In diesem Beitrag finden Sie eine Sammlung interessanter Urteile zum Thema Anwaltshaftung.
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Wiedereinsetzung bei Vertrauen auf die Fristverlängerung
Das Vertrauen auf eine Fristverlängerung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann rechtfertigen, wenn der Fristverlängerungsantrag die erforderliche Form wahrt. Ob ein nach dem 1. Januar 2022 eingegangener Fristverlängerungsantrag formgerecht ist, richtet sich nach § 130d ZPO.
Unverzüglich ist die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments nur, wenn sie zeitlich unmittelbar erfolgt. Hierbei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, innerhalb welcher Zeitspanne die Glaubhaftmachung zu erfolgen hat. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls kann auch die Nachholung der Glaubhaftmachung vor Ablauf einer Woche nicht mehr unverzüglich sein (hier: Nachholung nach zwei Tagen).
(BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 – V ZB 15/22)
Sofortige Beschwerde durch Rechtsanwalt ist elektronisch zu übermitteln
Die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch einen Rechtsanwalt erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 569 Abs. 2, 130d ZPO die elektronische Übermittlung.
Zur (hier versagten) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall der Versäumung der Einlegungsfrist.
(BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 124/22)
Sicherstellung der Einhaltung von Rechtsmittelfristen
Werden einem Rechtsanwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung vorgelegt, hat er den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen eigenverantwortlich zu prüfen.
Die Einhaltung einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen.
(BGH, Beschluss vom 17. Mai 2023 – XII ZB 533/22)
Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Eingangs eines Fristverlängerungsantrags
Zur Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Eingangs eines nicht zu den Gerichtsakten gelangten Fristverlängerungsantrags (hier: Berufungsbegründungsfrist) bei Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs.
(BGH, Beschluss vom 30.03.2023 – III ZB 13/22)
Überprüfungspflicht beim beA-Versand – Vergabe sinnvoller Dateinamen
Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes (hier: Berufungsbegründung) über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordert auch die Prüfung anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens, ob sich die erhaltene automatisierte Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte.
(BGH, Beschluss vom 21.03.2023 – VIII ZB 80/22)
Berufungsschrift ohne beigefügtes Urteil
Wenn in einer Berufungsschrift, der das angefochtene Urteil nicht beigefügt ist, das Aktenzeichen und das Verkündungsdatum nicht oder nicht zutreffend angegeben sind, steht dies der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen, sofern das Berufungsgericht und die gegnerische Partei anhand der innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen das angefochtene Urteil dennoch zweifelsfrei bestimmen können.
(BGH, Beschluss vom 14.03.2023 – X ZB 4/22)
Verschulden bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung
Die Vermutung fehlenden Verschuldens, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist, entfällt im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nur dann, wenn sich das anwaltliche Mandat auf die Angelegenheit bezieht.
(BGH, Beschluss vom 01.03.2023 – XII ZB 18/22)
Benutzung eines Telefax kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist
Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erfassung des Beginns der Sendezeit und der Übertragungszeit bei der Versendung einer Berufungsbegründung per Telefax kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist.
(BGH, Beschluss vom 21.02.2023 – VIII ZB 17/22)
Pflicht zur umfassenden Belehrung
Ein Rechtsanwalt ist im Rahmen des ihm erteilten Mandates verpflichtet, den Auftraggeber umfassend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Droht dem Mandanten ein Rechtsverlust, hat er diesem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.
(BGH, Urteil vom 17. März 2016 – IX ZR 142/14)
Belehrungspflicht gegenüber Rechtsanwälten
Eine Rechtsanwaltssozietät ist auch dann verpflichtet, über die Erfolgsaussichten eines von der Mandantin beabsichtigten Rechtsstreits zu belehren, wenn das Mandat von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erteilt worden ist, deren Geschäftsführer und Gesellschafter selbst Rechtsanwälte und Mitglieder der beauftragten Sozietät sind.
(BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 – IX ZR 125/10 –, BGHZ 193, 193-219)
Keine Pflicht des Anwalts auf Lieferung einer vollständigen rechtlichen Analyse
Der Anwalt muss dem Mandanten nicht notwendig eine vollständige rechtliche Analyse, sondern allein die Hinweise liefern, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage vermitteln. Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen.
(BGH, Urteil vom 01. März 2007 – IX ZR 261/03 –, BGHZ 171, 261-275)
Warn- und Hinweispflicht außerhalb des Mandats
Ein Rechtsanwalt ist nur dann zu Warnungen und Hinweisen außerhalb des ihm erteilten Mandats verpflichtet, wenn er die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten kannte, aus denen die dem Mandanten drohende Gefahr folgte, oder wenn diese offenkundig waren.
Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen einer über das Mandat hinausgehenden Warn- und Hinweispflicht des rechtlichen Beraters ist der Mandant.
(BGH, Urteil vom 21.06.2018 – IX ZR 80/17)
Orientierung an der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Der Mandant kann von seinem Rechtsanwalt die Kenntnis der einschlägigen Rechtsnormen erwarten, bei deren Auslegung er sich grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen sind in der Regel an der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten.
(BGH, Urteil vom 17. März 2016 – IX ZR 142/14)
Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Die Frage, ob dem Mandanten dadurch ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist, daß infolge eines Fehlers des rechtlichen Beraters im Ausgangsverfahren eine ihm ungünstige Entscheidung getroffen wurde, ist auf der Grundlage der damals geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beurteilen. Eine spätere Änderung dieser Rechtsprechung oder eine abweichende Auffassung des Regreßrichters sind in der Regel rechtlich unerheblich.
(BGH, Urteil vom 28. September 2000 – IX ZR 6/99 –, BGHZ 145, 256-265)
Umfassende Darlegung der Sach- und Rechtslage
Ein Rechtsanwalt ist im Zivilprozess über den Tatsachenvortrag hinaus verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist. Daher muss der Rechtsanwalt alles – einschließlich Rechtsausführungen – vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann.
(BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 – IX ZR 272/14)
Pflicht zur aktiven Nachforschung beim Mandanten
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es die Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann. Er darf sich nicht ohne weiteres mit dem begnügen, was sein Auftraggeber ihm an Informationen liefert, sondern muß um zusätzliche Aufklärung bemüht sein, wenn den Umständen nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und deren Bedeutung für den Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich ist.
(BGH, Urteil vom 07. Februar 2002 – IX ZR 209/00)
Pflicht zum Beschreiten des sichersten Weges
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dafür zu sorgen, daß er vermeidbare Nachteile für seine Auftraggeber auch vermeidet. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, die die sicherste und gefahrloseste ist, und wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist.
(BGH, Urteil vom 25. Juni 1974 – VI ZR 18/73)
Pflicht zu rechtzeitigem Sachvortrag
Der Rechtsanwalt ist zu rechtzeitigem Vortrag verpflichtet und muss damit verhindern, dass einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden.
(BGH, Urteil vom 13. Juni 2013 – IX ZR 155/11)
Keine abstrakte Bezugnahme auf umfangreiche Anlagen
Gerichte sind nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich ausdurchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren.
(BGH, Beschluss vom 02.10.2018 – VI ZR 213/17)
Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer gemeinsamen Scheidungsberatung
Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sich in ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat der Anwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen.
(BGH, Urteil vom 19. September 2013 – IX ZR 322/12)
Aufklärung der Prozessaussichten vor Berufungsrücknahme
Der Berufungsanwalt darf dem Anraten, das Rechtsmittel zurückzunehmen, nicht folgen, ohne dass sein Mandant über die Möglichkeiten der Prozessordnung, gegen die vorläufige Auffassung des Gerichts sprechende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte in der Instanz oder durch ein Rechtsmittel zur Geltung zu bringen, so aufgeklärt worden ist, dass er die wägbaren Prozessaussichten beurteilen kann.
(BGH, Urteil vom 11. April 2013 – IX ZR 94/10)
Keine Pflicht des Rechtsanwalts zur Berechnung von Renditeaussichten
Es ist nicht Aufgabe eines Rechtsanwalts, dem Mandanten grundlegende Entschlüsse in dessen Angelegenheiten abzunehmen. Dazu gehören insbesondere betriebswirtschaftliche Fragestellungen, z.B. welche Rendite künftig aus einer Fondsbeteiligung zu erwarten ist. Es obliegt dann dem Mandanten zu beurteilen, ob er das Aufrechterhalten der Fondsbeteiligung zu günstigeren Konditionen als wirtschaftlich vorteilhaft erachtet.
(BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 – IX ZR 178/11)
Beratungspflichten bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs
Zu den Pflichten eines Anwalts, der den Mandanten beim Abschluß eines Abfindungsvergleichs berät.
(BGH, Urteil vom 08. November 2001 – IX ZR 64/01)
Vorherige Rücksprache vor Abschluss eines Abfindungsvergleichs
Ein Rechtsanwalt darf einen bindenden Abfindungsvergleich mit nicht unerheblicher Tragweite regelmäßig nur schließen, wenn sein Mandant hierüber belehrt ist und zugestimmt hat.
(BGH, Urteil vom 21. April 1994 – IX ZR 123/93)
Warnung vor wirtschaftlichen Risiken
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Rechtsanwalt kraft des Anwaltsvertrages verpflichtet, die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er muß den Mandanten auch über konkrete wirtschaftliche Gefahren der beabsichtigten Vorgehensweise und die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln aufklären.
(BGH, Urteil vom 27. November 1997 – IX ZR 141/96)
Hinweis auf Risiken eines Umgehungsgeschäfts
Ein Rechtsanwalt, der an einer Vertragsgestaltung zur Vermeidung eines gesetzlichen Verbots mitwirkt, muß seinen Auftraggeber auf rechtliche Zweifel und Gefahren, die sich aus der vorgeschlagenen Gestaltung ergeben, auch dann hinweisen, wenn diesem das Verbot als solches bekannt ist.
(BGH, Urteil vom 06. Februar 1992 – IX ZR 95/91)
Hinweis auf Risiken eines formularmäßigen Abtretungsverbots
Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts, der eine Klage aus abgetretenem Recht in Erwägung zieht, obwohl der Vertrag des Zedenten mit dem Schuldner ein formularmäßiges Abtretungsverbot enthält.
(BGH, Urteil vom 29. April 2003 – IX ZR 54/02)
Belehrung über den Kleinbetriebseinwand im Kündigungsschutzverfahren
Zur haftungsausfüllenden Kausalität, wenn ein Rechtsanwalt, der einen Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozeß vertritt, seinen Mandanten nicht über den Kleinbetriebseinwand im Sinne des KSchG § 23 Abs 1 Satz 2, 3 belehrt.
(BGH, Urteil vom 18. November 1999 – IX ZR 420/97)
Belehrung über zivilrechtliche Risiken eines Vermögenserwerbs
Rät ein Anwaltsnotar, der als Rechtsanwalt die steuerliche Beratung eines Mandanten übernommen hat, diesem aus steuerlichen Gründen zum Erwerb einer bestimmten Eigentumswohnung und beurkundet dann, nachdem der Mandant sich zum Kauf entschlossen hat, als Notar den Kaufvertrag, so gehört die dem Kaufentschluß vorangegangene Beratung zur anwaltlichen Tätigkeit.
Die Pflichten eines Rechtsanwalts, der einen Mandanten steuerlich berät, beurteilen sich nach denselben Grundsätzen wie bei der Beratung in anderen Rechtsangelegenheiten.
Empfiehlt der Anwalt aus steuerlichen Gründen einen bestimmten Vermögenserwerb, so hat er den Mandanten in der durch die Sachlage gebotenen Weise auch umfassend über die mit dem Geschäft zusammenhängenden zivilrechtlichen Fragen zu belehren und vor Risiken zu bewahren, die sich erkennbar aus diesem Rechtsbereich ergeben.
(BGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 – IX ZR 175/86)
Hinweis auf mögliche Regressansprüche gegen Dritte
Hat der Rechtsanwalt eine zu einem bestimmten Zeitpunkt gebotene Maßnahme unterlassen und entsteht dem Mandanten daraus später ein Schaden, ist dieser dem Rechtsanwalt grundsätzlich selbst dann zuzurechnen, wenn der Mandant das Auftragsverhältnis zu einem Zeitpunkt gekündigt hat, als der Schaden noch vermieden werden konnte.
Hat der Rechtsanwalt durch eine schuldhafte Vertragsverletzung verursacht, daß Ansprüche des Mandanten verjährt sind, wird der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht bereits dadurch unterbrochen, daß der Mandant vor Ablauf der Verjährungsfrist einen anderen Rechtsanwalt mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen den ersten Anwalt beauftragt.
(BGH, Urteil vom 29. November 2001 – IX ZR 278/00)
Hinweis auf mögliche Regressansprüche gegen Dritte
Der Anwalt ist auch dann verpflichtet, seinen Auftraggeber auf die drohende Verjährung von Ansprüchen gegen einen Dritten hinzuweisen, wenn sein Mandat nur die Vertretung in einem bestimmten Rechtsstreit umfaßt, für ihn jedoch ersichtlich ist, daß bei Verlust des Prozesses Ansprüche gegen einen Dritten in Betracht kommen, und der Auftraggeber insoweit nicht anderweitig beraten wird. Der Anwalt hat den Mandanten in diesem Falle rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung des eventuellen Anspruchs gegen den Dritten zu belehren; er darf sich grundsätzlich nicht darauf verlassen, daß ein sogenannter Sekundäranspruch entsteht.
(BGH, Urteil vom 29. April 1993 – IX ZR 101/92)
Hinweis auf drohende Verjährung, die vom Anwalt mit verursacht wurde
Droht dem Auftraggeber aus der Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit erkennbar ein Schaden, weil er sich mangels Kenntnis der Rechtslage der Gefahr nicht voll bewußt ist, so muß der Rechtsanwalt bei Mandatsende jedenfalls dann auf die Gefahr (konkret: des baldigen Verjährungseintritts) hinweisen, wenn er sie zuvor durch Untätigkeit mitverursacht hat.
(BGH, Urteil vom 28. November 1996 – IX ZR 39/96)
Aufklärung eines Arbeitgebers über die Risiken einer fristlosen Kündigung
Wenn ein Rechtsanwalt einen Arbeitgeber nicht über die erheblichen Risiken einer fristlosen Kündigung eines Arbeitnehmers aufklärt und dadurch verhindert, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vollwertig weiterbeschäftigt, muß er seinem Mandanten den infolge unzureichender Belehrung entstehenden Schaden ersetzen.
(BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – IX ZR 365/99)
Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original bei einseitigem Rechtsgeschäft
Nimmt der Rechtsanwalt für seinen Auftraggeber ein einseitiges Rechtsgeschäft vor, ohne die Vollmachtsurkunde im Original vorzulegen, handelt er pflichtwidrig, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muß, daß dem Mandanten im Streitfall nicht unerhebliche Rechtsnachteile entstehen, weil er nicht zu beweisen vermag, den Gegner vorher von der Bevollmächtigung seines Anwalts in Kenntnis gesetzt zu haben.
(BGH, Urteil vom 10. Februar 1994 – IX ZR 109/93)
Belehrungspflicht des Anwalts über Schadensersatzanspruch gegen sich selbst
Auch ein neues Mandat kann bei begründetem Anlaß den Anwalt verpflichten, seinen Auftraggeber über einen aus dem alten Mandat gegen ihn herzuleitenden Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung zu belehren.
(BGH, Urteil vom 10. Oktober 1985 – IX ZR 153/84)
Belehrung über Insolvenzrisiken bei der Sicherungsvollstreckung
Ein Rechtsanwalt, der einen Gläubiger wegen der Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil berät, muß diesen über das Risiko mangelnder Insolvenzfestigkeit der Sicherungsvollstreckung belehren, wenn er weiß oder wissen muß, daß der Schuldner in angespannten finanziellen Verhältnissen lebt und seinen Sitz in den neuen Bundesländern hat oder ihn dorthin verlegen will.
(BGH, Urteil vom 06. Juli 2000 – IX ZR 198/99)
Notierung von Vorfristen
Der Anwalt muss durch allgemeine Anweisung im Rahmen der Büroorganisation sicherstellen, dass bei Eintragung einer Rechtsmittelbegründungsfrist in den Fristenkalender zugleich eine ausreichende Vorfrist eingetragen wird; unter dieser Voraussetzung kann er, wenn in der Handakte die Hauptfrist notiert und ein Erledigungsvermerk über die Eintragung in den Fristenkalender enthalten ist, grundsätzlich davon ausgehen, dass bei der Eintragung auch die Vorfrist weisungsgemäß ermittelt und in den Fristenkalender übernommen worden ist.
(BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – V ZB 227/17)
Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Fristversäumnis
Wird wegen einer versäumten Frist ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt, muss konkret vorgetragen werden, auf welche Art und Weise es zur Fristversäumung gekommen ist und wer diese verschuldet hat. Erforderlich ist eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe.
(BGH, Beschluss vom 15.02.2018 – I ZB 51/17)
Auskunftsanspruch über Berufshaftpflichtversicherung
Der Auskunftsabspruch des Mandanten gemäß § 51 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 BRAO ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Rechtsanwalt insolvent ist oder sein Aufenthaltsort unbekannt ist und dem Mandanten insoweit ein Direktanspruch gegen den Versicherer zusteht.
(BGH, Urteil vom 22. Oktober 2012 – AnwZ (Brfg) 60/11)
Richter aus Vorprozess darf mit Erlass der Entscheidung im Anwaltshaftungsprozess befasst sein
Die Mitwirkung der im Vorprozess mit der Sache befassten Richter bei dem Erlass der Entscheidung im späteren Anwaltshaftungsprozess stellt weder einen gesetzlichen Ausschlussgrund noch einen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit dar.
(BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – IX ZB 65/13)
Kein Schaden, wenn Vorprozess im Ergebnis richtig entschieden wurde
Geht ein Rechtsstreit wegen eines Anwaltsfehlers verloren, ist ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt nicht gegeben, wenn das Ergebnis des Vorprozesses dem materiellen Recht entspricht.
(BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – IX ZR 207/11)
Keine Kürzung der Anwaltsvergütung wegen Pflichtverletzung
Der Vergütungsanspruch aus einem Anwaltsdienstvertrag kann wegen einer unzureichenden und pflichtwidrigen Leistung des Rechtsanwalts nicht gekürzt werden oder in Wegfall geraten.
(BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 – IX ZR 256/03)
Vereitelt der Rechtsanwalt durch seine Pflichtverletzung einen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten, liegt darin in der Regel ein Schaden, der dem Vergütungsanspruch entgegengehalten werden kann.
Eigene Rechtskenntnisse des Mandanten begründen für sich kein Mitverschulden
Die Fristenkontrolle gehört zum ureigenen Aufgabenbereich des Rechtsanwalts. Hat er es bei einem uneingeschränkten Anwaltsvertrag versäumt, dafür Sorge zu tragen, daß die Rechte des Mandanten gegen eine drohende Verjährung gesichert werden, so kann er kein Mitverschulden daraus herleiten, daß der Mandant selbst rechtskundig ist und in der Lage gewesen wäre, den Fall unter Kontrolle zu halten.
(BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 – IX ZR 41/91)
Mitverschulden des Mandanten durch Verletzung seiner Informationspflichten
Verletzt der Mandant schuldhaft seine Informationspflicht und wird das Informationsverschulden mitursächlich für den letztlich durch eine anwaltliche Fehlleistung eingetretenen Schaden, kann der Schadensersatzanspruch durch Mitverschulden gemindert sein.
(BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – IX ZR 14/98)
Kein Vermögensschaden bei fehlender Vollstreckungsabsicht
Wird das Prozeßziel wegen eines Anwaltsfehlers verfehlt, besteht der Vermögensschaden des Mandanten, wenn er den erstrebten Titel nicht hätte durchsetzen wollen, nicht im Verlust der klageweise geltend gemachten Forderung.
(BGH, Urteil vom 18. März 2004 – IX ZR 255/00)
Anwendbarkeit der regelmäßigen Verjährungsfrist
Ansprüche gegen Rechtsanwälte verjähren seit dem 15. Dezember 2004 nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff BGB. Danach ist ein Regressanspruch nach drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Mandant von der Person des Schuldners und von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, verjährt.
(BGH, Urteil vom 06. Februar 2014 – IX ZR 217/12)
Beginn der Verjährungsfrist
Die Verjährung eines gegen einen rechtlichen Berater gerichteten Ersatzanspruchs beginnt zu laufen, wenn der Mandant den Schaden und die Pflichtwidrigkeit des Beraters erkannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat.
(BGH, Urteil vom 06. Februar 2014 – IX ZR 245/12 –, BGHZ 200, 172-179)
Verjährungsfrist beginnt nicht durch bloße Kenntnis von Rechtsverlust zu laufen
Eine Kenntnis der den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn dem Mandanten Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist. Er muss auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn – zumal wenn er juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder er Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren.
(BGH, Urteil vom 06. Februar 2014 – IX ZR 217/12)
Beginn der Verjährungsfrist bei Fortsetzung des Rechtsstreits
Rät ein Rechtsanwalt zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel auch dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.
(BGH, Urteil vom 06. Februar 2014 – IX ZR 245/12 –, BGHZ 200, 172-179)
Beginn der Verjährungsfrist bei Versäumnis einer Ausschlussfrist
Zum Beginn des Laufs der Verjährung bei Versäumung einer Ausschlussfrist infolge unterlassener anwaltlicher Beratung.
(BGH, Urteil vom 25. April 2013 – IX ZR 65/12)
Beginn der Verjährungsfrist bei Entstehung von Aussetzungszinsen
Beruht der Schadensersatzanspruch des Mandanten auf einer fehlerhaften Beratung hinsichtlich des Entstehens von Aussetzungszinsen, so beginnt der Lauf der Verjährung mit der Bekanntgabe des (ersten) Bescheides, durch den die Vollziehung ausgesetzt wird.
(BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – IX ZR 108/12)
Zurechnung von Kenntnis des späteren Rechtsanwalts
Der Mandant hat in der Regel keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Schaden und Schädiger, wenn der von ihm beauftragte Steuerberater, gegen den sich der Anspruch richtet, die in einem Steuerbescheid oder einem Schreiben des Finanzamts enthaltene Rechtsansicht als unrichtig bezeichnet und zur Einlegung eines Rechtsbehelfs rät.
Der Mandant muss sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis eines Rechtsanwalts zurechnen lassen, den er mit der Durchsetzung des Ersatzanspruchs gegen einen früheren Berater beauftragt hat. Eine Zurechnung kommt regelmäßig auch dann in Betracht, wenn der Mandant den Rechtsanwalt mit der Fortsetzung oder Überprüfung des dem späteren Anspruchsgegners erteilten Mandats beauftragt hat.
(BGH, Urteil vom 25.10.2018 – IX ZR 168/17)
Beweislast des Mandanten für Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Schaden
Im Anwaltshaftungsprozess hat der Mandant auch dann zu beweisen, dass die Pflichtverletzung des Anwalts für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist, wenn dem Anwalt ein grober Fehler unterlaufen ist.
(BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – IX ZR 107/12)
Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Schaden bestimmt sich nach den Regeln des Anscheinsbeweises
In Fällen der Rechts- und Steuerberaterhaftung bestimmen sich die Beweiserleichterungen für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises.
(BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14)
Beweislast des Mandanten für Durchsetzbarkeit des Anspruchs im Vorprozess
Der Auftraggeber hat den Nachweis zu führen, dass er den mit der Ausgangsklage geltend gemachten Anspruch gegen seinen Schuldner ohne die anwaltliche Pflichtverletzung hätte durchsetzen können. Hierbei hat das Gericht über die Frage, wie der Vorprozess nach Auffassung des Schadensersatzrichters richtigerweise hätte entschieden werden müssen, nach den Grundsätzen des § 287 ZPO Feststellungen zu treffen.
(BGH, Urteil vom 24. September 2015 – IX ZR 206/14)
Vom Anwalt vereitelter Anspruch muss durchsetzbar gewesen sein
Wird ein Rechtsanwalt wegen der Vereitelung eines Anspruchs seines Mandanten in Regress genommen, setzt eine Verurteilung voraus, dass der vereitelte Anspruch durchsetzbar gewesen wäre.
(BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – IX ZR 164/11)
Beweislast bei Beratungsverschulden und mehreren Handlungsalternativen des Mandanten
Lässt der Mandant offen, für welche von mehreren möglichen Vorgehensweisen er sich bei pflichtgemäßer Beratung entschieden hätte, ist die notwendige Schadenswahrscheinlichkeit nur gegeben, wenn diese sich für alle in Betracht kommenden Ursachenverläufe – nicht notwendig in gleicher Weise – ergibt; sie muss für alle diese Ursachenverläufe dargelegt und bewiesen werden.
(BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14)
Kein Anscheinsbeweis, wenn korrekter Rat des Anwalts nicht befolgt wird
Ein Mandant, der einen richtigen Vorschlag des Anwalts ablehnt, kann sich im Haftungsprozess nicht auf die Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens berufen.
(BGH, Urteil vom 01. März 2007 – IX ZR 261/03 –, BGHZ 171, 261-275)
Beweiserhebung durch beiderseitige Parteivernehmung
Über den tatsächlichen Inhalt eines zwischen einem Mandanten und seinem rechtlichen Berater geführten Beratungsgesprächs ist in Ermangelung sonstiger Beweismittel eine beiderseitige Parteianhörung vorzunehmen.
(BGH, Urteil vom 09. Juni 2011 – IX ZR 75/10)