Ich kenne zwar keine aussagekräftige Statistik, aber die meisten Anwaltskanzleien arbeiten vermutlich mit Windows-PCs. Häufig kommt dann auch spezielle Anwaltssoftware auf Windows-Basis zum Einsatz.
So handhabten wir dies auch einige Jahre in unserer kleinen, aber feinen Anwaltskanzlei (=meine Wenigkeit und zwei Mitarbeiterinnen). Nachdem wir viele Jahre mit a-jur gearbeitet haben (und damit auch recht zufrieden waren), wuchs bei mir trotzdem unaufhörlich der Wunsch, eines Tages komplett auf Apple-Computer umzusteigen.
Warum tut man sich das an? Never change a running system, heißt es doch so schön.
Der Grund ist simpel: Ich bin bereits seit vielen Jahren zufriedener Nutzer von iPhones und iPads. Gerade das iPad ist für mich zum unverzichtbaren Begleiter bei Gerichtsverhandlungen und auswärtigen Terminen geworden. Wenn ich Kollegen sehe, die dort noch mit ihren Leitz-Ordnern erscheinen, denke ich da überhaupt nicht abfällig drüber. Jeder hat eben seine Vorlieben („jeder Jeck is anders“). Trotzdem bin ich heilfroh, dass ich von dieser papierlastigen Arbeitsweise schon seit Längerem komplett weg bin. Weniger schleppen, Volltextsuche, direktes digitales Erfassen von Notizen usw. – all das sind Gründe, warum ich in unserer Kanzlei nur noch so wenig Papier wie möglich anfassen möchte. Das iPad Pro ist in diesem Zusammenhang wirklich ein geniales Gerät, das Lust auf weitere Apple-Lösungen macht.
Zwar verstehen sich iPads und iPhones heute auch ganz passabel mit Windows-PCs. So benötigt man heute auch nicht mehr diese grauenvolle Software iTunes, die früher einmal das Nadelöhr zwischen PCs und Apple-Geräten darstellte. Trotzdem bleibt die Kombination aus Windows-PCs und Apple-Gadgets für meine Begriffe immer nur eine halbherzige Lösung. Die beste Verzahnung von Smartphone, Tablet und PCs gibt es nur innerhalb des Apple-Universums.
Die Suche nach einer Anwaltssoftware für den Mac
Nachdem der Entschluss gereift war, nicht nur unterwegs, sondern auch auf dem Schreibtisch mit angebissenen Äpfeln zu arbeiten, stellte sich als Nächstes die Frage, mit welcher Software das anwaltliche Tageswerk verrichtet werden soll. Fängt man diesbezüglich an zu recherchieren, fällt das Ergebnis zunächst etwas ernüchternd aus. Anwaltssoftware gibt es meistens nur für Windows-PCs. Native Softwarelösungen für Mac sind eher spärlich gesät.
Cloud-Lösung? Nein Danke!
Es gibt natürlich einige Cloud-Lösungen, die nur einen Browser benötigen. Aber diesem Hype bin ich bislang bislang nicht zum Opfer gefallen. Ich habe bislang einfach noch zu große Vorbehalte, was solche Modelle angeht. Außerdem habe ich diesbezüglich schon einen Versuch hinter mir und bin ein gebranntes Kind, es war eine grauenhafte Erfahrung. Den Anbieter werde ich hier nicht nennen, aber ich kann versichern, dass wir über keine kleine Softwareklitsche reden, sondern einen größeren Player am Markt, der für sein Cloud-Modell ordentlich die Werbetrommel rührte. Bei dieser besagten Cloud-Lösung schaffte es der Anbieter zwar noch, uns kurzfristig den Lizenzvertrag zuzusenden. Das war es dann aber erst einmal. Das zwangsweise mit abzuschließende „Onboarding“ ließ Ewigkeiten auf sich warten. Am Ende blieb uns tatsächlich nichts anderes, als (angemessene) Fristen zu setzen. Eine Mitarbeiterin erklärte mir dann ernsthaft am Telefon, dass man diese Friste nicht einhalten könne und – noch schlimmer – überhaupt keine Einschätzung abgeben könne, wann wir überhaupt mit dieser tollen Cloud-Lösung arbeiten können. Also blieb nur noch der Rücktritt vom Vertrag. Nicht auszudenken, wie man dasteht, wenn es bei solchen Anbietern einmal Probleme im laufenden Betrieb gibt. Da bleibe ich doch lieber selbst für unsere Daten verantwortlich.
Hinzu kommt, dass solche Cloud-Lösungen meistens ziemlich teuer sind. Auch der Funktionsumfang ist bei manchen Anbietern bei näherem Hinsehen noch ziemlich lückenhaft. Jetzt mal im Ernst: Ich zahle doch kein Geld für irgendwelche Roadmaps! Ich möchte ein fertiges, funktionsfähiges System!
Mögliche Alternative: J-Lawyer
Sehr interessant wirkte in diesem Zusammenhang J-Lawyer, eine Java-basierte, multiplattformfähige Lösung. J-Lawyer ist Open Source und wird offenbar von sehr ambitionierten und technisch versierten Kollegen gepflegt. Wer auf jeden Fall eine Anwaltssoftware benutzen möchte, sollte sich das einmal näher anschauen.
Meine Entscheidung: Devonthink
Am Ende fiel meine Entscheidung auf einen ganz anderen Ansatz. Nachdem ich bei dem Kollegen Hansen-Oest gelesen hatte, dass dieser sehr begeistert mit Devonthink arbeitet, überkam mich ein angenehmes Deja-Vu. An diesem Programm hatte ich mich selbst schon vor einigen Jahren privat versucht, als ich einen der ersten Mac Minis mein Eigen nannte. Devonthink war schon damals sehr beeindruckend.
Was ist Devonthink?
Devonthink ist ein unglaublich mächtiges Tool, mit dem man gerade als Anwalt hervorragend arbeiten kann. Vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Dokumentenverwaltung, garniert mit einer überragenden Suchfunktion. Letztere ist gewissermaßen so etwas wie Google für den eigenen Computer. Man kann alle möglichen Dokumente in die Datenbank schmeißen, gruppieren, mit Schlagworten (Tags) versehen, Erinnerungen hinzufügen und noch vieles mehr. Gerade die Suchmöglichkeiten machen dieses Programm für jeden Wissensberuf interessant, geht es doch meistens darum, die Nadel im Informationshaufen wiederzufinden. Wie oft überlegt man bei herkömmlichen Aktenverwaltungssystemen: „In welcher Sache gab es noch mal diese Gerichtsentscheidung, die mir hier jetzt auch weiterhelfen könnte?“. Mit Devonthink stehen die Chancen ausgezeichnet, solche Informationen viel, viel schneller als mit anderen Systemen wiederfinden zu können.
Wer Interesse an dieser Lösung hat, dem kann ich nur wärmstens empfehlen, sich hiermit einmal näher vertraut zu machen. Die Optik und der Funktionsumfang von Devonthink wirken am Anfang etwas abschreckend. Aber wenn man das Programm einmal anfängt zu verstehen, bietet es für jeden „verschiedenste Wege nach Rom“ oder verschiedenste Wege, die mühsam gesammelten Informationen wiederzufinden.
Devonthink ist keine Anwaltssoftware!
Eines muss klar sein: Devonthink ist keine Anwaltssoftware, die sämtliche kanzleitypischen Arbeiten komplett abdeckt (oder ich kenne mich einfach bislang nicht gut genug damit aus). Es gibt aber auch andere geniale Programme für Mac, die man ausgezeichnet mit Devonthink zusammen verwenden kann und welche die typischen Anforderungen einer Anwaltskanzlei abdecken, z. B.
- die Kontakte-App von Apple (mit beim Mac dabei)
- die Erinnerungen-App von Apple (mit beim Mac dabei)
- die Kalender-App von Apple (mit beim Mac dabei)
- Things 3 (Aufgabenverwaltung)
- Omnifocus (Aufgabenverwaltung)
- TextExpander (Textbausteinverwaltung)
- Phraseexpress (Textbausteinverwaltung)
- Ulysses (Schreibprogramm für „fokussiertes“ Schreiben)
Braucht man überhaupt noch Microsoft Office?
Die typische Frage, die bei solchen Wechselüberlegungen aufkommt: Was ist denn mit Word, Excel, Powerpoint und Outlook? Die gibt es zwar auch für Mac, aber bei näherem Überlegen bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass wir hierauf erst einmal verzichten können. Schließlich wird auch bei Mac-Computern eine sehr brauchbare Office-Suite mitgeliefert (Pages, Numbers, Keynote). Und das originale Mail-Programm ist auch alles andere als übel.
Fazit: Es muss nicht immer klassische Anwaltssoftware sein
Natürlich ist eine klassische Anwaltssoftware zunächst die einfachste Lösung, bekommt man doch alle erforderlichen Funktionen aus einer Hand. Darin liegt aber auch zugleich ein großer Nachteil: Wird die eine oder andere Funktion vom Hersteller nur halbherzig implementiert, muss man diese Kröte eben mit schlucken.
Der Verzicht auf eine spezielle Anwaltssoftware ermöglicht einem, sich für einzelne Aufgaben das jeweils beste Tool herauszusuchen. Für die Führung der Handakten ist dies in unserem Fall Devonthink geworden.