragsschluss auch individuell von menschlichen Bearbeitern getroffen und von diesen das Weitere veranlasst werden.“

(OLG Nürnberg Urteil vom 23.8.2022 – 3 U 81/22)

Was ist der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie beim Autokauf?

Die Begriffe „Gewährleistung“ und „Garantie“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch häufig vermengt. Es handelt es sich dabei aber um zwei völlig verschiedene Dinge:

Unter Gewährleistung im rechtlichen Sinne versteht man die im Gesetz geregelten Sachmängelansprüche des Käufers gegen den Verkäufer, der ein mangelbehaftetes Fahrzeug erhält (§§ 434 ff. BGB). Die Gewährleistung garantiert dem Käufer also nur die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs. Eine bestimmte Haltbarkeit ist im Rahmen der Gewährleistung grundsätzlich nicht geschuldet. Die Gewährleistung richtet sich regelmäßig nicht gegen den Hersteller, sondern gegen den Händler (außer beim Agenturgeschäft, dazu später mehr).

Bei der Garantie handelt es sich um eine freiwillige vertragliche Zusicherung, z.B. für eine bestimmte Haltbarkeit des Fahrzeugs („Herstellergarantie“). Bekannt sind zum Beispiel „Lackgarantien“ gegen Durchrostung. Garantien können sowohl vom Händler, vom Hersteller oder vom Importeur abgegeben werden. Garantien werden meistens auf der Basis von vorformulierten Garantiebedingungen gewährt.

Was bedeutet Gewährleistung?

Unter „Gewährleistung“ versteht man im allgemeinem Sprachgebrauch die Rechte des Käufers bei mangelhafter Ware. Oftmals wird der Begriff der Gewährleistung mit dem Begriff „Garantie“ vermengt. Unter Gewährleistung versteht der Jurist aber nur die im Gesetz (§§ 434 ff. BGB) vorgesehenen Mängelansprüche des Käufers bei einer mangelbehafteten Kaufsache.

Wird die Gewährleistung durch eine Herstellergarantie verdrängt?

Nein. Ansprüche aus Gewährleistung und Garantie stehen unabhängig voneinander zur Verfügung. Ein Autokäufer kann daher z.B. innerhalb der gemeinsamen Verjährungsfristen frei entscheiden, ob er den Autohändler aus der gesetzlichen Gewährleistung in Anspruch nehmen möchte oder den Autohersteller aus der Garantiezusage.

Nicht selten versuchen Händler, Autokäufer bei Reklamationen direkt an den Hersteller im Rahmen einer Herstellergarantie zu verweisen. Einen Zwang hierzu gibt es allerdings nicht. Autokäufer können grundsätzlich auch darauf bestehen, dass der Händler im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung Nacherfüllung (Ersatzlieferung oder Reparatur) vornimmt. Das gilt allerdings nur dann, wenn das Fahrzeug schon bei Lieferung mangelhaft war. Eine schlechte Haltbarkeit, die keinen Sachmangel im Sinne des BGB darstellt, kann allenfalls im Rahmen der Herstellergarantie behandelt werden.

Wann ist ein Auto mangelhaft?

Das Gesetz enthält in § 434 BGB eine mehrstufige, umgekehrte Definition des Sachmangels. Eine Sache ist demnach frei von Mängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. „Gefahrübergang“ ist regelmäßig der Zeitpunkt der Lieferung. Soweit eine bestimmte Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Wurde auch hierzu nichts vereinbart, ist die Sache mangelfrei, wenn der Kaufgegenstand sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (zur Abgrenzung zwischen Beschaffenheitsvereinbarung und Beschaffenheitsgarantie siehe BGH, Urteil vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06).

Die Abgrenzung ist im Einzelnen mitunter schwierig. Als Faustformel lässt sich aber festhalten: Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Kaufsache von der „Soll-Beschaffenheit“ abweicht. Nachfolgend finden Sie einige ausgewählte Entscheidungen zur Frage der Mangelhaftigkeit eines Kraftfahrzeugs:

  • Sporadisch auftretender Mangel (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 240/15)
  • Beschlagnahme eines PKW im Ermittlungsverfahren als Rechtsmangel (BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03)
  • „Datum der Erstzulassung lt Fzg-Brief“ (BGH, Urteil vom 29. Juni 2016 – VIII ZR 191/15)
  • Bestehen einer Herstellergarantie als Beschaffenheitsmerkmal (BGH, Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15)
  • Abweichender Kraftstoffverbrauch (BGH, Beschluss vom 08. Mai 2007 – VIII ZR 19/05)
  • Längere Standzeit eines Gebrauchtwagens als Sachmangel (BGH, Urteil vom 10. März 2009 – VIII ZR 34/08)
  • „Jahreswagen“ (BGH, Urteil vom 07. Juni 2006 – VIII ZR 180/05)
  • Oldtimerzulassung (BGH, Versäumnisurteil vom 13. März 2013 – VIII ZR 172/12)
  • gelbe Feinstaubplakette (BGH, Urteil vom 13. März 2013 – VIII ZR 186/12)
  • Vorbesitzer „soweit bekannt“ (BGH, Beschluss vom 02. November 2010 – VIII ZR 287/09)
  • „Vorführwagen“ (BGH, Urteil vom 15. September 2010 – VIII ZR 61/09)
  • Lieferung eines KFZ in einer anderen als der bestellten Farbe (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 70/07)
  • „Unfallschäden lt. Vorbesitzer Nein“ (BGH, Urteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05)
  • Abgelesener Kilometerstand als Beschaffenheitsvereinbarung (BGH, Urteil vom 16. März 2005 – VIII ZR 130/04)
  • Dieselpartikelfilter als Sachmangel wegen fehlender Kurzstreckeneignung (BGH, Urteil vom 04. März 2009 – VIII ZR 160/08)
  • Unfallfreiheit, Abgrenzung zwischen Bagatellschaden und Sachmangel (BGH, Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2007 – VIII ZR 330/06)

Stellen falsche Werbeaussagen einen Mangel dar?

Nach dem Gesetz sind konkrete Werbeaussagen für die Frage der Soll-Beschaffenheit grundsätzlich erheblich, § 434 Abs. 1 S. 3 BGB. Besitzt eine Kaufsache nicht die Eigenschaften, mit denen es vom Hersteller oder Verkäufer beworben wurde, so stellt dies grundsätzlich einen Sachmangel dar.

Kann eine Anleitung selbst einen Sachmangel darstellen?

Mangelhafte oder unverständliche Montageanleitungen können ebenfalls einen Sachmangel darstellen, wenn die Kaufsache dadurch nicht fehlerfrei montiert werden kann, § 434 Abs. 2 BGB.

Gilt die Sachmängelhaftung auch bei Verschleißteilen?

Oft kursiert das Gerücht, bei „Verschleißteilen“ gäbe es keine Sachmängelhaftung. Das ist nur bedingt richtig.

Das Kaufrecht selbst enthält keine Regelungen zu „Verschleißteilen“. Ob Gewährleistungsansprüche existieren oder nicht, hängt nur davon ab, ob die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft war. Dabei muss man beachten, dass die gesetzliche Gewährleistung nicht einer Haltbarkeitsgarantie entspricht! Garantie und Gewährleistung muss man strikt voneinander trennen.

Der Verkäufer schuldet im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung nur die Lieferung einer mangelfreien Sache. Das ergibt sich aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB:

„Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.“

(§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB)

Die Ansprüche aus der gesetzlichen Gewährleistung verjähren regelmäßig nach zwei Jahren, bei Bauwerken und darin eingebauten Teilen nach fünf Jahren. Der Verkäufer haftet aber nicht pauschal dafür, dass die Kaufsache so lange „hält“. Bei Verschleißteilen (z.B. Akkus, Turbolader) kommt es vielmehr auf die Frage der „Mangelhaftigkeit“ selbst an.

Es reicht für einen Sachmangel aus, dass dieser bei Gefahrübergang bereits „im Keim angelegt“ war und sich erst nach Gefahrübergang so fortentwickelt hat, dass er in Erscheinung tritt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. November 1976 – VIII ZR 137/75 – „Schwimmerschalter-Fall“).

Die reguläre Abnutzung von Verschleißteilen stellt natürlich keinen Sachmangel dar (BGH, Urteil vom 23. November 2005 – VIII ZR 43/05: normaler Verschleiß kein Sachmangel). Aber auch hier kommt es letztlich immer auf den Einzelfall an. Denn welche Abnutzung noch im regulären Rahmen ist oder nicht, kann man nicht pauschal beurteilen. Wenn ein Hemd zum Beispiel nach zehnmaligem Waschen seine Farbe verliert, kommt es sicherlich auf darauf an, wie teuer das Hemd war.

Normaler Verschleiß zeichnet sich dadurch aus, dass ein Teil defekt wird, der Defekt aber für das Alter und die Laufleistung der Sache typisch ist. Handelt es sich um normalen Verschleiß, treffen den Verkäufer insoweit keine Gewährleistungspflichten. Er muss bei normalem Verschleiß daher keine neue Kaufsache liefern bzw. diese reparieren.

Es kommt also auf die markt- und produktübliche Haltbarkeit des Verschleißteils an. Normaler, üblicher Verschleiß stellt keinen Sachmangel dar. Geht der Verschleiß allerdings über das Maß hinaus, was bei einer Kaufsache in diesem Alter und mit dieser Laufleistung normalerweise üblich ist, kann dagegen ein Sachmangel vorliegen. Diese Abgrenzung ist häufig schwierig und verursacht Streitigkeiten.

Dies zu beweisen ist häufig ein Problem. Die Abgrenzung zwischen einem echten Sachmangel und normalem Verschleiß ist regelmäßig nicht abschließend möglich. Dazu muss meistens ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings eine wichtige Beweislastregel beim Verbrauchsgüterkauf: Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache, gilt § 476 BGB:

„Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.“

(§ 476 BGB)

Tritt ein Mangel innerhalb der ersten sechs Monate auf, muss also der Verkäufer beweisen, dass der Mangel auf normalen Verschleiß oder eine unsachgemäße Benutzung durch den Käufer zurückzuführen ist.

Auf der Internetseite des ADAC ist eine hilfreiche Liste mit Rechtsprechung zu der Thematik Verschleißteile und Gewährleistung erhältlich.

Wer trägt die Beweislast dafür, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft war?

Grundsätzlich trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass die Kaufsache bei Übergabe mangelhaft war. Eine Sonderregelung besteht allerdings bei Verbrauchsgüterkäufen (Verbraucher kauft eine bewegliche Sache von einem Unternehmer). Dann gilt Folgendes:

Weist die Kaufsache innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf oder der Übergabe einen Mangel auf, muss nicht der Käufer den Beweis erbringen, dass der Mangel schon beim Kauf bestanden hat, sondern dies wird zu Gunsten des Käufers vermutet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 – VIII ZR 259/06). Behauptet der Verkäufer, ein einwandfreies Produkt verkauft zu haben, ist er hierfür beweispflichtig. Nach sechs Monaten gilt diese Beweislastregelung nicht mehr, ab dann ist der Käufer beweispflichtig.

Der Käufer muss innerhalb der Sechsmonatsfrist lediglich beweisen, dass dem Kaufgegenstand tatsächlich ein Mangel anhaftet. Nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Käufer noch nicht einmal beweisen, dass der Mangel dem Verkäufer zuzurechnen ist, auch das wird zu seinen Gunsten vermutet.

Das ist insbesondere relevant für solche Fälle, in denen der Mangel möglicherweise auch auf einen Fehlgebrauch durch den Käufer zurückzuführen ist. Das muss nach Auffassung des BGH innerhalb der Sechsmonatsfrist auch der Verkäufer beweisen.

Tritt der Mangel erst nach der Sechsmonatsfrist in Erscheinung, muss der Käufer beweisen, dass die Kaufsache schon beim Kauf mangelhaft war (zur Beweislast innerhalb der Sechsmonatsfrist siehe BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 103/15, siehe auch BGH, Urteil vom 15. Januar 2014 – VIII ZR 70/13 zur Beweislastumkehr hinsichtlich eines latenten Mangels beim Pferdekauf).

Die Sechsmonatsfrist gilt aber unter Umständen nicht, wenn die Art des Mangels mit dieser gesetzlichen Vermutung unvereinbar ist. So hat z.B. das AG Nordhausen in einem Rechtsstreit gegen einen von mir vertretenen Autohändler entschieden, dass bei einem elektronischen Defekt am Navigationsgerät die Beweislastumkehr zugunsten des Käufers nicht eingreift. Nach der Art des Mangels könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass dieser bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorlag (AG Nordhausen, Urteil vom 08.10.2018 – 22 C 347/17).

Welche Rechte hat der Käufer bei Mängeln?

Der Käufer hat zunächst einen Anspruch auf Nacherfüllung. Dabei kann der Käufer grundsätzlich wählen zwischen der Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs oder einer kostenfreien Reparatur. Natürlich kommt es im Einzelfall darauf an, ob eine Ersatzlieferung überhaupt noch möglich ist (problematisch bei älteren Fahrzeugen) bzw. ob der Mangel überhaupt durch Reparatur beseitigt werden kann (relevant bei Unfallvorschäden).

Wenn die Nacherfüllung verweigert wird, fehlschlägt oder unmöglich ist, kann der Käufer auch den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag zurücktreten. Daneben bestehen möglicherweise Ansprüche auf Schadensersatz, diese werden durch Rücktritt und Minderung nicht ausgeschlossen.

Darf man bei Mängeln direkt den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag zurücktreten?

Grundsätzlich nein. Es gilt der „Vorrang der Nacherfüllung“, d.h. dem Verkäufer muss grundsätzlich vorab die Möglichkeit gegeben werden, seine Pflichten aus dem Kaufvertrag nachträglich zu erfüllen. Erst wenn die Nacherfüllung nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgenommen wird, verweigert wird, fehlschlägt oder unmöglich ist, kann der Käufer den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag zurücktreten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 – VIII ZR 49/05).

In welcher Form muss die Nacherfüllung verlangt werden?

Besondere Formvorschriften gibt es nicht, das Nacherfüllungsverlangen kann daher grundsätzlich auch mündlich erfolgen. Trotzdem empfiehlt es sich aus Gründen der Beweissicherung, das Nacherfüllungsverlangen schriftlich zu verfassen und den Zugang nachweisen zu können.

Aus dem Nacherfüllungsverlangen muss letztlich nur hervorgehen, dass bestimmte Mängel der Kaufsache gerügt werden und deren Beseitigung oder die Lieferung einer neuen Sache verlangt wird. Es schadet auch nicht, wenn dieses in die höfliche Form einer „Bitte“ gekleidet ist. Trotzdem sollte man das Nacherfüllungsverlangen so deutlich wie möglich formulieren.

Wie lange muss die Frist für die Nacherfüllung sein?

Das kann man nicht pauschal sagen. Die Frist muss im konkreten Fall nach den objektiven Umständen angemessen sein. Der Verkäufer muss also eine realistische Chance haben, die Nacherfüllung innerhalb der Frist vornehmen zu können.

Der Käufer muss für die Nacherfüllung übrigens keine konkrete Tages- Wochen- oder Monatsfrist nennen. Er muss auch kein bestimmtes Enddatum nennen. Es reicht nach der Rechtsprechung aus, wenn der Käufer durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 176/14: Bestimmte Frist ist für Nacherfüllung nicht erforderlich).

Was passiert, wenn die Frist zur Nacherfüllung zu kurz ist?

Ist die vom Käufer für die Nacherfüllung gesetzte Frist zu kurz bemessen, beginnt trotzdem eine angemessene Frist zu laufen. Der Verkäufer kann sich also nicht damit begnügen, die gesetzte Frist als zu kurz zurückzuweisen.

Beispiel: Nach den Umständen des konkreten Falles ist eine Frist zur Nacherfüllung von 5 Wochen objektiv angemessen. Der Käufer setzt dem Verkäufer aber nur eine Frist von 3 Wochen. Die Frist ist zwar zu kurz, es beginnt aber trotzdem die 5wöchige Frist zu laufen.

Wann hält der Verkäufer die Nacherfüllungsfrist ein?

Die Nacherfüllungsfrist ist nicht schon dann eingehalten, wenn der Verkäufer innerhalb der Frist die Leistungshandlung erbracht hat. Vielmehr muss auch der Leistungserfolg (also z.B. die erfolgreiche Nachbesserung) innerhalb der Nacherfüllungsfrist eingetreten sein (BGH, Urteil vom 26.08.2020 – VIII ZR 351/19).

Hat der Käufer eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt, die erfolglos abgelaufen ist, so ist der Käufer nach Auffassung des BGH auch grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Verkäufer eine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Der BGH stellte klar, dass ein zweimaliges Fehlschlagen der Nachbesserung (vgl. § 440 BGB) nur dann Rücktrittvoraussetzung ist, wenn der Käufer sein Nachbesserungsverlangen nicht mit einer Fristsetzung verbunden hat.

Die Frist muss nach dem BGH allerdings so bemessen sein, dass der Verkäufer bei ordnungsgemäßem Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg (hier: die erfolgreiche Nachbesserung) herbeiführen kann.

Wer muss die Kosten der Nacherfüllung tragen?

Die für die Nacherfüllung anfallenden Kosten (z.B. Transport, Arbeitsleistung und Materialien) muss regelmäßig der Verkäufer tragen.

An welchem Ort muss der Verkäufer reparieren?

Der Erfüllungsort für die Nacherfüllung bestimmt sich nach § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB:

„(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.

(2) Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Orte hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.“

(§ 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB)

Somit sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend.

Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hatte (BGH, Urt. v. 13. 4. 2011 − VIII ZR 220/10). Das heißt vereinfacht gesagt: Solange nichts anderes vereinbart wurde, ist beim Autokauf eine Reparatur regelmäßig am Sitz des Verkäufers durchzuführen.

Der BGH hat in einer weiteren Entscheidung auch klargestellt, dass ein Käufer dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung stellen muss. Ein Verkäufer ist deshalb nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung gegeben hat (BGH, Urt. v. 19. 12. 2012 – VIII ZR 96/12).

Der Käufer kann aber gemäß § 439 Abs. 2 BGB seine Aufwendungen im Zusammenhang mit der Reparatur (z.B. Fahrtkosten, Transportkosten) vom Verkäufer ersetzt verlangen. Der BGH hat in diesem Zusammenhang auch entschieden, dass ein Autokäufer bei größeren Transportdistanzen einen Vorschuss für die Transportkosten verlangen darf (BGH, Urteil vom 19.7.2017 – VIII ZR 278/16).

Wie oft darf der Verkäufer reparieren?

Wenn nach einem Autokauf Mängel am Fahrzeug auftreten, streiten sich Käufer und Verkäufer häufig darum, wie oft und in welchem Umfang der Käufer eine Reparatur akzeptieren muss. Autokäufer haben nach erfolglosen Reparaturversuchen häufig keine Lust mehr, am Kaufvertrag festzuhalten. Autoverkäufer möchten dagegen ein Fahrzeug nach Möglichkeit nicht zurücknehmen.

Beispiel:

Ein Käufer kauft einen gebrauchten PKW mit wenig Laufleistung. Innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe des Autos tritt ein Defekt an der Kupplung auf. Der Käufer reklamiert dies und gibt den Wagen an den Verkäufer zur Reparatur. Nach einer Woche erhält der Käufer seinen Wagen wieder zurück. Zwei Wochen später verliert der Motor Öl. Kann der Käufer nun vom Kaufvertrag zurücktreten?

Dieses Problem wird unter Juristen unter der Thematik „Fehlschlagen der Nachbesserung“ behandelt.

Wann gilt eine Nacherfüllung als fehlgeschlagen?

Nach den kaufrechtlichen Vorschriften des BGB (§§ 433 BGB ff.) besteht ein so genannter Vorrang der Nacherfüllung. Dem Verkäufer muss also regelmäßig zunächst die Gelegenheit gegeben werden, den Mangel durch Nacherfüllung zu beseitigen.

Bei einer Reparatur handelt es sich um eine Nacherfüllung in Form der Nachbesserung. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist somit regelmäßig ausgeschlossen, wenn dem Verkäufer nicht vorher Gelegenheit gegeben wurde, den Mangel nachzubessern. Doch wie oft darf ein Verkäufer überhaupt versuchen, das Fahrzeug zu reparieren? Das BGB enthält hierüber in § 440 Satz 2 BGB eine so genannte gesetzliche Vermutung:

„Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.“

(§ 440 Satz 2 BGB)

Das bedeutet aber nicht, dass dem Verkäufer stets zwei Nachbesserungsversuche zustehen. Es handelt sich lediglich um eine gesetzliche Vermutung. In Extremfällen kann auch ein Rücktritt nach einem erfolglosen Reparaturversuch gerechtfertigt sein. Ebenso können einem Verkäufer in bestimmten Fällen mehr als zwei Reparaturversuche zugebilligt werden. Zum Beispiel hat der BGH in seinem Urteil vom 15.11.2006 (Az. VIII ZR 166/06) auf Folgendes hingewiesen:

„Mehr als zwei Nachbesserungsversuche kommen deshalb etwa bei besonderer (technischer) Komplexität der Sache, schwer zu behebenden Mängeln oder ungewöhnlich widrigen Umständen bei vorangegangenen Nachbesserungsversuchen in Betracht (Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 440 Rdnr. 18; Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2006, § 440 Rdnr. 10; Münch-Komm/Westermann, BGB, 4. Aufl., § 440 Rdnr. 11; Faust in Beck’scher Online-Komm. BGB, Stand 1.8.2006, § 440 Rdnr. 32).“

(BGH, Urteil vom 15.11.2006 (Az. VIII ZR 166/06)

§ 440 Satz 2 BGB ist also nur eine Richtlinie, die in „Standardfällen“ Anwendung findet.

Als Faustformel lässt sich festhalten, dass die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist, wenn mit ihr innerhalb einer angemessenen Frist nicht mehr zu rechnen ist und es daher sinnlos erscheint, vor der Geltendmachung weiterer Rechte (Minderung oder Rücktritt) weiter zu warten.

Man wird regelmäßig von einem Fehlschlagen ausgehen dürfen, wenn die Ersatzsache denselben Mangel wie die erste aufweist, da insoweit regelmäßig ein Konstruktions- oder Produktionsfehler angenommen werden kann (zur Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung siehe BGH, Urteil vom 09. März 2011 – VIII ZR 266/09).

Wer trägt die Beweislast für ein Fehlschlagen der Nachbesserung?

Der Käufer muss grundsätzlich im Prozess darlegen und beweisen, dass die Nachbesserung fehlgeschlagen ist. Der BGH formuliert das folgendermaßen:

„Der Käufer einer Sache genügt seiner Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung durch den Nachweis, dass das von ihm gerügte Mangelsymptom weiterhin auftritt. Anders ist dies nur, wenn das erneute Auftreten des Mangelsymptoms möglicherweise auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach deren erneuter Übernahme durch den Käufer beruht (im Anschluss an das Senatsurteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341).“

(BGH, Urteil vom 9.3.2011 – VIII ZR 266/09)

Der Käufer muss also auch darlegen und beweisen, dass beide Reparaturversuche erfolglos waren. Besteht nach dem Vortrag des Verkäufers z.B. die Möglichkeit, dass das erneute Auftreten des Mangels auf einer unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs durch den Käufer nach Rückgabe an ihn zurückzuführen ist, geht dies zulasten des Käufers (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07).

Zählt jeder Mangel einzeln?

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob sich die Anzahl der Reparaturversuche auf denselben Mangel beziehen muss. Der BGH hat hierzu im Zusammenhang mit einem Wohnmobilkauf klargestellt, dass dem Verkäufer wegen jedes einzelnen Mangels die Möglichkeit einer Nachbesserung gegeben werden muss (BGH, Urteil vom 29.06.2011 – VIII ZR 202/10). In dem entschiedenen Fall war das streitgegenständliche Wohnmobil insgesamt vier Mal zwecks Nachbesserungsarbeiten in der Werkstatt der Beklagten, allerdings wegen verschiedener Mängel. Der BGH verneinte ein Rücktrittsrecht unter anderem mit folgender Begründung:

„Ein Fehlschlagen der Nachbesserung kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber lediglich bezüglich der schwergängigen Eingangstür in Betracht, weil insoweit bereits zwei vergebliche Nachbesserungsversuche stattgefunden haben; für die übrigen vom Berufungsgericht angenommenen Mängel gilt dies nicht. Der Umstand, dass die Beklagte bereits wegen verschiedener anderer Mängel Nachbesserungsarbeiten vorgenommen hat, führt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht dazu, dass den Klägerinnen wegen der weiteren noch im Streit befindlichen Mängel eine Nachbesserung durch die Beklagte nicht mehr zumutbar wäre, denn der Käufer hat dem Verkäufer grundsätzlich wegen jedes einzelnen Mangels Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 477).“

(BGH, Urteil vom 29.06.2011 – VIII ZR 202/10)

Nach der Rechtsprechung des BGH ist somit jeder Mangel rechtlich einzeln zu betrachten. Das kann natürlich im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein, sodass ggf. ein Sachverständigengutachten hinzugezogen werden muss.

Wann ist ein Nachbesserungsversuch abgeschlossen?

Ebenso relevant ist die Frage, wann ein Nachbesserungsversuch im rechtlichen Sinne überhaupt abgeschlossen ist. Zählt jeder Termin in der Werkstatt? Oder stellt es zum Beispiel schon einen erfolglosen Reparaturversuch dar, wenn der Verkäufer eine Zwischenmeldung abgibt, dass man noch ein weiteres Teil bestellen muss?

Eine pauschale Antwort hierauf gibt es (leider) nicht. Es kommt letztlich immer auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere wie sich Käufer und Verkäufer verhalten haben. Reinking/Eggert weisen darauf hin, dass Beendigung eines Reparaturversuchs neben der Entgegennahme des Fahrzeugs durch den Käufer voraussetzt, dass der gerügte Mangel uneingeschränkt für beseitigt erklärt wird (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2016, Rnr. 977).

Die Gerichte urteilen in diesem Zusammenhang teilweise recht käuferfreundlich. Hintergrund ist, dass der Käufer meistens keine Ahnung davon hat, was genau nach Abgabe des defekten Fahrzeugs in der Werkstatt passiert. So hat z.B. das OLG Karlsruhe bereits eine erste Untersuchung als Nachbesserungsversuch gewertet (OLG Karls­ru­he, Ur­teil vom 14.05.2009 – 4 U 148/07):

„Die Beklagte hatte, nachdem der Klager unstreitig Wassereintritt und ein „Gluckern“ im Heckbereich gerügt hatte, zweimal Gelegenheit, das Fahrzeug nachzubessern. Dass sie auf die erste Rüge lediglich erfolglos Untersuchungen angestellt und auch beim zweiten Mal die Wassereintrittsstelle nicht gefunden hat. obwohl sie … mit dem Auto durch die Waschstraße gefahren ist, es mit einem Schlauch beregnet und die Heckverkleidung entfernt hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Auch die erste Untersuchung des Fahrzeugs ist als Nachbesserungsversuch zu werten.“

(OLG Karls­ru­he, Ur­teil vom 14.05.2009 – 4 U 148/07)

Übrigens kommt es nicht entscheidend darauf an, was der Verkäufer oder eine von ihm beauftragte Werkstatt tatsächlich unternommen haben. Ein Verkäufer kann sich nicht darauf berufen, dass bei einem Werkstattaufenthalt „noch nichts gemacht wurde“, vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 16.11.2010 – 16 O 134/08:

„Um ein Fehlschlagen von Nachbesserungsversuchen im Sinne von § 440 BGB annehmen zu können, ist es nicht erforderlich, dass der hiermit betraute Verkäufer oder Unternehmer zuvor umfangreiche Aktivitäten entfaltet. Ein erfolgloser Nachbesserungsversuch im Sinne von § 440 Satz 2 BGB liegt auch dann vor, wenn der Verkäufer oder Unternehmer praktisch nichts unternimmt, bevor er den Kaufgegenstand mit dem Mangel wieder an den Käufer zurückgibt.“

(LG Wuppertal, Urteil vom 16.11.2010 – 16 O 134/08)

Wann darf man vom Autokaufvertrag zurücktreten?

Bevor ein Autokäufer von einem Kaufvertrag zurücktreten kann, ist grundsätzlich erforderlich, dass der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung einräumt. Erst wenn die Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist, können Sie als Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Man bezeichnet dies als „Vorrang der Nacherfüllung“.

Nacherfüllung ist auf zwei Arten möglich: Durch Nachbesserung (Beseitigung des Mangels) oder Ersatzlieferung (Lieferung eines Ersatzfahrzeugs), soweit möglich. Grundsätzlich darf der Käufer entscheiden, welche Art der Nacherfüllung er in Anspruch nehmen möchte. Der Verkäufer darf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung nur dann verweigern, wenn diese unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.

Wann gilt der Vorrang der Nacherfüllung nicht?

Der Vorrang der Nacherfüllung gilt nicht immer. Es sind Konstellationen denkbar, in denen eine Nacherfüllung schlicht sinnlos erscheint. Eine vorherige Aufforderung zur Nacherfüllung nebst Fristsetzung ist nicht erforderlich. Beispiele hierfür sind:

  • Die Kosten der Nacherfüllung sind für den Verkäufer unverhältnismäßig hoch.
  • Der Verkäufer verweigert schon vorweg endgültig die Nacherfüllung.
  • Die Nacherfüllung ist für den Verkäufer unmöglich (z. B. wenn ein Gebrauchtwagen als unfallfrei verkauft wurde, tatsächlich aber einen Unfallschaden aufweist).
  • Die vom Verkäufer vorgenommene Nachbesserung ist fehlgeschlagen (zwei erfolglose Reparaturversuche).
  • Die Nacherfüllung ist dem Käufer aus sonstigen Gründen nicht zumutbar.

Gilt der Vorrang der Nacherfüllung auch bei Unfallschäden?

Über Unfallschäden muss ein Verkäufer nach der einschlägigen Rechtsprechung regelmäßig aufklären. Wird ein Fahrzeug als „unfallfrei“ verkauft, obwohl dieses tatsächlich einen Unfallvorschaden aufweist, stellt dies regelmäßig einen Sachmangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 7. 6. 2006 – VIII ZR 209/05). Selbst ohne ausdrückliche Zusage über die Unfallfreiheit stellt ein verschwiegener Unfallschaden regelmäßig einen Mangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 117/12).

Wenn der Käufer dann das Fahrzeug wegen des Unfallvorschades zurückgeben möchte, gilt der Vorrang der Nacherfüllung ausnahmsweise nicht. Denn die fehlende Unfallfreiheit kann selbst durch eine Nachbesserung nicht mehr erreicht werden („einmal Unfallwagen, immer Unfallwagen“, vgl. BGH, Urteil vom 7. 6. 2006 – VIII ZR 209/05).

Anders ist die Situation, wenn der Käufer z.B. Reparaturkosten für die Beseitigung von unfallbedingten Mängeln erstattet haben möchte. In diesen Fällen ist eine Nachbesserung durch den Verkäufer grundsätzlich möglich und es gilt der Grundsatz des Vorrangs der Nacherfüllung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16.05.2017 – 28 U 101/16; LG Berlin, Urteil vom 05. Juli 2017 – 33 O 329/15; LG Kleve, Urteil vom 10. Oktober 2014 – 3 O 53/14).

Gilt der Vorrang der Nacherfüllung auch bei arglistiger Täuschung?

Grundsätzlich gilt im Autokaufrecht: Ist das verkaufte Fahrzeug mangelhaft, hat der Verkäufer grundsätzlich die Möglichkeit, den Mangel durch Nacherfüllung zu beseitigen. Der Käufer kann nicht direkt zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Dies bezeichnet man als „Vorrang der Nacherfüllung“.

Eine wichtige Ausnahme gilt allerdings, wenn dem Verkäufer eine arglistige Täuschung nachgewiesen werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Käufer regelmäßig berechtigt, sofort vom Kauf zurückzutreten bzw. den Kaufpreis zu mindern oder Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, wenn der Verkäufer den Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2010 – V ZR 147/09; BGH, Urteil vom 10. März 2010 – VIII ZR 182/08; BGH, Beschl. v. 08. Dezember 2006 – V ZR 249/05; BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 – VIII ZR 210/06).

Wie muss der Rücktritt vom Autokaufvertrag erklärt werden?

Ein Rücktritt vom Autokaufvertrag ist rechtlich gesehen eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Rücktritt wird daher erst mit Zugang beim Verkäufer wirksam. Zugang bedeutet – vereinfacht gesagt – dass der Verkäufer Kenntnis nehmen konnte.

Das Wort „Rücktritt“ muss grundsätzlich nicht in der Erklärung vorkommen. Der Käufer muss aber unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht mehr am Autokauf festhalten möchte. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte der Rücktritt am besten zweifelsfrei erklärt werden, wenn der Autokauf rückabgewickelt werden soll.

Für einen Rücktritt vom Autokaufvertrag ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Der Rücktritt kann also auch mündlich erklärt werden. Allerdings ist es aus Beweisgründen besser, den Rücktritt schriftlich zu erklären und den Zugang der Rücktrittserklärung beweissicher zu dokumentieren (zum Beispiel durch Einschreiben).

Was passiert nach dem Rücktritt?

Sobald ein Rücktrittsrecht besteht und die Rücktrittserklärung dem Verkäufer zugeht, wandelt sich der Kaufvertrag in ein so genanntes Rückabwicklungsschuldverhältnis um. Das bedeutet, der Verkäufer muss dem Käufer dann den Kaufpreis zurückerstatten. Im Gegenzug muss der Käufer das Fahrzeug an den Verkäufer herausgeben.

Muss der Käufer das Fahrzeug nach dem Rücktritt zurückbringen oder muss der Verkäufer das Fahrzeug selbst abholen?

Wenn ein Autokäufer von seinem gesetzlichen Rücktrittsrecht Gebrauch macht, ist der Verkäufer verpflichtet, das Fahrzeug dort abzuholen, wo es sich zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Das ist bei Fahrzeugen regelmäßig der Wohnsitz des Käufers.

Darf man auch bei kleineren Mängeln vom Kaufvertrag zurücktreten?

Nach dem Gesetz ist ein Rücktritt allgemein ausgeschlossen, wenn die vertragliche Pflichtverletzung unerheblich ist. Das gilt auch für unerhebliche Mängel. Ob ein Mangel erheblich ist oder nicht, ist dabei stets eine Frage des Einzelfalls. Ist der Mangel unerheblich, bleibt nach fehlgeschlagener Nacherfüllung somit nur die Minderung des Kaufpreises und ggf. Schadensersatz.

Bei einem behebbaren Mangel wird von der Rechtsprechung regelmäßig angenommen, dass dieser geringfügig ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand maximal fünf Prozent des Kaufpreises ausmacht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13).

Darf man auch bei kleineren Mängeln die Zahlung des Kaufpreises zurückhalten?

Grundsätzlich berechtigen auch kleinere Mängel, den Kaufpreis zurückzubehalten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 26. Oktober 2016 (Az. VIII ZR 211/15).

In dem entschiedenen Fall bestellte der Beklagte bei der klagenden Autohändlerin ein Neufahrzeug (Fiat Freemont) zum Preis von 21.450 €. Die Parteien vereinbarten u.a. eine kostenfreie Lieferung an den Wohnsitz des Beklagten.

Bei Anlieferung stellte der Beklagte allerdings einen Lackschaden am Fahrzeug fest. Im Lieferschein der Spedition wurde zwar vermerkt, dass die Kosten von der Klägerin übernommen werden, der Beklagte wies dennoch das Fahrzeug zurück. Er teilte der Klägerin per Telefax mit, dass er bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts den Kaufpreis nicht zahlen werde.

Nachdem der Lackschaden letztendlich durch die Klägerin beseitigt worden war, verlangte diese vom Beklagten Verzugszinsen auf den Kaufpreis, eine Kostenerstattung für den Rücktransport sowie für die erneute Auslieferung des Fahrzeugs und Standgeld.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies. Der 8. Zivilsenat stellte dazu fest, dass sich der Beklagte mit der Zahlung des Kaufpreises nicht in Verzug befand. Denn die Klägerin hatte dem Beklagten das Fahrzeug zunächst nicht frei von Sachmängeln verschafft. Der Beklagte war deshalb berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises bis zur mangelfreien Lieferung zu verweigern.

Auch im Hinblick auf die verweigerte Abnahme stellte der BGH fest, dass der Beklagte diese gemäß § 273 Abs. 1 BGB verweigern durfte. Dieses Zurückbehaltungsrecht gelte auch bei behebbaren, geringfügigen Mängeln. Der Käufer müsse die Sache also nicht abnehmen, sondern könne sie bis zur Beseitigung des Mangels zurückweisen. Allerdings lässt der BGH ausdrücklich eine Ausnahme zu: Ein Zurückbehaltungsrecht gilt nicht, soweit sich aus besonderen Umständen ergibt, dass dieses Recht treuwidrig ausgeübt wird. Es kommt also letztlich immer auf die Umstände des Einzelfalls an.

Kann die Gewährleistung beim Autokauf komplett ausgeschlossen werden?

Ob und wie weit die Gewährleistung beim Autokauf ausgeschlossen werden kann, hängt insbesondere davon ab, welche Parteien am Autokaufvertrag beteiligt sind. Ein vollständiger Ausschluss der Gewährleistung ist z.B. nur in folgenden Konstellationen möglich:

a) Verbraucher verkauft Auto an Verbraucher

Wenn sowohl Verkäufer als auch Käufer Verbraucher im Sinne des BGB sind (§ 13 BGB), kann die Gewährleistung durch individuelle Vereinbarung oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen komplett ausgeschlossen werden. Das ist regelmäßig bei Musterverträgen für den Autokauf unter Privatleuten vorgesehen.

b) Unternehmer verkauft Neufahrzeug an Unternehmer

Sind sowohl Verkäufer als auch Käufer Unternehmer (§ 14 BGB), kann die Gewährleistung für Neufahrzeuge nur durch individuelle Vereinbarung vollständig ausgeschlossen werden. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre ein solcher vollständiger Gewährleistungsausschluss wegen § 309 Nr. 8 b) ff) BGB unwirksam.

c) Unternehmer verkauft an Unternehmer Gebrauchtwagen

Verkauft ein Unternehmer an einen anderen Unternehmer (§ 14 BGB) ein gebrauchtes Fahrzeug, kann die Gewährleistung durch individuelle Vereinbarung oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Beim Gewährleistungsausschluss in AGB muss allerdings beachtet werden, dass dieser nicht zu weit geht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. 9. 2007 – VIII ZR 141/06)

Der Verkäufer kann sich auf einen Gewährleistungsausschluss im Übrigen auch nicht berufen, wenn er konkrete Zusicherungen in Bezug auf das Fahrzeug gemacht hat. Der Verkäufer kann also ein Fahrzeug nicht mit „läuft einwandfrei“ beschreiben und sich später auf einen Gewährleistungsausschluss zu berufen.

Wie lange läuft die Gewährleistungsfrist bei der Nacherfüllung?

Im Kaufrecht gibt es verschiedene Gewährleistungsfristen (oder juristisch korrekt formuliert: verschiedene Verjährungsfristen für Mängelansprüche). So gilt zum Beispiel für Autos und Motorräder eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren und für Bauwerke eine Frist von 5 Jahren (vgl. § 438 Abs. 1 BGB). Nach Ablauf dieser Fristen kann der Käufer keine Gewährleistungsansprüche (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt oder Schadensersatz) mehr geltend machen.

Aber was passiert mit der Gewährleistungsfrist, wenn zum Beispiel bei einem PKW ein Mangel während der Gewährleistungsfrist auftritt und vom Verkäufer durch Nacherfüllung behoben wird? Beginnt dann eine neue Gewährleistungsfrist zu laufen?

Der Lauf der Verjährungsfrist richtet sich hierbei nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften, §§ 203 ff. BGB. Im Bereich der Gewährleistung ergeben sich daher folgende Fallgruppen:

Verkäufer erkennt Anspruch auf Nacherfüllung an

Wenn der Verkäufer den Anspruch auf Nacherfüllung anerkennt, stellt dies rechtlich gesehen ein Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar:

„Die Verjährung beginnt erneut, wenn

1. der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder…“

(§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB)

Das Anerkenntnis führt zu einem Neubeginn der Verjährung. Es beginnt also eine neue Gewährleistungsfrist zu laufen. Neuer Fristbeginn ist der Tag, der auf das Anerkenntnis des Verkäufers folgt (vgl. BGH, Beschl. v. 8. 1. 2013 – VIII ZR 344/12).

Wann ein Anerkenntnis vorliegt, kann man nicht immer einfach sagen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt ein Anerkenntnis vor, wenn sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Der Schuldner muss dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen, wobei allerdings auch ein eindeutiges schlüssiges Verhalten genügen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 23. 8. 2012 − VII ZR 155/10 mit weiteren Nachweisen).

Wenn also der Verkäufer klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine Verpflichtung zur Nacherfüllung anerkennt, beginnt die Gewährleistungsfrist einen Tag danach neu zu laufen.

Das Anerkenntnis lässt die Gewährleistungsfrist aber nur für den Mangel neu beginnen, auf den sich das Anerkenntnis bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 20.1.2016 – VIII ZR 77/15).

Verkäufer ist bereit, sich des Mangels anzunehmen

Denkbar sind auch Fälle, in denen der Verkäufer zwar kein ausdrückliches Anerkenntnis abgibt, aber bereit ist, „sich den Mangel anzuschauen“. Dann liegt rechtlich gesehen ein Verhandeln über den Anspruch nach § 203 BGB vor:

„Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.“

(§ 203 BGB)

Das Verhandeln über den Anspruch führt zur sog. Hemmung der Verjährung. Die Hemmung der Verjährung führt dazu, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, § 209 BGB. Es handelt sich faktisch um eine Pause.

Ein verjährungshemmendes Verhandeln liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn der Verkäufer die Möglichkeit der Existenz des Mangels anerkennt und seine Bereitschaft bekundet, Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 9.2.2006 – 5 U 1452/05).

Verkäufer verweigert Nacherfüllung

Wenn der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, liegt kein Verhandeln über den Anspruch und erst Recht auch kein Anerkenntnis vor. Selbst wenn der Käufer meint, dass sich der Verkäufer eines bestimmten Mangels annehmen muss und ihn damit konfrontiert, stellt dies allein noch kein Verhandeln dar. Denn wenn ein Verkäufer von vornherein jede Verantwortung für die Mangelsymptome ablehnt, kann darin kein Verhandeln gesehen werden (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – VII ZR 194/05).

Verkäufer reagiert überhaupt nicht

Wenn der Verkäufer überhaupt nicht reagiert bzw. untätig bleibt, liegt ebenfalls kein Verhandeln über den Anspruch und erst Recht auch kein Anerkenntnis vor. Der Käufer kann in diesen Fällen aber nicht sofort zu den Sekundärrechten (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) greifen, sondern er muss den Vorrang der Nacherfüllung beachten und dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben. Erst wenn diese abgelaufen ist, kann der Käufer von den Sekundärrechten Gebrauch machen. Falls dies nicht mehr abgewartet werden kann, muss notfalls auf Nacherfüllung geklagt werden, um die Verjährung zu hemmen.

Kann man die Gewährleistungsfrist beim Autokauf verkürzen?

Eine Verkürzung der Gewährleistung (juristisch korrekt: eine Verkürzung der Verjährungsfrist für Sachmängelansprüche) ist auch wieder nur in bestimmten Konstellationen möglich:

a) Verbraucher verkauft an Verbraucher

Wenn sowohl Verkäufer als auch Käufer Verbraucher im Sinne des BGB sind (§ 13 BGB), kann die Gewährleistung durch individuelle Vereinbarung oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen beliebig verkürzt werden.

b) Unternehmer verkauft an Verbraucher Gebrauchtfahrzeug

Verkauft ein Unternehmer an einen Verbraucher einen Gebrauchtwagen, kann die Gewährleistung durch individuelle Vereinbarung oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf 1 Jahr verkürzt werden. Das ist der Standardfall des Gebrauchtwagenkaufs beim Händler. Deshalb sehen auch viele Musterverträge eine entsprechende Verkürzung der Gewährleistungsfrist vor.

c) Unternehmer verkauft an Unternehmer Neufahrzeug

Verkauft ein Händler an einen Unternehmer ein Neufahrzeug, kann die Gewährleistung grundsätzlich durch allgemeine Geschäftsbedingungen auf 1 Jahr verkürzt werden. Eine Verkürzung auf weniger als 1 Jahr wäre allerdings nur durch Individualvereinbarung möglich (vgl. § 309 Nr. 8 b) ff) BGB).

d) Unternehmer verkauft an Unternehmer Gebrauchtfahrzeug

Verkauft ein Händler an einen Unternehmer einen Gebrauchtwagen, kann die Gewährleistung beliebig verkürzt werden, sowohl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch durch individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien. Daher versuchen manche Gebrauchtwagenhändler nach Möglichkeit auch, den Käufer als Unternehmer im Kaufvertrag aufzunehmen.

Ist bei einem „Bastlerfahrzeug“ die Gewährleistung ausgeschlossen?

Gewerbliche Gebrauchtwagenhändler versuchen immer wieder, bei Fahrzeugen mit hoher Laufleistung die Gewährleistung auszuschließen, indem sie in den Kaufvertrag Formulierungen wie „Bastlerfahrzeug“ oder „zur Ersatzteilgewinnung“ aufnehmen.

Solche Gewährleistungsausschlüsse sind gegenüber Verbrauchern wegen §§ 474 ff. BGB regelmäßig unwirksam. In dem renommierten Fachbuch von Reinking/Eggert findet sich dazu ein sehr schönes Statement:

„Beschreibungen wie „Restarbeiten nötig“ oder „mit Schönheitsfehlern“ oder „Bastlerfahrzeug“ oder „technisch und optisch am Ende seiner Lebensdauer“ gehören ebenso wie die Klausel „das Fahrzeug soll so sein wie es ist“ zu den eher grobschlächtigen Versuchen, das Haftungsrisiko zu begrenzen.“

(Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2016, Rnr. 2480)

Meistens sind Bezeichnungen wie „Bastlerfahrzeug“ schon deswegen unbeachtlich, weil die Vertragsparteien diesen keine entsprechende Bedeutung beigemessen haben. Wenn ein Fahrzeug in Wahrheit nämlich zum Gebrauch (und nicht als Ersatzteilllager oder zum Basteln) erworben wird, können derartige Bezeichnungen schon wegen § 118 BGB nichtig sein oder es handelt sich um eine vom wahren Parteiwillen abweichende Falschbezeichnung („falsa demonstratio“, vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2016, Rnr. 2491).

Auch Gerichte lassen derartige Versuche, die Gewährleistung gegenüber Verbrauchern entgegen §§ 474 ff. BGB zu umgehen, regelmäßig scheitern. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Beschluss des OLG Oldenburg vom 22. September 2003 (Az. 9 W 30/03). Das OLG Oldenburg stellt darin Folgendes fest:

„Die Antragsgegnerin kann sich gemäß § 475 I 1 BGB nicht darauf berufen, das Fahrzeug ohne Garantie als „Bastlerfahrzeug“ verkauft zu haben. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist – weil der Antragsteller Verbraucher und die Antragsgegnerin Unternehmerin ist – als Verbrauchsgüterkauf im Sinne der §§ 474 ff BGB zu qualifizieren. Dies bedeutet, dass die Antragsgegnerin die Gewährleistung für etwaige Mängel grundsätzlich nicht ausschließen kann und dass Umgehungen dieses Verbotes unwirksam sind (§ 475 I 2 BGB). Die Bezeichnung des Autos als Bastlerfahrzeug stellt im konkreten Fall eine solche Umgehung des § 475 I 1 BGB dar. Die Beklagte selbst räumt in ihren Schriftsätzen ein, dass die Formulierung „Bastlerauto“ von ihr gewählt wurde, weil sie sich außerstande sah, eine Gewähr für die Mangelfreiheit des Autos zu übernehmen, und nicht etwa deshalb, weil man meinte, dass das Auto nach seiner Beschaffenheit nicht mehr dazu imstande sein sollte, im Straßenverkehr genutzt zu werden. So ging es dem Antragsteller, der nicht etwa Kraftfahrzeugmechaniker sondern Matrose ist, auch nur darum, ein Auto zum Fahren und nicht zum Basteln zu erwerben. Dies dürfte im übrigen der Verkehrserwartung entsprechen, wenn sich ein potentieller Kunde, wie hier geschehen, an einen professionellen Autovertragshändler und nicht an einen Schrotthändler wendet. Diese Erwägung wird im übrigen bestätigt durch den Preis, den die Beklagte für das Fahrzeug verlangte, nämlich 4.900 €. Dies entspricht, wie durch eine kurze Internetrecherche in einschlägigen Portalen zu belegen ist, dem gängigen Preis für Gebrauchtwagen des verkauften Typs mit entsprechender Laufleistung. Die Beklagte hat mit anderen Worten den gängigen Marktpreis für einen entsprechenden Gebrauchtwagen verlangt. Sonstige Gründe, die dafür sprechen könnten, dass die Parteien tatsächlich nur ein Auto zum Basteln und nicht zum Fahren gemeint haben könnten, hat die Beklagte, die insoweit darlegungspflichtig ist, nicht genannt.“

(OLG Oldenburg, Beschluss vom 22. September 2003 – 9 W 30/03)

Fazit: Bezeichnungen wie „Bastlerfahrzeug“, „Bastlerauto“ oder „zum Ausschlachten“ führen beim Gebrauchtwagenverkauf von Händlern an Verbraucher regelmäßig nicht zum Ausschluss der Gewährleistung. Das gilt insbesondere dann, wenn das Fahrzeug in Wahrheit zum normalen Gebrauch gekauft wurde.

Ausnahmen hiervon sind lediglich beim Verkauf von Händler zu Händler oder von Verbraucher zu Verbraucher denkbar.

Nachfolgend finden Sie einige ausgesuchte Gerichtsentscheidungen zum Thema „Bastlerfahrzeug“.

  • OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 22. September 2003 – 9 W 30/03 (Unwirksamer Gewährleistungsausschluss beim Verkauf eines fahrbereiten Wagens als „Bastlerfahrzeug“)
  • AG Marsberg, Urteil vom 13. Oktober 2004 – 1 C 22/04 (Gewährleistungsausschluss in Bezug auf die Laufleistung für ein „Bastlerfahrzeug“)
  • AG Marsberg, Urteil vom 09. Oktober 2002 – 1 C 143/02 (Bezeichnung als „Bastlerfahrzeug“ führt nicht zum Wegfall der Gewährleistungsrechte aus § 442 Abs. 1 BGB)
  • AG München, Urteil vom 17. November 2009 – 155 C 22290/08 (Unwirksamer Gewährleistungsausschlusse in AGB durch Bezeichnung der Kaufsache als „Bastlerfahrzeug“)
  • LG Stendal, Urteil vom 24. März 2011 – 22 S 66/01 (Zur Beschaffenheitsvereinbarung „Bastlerfahrzeug“)
  • OLG Köln, Beschluss vom 28. März 2011 – I-3 U 174/10 (Die Bezeichnung „Bastlerfahrzeug“ führt nicht zu einer nachträglichen Aufhebung der Beschaffenheitsvereinbarung über die Verkehrssicherheit)
  • OLG Hamm, Urteil vom 12. September 2013 – I-28 U 174/12 (Bezeichnung als „Bastlerfahrzeug“ kann allein der Bekräftigung eines vom Verkäufer gewünschten Gewährleistungsausschluss dienen)
  • AG München, Urteil vom 14. Dezember 1993 – 281 C 21304/93 (Gebrauchtwagenhändler ist auch bei einem „Bastlerfahrzeug“ zur Aufklärung über Unfallschäden verpflichtet)
  • OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Mai 1997 – 10 U 209/96 (Zur Sollbeschaffenheit eines Gebrauchtwagens, der nicht als Schrott- oder Bastlerfahrzeug verkauft wird)
  • LG Köln, Urteil vom 30. November 2016 – 32 O 162/16 (Die Bezeichnung als „Bastlerfahrzeug“ kann einen Anhaltspunkt darstellen, der einen sorgfältigen Käufer zumindest zu weiteren Nachfragen veranlassen muss)
  • OLG Köln, Urteil vom 22. Juli 2008 – 9 U 188/07 (Der Umstand, dass ein Motorrad in einem „Kaufvertrag für ein Bastlerfahrzeug“ veräußert wird, lässt allein keinen Schluss auf dessen Wert zu).
  • OLG München, Urteil vom 13. Februar 2008 – 3 U 3796/07 (Eine Klausel, dass der Verkauf unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erfolge, nebst handschriftlichen Zusätzen „Unfallschaden möglich“, „Motorschaden möglich“ sowie „Das Fahrzeug wird als Bastlerfahrzeug übergeben“ stellt keinen im Sinne von § 444 BGB wirksamen Haftungsausschluss dar, wenn bei der Fahrzeugbesichtigung bekräftigt wurde, dass das Fahrzeug in jedem Fall verkehrssicher und betriebssicher sei und TÜV und ASU neu habe.)

Ist man an eine Minderungserklärung gebunden?

Wer nach einem Autokauf den Kaufpreis mindern möchte, sollte sich diese Entscheidung vorab gut überlegen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine einmal erklärte Minderung bindend ist und eine spätere Rückabwicklung wegen desselben Sachmangels ausschließt (BGH, Urteil vom 09.05.2018 – VIII ZR 26/17).

Welche Aufklärungspflichten hat ein Gebrauchtwagenhändler?

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Gebrauchtwagenhändler eine generelle Aufklärungspflicht über Mängel am Fahrzeug trifft. Das ist in dieser pauschalen Form aber nicht richtig. Es besteht keine generelle Aufklärungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14). Eine Aufklärungspflicht wird von der Rechtsprechung nur in bestimmten Fallgruppen angenommen.

Nach der Rechtsprechung besteht eine Aufklärungspflicht des Händlers zum einen dann, wenn der Käufer ihm eine konkrete Frage zum Fahrzeug gestellt hat. Dann muss der Händler diese vollständig und richtig beantworten. Anderenfalls liegt eine arglistige Täuschung vor, die zur Anfechtung des Autokaufvertrages berechtigt. Eine arglistige Täuschung kann in diesen Fällen auch schon deshalb vorliegen, weil der Händler Angaben „ins Blaue hinein“ macht.

Zum anderen besteht eine Aufklärungspflicht des Händlers über solche Tatsachen, die für den Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind und deren ungefragte Mitteilung nach den üblichen Gepflogenheiten erwartet werden kann (die Juristen sprechen von der „Verkehrssitte“). Das sind meistens solche Tatsachen, die der Käufer im Gegensatz zum Händler regelmäßig nicht wissen kann (z.B. Unfallfreiheit eines Fahrzeugs). Aber auch dann besteht eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn der Händler die Tatsache auch wirklich kennt.

Die Rechtsprechung geht – auch ohne vorherige Nachfrage des Käufers – von einer Aufklärungspflicht über folgende Tatsachen aus:

  • Unfallschäden eines Fahrzeugs, mit Ausnahme von Bagatellschäden (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1986 – VIII ZR 345/85; BGH, Urteil vom 03. März 1982 – VIII ZR 78/81)
  • Nicht erfolgte Untersuchung auf Unfallschäden (vgl. BGH, Urteil vom 07. Juni 2006 – VIII ZR 209/05; LG München I, Urteil vom 25.06.2004 – 6 O 12298/02)
  • Vorherige Nutzung als Mietwagen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31.07.2008 – 19 U 54/08)
  • Vorheriger Erwerb von einem „fliegenden Zwischenhändler“ (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2009 – VIII ZR 38/09)
  • Eigene Reparatur durch Verkäufer (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.1992 – 13 U 181/91)
  • Re-Import-Eigenschaft
  • Fehlen deutscher Fahrzeugpapiere

Welche Rechte hat der Käufer, wenn der Verkäufer eine Aufklärungspflicht verletzt?

Wenn der Gebrauchtwagenhändler eine Aufklärungspflicht verletzt, kommt eine Anfechtung des Kaufvertrages in Betracht. Neben der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann der Käufer regelmäßig auch seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte geltend machen. Das gilt selbst dann, wenn ein Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde, denn ein solcher Gewährleistungsausschluss gilt nicht bei arglistiger Täuschung (§ 444 BGB).

Wann besteht ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung?

Ein Recht zur Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung besteht immer dann, wenn der Gebrauchtwagenhändler seine Aufklärungspflicht vorsätzlich (arglistig) verletzt hat.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Arglist bereits ab einer niedrigen Schwelle angenommen wird. Es reicht insoweit aus, wenn der Händler Angaben „ins Blaue hinein“ macht (vgl. BGH, Urteil vom 07. Juni 2006 – VIII ZR 209/05).

Was bewirkt die Anfechtung des Gebrauchtwagenkaufvertrages?

Wenn eine wirksame Anfechtung vorliegt, ist der Kaufvertrag nichtig, wie sich aus § 142 Abs. 1 BGB ergibt:

„Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.“

(§ 142 Abs. 1 BGB)

Der Käufer kann dann den Kaufpreis zurückverlangen und ist im Gegenzug verpflichtet, das Auto an den Händler zurückzugeben.

Wer trägt die Beweislast für die arglistige Täuschung?

Nach den allgemeinen Beweislastregeln trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass der Händler arglistig gehandelt hat, d.h. eine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt hat. Kann dieser Beweis nicht geführt werden, geht auch eine erklärte Anfechtung ins Leere.

Wann darf man als Käufer von einem Autokaufvertrag zurücktreten?

Von einem Kaufvertrag kann man als Käufer nicht ohne weiteres zurücktreten. Es gilt der „Vorrang der Nacherfüllung“. Dieser Grundsatz besagt, dass der Käufer einer mangelhaften Sache zunächst einmal nur einen Anspruch auf Nacherfüllung hat. Der wirksame Rücktritt vom Kaufvertrag wegen der Lieferung eines mangelhaften Kaufgegenstandes setzt somit grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) einräumt, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Der Käufer muss also zunächst vom Verkäufer Nacherfüllung verlangen. Der Käufer kann dabei wählen zwischen

Wenn der Käufer zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung gewählt hat, ist er hieran gebunden. Er kann die Form der Nacherfüllung aber auch dem Verkäufer nach seiner Wahl überlassen.

Der Verkäufer darf allerdings die vom Käufer gewählte Variante der Nacherfüllung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist (§ 439 Abs. 3 BGB). Wann eine solche Unverhältnismäßigkeit vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, eine pauschale Aussage ist hierüber nicht möglich.

Der Käufer muss dem Verkäufer für die Nacherfüllung eine angemessene Frist setzen. Wie lang diese Frist zu bemessen ist, bestimmt sich nach Art und Umfang des Mangels und den zeitlichen Möglichkeiten des Verkäufers, den Mangel zu beseitigen. Ist die Frist zu kurz bemessen, tritt an deren Stelle automatisch eine Frist mit angemessener Länge (vgl. OLG Celle, Urteil vom 04.08.2004 – 7 U 30/04).

Erst wenn die vom Käufer gesetzte Frist zur Nacherfüllung erfolglos verstreicht, darf der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten (vgl. § 323 Abs. 1 BGB).

Daneben darf der Käufer aber auch in folgenden Fällen ohne vorherige Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten:

  • wenn der Verkäufer die Durchführung der Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB), also wenn das Vorliegen eines Mangels und eine Pflicht zur Gewährleistung endgültig bestritten wird,
  • wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung (Nachbesserung und Ersatzlieferung) wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert (§ 440 S. 1, 1. Alt. BGB),
  • wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist (§ 440 S. 1, 2. und 3. Alt. BGB),
  • wenn die Nacherfüllung unmöglich ist (§ 275 BGB).

Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt (§ 440 S. 2 BGB). Als unzumutbar wurde die Nacherfüllung zum Beispiel bei einem sog. „Montagsauto“ angesehen, wobei dies stets eine Frage ist, die vom Tatrichter im Einzelfall entschieden werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 140/12).

Der Rücktritt ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Verkäufer wirksam wird. Der Verkäufer muss weder zustimmen noch widersprechen. Es kommt allein auf die tatsächliche Rechtslage an. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt vor, ist der Rücktritt wirksam. Die Rücktrittserklärung ist an keine bestimmte Form gebunden, kann also theoretisch auch mündlich erklärt werden. Aus Beweisgründen ist es jedoch empfehlenswert, den Rücktritt vom Kaufvertrag schriftlich bzw. in Textform zu erklären und dies beweissicher zu dokumentieren.

Kann man auch bei geringfügigen Mängeln vom Autokaufvertrag zurücktreten?

Selbst wenn die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag eigentlich vorliegen, gibt es hiervon noch eine Ausnahme: Nach § 323 Abs. 5 BGB kann ein Käufer vom Kaufvertrag nicht zurücktreten, wenn der Mangel unerheblich ist.

Der BGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle regelmäßig schon dann erreicht ist, wenn der finanzielle Aufwand zur Beseitigung des Mangels 5 % des Kaufpreises überschreitet (BGH, Urteil vom 28.05.2014 – VIII ZR 94/13).

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Käufer bei einer Tachomanipulation?

Das lässt sich leider nicht pauschal beantworten. Beim Thema Kilometerstand gibt es viele verschiedene Konstellationen mit unterschiedlichen rechtlichen Ergebnissen. Für den Käufer kommen aber häufig zwei rechtliche Möglichkeiten in Betracht:

  • Der Rücktritt vom Kaufvertrag und die anschließende Rückzahlung des Kaufpreises
  • Die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und die anschließende Rückforderung des Kaufpreises

Gewerbliche Autoverkäufer haben nach der Rechtsprechung höhere Sorgfalts- und Prüfungspflichten als rein private Verkäufer. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ein privater Käufer bei einem Kauf von einem gewerblichen Gebrauchtwagenhändler besonderes Vertrauen in dessen Sachkunde setzt. Er darf den Angaben eines gewerblichen Verkäufers eher vertrauen als den Angaben eines Privatverkäufers, der oftmals selbst keine KFZ-spezifischen Kenntnisse besitzt.

Man kann als Faustformel festhalten: Wenn feststeht, dass ein Tacho manipuliert wurde, so hat man bei einem gewerblichen Verkäufer mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Recht zum Rücktritt oder ein Recht zur Anfechtung als bei einem Privatverkäufer. Natürlich ist dies auch bei Privatverkäufern nicht ausgeschlossen. Es kommt aber eben auf die Umstände des konkreten Falles an.

Wann darf man vom Autokaufvertrag wegen Tachomanipulation zurücktreten?

Ein Rücktritt vom Autokaufvertrag ist dann möglich, wenn der falsche Tachostand (also die Abweichung von der tatsächlich höheren Laufleistung) einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB darstellt.

Das wiederum hängt maßgeblich davon ab, welche Formulierung im Kaufvertrag zur Laufleistung gewählt wurde.

Grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Käufer eines Gebrauchtwagens davon ausgehen darf, dass die Laufleistung laut Tachostand auch der tatsächlichen Laufleistung entspricht. Dementsprechend sind Angaben zum Kilometerstand, die keine deutliche Einschränkung enthalten, mindestens als Beschaffenheitsvereinbarung, wenn nicht sogar als Beschaffenheitsgarantie anzusehen.

Enthält der Kaufvertrag allerdings Formulierungen wie “soweit dem Verkäufer bekannt” und “Gesamtlaufleistung nicht bekannt”, so möchte der Verkäufer erkennbar keine Beschaffenheitsvereinbarung über die Laufleistung abschließen. In diesem Fall liegt kein Sachmangel vor, der zum Rücktritt berechtigen würde.

Muss man bei einem manipuliertem Tacho vor dem Rücktritt Nacherfüllung verlangen?

In den meisten Fällen nein.

Eine Nacherfüllung durch Reparatur ist bei einem manipuliertem Tacho nicht möglich. Denn das Fahrzeug hat eine tatsächlich höhere Laufleistung. Diese kann man nicht durch Reparatur „zurückdrehen“.

Eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung scheidet bei Gebrauchtwagenverkäufen ebenfalls regelmäßig aus, da sich der Käufer ja ein bestimmtes, individuelles Fahrzeug ausgesucht hat. Höchstens dann, wenn es sich um ein Modell handelt, dass auf dem Markt noch ohne weiteres gleichwertig erhältlich ist, käme eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung in Betracht.

Wie wirkt sich ein Gewährleistungsausschluss bei Tachomanipulation aus?

Ein Gewährleistungsausschluss ist bei Verkäufen von Fahrzeugen mit manipuliertem Tacho häufig wirkungslos.

Wenn der Gebrauchtwagenverkäufer gewerblich handelt und an einen Verbraucher verkauft, kann er die Gewährleistung ohnehin wegen § 475 BGB nicht ausschließen.

Aber auch bei einem privaten Verkäufer ist der Gewährleistungsausschluss wirkungslos, wenn die Kilometerangabe rechtlich als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht von einem pauschalen Gewährleistungsausschluss erfasst.

Wann darf man den Autokaufvertrag wegen Tachomanipulation anfechten?

Eine Anfechtung des Autokaufvertrages ist dann möglich, wenn man dem Verkäufer eine arglistige Täuschung hinsichtlich des Kilometerstandes nachweisen kann.

Das bedeutet aber nicht, dass man dem Verkäufer nachweisen müsste, dass er positive Kenntnis vom manipuliertem Tachostand hatte. Nach der Rechtsprechung liegt eine arglistige Täuschung bereits dann vor, wenn der Verkäufer wider besseres Wissen so genannte „Angaben ins Blaue hinein“ macht.

Auch hier muss aber zwischen gewerblichen Verkäufern und privaten Verkäufern unterschieden werden. Gewerbliche Verkäufer treffen höhere Untersuchungs- und Prüfpflichten als private Verkäufer. Daher kann man auch hier wieder sagen, dass bei einem gewerblichen Gebrauchtwagenverkäufer eher von einer arglistigen Täuschung durch „Angaben ins Blaue hinein“ ausgegangen werden kann als bei einem Privatverkäufer.

Nachfolgend finden Sie einige ausgewählte Entscheidungen zur Thematik „Kilometerstand und Tachomanipulation“:

  • BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 38/09 (Aufklärungspflicht über fliegenden Zwischenhändler)
  • BGH, Urteil vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06 (Abgrenzung zwischen Beschaffenheitsangabe und Beschaffenheitsgarantie, Differenzierung zwischen gewerblichen und privaten Verkäufern, Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss)
  • BGH, Urteil vom 16. März 2005 – VIII ZR 130/04 (abgelesener Kilometerstand als Beschaffenheitsvereinbarung)
  • BGH, Urteil vom 25. Juni 1975 – VIII ZR 244/73 (eine ohne Einschränkung gemachte Kilometerangabe bezieht sich auf die Gesamtfahrleistung)
  • OLG München, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 20 U 1458/16 (Aufklärungspflicht über Zurückstellen des Tachos auf Null)
  • OLG Koblenz, Beschluss vom 09. Dezember 2013 – 3 U 751/13 (Kein zwingender Rückschluss von Zustand des Fahrzeugs auf Laufleistung)
  • OLG Bremen, Urteil vom 08. Oktober 2003 – 1 U 40/03 (Aufklärungspflicht über fliegenden Zwischenhändler)
  • OLG München, Urteil vom 13. März 2013 – 7 U 3602/11 (Falscher Tachostand als Sachmangel, Nebeneinander von Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss)
  • OLG Hamm, Urteil vom 11. Dezember 2012 – I-28 U 80/12 (Keine Beschaffenheitsvereinbarung bei Formulierung „soweit dem Verkäufer bekannt“ und „Gesamtlaufleistung nicht bekannt“; umfassender Gewährleistungsausschluss unter Privaten zulässig)
  • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. November 2012 – I-3 W 228/12 (Angaben zur Laufleistung in Internetanzeige verbindlich)
  • OLG Schleswig, Beschluss vom 27. April 2012 – 5 W 16/12 (Falscher Tachostand stellt Sachmangel dar, „einfache“ Beschaffenheitsvereinbarung wird von Gewährleistungsausschluss nicht umfasst)
  • OLG Köln, Urteil vom 13. März 2007 – 22 U 170/06 (Käufer darf grundsätzlich auf Tachostand vertrauen, ungefragte Aufklärungspflicht des Gebrauchtwagenhändlers über Austauschtacho)
  • OLG Koblenz, Urteil vom 01. April 2004 – 5 U 1385/03 („Tachostand entspricht der Laufleistung“ ist Beschaffenheitsgarantie)
  • LG Bielefeld, Urteil vom 23. Dezember 2014 – 6 O 353/13 (Abweichender Kilometerstand als Sachmangel)
  • LG Erfurt, Urteil vom 31. Juli 2013 – 3 O 601/13 („Angaben laut Vorbesitzer“ ist bloße Wissensmitteilung, aber gesteigerte Sorgfaltspflicht)
  • AG Marsberg, Urteil vom 13. Oktober 2004 – 1 C 22/04 (Laufleistung des Pkws „laut Tacho“ ist bloße Wissensmitteilung)
  • AG Rheda-Wiedenbrück, Urteil vom 28. November 2002 – 4 C 209/02 (Bei falschem Tachostand sofortiger Rücktritt ohne vorheriges Nacherfüllungsverlangen möglich)

Wann muss der Käufer Nutzungsentschädigung zahlen?

Bei einem Rücktritt vom Autokaufvertrag muss der Käufer nicht nur das Fahrzeug zurückgeben. Er muss sich auch eine Nutzungsentschädigung für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Diese Nutzungsentschädigung wird von dem zu erstattenden Kaufpreis abgezogen, das heißt der Käufer erhält weniger Geld zurück, als er beim Kauf an den Autoverkäufer gezahlt hat. Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zu dieser Thematik.

Der Grundgedanke bei der Nutzungsentschädigung ist folgender: Der Käufer hat ein Fahrzeug mit einer bestimmten zu erwartenden Gesamtkilometerleistung zu einem bestimmten Kaufpreis erhalten. Bei Rückabwicklung muss er dem Verkäufer den Verlust an verbleibenden Gesamtkilometern erstatten. Da die Fahrleistung nicht rückgängig gemacht werden kann, ist hierfür Geldersatz anzusetzen.

Wie wird die Nutzungsentschädigung bei Neuwagen berechnet?

Die Nutzungsentschädigung berechnet sich bei einem Neuwagen nach folgender Formel:

(Bruttokaufpreis) x (Anzahl gefahrener Kilometer): (Gesamtlaufleistung in Kilometern)

Beispiel:

Ein Fahrzeug hat 30.000 € inklusive Mehrwertsteuer gekostet. Der Käufer ist mit diesem Fahrzeug zwischenzeitlich 50.000 Kilometer gefahren. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung beträgt 200.000 Kilometer.

Die Nutzungsentschädigung beträgt: 30.000 € x 50.000 km: 200.000 km = 7.500 €.

Wie wird die Nutzungsentschädigung bei Gebrauchtwagen berechnet?

Beim Gebrauchtwagenkauf muss die obenstehende Formel natürlich angepasst werden, da der Käufer ja ein bereits gefahrenes Fahrzeug erwirbt. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung ist daher durch die zu erwartende Restlaufleistung ab Kauf.

Die Nutzungsentschädigung berechnet sich bei einem Gebrauchtwagen demnach nach folgender Formel:

(Bruttokaufpreis) x (Anzahl gefahrener Kilometer): (Gesamtlaufleistung in Kilometern – Tachostand bei Kauf)

Beispiel:

Ein Gebrauchtfahrzeug hat 20.000 € inklusive Mehrwertsteuer gekostet und hatte beim Kauf einen Kilometerstand von 25.000 Kilometern. Der Käufer ist mit diesem Fahrzeug zwischenzeitlich weitere 50.000 Kilometer gefahren. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs beträgt 200.000 Kilometer.

Die Nutzungsentschädigung beträgt: 20.000 € x 50.000 km: (200.000 km – 25.000 km) = 5.714,29 €.

Welche Gesamtlaufleistung ist bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung anzusetzen?

Häufig setzen Gerichte für die Berechnung der Gesamtlaufleistung eines PKW 250.000 Kilometer an. Beispiele:

  • VW Golf VI, 1,6 TDI (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. März 2020 – 7 U 100/19)
  • Mercedes-Benz A 180 CDI (OLG Koblenz, Urteil vom 09. Dezember 2019 – 12 U 555/19)
  • VW Touran 2.0 TDI (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19)
  • VW Golf GTD (OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 – 12 U 61/19)
  • VW Touran 2.0-Liter Diesel (LG Frankfurt, Urteil vom 28. März 2019 – 2-01 O 121/16)
  • VW Touran Trendline 1,6 l TDI (LG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 11. Januar 2019 – 2 O 84/18)
  • VW Golf 2,0 l TDI (LG Trier, Urteil vom 31. Oktober 2018 – 5 O 114/18)
  • Audi Q3 mit Dieselmotor EA 189 (LG Heilbronn, Urteil vom 15. August 2017 – 9 O 111/16)
  • Audi A6 mit Dieselmotor EA 189 (LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016 – 2 O 72/16)
  • Audi A1 mit Dieselmotor EA 189 (LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016 – 2 O 83/16)
  • Seat Alhambra Diesel (LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 01. September 2016 – 16 O 790/16)
  • BMW 520d (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. August 2016 – I-3 U 20/15, 3 U 20/15)
  • Audi A3 2,0 TDI (LG Frankenthal, Urteil vom 12. Mai 2016 – 8 O 208/15)
  • Volvo V 50 2.0 Momentum Diesel (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 02. Oktober 2015 – 17 U 43/15)
  • Porsche 911 996 Carrera 4 (LG Bielefeld, Urteil vom 23. Dezember 2014 – 6 O 353/13)
  • Chevrolet Orlando 1.8 (LG Berlin, Urteil vom 31. Juli 2014 – 5 O 90/13)
  • Dodge Nitro SXT 4 x 4 2.8 CRD 5 AT (LG Dortmund, Urteil vom 02. Oktober 2014 – 18 O 120/11)
  • Chevrolet Avalanche Z71 (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Januar 2014 – 9 U 233/12)
  • Opel Zafira (LG Düsseldorf, Urteil vom 04. Oktober 2013 – 6 O 247/10)
  • Alfa Romeo 159 (KG Berlin, Urteil vom 03. Juni 2013 – 25 U 49/12)
  • Fiat Ducato Diesel (LG Bremen, Urteil vom 28. Januar 2013 – 2 O 1795/11)
  • Opel Corsa D 1, 2 i (LG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2012 – 323 O 230/10)
  • Porsche Panamera Turbo (LG Arnsberg, Urteil vom 09. März 2012 – 2 O 326/10)
  • Mercedes Benz ML 400 CDI ,,Brabus“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2011 – I-1 U 141/07, 1 U 141/07)
  • Fahrzeug der Mittelklasse, ausgestattet mit einem Dieselmotor (LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 24. Februar 2012 – 2 O 126/09)
  • Landrover Range Rover (LG Koblenz, Urteil vom 28. Juni 2012 – 1 O 447/10)

Von einer Gesamtlaufleistung in Höhe von 200.000 km wurde in folgenden Fällen ausgegangen:

  • Audi Typ B 5 (OLG Rostock, Urteil vom 11. Juli 2007 – 6 U 2/07)
  • Skoda Fabia 1,6 TDI (LG Braunschweig, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 4 O 202/16)
  • Opel Tigra 1,4 l, 16 v (LG Heidelberg, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 S 22/13)
  • PKW Hyundai ix35 (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 06. Juni 2014 – 12 O 8712/12)
  • BMW M3 (343 PS) (OLG Hamm, Urteil vom 01. April 2014 – I-28 U 85/13, 28 U 85/13)
  • Kia Sorento VGT (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15. März 2012 – 5 U 103/11)
  • Reisemobil (OLG Hamm, Urteil vom 10. März 2011 – 28 U 131/10, I-28 U 131/10)

Dagegen ging das OLG Braunschweig bei einem Audi A 4 Avant 3.0 Quattro TDI von einer Gesamtlaufleistung i.H.v. 300.000 Kilometern aus (OLG Braunschweig, Urteil vom 06. November 2014 – 8 U 163/13).

Bei einem Toyota Yaris 1.33 Multi Mode Edition unterstellte das OLG München einen Nutzungsersatz i.H.v. 0,75 % des Kaufpreises je 1.000 gefahrene Kilometer, was einer Gesamtlaufleistung von etwa 133.000 Kilometern entspricht (OLG München, Urteil vom 10. April 2013 – 20 U 4749/12).

Zur Nutzungsentschädigung bei Reisemobilen siehe z.B.

Was hat es mit der 0,67-Pauschale bei Neufahrzeugen auf sich?

Bei Neufahrzeugen wurde in der Vergangenheit die Nutzungsentschädigung zwecks Vereinfachung häufig mit der „0,67-Pauschale“ berechnet. Demnach soll die Nutzungsentschädigung 0,67 Prozent des Neupreises pro gefahrenen 1.000 km betragen. Diese Pauschale geht letztlich von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung in Höhe von 150.000 Kilometern aus.

Da moderne Fahrzeuge mit modernen Motoren aber häufig länger halten, weichen Gerichte vermehrt von der 0,67-Pauschale ab und setzen stattdessen eine höhere Gesamtlaufleistung an (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Teilurteil vom 09. Juli 2014 – 3 U 226/13).

Muss eine Nutzungsentschädigung auch bei Rückabwicklung nach arglistiger Täuschung gezahlt werden?

Ja, auch ein arglistig getäuschter Autokäufer muss grundsätzlich für jeden gefahrenen Kilometer Nutzungsentschädigung leisten.

Muss auf die Nutzungsentschädigung Mehrwertsteuer berechnet werden?

Nach der herrschenden Rechtsprechung nein, da die Mehrwertsteuer bereits Teil des Bruttokaufpreises ist, welcher für die Berechnung der Nutzungsentschädigung herangezogen wird (BGH, Urteil vom 09.04.2014 , Az. VIII ZR 215/13; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2007, Az. 4 U 68/07; KG Berlin, Urteil vom 23.05.2013, Az. 8 U 58/12; LG Marburg, Urteil vom 28.01.2013, Az. 1 O 65/12)

Was passiert, wenn dem Käufer vor Rücktritt weitere Kosten für das Fahrzeug entstehen?

Fährt ein Käufer eines Fahrzeugs dieses über eine längere Zeit, ist es keine Seltenheit, dass der Käufer weitere Aufwendungen für sein Fahrzeug tätigt (zum Beispiel Reparaturkosten oder Kosten für Inspektionen). Solche Aufwendungen sind zugunsten des Käufers jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn der Verkäufer durch diese entsprechend bereichert wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.08.2008, Az. I-1 U 238/07). Nachfolgend finden Sie ein paar Gerichtsentscheidungen zu dieser Thematik:

  • Einlagerung von Sommerreifen, Ölwechsel, Batterietausch (KG Berlin, Urteil vom 03.06.2013, Az. 25 U 49/12)
  • Berücksichtigung von Anfahrten zur Werkstatt des Verkäufers (LG Freiburg, Urteil vom 10.12.2012, Az. 6 O 277/12)
  • Grundinstandsetzung des Getriebes (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.11.2012, Az. I-3 W 228/12)
  • Fehlgeschlagene Reparaturversuche einer weiteren Werkstatt (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.02.2011, Az. 3 U 66/10)
  • Unterstellkosten (LG Bonn, Urteil vom 02.09.2010, Az. 8 S 126/10)
  • Winterreifen (OLG Koblenz, Urteil vom 16.04.2009, Az. 6 U 574/08)
  • maßgefertigte Hundedecke (OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2008, Az. 28 U 17/08)
  • Inspektionskosten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.08.2008, Az. I-1 U 238/07)
  • Winterreifen, Heckspoiler, Gepäckraumnetz (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.11.2008, Az. 1 U 30/08)
  • Abschluss einer Gebrauchtwagengarantie (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2007, Az. I-1 U 59/07)
  • Winterreifen (OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2007, Az. 2 U 220/06)
  • Reparaturmaßnahmen zur Werterhaltung (OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2007, Az. 2 U 220/06)

Wie erfolgt eine Zug-um-Zug-Vollstreckung bei der Rückabwicklung eines Autokaufvertrags?

Normalerweise wird bei einer Klage auf Rückabwicklung eines Autokaufvertrags der Verkäufer vorher in Annahmeverzug gesetzt. Der Kläger kann dann einen sog. Annahmeverzugsfeststellungsantrag stellen, z.B. „Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Annahme des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.“

Sofern das nicht möglich ist oder kein Annahmeverzug durch das Gericht festgestellt wird, muss eine Vollstreckung Zug-um-Zug erfolgen. Das Problem hierbei ist häufig, dass die Rückgabe des Fahrzeugs scheitert, z.B. weil der Aufenthaltsort des Verkäufers zwischenzeitlich unbekannt ist. Dem Käufer fehlt aber häufig der Platz, um das Fahrzeug aufzubewahren. In solchen Fällen bleibt als letzte Möglichkeit, das Fahrzeug zu verwerten und den Erlös mit seiner Forderung zu verrechnen. Ein Beitrag hierzu findet sich auf den Seiten des IWW-Instituts.

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